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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 10

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Erster Teil
St. Jean d’Angeli
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Zehntes Kapitel

In dem prunksüchtigen Jahrhundert Königs Philipp, und gerade an seinem Hof, der alles in sich vereinigte, was auf den Namen Pracht und Glanz Anspruch machte, war die Hofhaltung der Königin das Glänzendste, was je ein Auge erblickte. Johanna von Evreux war von der Natur mit so hohen Reizen begabt worden, dass sie ihrem Gemahl würdig zur Seite stand. Neben Philipp dem Schönen noch schön zu heißen, das war alles, was einer Frau vor dem ganzen Geschlecht den Vorzug geben konnte. Johanna war nicht von jenen Frauen, welche ihre Umgebung absichtlich zum Kontrast für ihre Schönheit nehmen, wie man etwa ein Geschmeide von Diamanten auf schwarzen Samt legt; oder nur darum lasterhaft erscheinen will, um etwas Tugendsames heller leuchten zu lassen. Nein, Königin Johanna war zu hohen Geistes, als dass sie auf Kosten anderer sich bevorzugen sollte. Die Frauen ihres Hofes, eine jede von ihnen war ein Muster der Frauenschöne, und dennoch überstrahlte die Königin sie alle. Freilich nicht mehr in der Jugend rosigem Schimmer, aber würdevoll eine Frau, zur Königin geboren, zu der Herrschaft über Geist und Herz. Johannas Umgebung bildete die höchste Schule damaligen guten Geschmacks. Welchem Jüngling das Glück zuteilgeworden war, hier mit Beifall aufgenommen zu werden, dessen Lebensglück war verbürgt. Das Seltenste aber, das kaum Glaubliche war, dass all ihre Frauen König Philipps Gemahlin mit Freuden dienten, dass keine sie um den Besitz eines so schönen Mannes beneidete. Wenn nicht die steife Form des Hofes in Gegenwart anderer Fesseln gebot, dann war die Königin mit ihren Damen einer einzigen Familie zu vergleichen, in welcher sie selbst als Mutter verehrt wurde. Heute freilich durfte von solch einem Vernehmen keineswegs die Rede sein, denn der König wollte im Garten erscheinen. Man war an ihm gewohnt, dass er streng auf jenen Glanz hielt, der die königliche Würde zu begleiten pflegt.

Hohe glatt geschnittene Taxuswände, dicht belaubt, dass kein Auge sie durchdringen konnte, umschlossen in der Mitte des Gartens einen ziemlich großen Platz, wo der König gewöhnlich seiner Frau begegnete. Vier bogenförmige Eingänge führten dahin. Es lohnte der Mühe, die geschmackvolle Einrichtung, welche Philipp hier getroffen hatte, in Augenschein zu nehmen, doch war dieses nur dann erlaubt, wenn der König und sein Hofstaat sich nicht im Louvre befunden. In den Taxuswänden waren, dem Auge unbemerkbar, Säulen angebracht, von welchen Bögen ausgingen, die sich zu einer Kuppel vereinigten. Der Mittelpunkt dieser Kuppel, ein Kreis von großem Umfang, enthielt ein aus vielen Stücken zusammengefügtes Glasgemälde und stellte die Himmelsmutter mit dem Sohn dar. Gold und andere glänzende Farben leuchteten in einem ganz eigenen Zauber, wenn die Sonne ihre Strahlen auf das durchsichtige Gemälde warf. Die Räume zwischen den Bögen waren auf eine ähnliche, nicht minder kostbare Weise ausgefüllt: mattbläuliches Glas, mit silbernen Sternchen, erschien wie das Himmelsgewölbe, getragen von den grün vergoldeten Bögen. Der ganze innere Raum dieses königlichen Aufenthaltes, ein herrlicher Dom, war so reich ausgestattet, dass er den Namen eines Göttersitzes verdiente. Ein kostbarer Fußteppich bedeckte den Boden, in dessen Mittelpunkt sich ein aus weißem Marmor gearbeitetes Bassin befand, dessen klares Wasser auf künstliche Weise vier Schwäne einander zuspritzten, sodass der durch Gold hereindringende Sonnenstrahl gar lieblich auf den feinen Wasserstrahlen hüpfte. Rings um das Bassin blühten die schönsten und seltensten Blumen und Gewächse, eigens zu dem Behuf aus dem Morgenland hergebracht. Es schien, als ob sie hier besseres Gedeihen fänden als unter dem Glutstrahl der Sonne ihres mütterlichen Bodens. Über die Taxuswände herab fielen lange Streifen roten und weißen Samts, jene mit Gold, diese mit Silber verbrämt. Die Streifen liefen nach unten spitz zu, und jeder derselben endete in einem Quast von Silber oder Gold, eben den kostbaren Teppich des Bodens berührend. Auf der Westseite in diesem luftigen Gebäude war der erhabene Sitz für das königliche Paar mit solchem Reichtum erbaut und geordnet, dass er den Vorzug also gleich selbst verkündete. Thronartig erhob er sich mit feinen vergoldeten Füßen und Lehnen, nur für zwei Raum bietend, in rotem Samt die Wappen von Frankreich und Navarra tragend. Drei Stufen führten zu ihm hinauf, eine jede so breit, dass auf der obersten Stufe ein Sessel, auf der zweiten zwei, und auf der dritten drei Sessel Raum hatten. Diese Sitze auf den Stufen waren für diejenigen bestimmt, welche dem König oder der Königin nah, näher und zunächst standen. Dem übrigen Hof waren die vielen Sitze rings in diesem Feenaufenthalt bestimmt.

So majestätisch nun auch dieser königliche Sitz sein mochte, so wurde seine Schönheit doch erst ganz vollkommen, wenn Philipp und die Navarrerin in ihren strahlenden Gewändern den Thron eingenommen hatten. Auf den Stufen neben dem königlichen Paar, auf den erhabensten Sitzen nächst ihnen erblickte man Ludwig, den ältesten Sohn des Königs Philipp, dessen ersten Atemzug schon sein Königreich Navarra begrüßte: lang und hager. Nicht allein das Zepter hatte er von seiner Mutter geerbt, nicht allein die Aussicht auf die glänzendste Krone in der Christenheit von seinem Vater, sondern auch der edle Anstand der beiden war auf ihn übergegangen.

Dann Philipp, Graf von Poitiers, des Königs Zweitgeborner; seinen dritten Sohn Carl, Graf de la Manche, und nach diesem Robert, dessen Pate Jacob von Molay war, der Großmeister des Tempelherrenordens. Auch die Brüder des Königs, Carl, Graf von Valois und Ludwig, Graf von Evreux, waren dann zugegen, sie alle reihten sich an den König. Im glänzendsten Ritterschmuck schloss sich ihnen der übrige Hof desselben an, während der Königin überaus reizendes Damengefolge den Rittern gegenübersaß. Das Auffallendste bei einer so lebensmutigen wie prächtigen Erscheinung war dann Wilhelm von Paris. Er durfte sich seinen Platz wählen, wo er wollte, und nicht selten musste ihm ein königlicher Prinz den seinen räumen. Heute aber schien der Dominikaner anspruchsloser als jemals; war es doch, als ob für ihn heute gar nichts wichtig wäre. Er stand an dem bogenförmigen Eingang, dem königlichen Paar gerade gegenüber.

Und hierher sollte Margot kommen? Die Tochter des Waffenschmiedes von Beziers? Das Mädchen im grauen Gewand mit blauen Stahlspangen? Wie war es möglich, dass Wilhelm von Paris seine Seligkeit verwetten konnte, das anspruchslose Kind dürfte mit der schönsten Dame des Hofes ob der Schönheit in die Schranken treten? Auch der König bedachte das und ließ daher schärfer als jemals den prüfenden Blick auf den Frauen der Königin haften. Am längsten verweilte er bei einer der jüngeren Damen, welche anerkannt die schönste Frau in Frankreich war. Aus dem Geschlecht der Malhac entsprossen, war Heloise die muthmaßliche Erbin sämtlicher Güter des Geschlechtes, indem ihr Bruder, Peter von Malhac, von seinen Eltern schon als Knabe in den Tempelherrenorden eingekauft wurde. Der König verzweifelte an seines Beichtvaters Seligkeit, und eben heute war Heloise wunderbar schön zu nennen.

Alles hatte sich vereinigt, um den Glanz dieser Versammlung des Hofes auf das Höchste zu steigern. Die Sonne strahlte mächtig durch die Glasdecke, sodass der Heiligenschein, welcher den Kopf der Heiligen Jungfrau und den des Christuskindes umgab, gleich, wie Feuer leuchtete. Die blanken Rüstungen der ritterlichen Höflinge, die Geschmeide der Damen, edle Metalle, Diamanten und Perlen, und überdies das glänzend strahlende königliche Paar. Alles strömte ein magisches Licht aus, welches ganz die Würde dieser Versammlung atmete. Und in diese Versammlung, an der Hand des alten Vaters trat Margot. Kein anderes Gewand deckte sie als dasjenige, welches sie auf der Veste Roucy getragen hatte. Der Waffenschmied aber war sorgfältig, ja für seinen Stand, prächtig gekleidet.

Es gibt nichts Höheres auf dieser Erde, an Erscheinung nichts Wunderbareres als die wahrhaft schöne, wahrhaft tugendsame Jungfrau. Wer hätte vermuten können, dass Margot festen Schrittes, allein, da ihr Vater zurückgeblieben war, und mit edlem Anstand den ganzen Kreis der Damen durchschreiten würde? Unter dem schwellenden Busen hielt sie die Hände eng gefaltet, mit Ehrfurcht die Damen begrüßend, mit mädchenhafter Scheu die Blicke der Männer meidend, bis sie vor der Königin stand, vor Johanna von Evreux, vor Philipp des Schönen schöner Gemahlin. Sie hob den Blick zu dem königlichen Paar hinauf, kniete langsam nieder. Es bedurfte der Worte nicht, denn Margots Auge sprach von innigem Herzensdank.

»Ich kenne dich.« Die Worte fielen huldvoll aus dem Mund der Königin. »Du bist des Waffenschmieds, des Florians Tochter. Erhebe dich, mein Kind. Steh auf! Um deinetwillen freut es mich doppelt, dass ich das Leben des Vaters dir gerettet habe.«

Die Blicke der Damen und Herren hingen an des Waffenschmieds schönem Töchterlein, darum konnte niemand in diesem Augenblick Wilhelm von Paris berechnen, der lauernd und mit einem Auge blinzelnd sich hinter den Waffenschmied zurückgezogen hatte. Er beobachtete nur Philipp, alles Übrige war für ihn nicht vorhanden.

»Königliche Majestät«, stammelte Margot, »blickt gnädig auf mich herab und wägt das Dankgefühl einer niederen Magd nicht nach der Höhe Eures Standes. Ich hin der Worte nicht so mächtig, königliche Frau. Nicht mit Blumen vermag ich meine Rede zu schmücken, aber treu und wahr ist mein Herz. Die heilige Mutter kennt es.«

»Darfst dich nicht entschuldigen, Kind. Die Rede klingt gut aus deinem Mund und deine Worte finde ich wohl geordnet. Meint Ihr nicht auch, mein königlicher Herr? Man sollte denken – Wie? Mein königlicher Herr, Ihr hört mich nicht?«

»Doch! Ja doch! Königin, ich höre Euch!«, wandte sich Philipp plötzlich zu ihr. »Nur … bedachte ich soeben … welch großes Glück Ihr … über dieses unschuldige Wesen gebracht habt.«

Königin Johanna, arglos wie immer, legte die Hand sanft auf ihres Mannes Hand und sprach freundlich und herzlich so leise, dass nur er es vernehmen konnte. »Wie groß, mein Herr und König, seid Ihr in jeder Tat, in jedem Werk, im Wohltun aber am größten, denn Ihr verzichtet auf den Dank des durch Euch glücklich Gewordenen.«

»Still, Johanna, still!«, gab der König ebenso leise zurück. »Das Lob aus deinem Mund ist mir ja schon mehr als überschwänglicher Dank.«

Der König winkte der Oberhofmeisterin. Sie trat hervor, eine hohe ernste Frau. Ihre Stellung bei der Königin hatte zugelassen, dass sie eine sogenannte Donata des Tempelherrenordens wurde und also eine Ordensschwester war. Sie war eine geborene Pontrouge. Ein naher Verwandter, Clement de Pontrouge, Tempelherr, hatte ihr zu der Aufnahme in den Orden den Weg gebahnt. Der König empfahl Margot der Fürsorge seiner Gemahlin und äußerte den Wunsch, dass sie der Oberhofmeisterin übergeben werden möchte. Sein Wunsch war freilich für die Königin Befehl, und diese bedeutete die Oberhofmeisterin, dass sie ihre Anordnung wegen des Waffenschmieds Tochter erwarten solle.

»Ihro Majestät zu Befehl«, bemerkte die Oberhofmeisterin, und sie konnte nicht verhüten, dass ihr Blick zu Heloise von Malhac hinüberflog.

»Ohne weitere Bemerkung!«, hinderte der König selbst die Oberhofmeisterin am Weitersprechen. »Tut, was Eures Amtes! Der Waffenschmied von Beziers!«

Der Marschall führte Florian herein. Der freilich trat nicht so unbefangen vor die Hoheitstrahlenden hin. Er zitterte sogar, und während er seine Huldigung in Worte kleiden wollte, tappte er vergebens nach dem Arm seiner entfernt stehenden Margot.

Der Hof ergötzte sich über des Alten Verlegenheit, man hörte Flüstern, Kichern, ja manches eitelsüchtige Dämchen hüstelte; aber der König ließ sein Feuerauge rings im Kreis ergehen, und es wurde so still, dass man das Flattern einer Weiberlocke hören konnte.

Unmerkbar hatte sich das Bild auf gar sonderliche Weise geändert. Zwischen der Pontrouge und dem Waffenschmied stand plötzlich Wilhelm von Paris. Die ganz gewöhnliche Kleidung des Dominikaners, das braune Gewand, weitfaltig und schleppend, stach sonderbar ab gegen das blumengewirkte veilchenblaue seidene Wams des Alten, gegen die zierlichen Schuhe mit schnabelförmigen Spitzen, gegen sein gestickten Kragen und gegen die Schleifen an den Hosen von roter und weißer Seide. Die Oberhofmeisterin in ihrem Hofkleid, dessen Glanz sich mit der einfachen Tracht der Schwestern des Tempelherrenordens vereinigt hatte, stach ebenso gewaltig gegen Margot ab, wie Florian gegen den Beichtvater. Und wie auch Philipp ernst und streng Ruhe geboten hatte, so war doch sein Blick nicht hinreichend, jetzt die Laune der Höflinge zu zügeln. Ein Beichtvater des Königs, ein gewöhnlicher Waffenschmied, dem dieser kaum das Leben geschenkt hatte, die strenge hochgeputzte Pontrouge und die anspruchslose Margot! Nein, so lange es Könige von Frankreich gegeben, hatte sich ein solches Bild noch nicht bei Hofe dargestellt. Absonderlich belächelte des Königs ältester Sohn Ludwig die Gruppe. Das kurz entschiedene Wort seines Vaters aber gestaltete jeden seiner Züge um in tiefsten Ernst. Der König wollte eben seinen Beichtvater ob des unberufenen Erscheinens zur Rede stellen, doch Wilhelm von Paris nahm vor ihm das Wort.

»Königliche Majestät«, sprach er unterwürfig, »möge wie bisher niemals das Maß Eurer Gnade zur Hälfte nur gefüllt sein. Diesem Bürger von Beziers wurde das Leben geschenkt, seine Tochter, diese hier, soll fortan meiner erlauchten Königin Gnade empfohlen sein. Doch wie dürfte eine Margot an einem Hof, wo Rittersitte und Frauenschöne im höchsten Glanz leuchten, bestehen, wenn nicht ihr Geist durch eine erfahrene Hand ausgebildet würde? So wage ich denn eine Bitte: Vertraut mir Margot an, und im Verein mit der Oberhofmeisterin, werde ich dahin trachten, des Waffenschmiedes Töchterlein meinem königlichen Herrscherpaar als eine Jungfrau von hohem Geist zurückzugeben.«

Der König bedachte sich eine kurze Weile, darauf sprach er zur Königin Johanna: »Der Pater hat recht, Königin, so will es mich bedünken. Ich bin seiner Meinung auch, und gefällt es Euch, Königin, dass Margot ihm und der Pontrouge anvertraut werde, so lässt sich etwas Außergewöhnliches  erwarten.«

Die Navarrerin versetzte darauf: »Mein königlicher Herr ist gewohnt, dass ich seinen leisesten Wunsch als Befehl achte. Doch muss ich selbst noch eine Frage an Margot richten, damit nicht unser Mühen an dem eigenen Herzen der Jungfrau scheitere. Die Frauen, welche mich umgeben, darf nichts anderes binden, als Liebe zu ihrer Königin und der Gehorsam, welchen diese Liebe bedingt. Ihre Herzen müssen mir ganz anhängen, keines Mannes Bild darf in denenselben leben. Wie würde sonst mein Hof ein Muster tugendsamer Frauensitte sein?«

»Ich bewundere Eure Weisheit, Königin«, sprach Philipp, mit prüfendem Blick auf Margots Zügen verweilend. »Fragt darum die Jungfrau, ich denke ihr Herz wird so offen vor Euch daliegen, als der freie Blick ihres Auges sich in den Glanz Eurer Majestät taucht.«

Die Königin winkte dem Mädchen. Die Pontrouge führte Margot zwei Schritte näher hin zu dem erhabenen Sitz, und im Gefühl ihrer Würde bedeutete sie Margot, ohne Hehl der Königin zu antworten. Der Waffenschmied aber, mit der Hofsitte unbekannt, das hohe Glück seiner Tochter schon von der Zukunft ahnend, war vorlaut genug, dem königlichen Paar zu erklären, dass seine Margot für Balthasar viel zu gut sei.

»Balthasar … Balthasar«, flüsterte und kicherte es ringsumher, laut genug an jeder Stelle, wo die Malhac saß, um von dem König und seiner nächsten Umgebung verstanden zu werden. Doch wie der Waffenschmied auch erröten mochte, Margot blieb sich gleich. Der erste Laut aus der Königin Mund machte wieder alles verstummen.

»Sag an, Mädchen«, fragte Johanna, »was meinte dein Vater mit dem Balthasar? – Meister, tretet zurück. Euer Töchterlein soll mir das selbst offenbaren.«

»Hohe Königin«, versetzte Margot mit volltönender Stimme. »Es ist das erste Mal, dass ich um des Herzens Meinung ob eines Mannes gefragt werde. Euch will ich sie nicht verbergen, denn früh oder spät würde es sich dennoch erklären müssen.«

»Wahr, Margot, ganz wahr.«

»So leiht mir denn geneigtes Ohr und nehmt das Geständnis Eurer Magd in Gnaden auf. Seinem Gesellen Balthasar hatte mich mein Vater zum Weib bestimmt. Gewohnt, seine Befehle heilig zu achten, ließ ich geschehen, dass er meine Hand in die Hand des Gesellen legte, und wäre vielleicht dessen treue und sorgsame Hausfrau geworden, wenn nicht so schweres Unglück über meinen Vater hereingebrochen wäre. Da erst erkannte ich, dass eines Mannes Liebe sich keineswegs nur in der Erfüllung des täglichen Geschäftes bekunde, und dass der Mann zu verachten sei, welcher nicht mit trotzigem Mut dem herben Geschick kühn die Stirn zeige und eher selbst erliege unter seinen Streichen, als dass er das Weib seines Herzens feige aufgebe.«

»Balthasar gab dich auf, Margot?«

»Ja, Königin, das tat der Feige. Als ich meinen Vater in seinem Gefängnis auf Roucy, aus welchem Eure Gnade ihn gerettet hat, noch einmal, gleich, wie zum letzten Mal sehen durfte, da gab mich Balthasar auf. Er wusste, dass ich von nun an ganz allein stehen würde in der Welt, ein schwaches Rohr, allen Stürmen preisgegeben. Zum Elend war ich schier berufen, und da, da gab er mich auf. Er schützte vor, den braunen Mantel tragen zu wollen, das Kleid eines dienenden Bruders im Templerorden. Aber Balthasar und ein Tempelherr – Nacht und Tag. Ein Tempelherr, wie ich ihn denke! Wie ich ihn auf Roucy gesehen habe! Ein Kriegsgott der Anbetung wert!«

Die Wärme, mit welcher Margot die letzten Worte gesprochen hatte, ließ die Königin den fragenden Blick nach Philipp wenden. »Warum so ernst, mein Herr und mein Gemahl, warum so finstere Falten auf Eurer Stirn? Soll ich nicht wissen, was meines Königs Herz plötzlich unangenehm berührt?«

Nach einem kurzen Sinnen sagte der König so laut, dass es der ganze Hof vernehmen konnte: »Was ich Euch nicht verbergen will, Königin, das ist ein Gegenstand, den auch unser ganzer Hof wissen darf, wissen muss, um mit gewohnter Treue auf alles zu achten, was darauf Bezug haben könnte, und seinem königlichen Herrn davon Kunde zu geben. Dieses Mädchens Worte weckten böse Empfindungen bei mir auf. Es ist die Kunde zu uns gelangt, dass die Tempelherren aus ihren weit entfernten Provinzen Geschäftsträger nach Perongia schicken, um bei der Wahl des neuen Papstes kräftig zu wirken. Längst sind wir des argen Vernehmens überdrüssig, in welchem zwei Päpste mit ihrem besten Sohn gestanden haben. Auch soll Frankreichs Klerus nicht mehr dem Statthalter Christi gegenüberstehen. Wir erkennen die Absicht der Tempelherren nur zu gut, als dass wir sie arglos nennen dürfen. Sie wollen wieder einen Papst haben, nach ihrem Sinn, der einzige Richter über ihnen soll ihren Absichten huldigen – das darf nicht sein, denn nimmer würde Friede zwischen Frankreichs König und der apostolischen Macht herrschen.

Ihr Herren und Damen unseres Hofes, wir empfehlen Euch die größte Wachsamkeit, zumal Euch, Frau Oberhofmeisterin, denn Ihr tragt das Ordenskleid!«

»Was sich mit meinem Ordensgelübde verträgt, Majestät, das werde ich meinem königlichen Herrn getreulich offenbaren …«

»Pontrouge, Ihr habt uns missverstanden. Lauschen und Horchen ist keines Königs würdig, seid nur wachsam auf Euch selbst, denn nahe steht Ihr unserem Thron, unser teuerstes Kleinod haben wir Euch anvertraut.« Mit einer entschiedenen Bewegung der Hand bedeutete Philipp der Oberhofmeisterin, zu schweigen.

Sie trat zurück. Eine minutenlange peinliche Stille trat ein. Mancher erinnerte sich hier irgendeines Zorneswortes des Gebieters, als er innegeworden war, dass die Tempelherren seinen erbitterten Feind Bonifazius unterstützten. Man war an dem König gewohnt, dass er niemals ohne irgendeine große Absicht vor dem ganzen Hof sich erklärte. Absonderlich musste Philipp bei dieser Gelegenheit unglaublich vieles beabsichtigen, denn ein großer Teil seines Hofes zählte Freunde oder Verwandte unter dem mächtigen Orden. Auch weiß man wohl, dass Höflinge nur dann erst leben, wenn sie Ränke spinnen. Dieser und jener mochten sich wohl getroffen fühlen und ein Fürchten stieg in seiner Brust auf, welches dem wachsamen König sein Entstehen verdankte. Was aber dem ganzen Hof unangenehm erschien, das legte Wilhelm von Paris auf eine ihm eigentümliche Art und Weise aus. Schien es doch, als ob er es durchaus nicht nötig hätte, auf des Königs Worte zu achten. Nur Margot hatte er im Auge, obwohl ihr Gesicht von ihm abgewandt war. Sie blieb sich aber gleich; denn wie konnte eine Margot nur den tausendsten Teil von dem, was hier vorging, ahnen? Diese Ruhe ist der größte Vorzug eines wahrhaft kindlichen Gemütes.

Königin Johanna, um dem verlegenen Schweigen des Hofes ein schleuniges Ende zu machen, ging in die Gedanken ihres Gemahls ein. Sie fragte nämlich das Mädchen, ob sie den Tempelherrn auf Roucy gekannt habe.

»Erhabene Königin, wie hätte ich unscheinbare Dirne um einen so herrlichen Rittersmann wissen können! Aber sein Bild steht unauslöschbar vor meiner Seele und nimmer wird ein anderer Mann aus meinem Herzen es verdrängen.«

»Schon gut, Margot, mich freut dein offenes Bekenntnis! Dem deine Liebe gehört, er ist ein Tempelherr, darf nicht einmal dich ansehen. Um so weniger habe ich von Deinem Herzen zu fürchten. Ich mag es wohl, wenn die Frauen um mich her den besten Rittern ihren Beifall schenken. Der spornt zu kühnster Tat, und um einen Blick, von Frauenhuld gespendet, ward schon manche große Tat vollbracht. So nehme ich dich denn auf, Margot. Bleib’ fromm und«, fügte die Königin mit bedeutungsvollerem Ton hinzu, » sei klug, Margot, damit dein Glück nicht durch dich selbst zertrümmert werde.«

Der König erhob sich, führte die Navarrerin von dem Sitz. In gewohnter Ordnung schloss der ganze Hofstaat sich dem königlichen Paar an.

Wilhelm von Paris war der Einzige, welcher hier zurückblieb. Dieses Mal tat er es nicht aus eigenem Antrieb, sondern des Königs Wink hatte es ihm befohlen.