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Die Weiße Lady von Latuda

Die Weiße Lady von Latuda

Westlich von Helper, einer kleinen Stadt im Carbon County im amerikanischen Bundesstaat Utah, befindet sich eine weitläufige Felslandschaft, die unter dem Namen Spring Canyon bekannt ist. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts befand sich hier die Hochburg der amerikanischen Kohleförderung.

Als die Eisenbahn um 1880 das Gebiet erschloss, schossen in der Canyonlandschaft die Minen und Siedlungen wie Pilze aus dem Boden: Standardville, Rains, Peerless und Latuda, um nur einige zu nennen. Der Spring Canyon District wurde über Jahrzehnte hinweg zur Heimat von über 2.000 Bergleuten und ihren Familien, die bis ins Jahr 1960 hinein mehr als 43 Millionen Tonnen Kohle förderten.

Die Minen brachten Menschen und Wohlstand in die Region, aber auch Tragödien und Gewalt in Form von Minenexplosionen und wilden Streiks, die teilweise brutal niedergeknüppelt wurden.

Heute erinnern entlang der Straßen nur noch die Überreste der Kohleminen und die Ruinen einstmals blühender Städte an die Glanztage des Spring Canyon Districts. Von dem ganzen Kohleboom ist nichts mehr geblieben außer Trümmern, Erinnerungen, alten Zeitungsausschnitten und Legenden.

Die Bekannteste davon ist ohne Zweifel die Legende der Weißen Lady von Latuda.

 

*

 

Über Jahre hinweg wurden zahlreiche Varianten dieser Legende erzählt, aber die Identität der Frau wurde bis heute nie genau geklärt. Interessant ist dabei der Umstand, dass noch bis vor einem Jahrhundert Frauen und Bergbau für nahezu jeden Bergarbeiter gleichbedeutend mit Unglück waren. Dieser Aberglaube, welcher seine Wurzeln in Europa hatte, war unter den Immigranten, welche einen Großteil der Bergarbeiter dieser Zeit ausmachten, stark verbreitet.

Die Männer, welche glaubten, dass Unglück und Verdammnis über sie hereinbrechen würden, sobald eine Frau ihre Mine besuchte, konnten natürlich zahlreiche Fälle angeben, wo sich eben solche Tragödien hernach abgespielt hatten.

Obwohl Außenstehende nachweisen konnten, dass die meisten dieser Umstände reiner Zufall waren, glaubten die Bergarbeiter an einen Zusammenhang und wurden extrem nervös, wenn sich eine Frau ihrem Minenschacht näherte.

Aufgrund der abergläubischen Natur der Bergarbeiter ist es also nicht verwunderlich, dass sich die Legende der Weißen Lady von Latuda bis heute noch hartnäckig hält.

 

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Die Frau, so glaubte man, lebte in Latuda, eine vierhundert Seelen zählende Bergbausiedlung sieben Meilen westlich von Helper an der Spring Canyon Road gelegen.

Eine Variante ihrer Legende besagt, dass ihr Ehemann in der Mine getötet wurde und seine Überreste nie gefunden wurden. Eine andere, dass sowohl ihr Ehemann als auch ihr Sohn bei einem Minenunfall ums Leben kamen und sie mit der kleinen Tochter im Säuglingsalter zurückblieb. Später soll ihr Baby dann gekidnappt und in einem Flussbett im Canyon ertränkt worden sein, worüber sie letztendlich den Verstand verlor und kurz darauf starb.

Eine weitere Version gibt an, dass sie nicht in Latuda, sondern in Peerless lebte, einer anderen Bergbausiedlung, die nur etwa drei Meilen von Helper entfernt war.

Dort soll ihr Ehemann an einer Blutvergiftung gestorben sein, was sie, da es kein Minenunfall war und ihr somit die Bergbaugesellschaft eine Entschädigung verweigerte, mittellos werden ließ. Um ihrem Baby ein Verhungern zu ersparen, ertränkte sie den Säugling im nahen Fluss, was sie um den Verstand brachte. Man brachte sie danach angeblich in eine Nervenheilanstalt, aus der sie kurz darauf ausbrach und nach Peerless zurückkehrte, wo sie wenig später verstarb.

Wieder eine andere Version der Legende besagt, dass sie bei einem Erdrutsch ums Leben kam, während einer anderer Fassung nach ihr Kind dabei umkam, was sie in den Selbstmord trieb.

Eine der letzten Versionen weiß davon zu berichten, dass sich die Bergbaugesellschaft nach dem Tod ihres Ehemannes bei einem Minenunfall weigerte, ihr die volle, vertraglich vereinbarte Entschädigungssumme zu zahlen, und sie nach einem Streitgespräch mit Vertretern der Gesellschaft in ihrer Wut auf dem Heimweg die Straße viel zu schnell entlang ritt und dabei ums Leben kam.

 

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Obwohl die Wahrheit über ihr Leben und die tatsächlichen Umstände ihres Todes wohl nie ganz geklärt werden, soll sie Berichten nach bis heute immer wieder auf den Straßen und Minen zwischen Peerless und Latuda auftauchen.

Um das Jahr 1960 war die Legende so bekannt, dass Teenager vermehrt zum alten Büro der Minengesellschaft reisten, um sich dort des Nachts Gespenstergeschichten zu erzählen oder darauf zu hoffen, einen Blick auf die Weiße Lady zu erhaschen. Einige dieser Cliquen machten es zur Mutprobe, dort die Nacht zu verbringen, und mancher übermütige Bursche versuchte dabei, seine Begleiter zu erschrecken. Dabei kam es Ende 1960 zu einer Katastrophe, als eben einer dieser Jungen dabei das alte Gebäude in die Luft sprengte.

Angeblich soll die Weiße Lady immer noch in Latuda herumwandern, sie soll sich jetzt aber stets kurz vor dem Erreichen des alten Minenbüros, oder dem, was davon noch übrig geblieben ist, in Luft auflösen.

Ob es stimmt, kann man nur nachprüfen, wenn man in dieser Gegend einmal seinen Urlaub verbringt. Auf einen Bericht darüber dürften nicht nur die Leser dieses Artikels gespannt sein.

Quellen:

(gs)