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Felsenherz der Trapper – Teil 13.2

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 13
Das Vermächtnis des Buschkleppers
Zweites Kapitel

Doch gefangen

Lydia Summer hatte sich sofort wie schützend über die Leiche ihres Vaters geworfen.

Felsenherz richtete das weinende Mädchen jetzt liebevoll auf und sprach ihr mit herzlichen Worten Trost zu.

»Ihr müsst das Ende Eures Vaters, Miss Lydia, als eine höhere Fügung hinnehmen«, sagte er, indem er sie zum Blockhaus zurückführte und sie vor der Tür auf die plumpe Holzbank niederließ. »Ein so reich bewegtes Leben wie das Eures Vaters hat vorhin den für einen Westmann vielleicht schönsten und passendsten Abschluss gefunden. Von der Kugel eines Feindes rasch und schmerzlos hingemäht zu werden, ist besser als ein langer Todeskampf auf einem Sterbelager. Auch Eures Vaters treuen Falben hat in derselben Minute der Tod ereilt. Wir werden beide nun dort begraben, wo Euer Vater es gewünscht hat.«

Lydia drückte dem blonden Trapper dankbar die Hand und erwiderte gefasst: »Ihr habt recht, Master Felsenherz. Vielleicht wäre meinem Vater das Sterben wirklich sehr schwer geworden. Vielleicht hat er gar auf eine Apachenkugel gehofft, denn er war es ja, der durchaus zum Engpass geleitet werden wollte und der, als ich mich anfänglich dagegen sträubte, mit plötzlich neu erwachter Kraft sich erhob, seine Büchse ergriff und mir vorauseilte … Nochmals … ich danke Euch! Ich habe mich schon wieder gefasst. Ich bin ja in der Wildnis groß geworden und weiß, dass ich hier jetzt mit Hand anlegen muss, damit wir den Zugang zum Tal verrammeln.«

»Oh – das geschieht bereits«, meinte der Trapper und deutete zum Engpass hinüber, wo die Trumms, Hilpray und der Comanche eifrig beschäftigt waren, eine Steinbarrikade zu errichten.

»Dann will ich mich auf andere Weise nützlich machen«, erklärte das tapfere Mädchen energisch. »Ich werde dort von den Tannen harzige Äste abschlagen, damit wir nachts durch ein paar Feuer den Engpass beleuchten können.«

»Gut, Miss. Tut es nur. Ich werde derweil die Leiche Eures Vaters hierher bringen.«

Nach einer halben Stunde war es völlig dunkel geworden.

Hier in dem kleinen Tal brannten jedoch vier mächtige Feuer, deren zuckender Lichtschein vollauf genügte, alles überschauen zu können.

Auch auf der Barrikade vor dem Engpass prasselte ein Holzstoß und sandte seine rötlichen Lichter hinab bis an den Big Salt Creek. Neben diesem Feuer lag, geschützt durch eine Brustwehr, der lange Hilpray als Wache.

Soeben war Felsenherz neben ihm aufgetaucht.

»Nun, Hilpray, etwas Neues?«, fragte er.

»Nein, nichts, Felsenherz. Von den Roten ist nicht die Spur zu bemerken. Wie wäre es übrigens, wenn wir einmal ein paar brennende Scheite dort in das Gestrüpp im Engpass werfen, damit es aufflammt und uns noch freieren Ausblick gibt?«

»Nur zu, Hilpray! Der Gedanke ist gut, zumal es mir scheint, als ob das Gestrüpp sich um ein paar Stauden überraschend schnell vergrößert hat. Sollte mich nicht wundern, wenn einige Apachen, kleine Büsche vor sich hinschiebend, die Schlucht emporgekrochen waren und nun dort acht Meter vor uns in dem Dickicht steckten! Vorwärts, werft mal einen dicken harzigen Ast hinab. Ich will aufpassen, ob ich nicht zweien der roten Burschen das Herumschnüffeln versalzen kann.«

Der lange Trapper schleuderte denn auch einen brennenden Ast so geschickt, dass dieser gerade links an der Schlucht abprallte und oben auf das zum Teil trockene Dornengestrüpp fiel.

Es loderte denn auch knisternd auf, und als Felsenherz jetzt einen Arm gewahrte, der den Ast herabreißen wollte, legte er rasch an und feuerte.

Der Arm verschwand.

»Der Bursche wird seine Pfote nicht nochmals preisgeben!«, sprach Hilpray ingrimmig und lachte dabei.

Das Gestrüpp bildete bald ein immer stärkeres Flammenmeer.

Dann huschten zwei, drei menschliche Leiber den Engpass blitzschnell abwärts.

Hilpray und Felsenherz feuerten abermals.

»So – wieder drei von der Brut weniger!«, meinte der lange Westmann zufrieden. »Die Bande kann uns hier gar nichts anhaben. Das werden sie bald einsehen. Wir haben Lebensmittel und Trinkwasser in Hülle und Fülle, auch an Pulver, Blei und Zündhütchen ist kein Mangel.«

»Wenn das Tal nur wirklich keinen zweiten Zugang hat«, sagte jedoch Felsenherz jetzt weit weniger zuversichtlich. »Gewiss – die Wände steigen überall steil bis zu vierzig Meter Höhe mindestens auf. Aber sie haben hier und da Vorsprünge, die mir nicht gefallen. Den Apachen ist wohl zuzutrauen, dass sie bald auch dort oben auf den Bergen umherklettern und nach einer Gelegenheit ausspähen werden, uns mit Kugeln und Steinen zu bedenken oder sich an Lassos von Vorsprung zu Vorsprung herabzulassen. Ihr dürft nicht vergessen, Hilpray, dass die Apachen mit die gewandtesten aller westlichen Indianerstämme sind und dass …«

Er schwieg.

Ein gellender Aufschrei und der Knall eines Schusses waren fast gleichzeitig aus dem rückwärtigen Teil des Tales erklungen.

Felsenherz schaute scharf hinüber, erblickte einen Apachen, der oben an der nördlichen Steilwand an einem winzigen Strauch mit einer Hand hing und dann plötzlich in die Tiefe sauste.

Der Lichtschein der vier Feuer zeigte den beiden Trappern jetzt auch den Comanchenhäuptling, der vor der einzigen Baumgruppe des Tales stand und soeben seine Büchse lud.

»Ah – Chokariga hat den Roten herabgeholt!«, meinte der lange Hilpray.

»Ja – und Ihr seht, wie recht ich mit meiner Befürchtung hatte, die Apachen könnten uns von oben doch irgendwie gefährlich werden. Auch hier auf der Barrikade bieten wir ein nur zu gutes Ziel. Wir werden sogleich für zwei von uns hier höhere, seitliche Schutzwehren auftürmen. Fasst mit an, Hilpray! Die Arbeit soll bald …«

Auch dieser Satz wurde nicht vollendet.

Von der östlichen Steilwand herab knatterten mehrere Schüsse.

Felsenherz’ Hut flog ihm vom Kopf.

Und neben den blonden Trapper sank der lange Hilpray mit schwachem Ächzen hintenüber.

Als Felsenherz sich über ihn beugte, brach ein Blutstrom aus dem Mund des Todwunden hervor.

Gleich darauf war Hilpray, dem eine Kugel quer durch die Brust gegangen war, eine Leiche.

Da kam auch schon Robb Trumm angelaufen.

»Felsenherz«, rief er auf Deutsch, denn er war ja genauso wie der blonde Westmann ein geborener Deutscher. »Droben auf der Nordwand des Tales stecken etwa dreißig Apachen. Ein Teil von ihnen liegt bereits zehn Meter tiefer auf der terrassenartigen Ausbuchtung der Wand, wo die verkrüppelten Kiefern wachsen. Jobb bringt die Pferde und unsere beiden Maulesel schon ins Blockhaus in Sicherheit!«

Da – wieder von der Höhe der Ostwand herab eine Kugelsaat.

»Verdammt!«, brüllte der magere Robb, »mein linkes Ohrläppchen ist futsch! Die Geschichte wird ungemütlich.«

Felsenherz schichtete eilig Stein auf Stein, warf sich dann hinter die neue Brustwehr und erwiderte Robb, der gleichfalls Deckung genommen hatte: »Die Sache sieht wirklich böse aus. Hilpray ist tot. Nun sind wir mit dem Mädchen nur noch fünf Verteidiger.«

»Stimmt – eine üble Patsche ist es«, erklärte auch der kleine Robb recht gedrückt. »Was tun wir nur, um uns die rote Bande vom Hals zu halten, Felsenherz?«

Der blonde Trapper blieb eine Weile stumm. Dann entgegnete er: »Ich weiß kein Mittel, uns herauszuhauen, Robb. Wir müssen mit den Apachen unterhandeln. Denn am Tag ist unsere Lage hier noch gefährlicher. Ich werde mich mit Chokariga beraten. Übernimm du hier derweil die Wache.«

Felsenherz eilte in langen Sprüngen der Baumgruppe zu. Als er unter die Äste der Tannen schlüpfte, stand er auch schon dem Comanchen gegenüber.

»Mein Bruder Harry hat dieselben Gedanken wie ich«, sagte der Häuptling ernst. »Wir dürfen uns hier nicht einzeln abschießen lassen. Wir werden uns gefangen geben und nur die Bedingung stellen, dass die Apachen Miss Lydia unbehelligt davonreiten lassen.«

»Chokariga und Felsenherz lesen sich das, was sie denken, von den Augen ab«, meinte der blonde Trapper darauf, indem er die Steinschlosspistole, das Geschenk Fred Summers, aus dem Gürtel zog. »Ich werde das im Lauf steckende Lederstück in meinem Stiefel verbergen, denn es ist so klar, dass das Lederstück eine Zeichnung enthält, die den Ort angibt, wo Summer einst den Schmuckkasten der Gattin des Haziendero von sich warf. Der Greis hat nichts anderes mit dem Geschenk der Pistole an mich beabsichtigt, als dass wir beide den Kasten bergen und ihn dann dem Haziendero Don Manuel wieder zurückgeben sollten. Wir werden auch versuchen, Fred Summers Vermächtnis getreulich zu erfüllen, falls wir später den Apachen wieder entfliehen können, die uns fraglos in die Llano zum Grab des Großen Bären schaffen werden und dort martern wollen.«

»Mein Bruder Harry hat abermals dieselben Gedanken wie der Schwarze Panther«, meinte der Häuptling schlicht. »Chokariga wird jetzt die Apachen dort auf der Nordwand anrufen und dem Schnellen Büffel erklären, dass er als Unterhändler wieder zu uns kommen soll.«

Eine Stunde später war mit dem neuen Oberhäuptling der Apachen alles, was die freiwillige Gefangennahme der Verteidiger des Tales betraf, in feierlicher Weise vereinbart worden. Lydia Summer sollte mit       ihrem Pferd und ihren Waffen nach Osten zu den Ansiedlungen reiten dürfen, während der alte Summer, Tom Hilpray und der Falbe von den Apachen begraben werden sollten.

Als nun der Schnelle Büffel mit den drei Ältesten seiner Krieger, die den Verhandlungen beigewohnt hatten, das Tal wieder verließ, gab es zwischen Lydia und den vier Westmännern einen stummen, herzlichen Abschied.

Das junge Mädchen war jedoch im Stillen ganz anderen Sinnes, dachte gar nicht daran, die vier Jäger im Stich zu lassen.

Nochmals kniete sie neben der Leiche ihres Vaters nieder.

Dann nahm sie ihr Pferd am Zügel und schritt der Barrikade zu, die von den Apachen inzwischen schon halb weggeräumt war.

Schweigend ließen die hier postierten Krieger sie hindurch. Unten am Big Salt Creek befand sich linker Hand das Apachenlager. Wohl vierzig Lederzelte standen dort, ebenso viele Feuer brannten.

Lydia Summer war jedoch keineswegs so vertrauensselig, dass sie an die Zusage des Schnellen Büffels, unbelästigt davonreiten zu dürfen, blindlings glaubte. Sie kannte indianische Hinterlist nur zu gut. Und sie richtete sich danach.

Als sie jetzt hier vor dem Lager nur etwa ein Dutzend Apachen bemerkte, die sie erwartet zu haben schienen, lenkte sie ihren schnellen Fuchs scheinbar furchtlos auf sie zu.

Dann jedoch riss sie das Pferd plötzlich nach rechts herum, gab ihm die Sporen und setzte mit langen Sprüngen über den hier nur flachen Bach.

Hinter ihr drein knallten Schüsse, erscholl das Wutgebrüll der überlisteten Rothäute.

Bald war das kühne Mädchen in der nach Süden zu sich hinziehenden Prärie verschwunden.