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Jenseits der Tür

Paul Rosenhayn
Jenseits der Tür
Detektivgeschichte
Mit Originalzeichnungen von Max Vogel
Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Jahrgang 1918, Elfter Band, Stuttgart, Berlin, Leipzig, Wien

Die Alarmglocke schlug gellend an. Der schrille Ton bohrte sich schneidend in das schwere Dunkel. Er heulte durch die schweigenden Zimmer, er zitterte durch die Korridore und schlug schreiend an das Ohr der Schläfer. Bilandios fuhr verstört vom Diwan empor. Er tastete schlaftrunken nach dem Schalter und knipste das Licht an. Furchtsam hob er den Kopf und starrte empor auf das Läutwerk, das zu seinen Häupten unablässig hämmerte und raste. Er wandte sich mit einer scheuen Bewegung und tastete mit den Blicken die Tür ab: jene undurchdringliche Panzertür, hinter deren stählernen Riegeln die Juwelierwerkstatt lag. Er fasste nach dem Griff. Nein, nichts war verändert. Nicht um einen Millimeter wich die Tür. Im Widerschein des Glühlichts blinkten die Bänder der Marvinsperre ihm entgegen. Und dennoch heulte die Glocke wie die Stimme eines Menschen in Todesangst. Der Juwelier gab sich einen Ruck. Er warf die Decke auf den Boden, zog das Schlüsselbund aus der Tasche und ging mit entschlossenem Schritt auf die Tür zu.

»Télémaque!«

Er wandte sich erschreckt um. Unter der Tür stand seine Frau. Ihre Augen irrten verständnislos von ihm zur Glocke.

»Télémaque, was willst du tun?«

Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ich muss hinein.«

»Aber …«

»Hörst du die Glocke? Kein Zweifel, dort drinnen ist etwas geschehen.«

Sie legte die Hand auf das Herz. »Ja«, sagte sie mit stockender Stimme, »es muss wohl etwas geschehen sein. Und eben darum – du solltest nicht hineingehen. Du setzt dein Leben aufs Spiel, Télémaque.«

Bilandios warf einen verzweifelten Blick auf das tönende Läutwerk. »Soll ich Melrose dort drinnen allein lassen – wie ein Schuft?«

Verstört wanderten ihre Augen über die Stahltür. »Vielleicht sorgen wir uns unnötig«, flüsterte sie, wie um sich selbst zu beschwichtigen. »Womöglich ein Kurzschluss oder etwas Ähnliches. Hast du einen Hammer?«

Er blickte sie verständnislos an.

»Wir werden versuchen, anzuklopfen.«

Sie nahm ein Hämmerchen von einem Seitentisch. Er riss es ihr aus der Hand und schlug an die Stahltür, die dröhnend widerhallte.

»Melrose! Melrose!«

Die beiden hielten den Atem an. Ihre Augen bohrten sich in die undurchdringliche Tür, in diese kalte, spiegelglatte Fläche, die in der Sauberkeit ihrer Arbeit die beiden Lauscher höhnisch anzugrinsen schien.

»Melrose!«

Nein, niemand antwortete. Kein Laut. Nur die Glocke gellte schrill und unablässig ihre eintönige Warnung: Gefahr! – Gefahr! – Gefahr!

»Glaubst du«, ihre Stimme sank zum Flüstern herab, »glaubst du wirklich, dass ein Fremder dort drinnen …?«

Er zuckte die Achseln. »Das Schloss ist unversehrt.«

»Bist du die ganze Nacht über hier geblieben?«

»Die ganze Nacht. Ich habe das Zimmer nicht verlassen. Mein Diwan stand quer vor der Tür. Es müsste jemand über mich hinweggestiegen sein.«

»Wer hat das Ruhebett zurückgeschoben?«

»Ich selbst.«

»War alles an seinem Platz, als du erwachtest?«

»Alles.«

Sie warf einen Blick in sein blasses Gesicht, in seine Augen, die in einem flackernden Feuer glommen.

»Ich werde zum Nachbarn laufen.«

»Der kann uns nicht helfen.«

»Zur Polizei.«

Er zuckte die Achseln. »Meinetwegen.«

Mit einer schnellen Bewegung wandte sie sich zur Tür und riss sie auf. Er sah ihr teilnahmlos nach.

»Konstanze!«

Zusammenfahrend blieb sie stehen.

In seinen Augen blitzte etwas auf wie ein erlösender Einfall. »Ich weiß etwas Besseres.«

Seine Frau blickte ihn erstaunt an.

»Joe Jenkins …«

Sie hob den Kopf, in ihr Gesicht trat ein Leuchten.

»Joe Jenkins …?«, wiederholte sie aufatmend.

»Ja!«

»Weißt du, wo er wohnt?«

»Im Netherlandhotel, wie ich hörte.«

»Ich werde versuchen, ihn telefonisch zu erreichen.«

Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

Télémaque Bilandios zuckte zusammen. Das unausgesetzt ratternde Läutwerk schien das ganze Zimmer mit seinen Schallwellen zu erfüllen. Nervös legte der Juwelier beide Hände an die Ohren. Wieder irrten seine Blicke zu der stählernen Tür. Von dort kam es – hinter dieser blanken Fläche – dort saß der Kontakt. Er sah sich ein paarmal scheu um. Dann, mit einem entschlossenen Griff, fasste er in die Tasche. Enttäuscht zog er die Hand zurück.

»Suchst du die Schlüssel?«

Er wandte sich um.

»Ich habe sie an mich genommen.« Seine Frau war es, die mit einem schwachen Lächeln in der Tür stand.

»Du sollst nicht hineingehen. Ich will es nicht.«

Dann setzte sie beruhigend hinzu: »Er ist da. Ich habe mit ihm gesprochen.«

»Mit Joe Jenkins?«

»Ja.«

»Gott sei Dank! Was hat er geantwortet?«

»Ich soll ihn sofort abholen. Mit einem Auto. In der Mietgarage nebenan ist noch Licht.« Nach einem Blick in sein verstörtes Gesicht setzte sie wie tröstend hinzu: »Es dauert nicht lange. Ich bin bald wieder da.«


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zur Verfügung.

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