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Jacob von Molay, der letzte Templer 8

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Erster Teil
St. Jean d’Angeli
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Achtes Kapitel

Des Ritters Sehnsucht nach seinem Pater wurde durch die Entdeckung, seine Gäste beabsichtigten nach Perugia zu ziehen, noch vergrößert. In dem schönen Rittersmann hatte er den Wildgrafen Hugo, Komtur des Tempelherrenordens in Deutschland, kennengelernt, in den beiden anderen zwei hohe Würdenträger, und der Umstand, dass diese drei Paris nicht berührten, machte den seinem König ergebenen Ritter stutzen. Noch mehr als das befremdeten ihn die eigenen Worte des Wildgrafen.

»Auch unser Patron«, hatte Hugo in der frohen Laune, welche der Wein erzeugt, geäußert, »auch unser Patron ist der Papst. Wir wollen doch sehen, ob es nicht möglich sei, einen Schutzherrn zu bekommen, der kräftig genug ist, selbst eigenen Willen zu haben.«

So wenig Ritter von Blancas von der ganzen Papstwahl wusste, so meinte er doch, der Umstand sei wichtig genug, ihn nach Paris mitteilen zu müssen. Sein Hauptaugenmerk war daher, die Gäste zu bewegen, die Nacht in der Burg zuzubringen, das wurde ihm auch nicht so gar schwer. Denn die Deutschen sind von jeher keine Verächter des Weins gewesen, zumal diese Deutschen, in deren Heimat am Rheinstrom die herrlichsten Reden wachsen. Man nannte auch den Komtur deshalb Wild- und Rheingraf.

Dass es mit der Papstwahl eine ganz eigene Bewandtnis haben musste, leuchtete dem Ritter schon darum ein, weil er sich der schmählichen Begegnung erinnerte, welche dem Papst Bonifazius von seines Königs eigenen Dienern zuteilgeworden war. Er mutmaßte schon, dass der ganze Tempelherrenorden einmütig für den neuen Papst aufstehen würde, und des Wildgrafen Offenherzigkeit trug nicht wenig bei, ihn in dieser Meinung zu festigen.

Mit dem Einbruch der Nacht, wie der Pater versprochen hatte, erschien er wieder in der Burg. Sein heiliges Gewand war an mehreren Stellen zerrissen, doch dieser Umstand hinderte ihn nicht, sogleich mit dem Ritter zu sprechen. Die Anwesenheit des Wildgrafen und seiner Begleiter schien ihn bei Weitem weniger zu kümmern, als die Entdeckung, dass Matthias vor dem Waffenschmied auf den Knien gelegen nnd der Kerkermeister sie in dieser Stellung überrascht habe. Des Paters bedenkliches Kopfschütteln erweckte noch ein Heer Gedanken in des Ritters Kopf, und nach langem Überlegen einigten die beiden sich dahin, dass in dieser Nacht noch der Versuch gemacht werden müsse, den Waffenschmied zum Geständnis zu bringen.

»Es ist eine große Sache«, fügte der Pater hinzu, »es ist eine große Sache, welche jetzt die Christenheit erregt. Wer weiß, wen man auf St. Petersstuhl erheben will, sehen wir doch mit eigenen Augen, dass jetzt die deutschen Herren weit hergezogen gekommen sind. Wer weiß, ob nicht der ganze Orden aufgeboten ist, um kräftig den weisen Absichten unseres allergnädigsten Königs entgegen zu arbeiten! Sie neiden ihm den Namen: der beste Sohn der Kirche. Das wisst Ihr so gut wie ich, Herr Ritter.«

»Wie wollt Ihr aber zum Zweck kommen, Pater? Florian behauptet, was ihm Matthias anvertraut hat, das müsse er ins Grab mitnehnren, damit nicht die Verletzung der Beichte ihn dem ewigen Tod in die Arme liefere.«

»Herr Ritter«, versetzte der Pater gelassen, »das sind Dinge, welche mir bekannt sind, und nicht Euch. Verfügt Euch zu Euren Gästen, lauscht, ob Ihr etwas entdecken könnt, was etwa noch mehr Licht gäbe über die Fahrt nach Perugia. Mich lasst meinen Weg allein gehen, und mit dem nächsten Morgen wird mein Mund Ench alles offenbaren.«

Gern hätte der Ritter noch manches gefragt, doch der Pater hatte Eile, ging hinaus mit langem, unternehmenden Schritt und suchte sein eigenes kleines Gemach auf. Das war so ausgestattet, dass der Geruch von Heiligkeit vorwaltete. Der Pater schien sich sammeln zu wollen, er setzte sich still nieder, faltete die Hände, und dachte tief nach. Aber die Sache war nicht so leicht, den gläubigen Florian dahin zu bewegen, dass er das Siegel der Beichte verletzte. Und dennoch musste es dem Pater gelingen, denn er hatte vieles versprochen, ein schweres Gelöbnis in die Hände des Wilhelm von Paris abgelegt. Er wurde unruhig, tat einige Schritte im Gemach auf und nieder, dann rief er den Kerkermeister zu sich, ließ sich von diesem alles noch einmal und haarklein erzählen und befahl dann, dass er Florian zu ihm führte. Der treue Verwalter seines traurigen Amtes stutzte an diesem Befehl, doch wusste ihn der Pater mit Spitzfindigkeit aller Art zu überzeugen, dass der Befehl nur lautete, keinen Priester zu den Gefangenen zu führen, sondern er wolle nur, dass der Gefangene zu dem Priester geführt würde. Auch mit Drohungen, wie sie einem Geistlichen zu Gebote standen, verschonte er den Kerkermeister nicht, deutete ihm leise an, dass der Ritter bei seinen Gästen verharren müsste und von dem Hergang in dieser Nacht nichts erfahren würde, der doch lediglich und allein dem Heil der Kirche fromme. Der Pater wandte all diese Waffen mit so gutem Erfolg an, dass Florian in kurzer Zeit in seinem Gemach gesenkten Hauptes vor ihm stand.

»Es erbarmt mich«, redete der Pater den Armesünder an, »es erbarmt mich, dass du nach einem so christlichen Lebenswandel unversöhnt mit Gott diese Welt hinter dir lassen sollst. Erkenne darin die mütterliche Fürsorge der heiligen Kirche. Sie hat in meinem Herzen das Mitleid erzeugt, auf dass ich dich rette von ewiger Verdammnis.«

»Glaubte ich doch nicht, hochwürdiger Herr«, versetzte der Waffenschmied mit hoher Freude, »dass ich dieses Heils teilhaftig werden würde!«

»Mach nicht vier Worte, Florian, denn, was ich tue, muss heimlich geschehen. Der Burgherr darf nichts davon erfahren. Aber unsereines muss tun und lassen in Gottesnamen. Blicke her auf dieses Gewand, es ist zerrissen. Berg und Tal, Bäche und Sümpfe, den dunkelsten Forst habe ich nicht gescheut, um eine Christenseele vom Höllenpfuhl zu erretten. Der mit Euch gefangen war, den Florentiner, Noffo Dei, suchte ich auf. Er öffnete mir sein Herz, und obwohl ich zurückschauderte vor den Verbrechen, die er an Gott und der Menschheit begangen hat.«

»An Gott sagt Inr, Herr Pater?«

»Frage mich nicht, denn ich darf dir nicht antworten. Ein geweihter Priester muss eher das Leben lassen, als von dem ihm in der Beichte anvertrauten Gut nur um eines Atemsschwere zu vergeben. Beichte, Florian, das höchste Seelengut des Christen, und ein geweihter Priester, der Mittler zwischen Himmel und Erde.«

»So darf nicht ein Christ dem anderen beichten, Herr Pater, wenn etwa der Tod urplötzlich heranträte?«

»Das darf er wohl, doch heißt es auch in der Regel, da wir Menschen nicht Herren der Zeit sind und Gottes Gnade unendlich, so ist es wohl gut, wenn ein Christ in Todesnöten seinem Mitchristen beichtet. Aber diese Beichte ist nichtig und kraftlos, wenn vor dem Hintritt ein geweihter Priester erscheint. Hast du etwa schon zu dem letzten verzweifelten Mittel gegriffen?«

»Ich nicht, Herr Pater«, versetzte Florian verwirrt. »Nicht ich, denn wem hätte ich beichten sollen?«

»Deinem Mitgefangenen, Florian.«

»Das meinte ich auch, Herr Pater, aber es ging nicht.«

»Ha, ich merke, Ftorian, ich merke! Der Noffo Dei sprach auch davon. Doch zu etwas anderem. Ich war auch heute in Beziers. Sonderbare Gerüchte sind dort im Umlauf, man sagt sich sogar, der König sei dir nicht abhold. Dein kühnes Benehmen, mit welchem du Hab und Gut retten wolltest, habe ihm nicht missfallen. Es täte ihm auch leid um einen so kunsterfahrenen Mann, einen so tüchtigen Waffenschmied. Doch könnte er dich nicht retten, weil so viele andere ein gleiches Los mit dir betroffen, und er nicht parteiisch erscheinen dürfe. Einer von meinen Brüdern in Beziers, der gar oft in deinem Haus gewesen war, beschrieb mir dein häusliches Glück so reizend, dass mich die jetzige verlassene Werkstatt, das tote Haus, mit Schauern erfüllte. Vor mehreren Tagen war der Beichtvater des Königs in Beziers gewesen. Der hat denn geäußert, wenn der Waffenschmied Florian dem König nur den geringsten Liebesdienst erwiese, so würde des Königs Majestät die kleine Ursache so hoch aufnehmen, dass er sie zum Vorwand brauchen könnte, dem Waffenschmied Leben, Freiheit und Habe zu retten. Doch das beiseite, Florian, womit wolltest du jetzt dem König einen Liebesdienst erweisen?«

»Und das sagte des Königs Beichtvater selbst? Dieser heilige Herr, dem niemals ein unwahres Wort über die Lippen fährt?

Der Pater hatte den Waffenschmied genugsam berechnet, um zu wissen, dass nicht jedes seiner Worte tiefe Wurzel schlüge, und erst dann, als er von der traurigen Zukunft der verlassenen Margot gesprochen hatte, als er mit erheucheltem Mitgefühl beklagte, wie kein ehrlicher Mann einem armen Mädchen, dessen Vater durch Henkershand gestorben, die Hand reichen würde. Als er mit geläufiger Rede und beinahe zu grellen Farben die Verlassene bettelnd vor den Türen, von Hunger und Kummer entstellt, in Lumpen gehüllt, gemalt hatte, da erst schritt er zu dem heiligen Akt. Er ließ den Waffenschmied beichten. Zerknirscht von dem Jammer, so weit er hinausblicken konnte, gestand Florian alles, was er wusste. Der Pater legte es natürlicherweise auch für eine Sünde aus, dass er, ein Ungeweihter, Priestersstelle vertreten habe. Es war der letzte Punkt, und um so eifriger bestand der Pater auf demselben. Das war nun hier ein ganz anderes als mit dem Ritter. Das Gewissen des Wassenschmiedes konnte hier um so eher beruhigt werden, da er sich eben in der Lage befand, aus seinen Gedanken ein Geheimnis machen zu dürfen, und nur so konnte es dem Pater gelingen, das Geständnis des Priors von Montfaucon zu erfahren. Aber wie musste Florian erstaunen, als der Pater anstatt ihm die Absolution zu erteilen, ihn aufhob und wie im Freudentaumel ihn auf den Mund küsste.

»Du bist gerettet«, rief er, »wirst als ein groß angesehener Mann fortan leben und nicht unter Henkers Hand aushauchen. Deine Margot wird nicht betteln, ja, edle Herren selbst werden um ihre Hand werben.«

»Ich begreife Euch nicht, Herr Pater.«

»Wirst schon – wirst schon begreifen lernen! Ich sage dir, Florian, das ist ein Wurf, wie er selten einem Menschen geboten wird, noch seltener aber einem Menschen gelingt. Sollst nicht mehr in dein Gefängnis zurückkehren. Hier bei mir wirst du bleiben und bald wieder frei ausgehen wie die Luft.«

Der Waffenschmied wusste nicht, wie ihm geschah. Er ließ sich aber gefallen, dass der Pater ein Nachtmahl bringen ließ, bei welchem vor allem der Wein nicht vergessen war. Den alten Mann erfüllte ganz der freudige Rausch über die unerwartete Wendung seines Geschickes, und er ging um so leichter über die Absichten hinweg, welche man etwa mit ihm haben konnte, da er von jeher an eines Priesters Wort nicht gezweifelt.

Trotz des Widerspruches des Paters aber bestand ber Kerkermeister auf die Zurückführung des Gefangenen. Nur das Versprechen, der nächste Morgen würde ihm Freiheit bringen, nahm der Waffenschmied in sein Gefängnis mit sich. Der Pater aber setzte sich nieder und schrieb, an Wilhelm von Paris schrieb er. Mitternacht war längst vorüber, als er dieses Geschäft beendet hatte.