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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Erster Teil – Einundvierzigste Erzählung – Teil 1

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil

Einundvierzigste Erzählung – Teil 1

Von dem wilden Jäger oder dem wütenden Heer
Dreizehn Erfahrungen

Ungeachtet die Physik und die Naturgeschichte in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts außerordentliche Fortschritte getan und manches von der Dunkelheit der moralischen und physischen Nacht begünstigte Gespenstermärchen beleuchtet haben, so umgibt doch einige Gegenstände des Volksglaubens, die völlige Aufklärung verdienten, noch immer ein gewisses Halbdunkel, ein zweideutiges Licht. Dahin rechne ich unter anderen die uralte, fast über alle Länder Europas verbreitete Sage von dem wilden Jäger oder, welches einerlei ist, von dem wütenden Heer. Noch immer hört man hier und da, bei feierlicher Stille der Nacht, jezuweilen das schaudererregende Jagdgeschrei dieses Jägers, das vielstimmige Bellen seiner beflügelten Hunde und den ausgezeichneten Schall seines Hifthorns. Man sieht in der Ferne Menschen und Tiere mit feurigen Augen. Man vernimmt um und neben sich in den Lüften ein wildes Rauschen. Der Jagdzug nähert sich gleich einem brausenden Sturmwind

Und wer ihn hört, und wer ihn sieht,
bekreuzt sich, zittert, und entflieht.

Und so weiß eigentlich niemand, was er gesehen und gehört hat.

Unter solchen Umständen ist es wohl der Mühe wert, mehrere Erfahrungen über diese Gattung sogenannter Geisterwirkungen und spukhafter Erscheinungen aus älteren und neueren Zeiten hier zusammenzustellen und dann kritisch zu beleuchten.

Nr. 1

Schon Pausanias erzählt in der Beschreibung von Attila, man habe auf dem marathonischen Feld, ungefähr vierhundert Jahre nach der daselbst gelieferten Schlacht, des Nachts ein Wiehern der Pferde und ein Lärmen gehört, welcher einem Schlachtgetümmel nicht unähnlich gewesen sei. Eine Menge ähnlicher Sagen hat man auch in unseren Gegenden von den Schlachtfeldern der neueren Zeit.

Nr. 2

Nach dem Plinius hörten die alten Römer einst, als sie die Dänen bekriegen wollten, ein furchtbares Geräusch in der Luft, als ob Waffen gegeneinander geschlagen und Trompeten geblasen würden.

Nr. 3

InDännemark herrscht, wie Beckmann erzählt, eine Volkssage, nach welcher der Körper des ehemaligen Königs Abel – der seinen Bruder Erich ermordete und in einer Schlacht mit den Friesen blieb – von den Raben verzehrt worden sei. Die Überreste wären in Schleßwig begraben. Da sich aber bei seinem Grab viele Gespenster eingefunden hätten, so habe man sein Gerippe wieder ausgegraben, in einen See versenkt und unten angepflockt, damit es dort vermodern und nie wieder an das Tageslicht kommen sollte.

Hierauf habe man unweit Gottorp des Nachts oft ein Geschrei von Hunden und Waldhörner in der Luft vernommen. Welches Spiel dieser Abel treibe, um dadurch die rechtlichen Ansprüche der Könige von Dänemark an Schleswig gleichsam zu erneuern.

Nr. 4

Der alte Schriftsteller Gervasius Tilberiensis erzählt: »Die Förster in den Wäldern Britanniens sahen nicht selten am hellen Mittag und zur Zeit des Vollmondes auch zu Mitternacht eine Menge jagender Soldaten und Hunde auf ihrem Jagdgebiet und hörten den Schall der Waldhörner. Wenn sie die Jagenden zur Rede stellten, so bekamen sie zur Antwort: Wir sind aus der Gesellschaft und Familie des Arturi, eines gräulichen Riesen und ehemaligen Königs der Britannier.«

Nr. 5

Von Heinrich IV., König in Frankreich, wird erzählt, er habe im Wald bei Fontainebleau gejagt und ein ziemlich entferntes Bellen mehrerer ihm fremder Jagdhunde gehört. Dieser gespenstartige Jagdzug, welcher durch das Geschrei der Jäger und von den Tönen ihrer Waldhörner immer lauter geworden war, sei ihm bis auf zwanzig Schritte nahe gekommen. Der große schwarze Mann, welcher hierauf dem im Gefolge des Königs befindlichen Grafen von Soissons gespenstartig erschien, und die Worte selbst, womit dieses Gespenst ihn und den König anredete, schmecken aber zu sehr nach Pfaffenbetrug und nach dem 16. Jahrhundert, als dass es der Mühe wert wäre, dieses offenbare Blendwerk hier dem Leser umständlich mitzuteilen.

Nr. 6

Nach dem Bericht des französischen Pfarrers zu Ansaeq im Kirchsprengel von Beauvais hörten verschiedene Glieder seiner Gemeinde, in der Nacht zum 28. Januar des Jahres 1730, eine Menge durchdringender Töne in der Luft.

Es war, als ob eine große Versammlung von Männern, Frauen und Kindern in der Nähe und Ferne mit groben und feinen Stimmen wild durcheinander schrien, zankten und wehklagten, so, dass es schien, als ob viele sich in einer allgemeinen Not und Verlegenheit befänden und andere ein Freudengeschrei ausstießen, wie diejenigen zu tun pflegen, welche sich auf eine wilde, geräuschvolle Art lustig machen. Einzelne Worte konnte man in dem Wirrwarr der sich einander überschreienden Stimmen nicht deutlich unterscheiden. Aber mehrere Zuhörer wollten außer den menschlichen Stimmen, auch noch den Schall verschiedener musikalischer Instrumente wahrgenommen haben.

Der Pfarrer, dem man diesen Bericht verdankt, setzt hinzu, er habe sich anfangs begnügt, über diese Erzählung zu lächeln und sie für die Ausgeburt der Einbildungskraft unwissender und abergläubiger Bauern zu halten, deren Gehirn von Kindheit an noch mit den Schreckbildern scheußlicher Hexen und spukender Geister angefüllt würde. Allein jetzt kamen zwei von den zuverlässigsten und gescheitesten Ackersleuten aus Anfaeq zu ihm und machten ihn in seiner vorgefassten Meinung durch folgende Aussage wieder irre.

»Wir kamen«, so erzählten sie ihm, »in der Nacht zum 28. Januar von Senlis zurück, sprachen ganz unbefangen und ruhig über die wirtschaftlichen Angelegenheiten, um derentwillen wir in der Stadt gewesen waren, und befanden uns auf der gewöhnlichen Heerstraße, als sich nahe bei uns plötzlich eine klägliche Stimme hören ließ. Sogleich stimmte etwas in einiger Entfernung einen ähnlichen Ton an. Allein diese beiden Stimmen waren gleichsam nur das Vorspiel zu einer verwirrten Menge anderer menschenähnlichen Stimmen. Dann mischten sich in dieses unbegreifliche Geschrei von Nachtmenschen auch musikalische Töne ein. Wir glaubten namentlich Geigen, Trompeten, Flöten nnd Trommeln deutlich unterscheiden zu können.«

»Die Aussage dieser beiden Gewährsmänner«, setzt der Pfarrer in seinem Bericht hinzu«, hat für mich mehr Glaubwürdigkeit als diejenige aller Übrigen, denn ich kenne sie beide nicht nur als fromme Männer, die von übertriebener, kindischer und unchristlicher Furcht vor Teufeleien frei sind, sondern darf auch ihrer Versicherung trauen, dass sie keineswegs durch übermäßiges Weintrinken unfähig gewesen wären, wahrzunehmen und zu beobachten, ohne von erhitzten Einbildungen betrogen zu werden.

Fortsetzung folgt …