Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Atlantis Teil 11

Bei Montegna am Panamakanal. Eine Lichtung im tropischen Urwald. Nur mit Mühe halten Axt und Feuerbrand die gerodete Fläche von der üppigen, immer wieder anstürmenden Vegetation frei.

Hier liegt das Hauptquartier der New Canal Company. Das große Verwaltungsgebäude, in massivem Betonguss errichtet.

In diesem Haus waltet James Smith, der Chefingenieur der New Canal Cy., der Herr über hunderttausend Menschen und Millionen Pferdestärken. Von hier aus laufen die Befehle zu den hundert Etappen der neuen Kanalstraße. Von hier aus wird disponiert über Menschen, über Maschinen und über Sprengstoffe, die unerhörte Kräfte bergen.

James Smith ist der Herrscher dieses industriellen Königreichs. Der absolute Herrscher.

Als einfacher Bohringenieur hatte er seine Laufbahn begonnen. Ein außergewöhnliches Organisationstalent, eine vor nichts zurückschreckende Energie, ein Kopf voll genialer technischer Ideen hatten ihn in schnellen Sprüngen zur höchsten Stellung emporsteigen lassen.

James Smith saß an seinem mit Karten und Plänen bedeckten Arbeitstisch. Neben ihm lag ein Schreiben der New Canal Cy., das ihm offiziell vom Beschluss des amerikanischen Parlaments Mitteilung machte.

»Etappenweise Sprengung«, murmelten seine Lippen. »Gut, gut … eine geheime Last fällt mir vom Herzen. Offen habe ich es nie zugegeben. Nicht zugeben dürfen, dass ich die Bedenken jener gegnerischen Gutachter teile. Wie mag er diesen Beschluss aufnehmen? Sein Gesicht hätte ich sehen mögen.«

Der Chefingenieur beugte sich über einen großen Plan, der die Lage aller Minen und die Leitungsführung zu ihnen enthielt. Sein Finger folgte den roten Linien, die von jeder Mine zum Direktionsgebäude führten. Seine Augen glitten auf eine Skizze daneben.

»Hier die neuen Schaltungen für Einzelsprengungen in halbstündigen Abständen.«

Befriedigt lehnte er sich in einen Sessel zurück.

»Gut so! Das Schema ist in Ordnung. Kostet zwar einige Milliarden mehr. Es wird schon wieder hereinkommen. Aber er … er … Das wird ein harter Schlag für ihn gewesen sein. Ich wundere mich, dass er gar nichts von sich hören lässt, dass er nicht schon längst hier ist.«

Er! Einen Moment bedeckte James Smith die Augen mit der Hand. »Ein Rätsel … ein Rätsel, und ich glaubte ihn doch zur Genüge zu kennen.«

Seine Hand sank herunter. Seine Augen weiteten sich, als sähen sie kommende Dinge. Er sprang auf und durchmaß erregt den Raum.

Nein! Nein! Er ist nicht einer, der sich so leicht von seinen Plänen abbringen lässt. Er führt etwas im Schilde. Nichts Gutes! Ja … wäre es möglich?

Er ging zum Schreibtisch und ergriff das Schaltungsschema. Mit einem düsteren Ausdruck ließ er es wieder sinken.

Ja! Es wäre möglich … Man kann Nebenschaltungen machen … unsichtbare … unauffindbare … mit keinen Mitteln nachzuweisende.

Sinnend schritt er auf und ab.

Ja! So ginge es. »Ich werde die schärfste Kontrolle anordnen. Kein Unberufener darf sich den Leitungen nähern. Der Schaltraum muss unter ständiger Aufsicht bleiben. Die Türen werden verschlossen und plombiert, sobald die Schaltung fertig ist.«

 

*

 

Von Norden her kam eine Jacht herangebraust, eine große, schnelle Privatjacht. Ein Diener trat in die luxuriöse Kabine.

»Land in Sicht, Mr. Rouse!«, meldete er und verschwand.

»Ah, Juanita, kommst du mit zum Bug, wo wir freie Aussicht nach allen Seiten haben?«

»Danke, Guy. In den paar Wochen seit meinem letzten Hiersein wird sich nicht allzuviel verändert haben.«

Blauer Ozean unter ihnen.

»Da hinten taucht das Festland auf. Nun, wie du willst. Übrigens, um zu unserem Gespräch zurückzukehren … Kaiser Augustus schrieb einen äußerst schmeichelhaften Brief an mich, worin er auch deiner gedenkt. Die Nachrichten, die du ihm von Kapstadt sandtest, waren ihm natürlich sehr wertvoll. Ich sehe schon die diplomatischen Verwicklungen beginnen, bevor jene getarnte Auswanderung in Fluss kommt.«

»Du sprichst von dem Dank des Kaisers für das Chiffretelegramm. Den müsste ich eigentlich ablehnen. Denn das Verdienst gebührt doch deinen Agenten dort unten. Ich war, ich muss es gestehen, nicht wenig verblüfft, als der Agent mir die inhaltsschwere Unterredung Wort für Wort meldete.«

Ein kaltes Lächeln glitt über die Züge von Guy Rouse.

»Gold öffnet alle Türen! Der Satz gilt, solange es Menschen gibt. Wo ist der, der dem Glanz des Goldes nicht unterliegt?«

»Glaubst du wirklich, dass, alle Menschen …?«

»Alle? Nein, überall gibt es sogenannte Idealisten, Menschen, die nach meiner Auffassung nicht normal sind, die dem Zauber des blinkenden Goldes nicht unterliegen. Aber diese Leute haben nichts zu bedeuten. Stimmen des Predigers in der Wüste. Sie rennen sich den Kopf an den Mauern der Wirklichkeit ein. Und doch …«, sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, » … sollte es mir einen ungeheuren Spaß machen, derartige Typen mal zu versuchen. Weißt du, Juanita, wie in der biblischen Sage Freund Satanas ihn mal versuchte?«

»Guy!« Juanita fuhr zurück. »Du gehst zu weit … du lästerst.«

Guy Rouse machte ein markiert erstauntes Gesicht.

»Sind doch noch einige Reste uralten Kinderglaubens in dir, Juanita? Ich dachte …«

»Guy! Lass das!« Eine tiefe Falte schob sich zwischen ihre Brauen.

»Jeder Mensch hat eine Seele, die …« Sie erhob sich und trat zum Kabinenfenster.

»Juanita! Ich staune«, klang es hinter ihrem Rücken. »Wenn ich dich recht verstand – und ich verstehe doch wohl –, wolltest du sagen, die geheime Falten birgt, tief verborgen … Wolltest du das nicht sagen?«

Juanita ließ den Fenstergriff los und drehte sich langsam um. Ein prüfender Blick traf das Gesicht von Guy Rouse.

»Ja, das wollte ich sagen! Du errietest es richtig. Versteckte Falten sind in jeder Seele, in jeder, auch in deiner.«

»Auch in meiner? Hm!«

Guy Rouse versenkte seinen Blick in ihren, als wolle er darin lesen. »Und du glaubst einen Blick da hineingetan zu haben?«

Sein Blick bekam etwas Drohendes, das Juanita erschrecken ließ.

»Ich?«

Ein Jachtmatrose trat in den Raum und meldete: »Der Kanal, Mr. Rouse!«

Das Eintreten, so kurz die Unterbrechung auch war, lenkte Guy Rouses Augen von ihr ab und gab ihr die volle Sicherheit wieder.

»Ich werde mit dir nach vorn gehen …«

»Gewiss, Juanita.« Es war wieder jenes alte, fatale Lächeln in seinen Mienen, das Juanita so fürchtete und verabscheute. »Für Seelen bietet doch der Anblick der alten Heimat immer etwas Erhebendes. Nicht zu vergessen, dass wir gleich jenen Ort erreichen werden, wo wir uns zuerst sahen.« Er legte seinen Arm auf den ihren und schritt aus dem Raum. Das leise Zucken ihres Armes schien seine gute Laune zu erhöhen. Lüstern und grausam wurde sein Lächeln. Immer wieder neuen Genuss bereitete es ihm, diese Feuerseele zu reizen und zu bändigen.

»Wie gefiel es dir sonst in Kapstadt?«, fragte er beiläufig im Hinaustreten. »Sahst du nichts Neues, Interessantes?«

Juanita machte den Arm frei und trat durch die Tür.

»Die kurze Zeit dort war vollständig ausgefüllt mit deinen Angelegenheiten. Ich blieb nur bis zum nächsten Morgen. Am Abend besuchte ich den Zirkus.«

Sekundenlang verschwand das Lächeln vom Gesicht von Guy Rouse.

»Und du amüsiertest dich?« Sein Mund lächelte wieder.

»Nein, ich langweilte mich und ging bald wieder zum Hotel zurück …«

»Ah! Da liegen ja schon die Verwaltungsgebäude. Schade! An Montegna sind wir vorbeigefahren, ohne es zu sehen … Deine Rolle bei meiner Unterredung mit James Smith kennst du?«

Juanita nickte.

»Hoffentlich spielst du sie gut.«

Ohne den Kopf zu wenden, schritt Juanita an ihm vorbei, das Gesicht fahl, blass, die Lippen aufeinandergepresst, die Augen die einer gefesselten Tigerin.

Er sah es nicht. Er lachte laut, als dann die lachende Antwort kam. »Ich werde sie spielen, wie … wie neulich die große Sängerin in der Metropolitan Opera die Delila spielte.«