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Clara Weiss – Ich will brav sein

Clara Weiss – Ich will brav sein

Jahrhundertsommer in München. Die junge Psychologiestudentin Juli, genauer gesagt, Julietta Schindler, ist von Berlin nach München gekommen und auf Zimmersuche. Sie hat die Annonce auf der Webseite der Kunsthochschule entdeckt, dass eine Vermieterin ein Zimmer im fünften Stock zu einem geringen Preis vermieten will und mit der Vermieterin, einer sympathisch klingenden Frau namens Greta, einen Besichtigungstermin vereinbart.

Während sie das fragliche Haus in der Rabenstraße Nummer elf sucht, stellt sie fest, dass es sich beim fünften Stock um das Dachgeschoss handelt, was ihr nicht so gut behagt. Ein älterer Obsthändler, der in der Nähe sein Geschäft hat und eine Aushilfe auf Stundenbasis sucht, flirtet recht plump mit ihr. Sie weist ihn schroff ab und klettert zum fünften Stockwerk des Hauses hinauf.

Oben wird sie von Greta Brandstätter empfangen, die offensichtlich Schauspielerin ist und wenig Zeit für sie hat, weil sie zur Theaterprobe muss. Greta hat langes, kupferrotes Haar, ihr Markenzeichen, ist zart und zerbrechlich und offenbar ein Männerschwarm.

Juli erzählt Greta, dass ihre Mutter früher ebenfalls Schauspielerin gewesen ist, und zwar am Hoftheater, einer der renommiertesten Adressen Münchens, und dass sie unter ihrem Mädchennamen, Karoline Kaufmann, auftrat.

Greta schüttelt den Kopf und teilt Juli mit, dass ihr der Name ihrer Mutter leider nichts sagt. Die Studentin erklärt daraufhin, die Mutter sei nach ihrem Engagement am Theater in München mit ihrem Vater, der Hochseefischer gewesen sei und das bessere Einkommen gehabt habe, kurz vor dem Mauerbau nach Rostock, in seine Heimatstadt, gezogen und nie nach München zurückgekehrt. Heute lebe sie in einem Pflegeheim an der Ostsee.

Mitfühlend macht Greta ein betretenes Gesicht und fragt, ob Juli nach München gekommen ist, um ihre Mutter über deren Vergangenheit näher kennenzulernen. Juli bejaht und erzählt, sie wolle wissen, wo ihre Mutter damals gelebt habe. Diese habe ihr als Kind nämlich oft von einem wunderschönen Garten berichtet, der an einem roten Zaun vor einem plätschernden Bach gelegen habe. Sie habe ferner mit einem verschwörerischen Lächeln davon gesprochen, dass in der Mauer hinter dem Kirschbaum des Gartens zwischen den Efeuranken und hinter einem losen Ziegelstein eine Schatulle versteckt sei, die ihr gesamtes Vermögen enthalte.

Als Jugendliche habe sie dann gedacht, die Mutter habe ihr womöglich nur eine besonders spannende Geschichte erzählen wollen. Es sei jedoch zu spät gewesen, nachzufragen, denn die Mutter sei durch einen Schlaganfall ihrer Sprache beraubt und für immer ans Bett gefesselt worden.

Greta vermutet, dass sich Juli nun auf die Suche nach dem Garten machen will. Nach einem weiteren längeren Gespräch über Gretas Karriere und dies und das zeigt Greta Juli ein Zimmer mit Fenster auf den Hof hinaus. Wenn sie will, kann sie es haben. Schließlich mietet Juli das Zimmer und freut sich auf das Zusammenwohnen mit einer so netten und interessanten Frau.

Ein sehr heißer Sommer mit ausgesprochen tragischen Ereignissen nimmt seinen Lauf …

In Rückblenden am Anfang jedes Buchabschnitts erzählt die Autorin die schlimme Vorgeschichte der Ereignisse, die sie im Verlauf des Buches schildert. Schleichend fängt die Tragödie an und entwickelt sich dann zu einem Psychothriller, den ich zuvor in solcher Form noch nicht kannte.

Mit großem Geschick steigert die Erzählerin die Spannung von Kapitel zu Kapitel, bis schließlich ein Mord nach dem anderen geschieht, einer grauslicher als der andere.

Wer aber ist der oder die MörderIn in dieser Story? Die Antwort scheint zunächst auf der Hand zu liegen. Die Hauptakteurin, die Studentin Juli und ihre Freundin, ebenfalls eine Psychologiestudentin namens Elli, vermuten die Vermieterin und Schauspielerin Greta, eine undurchsichtige, dominante und – nach Julis Auffassung – grausame Frau hinter den Taten.

Dann aber verschwinden Elli und später auch Julis Freund Hannes, der ihretwegen nach München kommt, spurlos, und die junge Frau ist plötzlich wieder ganz allein der schrecklichen Greta und ihrem unheimlichen Freund Gregor ausgeliefert.

Dabei kann ihr sicherlich ihr neuer Chef, der Obsthändler Theodor Hofreiter, der sie als Aushilfe eingestellt hat, keine Hilfe sein. Außerdem ist er wahrscheinlich selbst in zwielichtige Geschäfte verstrickt. Schließlich taucht auch noch der Name einer geheimnisvollen Charlotte Weber auf.

Clara Weiss versteht es, die Psyche Juliettas und der anderen Charaktere detailliert zu beschreiben und liefert am Ende ein sehr genaues Psychogramm des (der) Serienmörders (Serienmörderin), der (die) in ihrer Geschichte sein (ihr) Unwesen treibt. Die Ursachen der geschilderten Taten sind am Anfang der Abschnitte und am Ende des Buches sehr plausibel beschrieben.

Zu guter Letzt besticht dieser Krimi durch eine überraschende Auflösung, die man in dieser Form nur erahnen konnte.

Fazit:
Der Kriminalroman Ich will brav sein ist ein Psychothriller, der diesen Namen verdient. Hintergründe und psychischer Defekt werden detailliert und glaubwürdig zu einem einheitlichen Bild verdichtet, das völlig logisch und stichhaltig daherkommt, aber am Ende überrascht. Ob die psychologische Beweisführung der Autorin wissenschaftlich korrekt ist, vermag ich nicht zu beurteilen, in sich logisch und schlüssig ist das Konstrukt von Clara Weiss allerdings durchaus. Empfehlen möchte ich diesen Thriller den Freunden ungewöhnlicher Krimis, die zudem gerne etwas über psychische Verirrungen von Menschen lesen.

Die Autorin:

Clara Weiss wurde 1976 in Thüringen geboren, studierte Literaturwissenschaften in Berlin und Bologna und arbeitet im Verlagswesen. Sie lebt mit ihrer Familie in München.

Mit ihrem ersten Roman Milchsblut wurde sie für den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte Debüt nominiert.    

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House.
  • Foto der Autorin. Copyright privat. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House.

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