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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 7

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Erster Teil
St. Jean d’Angeli
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Siebentes Kapitel

Der Ritter wusste sich weder zu raten noch zu helfen. Die Beschreibung des Kerkermeisters, als er die beiden Gefangenen überrascht hatte, war so gräulich, dass sein Gebieter einen wie den anderen vor sich bringen ließ und jeden besonders gar scharf befragte. Florian wollte sein Gewissen nicht beschweren, indem er das Siegel der Beichte nicht verletzen wollte. Hingegen ließ der Prior von Montfaucon Winke fallen, welche den Ritter veranlassten, mit dem Pater die Sache zu überlegen. Der Pater aber war nicht in der Veste, wohin er seine Schritte lenkte, das wusste niemand. Nur hatte er versprochen, vor Einbruch der Nacht wieder zurückzukehren. Eine Ewigkeit für den Ritter, der doch gar zu gern der Sache auf den Grund gekommen wäre. Er sann hin und her, auf welche Art er Florian vermögen konnte, des Priors Beichte zu offenbaren. Doch er selbst konnte sich mit seinem Gewissen nicht darüber verständigen, denn er war ein gottesfürchtiger Herr. Wenn es sein Pater gut hieß, dann freilich war es etwas anderes.

Wie er sich noch aber den verschiedensten Mutmaßungen dahin gab, meldete man ihm die zwei jungen Leute von Beziers. Er hatte den Wunsch des Waffenschmiedes, seine Bitte, nicht vergessen, drum erlaubte er auch, dass sie in die Veste eingelassen werden durften, aber zunächst bei ihm eintreten sollten, ehe sie das Gefängnis aufsuchten. Freilich musste es sehr hart sein, von solcher Lebensfreude zu scheiden, denn der Ritter, niemals ungetreu dem Ordensgelübde der Keuschheit, konnte doch kaum den Blick von der schönen Margot wenden. Gram und Leid vermochten nichts über diese wundersame Schönheit, vermochten nicht den Glanz des hellbraunen Auges zu töten, und wenn auch der ganze Ausdruck des herrlichen Gesichtes von jedem Leiden sprach, so trug dies doch nur dazu bei, Margot reizender zu machen. Sie war schlank, der Tugend Fülle blickte aus jeder Bewegung hervor, und so anspruchslos sie auch gekleidet war, so schien doch dieses Gewand geeignet, die Reize des Körpers zu erhöhen. Ein dunkles graues Kleid, knapp anliegend, aus dünnem Stoff umschloss die Gestalt der Jungfrau. Spangen von blauem Stahl, aus der Werkstatt ihres Vaters, vertraten die Stelle des Gürtels, der Armbänder, und Englor unter der Krause, welche das Kleid oben begrenzte, hielt ebenfalls der blaue Stahl, in einer kühnen Biegung über den hochgewölbten Busen herab und schloss sich so dem Gürtel an. Noch mehr als alles dieses befremdete den Ritter der Kopfputz der schönen Margot, denn er bestand ebenfalls aus einer Spange, wie die anderen, welche die gleichmäßig geordneten glänzenden braunen Locken umschloss und die nun schleierartig den weißen Hals und den Nacken umgaben.

Balthasar war ein hübscher Geselle; ein kühnes Gesicht, männlich schöne Züge, kräftig, wie es sich zu seinem Geschäft wohl passte. Es war nicht zu leugnen, die beiden schienen füreinander geschaffen. Aber wer möchte dem Ritter verdenken, dass sein Blick ungleich länger auf Margot weilte als auf Balthasar? Ja, als nun das Mädchen seine Hand ergriff, den schönen Mnnd auf dieselbe drücken wollte – das konnte doch der Ritter nicht dulden, und wenn er auch nicht das Ordengelübde der Keuschheit abgelegt hätte. Darum zog er seine Hand zurück und sagte, ohne selbst zu wissen, warum: »Keinen Dank, Margot, keinen Dank. Aber wie kam das, Margot, ich bin nun schon so oft in deines Vaters Haus gewesen und habe dich niemals gesehen? Wo stecktest du denn immer«?

»Edler Herr«, versetzte das Mädchen mit einer Würde, die den Ritter noch mehr überraschte, »es ziemt sich nicht für eines ehrsamen Bürgers und Meisters sittsame Tochter, sich fremder Männer Blicken preiszugeben.«

»Nehmt es nur nicht übel«, fiel Balthasar ein, »die Margot spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist.«

»Nein, Balthasar, ich nehme das nicht übel. Sie sagt, was sie meint, und das ist besser, als wenn sie sagte, was sie nicht meint. Höre, Balthasar, du wirst ein glücklicher Mann. Ich kenne deine Margot zwar nicht, aber ich glaube, sie wird eine gute Hausfrau.«

»Ja, edler Herr«, erwiderte Balthasar, die Schultern zuckend, »da könnt Ihr wohl recht haben … und Ihr habt gewiss recht; aber …«

»Was für ein Aber? Was willst du mit diesem Aber sagen?«

»Die Margot ist jetzt gar zu arm, edler Herr. Die königlichen Kommissarien sind bei uns gewesen und haben alles genommen, was sie fanden. Ich will nichts sagen, aber der König müsste doch bedenken, dass ich meine Margot ohne Geld nicht heiraten kann.«

»Ei, ei, ei, Balthasar!«, versetzte der Ritter vorwurfsvollen Tones. »Deine Liebe scheint mir nicht musterhaft. Bist du nicht gesund? Verstehst du deine Kunst nicht? Kannst du nicht dir und Margot das Brot erwerben? Und du wolltest um ein elendes Stück Geld das Mädchen lassen? Pfui, Balthasar, schäme dich! Ich halte dich schier des Glückes unwert, Margot als Weib zu besitzen. Und was sagst du dazu, Margot? So sprich doch!«

»Herr«, versetzte sie, »da solch Unheil über mich hereingebrochen ist, so muss ich wohl schweigen und in Geduld mich ergeben.«

»Nein, nein! Das sollst du nicht, Margot! Deines Vaters Sünde ist nicht die deine, und – doch davon muss ich schweigen.«

In diesem Augenblick ertönte das Horn des Burgwarts. Dem Ritter wurde gemeldet, dass ein Tempelherr zu Ross mit seinem üblichen Gefolge vor der Brücke hielte. Er müsste mehr als ein gewöhnlicher Ritter sein, meinte der Knappe, denn zwei andere Tempelherren hielten ihm zur Seite, neun andere in braunen Mänteln hinter den dreien, und auch Maultiere, welche das Gepäck trügen, wären von der Mauer aus zu unterscheiden.

In aller Eile, um den Anforderungen der Gastfreundschaft zu genügen, befahl der Ritter, dass man so ehrenwerten Gästen schleunigst die Veste öffne, und eilte selbst hinaus, sie zu empfangen.

Margot und Balthasar hatte er vergessen. Sie wagten aber nicht, die eingenommenen Plätze zu verlassen und standen noch immer fest auf denselben, als schon der Ritter den einen Tempelherrn hereinführte. Er war ein kräftig schöner Rittersmann. Langes, blondes Haar ringelte sich unter dem Helm hervor, sodass es den Ringkragen bedeckte, und unter dem aufgeschlagenen Visier desselben leuchteten große feurige blaue Augen. Obwohl zwar von dem Gesicht dieser Heldengestalt nur wenig zu sehen war – denn der untere Teil des Visiers ragte beinahe über den Mund – so war doch mit Gewissheit anzunehmen, dass die unteren Teile des Gesichtes ebenso schön wie die oberen wären. Der Ritter musste scharf sein Ross angespornt haben, denn die Schnur des weißen Mantels hatte sich bis zur linken Achsel hingedreht, und man konnte darum die mit großer Kunst gearbeitete Rüstung um so leichter erkennen. Sie war von blauem glänzenden Stahl mit Gold ausgelegt, auf dem Brustharnisch das große Kreuz von Gold zu schauen. Über die ganze Rüstung fiel das feine Netz eines Panzerhemdes herunter, welches beinahe ebenso weit reichte wie das weiße Unterkleid des Tempelherrn. Das lange Schwert, der Dolch, der klingende Schritt und das Rasseln des Harnisches bei jeder Bewegung erhoben das trotzig kühne Wesen des schönen Mannes. Auf die Mahnung des Ritters von Blancas schickte sich der Tempelherr an, den Helm abzulegen. Wie er noch an den Bändern desselben nestelte, der Ritter ihm behilflich sein wollte, traten schon seine zwei Begleiter herein, begrüßten den Hausherrn nach Ritterart, doch eine besondere Erscheinung machte sie stutzend. Zur Seite, wenig nach hinten von dem Tempelherrn, standen Margot und Balthasar. Margot hatte mit beiden Händen dessen Arm gefasst, und mit weit vorgebeugtem Oberkörper schien sie den Augenblick sehnlichst zu erwarten, da das Haupt des Ritters des Helmes ledig wäre.

»Lieber Bruder Komtur«, sprach der eine von den beiden Eingetretenen, »in welcher Gesellschaftfinden wir Euch?«

Er wies auf Margot. Da erst wurde Ritter von Blancas seiner Unachtsamkeit inne und befahl den beiden hinauszugehen. Er würde irgendeinem schon die Weisung geben, dass sie den Vater sehen könnten.

»Wir werden Euch nicht lange zur Last fallen, Herr Ritter«, nahm der Komtur das Wort, als er den Helm zur Seite gelegt hatte, und die beiden Brüder seinem Beispiel gefolgt waren.

»Wir begehren nur von Euch Brot und Wasser zur Leibesnotdurft für uns und die dienenden Brüder.«

»Wohl, Herr Ritter, das soll Euch werden. Doch sitzet nieder. Ich werde alles nach besten Kräften besorgen, und um so freudiger, da seit langer Zeit ein so ehrenwerter Gast wie Ihr und Eure Herren Brüder nicht bei mir eingesprochen haben.«

Der Ritter rückte ihnen selbst die Sessel, ließ sie allein, damit auch alles von ihm angeordnet würde und er so bei diesen Gästen Ehre einlegte. Da wurde es plötzlich lebendig in dieser Halle, Knappen beeilten sich, Speise und Trank herbeizubringen, und zwar in solchem Überfluss, dass wohl fünfzig Menschen daran zur Genüge hatten. Absonderlich große Krüge zierten den Tisch – denn nicht allein das Sprichwort Er trinkt wie ein Tempelherr ließ den Ritter diese Krüge herbeibefehlen, sondern auch noch der eigene Umstand, dass die Ritter Deutsche waren. Während man hier bei leckeren Speisen und gutem Wein sich nä­her verständigte, wurden Margot und Balthasar zu Florian und Matthias geführt. Lange hielt der Waffenschmied das herzliebe Töchterlein in seinen Armen, ehe er eines Wortes mächtig wurde. Nur in Tränen konnte er sein ganzes Gefühl aussprechen.

Margot versuchte ihn aufzurichten, hütete sich wohl, dass es auch nur feucht über ihr Auge zöge, und sprach, als der Alte sie aus seinen Armen gelassen hatte: »Ei, ei, mein Vater! Sagtet Ihr nicht immer, ein wahrer Christ dürfte niemals verzweiseln?«

»Das sagte ich, meine Tochter. Auch bin ich nicht in Verzweiflung, es scheint dir nur so, weil mich der Schmerz und die Freude des Wiedersehnes übermannten. Gib mir deine Hand, Margot – du, die deine, Balthasar – um euch beide habe ich das getan, um was man mich am Leben strafen will. Meine Torheit ist mir klar geworden. Der dritte Teil von meinem Gold hätte auch hingereicht für dich und Balthasar.1 Nun ist es noch ärger gekommen. Man wird mir nun alles mit Gewalt nehmen, weil ich einen Teil davon nicht gutwillig hergab. Oder sollte der König sich mit meinem Leben begnügen?«

»Nein Meister«, versetzte Balthasar, »der König begnügt sich nicht mit Eurem Leben. Sie sind schon bei uns gewesen im Haus, und Ihr könnt leicht denken, Meister, dass sie nicht gar viel haben liegen lassen.«

Dass Vater Florian die Zeit wahrnahm, den Augenblick zu benutzen suchte, um über Balthasars Herzensmeinung ins Reine zu kommen, war ihm nicht zu verdenken, und darum hatte er auch eben das Gespräch sogleich auf den Gegenstand hingeleitet, der ihm noch der wichtigste auf Erden war. Er verfolgte ihn also: »Aber die Werkstatt haben sie doch nicht geschlossen?«

»Geschlossen eben nicht, Meister – es ist aber nicht viel anders. Da Ihr nun einmal des Aufruhrs gegen den König überführt worden seid, so ziehen sich größtenteils die Ritter und Herren zurück, um nur nicht ein Haus zu betreten, welches sie dem König verdächtig machen könnte. Überhaupt ist nicht viel Segen dabei, denn der beste und reichste Ritter das ist stets ein Tempelherr, und dass da nichts zu verdienen ist, wisst Ihr auch, Meister, denn sie haben ihre dienenden Brüder, die müssen alles machen.«

»Jawohl, jawohl«, meinte der Waffenschmied, indem er sich den Bart kraulte, »hast recht, Balthasar. Aber unser Herrgott beschert doch jedem sein täglich Brot.«

»Meister, ich merke, Ihr werdet heftig. Lasst das lieber bleiben.«

»Nein, Balthasar, es verdrießt mich, wenn ich einen rüstigen Mann sehe, der Arme hat zur Arbeit, und doch immer denkt, er werde verhungern. Als ich noch in deinen Jahren war, da meinte ich die ganze Welt gehörte mir, denn ich bildete mir was darauf ein, dass der Waffenschmied kein Handwerker wäre, sondern ein Künstler, und nicht selten war, dass Waffenschmiede im reisigen Gezeuge waren, gleich Rittern. Nun, sage mir aber, Balthasar, wenn du schon verzweifelst, dir selbst Nahrung zu verschaffen, wie soll das werden, wenn du Margot heiratest?«

»Ja, Meister, das war es eben, warum ich hierher kam. Anfangs wollte ich nicht hierher kommen. Margot aber meinte, ich würde doch so viel Liebe für sie hegen, dass ich sie begleitete. Na, dachte ich, es muss doch endlich einmal zum Treffen kommen, und so ging ich mit. Nun muss ich Euch aber sagen, Meister, frei und frank von der Leber weg, dass ich Margot nicht heiraten kann. Entsetzt Euch nicht, Meister, ich will Euch die Sache erklären. Hätte Margot noch Euer Geld, so wüsste ich, was ich zu tun hätte. Nun aber hat sie das Geld nicht, und da muss ich denn auch wissen, was ich zu tun habe.«

»Verstehe das, wer will. Ich verstehe es nicht, Balthasar.«

»Nur Geduld, Meister. Das habe ich mir so ausgerechnet: Waffenschmied bin ich. Ich verstehe ein Schwert zu schmieden, eine Lanze und sonst, da melde ich mich denn bei dem nächsten Haus und werde dienender Bruder bei den Tempelherren.«

»Unsinnigere!«, trat plötzlich der Prior von Montfaucon hinzu. Aber als ob er sich übereilt hätte, zog er sich wieder zurück und nahm scheinbar durchaus nicht mehr an der Unterhaltung teil. Wenn sich Florian auch auf alles gefasst gemacht hätte, so hätte er doch nicht geahnt, dass Balthasar in den Tempelherrenorden treten würde. Mit Entsetzen erfüllte ihn der Entschluss, da die Beichte des Priors noch lebhaft vor seiner Seele stand. Von dem ganzen Hergang hörte Margot nichts. Ihres Vaters Hand hielt zwar die ihre, aber sie stand abgewandt von ihm, starr, aber freundlich vor sich hinblickend, als ob kein äußerer Gegenstand ihrem Blick eine andere Richtung geben könnte und ihr Inneres nur von einem Bild erfüllt wäre.

Um nicht jede Änderung in Balthasars Entschluss unmöglich zu machen, ging der Meister mit aller Vorsicht zu Werke, ließ seiner Margot Hand fahren und trat mit dem Gesellen seitwärts allein.

»Weißt du auch, Balthasar«, sprach er leise, damit es Margot nicht hören sollte, »weißt du auch wohl, dass ich sterben muss?«

»Ich meinte, Ihr wäret schon tot, Meister.«

»Freilich, ich war auch nicht gar weit davon. Doch, Balthasar, ich werde nun bald sterben müssen.«

»Gott schenke Euch eine selige Urstatt.«

»Aber was soll aus Margot werden?«

»Das müsst Ihr besser wissen als ich, Meister.«

»So hast du das Mädchen niemals geliebt?«

»Ach ja«, meinte Balthasar mit einer Herzlichkeit, die ganz und gar mit seinem Benehmen im Widerspruch stand. »Ach ja, Meister, ich habe sie geliebt, aber ich darf sie nun nicht mehr lieben. Das hat mir ein geistlicher Herr gesagt und mir fest versprochen, wenn ich meine irdische Liebe zum Opfer brächte, so würde die Gebenedeien im Himmel mich gnädig und liebend empfangen.«

»So, Balthasar? Kanntest du denn den Geistlichen nicht?«

»Wie Ihr nur fragen könnt! Er kam ja täglich in unser Haus in Beziers und hat uns auch den Bescheid gebracht, dass wir Euch hier sehen sollten. Er hat mir auch noch etwas aufgetragen, zwar nicht mit klaren Worten gesagt, aber doch so halb unb halb verständlich – Lasst nur mich einmal mich besinnen – ja recht, so war es! Er sagte: Meister Florian kann sich vom Tode retten, wenn er will. Er weiß um ein Geheimnis. Wenn er solches offenbart, so wird ihm nicht allein das Leben geschenkt, nicht allein Gelb und Gut wird ihm wieder gegeben, ja noch mehr, noch zehnmal mehr als er besessen hatte. Und es ist ein gutes Werk, fügte der Pater noch hinzu, er würde die Christenheit von einem Aussatz reinigen, er würde sich den Himmel verdienen, den er doch jetzt nicht erlangen kann.«

»Das sagte der Pater?«

»Jawohl, Meister. Er meinte auch, dass er es selbst beim Papst vertreten wollte, aber ich verstand ihn nicht so genau, weiß also auch nicht, was er zu vertreten hatte.«

Der Waffenschmied wurde nachdenklich, aber mochte ihn nun bescheinigen, was da wollte, so behielt doch immer der Gedanke, wie seine Margot so allein und verlassen in dieser Welt zurückbleiben würde, die Oberhaud. Er versuchte daher Balthasar von dem Vorsatz, in den Orden zu treten, abzu­bringen. Doch wie sehr hatte sich der Meister in diesen Gesellen verrechnet. Balthasar sprach so viel ungereimtes Zeug, er schwatzte von dem Wiederbesitz des Gelobten Landes, von dem herrlichen Beruf, um Gottes Willen zu streiten, von dem sorgenfreien Leben der Ordensbrüder und von so vielen anderen Dingen, dass dem Meister der Kopf kraus wurde.

»Ei! Was! Balthasar«, setzte er ihm endlich entgegen. »Du denkst dir das nur so – ich muss das besser wissen.«

»Ihr wisst ebenso wenig von dem Orden, wie ich jetzt weiß.«

»Was! Ich so wenig wie du?«

»Ja, woher solltet Ihr denn das wissen?«

Da erst besann sich Florian. Was er dem Ritter nicht hatte gestehen wollen, das hätte er beinahe gegen seinen Gesellen herausgestoßen. Darum wandte er sich schnell zu Margot, denn Balthasars fragender Blick wurde ihm lästig.

Bei diesem Gesellen ging es wie gewöhnlich; je weniger geistiges Vermögen dergleichen Leuten zuteilgeworden ist, desto fester nistet bei ihnen ein Gedanke, der dem Funken gleicht, welchen man in den Zunder geworfen hat; denn unversehens steht die ganze Masse in Brand, und nur eine Glut erfüllt sie. Von jeher war Meister Florians Wort für den Gesellen Balthasar ein Gesetz. Meister Florian duldete in seiner Werkstatt keinen Widerspruch. Darum war auch Balthasar gewohnt, jedes Wort des Meisters als wahr und wahrhaftig aufzunehmen, als unleugbar, und um so mehr jetzt, da es Zweifel bei ihm erweckte: Der Mensch ist zu nichts mehr geneigt, als an irgendeiner Wahrheit zu zweifeln.

Da sich der Meister nun zu seiner Tochter wandte, blieb der Geselle sich und seinen Gedanken überlassen. Bis bahin war die Rede nicht auf die Absicht dieses Besuches im Gefängnis gefallen. Wie der Meister nun sein einziges Kind arm und ratlos, eine elternlose Waise, betrachtete, da erst fühlte er ganz die Pein des harten Geschickes, welches unabwenbbar und grausam über ihn hereingebrochen war. Sagte aber nicht Balthasar, nicht allein das Leben könnte er sich retten, auch Geld und Gut würde er zurück empfangen und sogar mehr noch, als er besessen hatte? Greift doch der Schiffbrüchige nach jedem auch noch so kleinen Gegenstand, um dem Tod zu entgehen. Wer möchte Florian verdenken, dass Balthasars Worte für ihn bald mehr und mehr Gewissheit hatten und mit jedem Wort aus dem Munde des holden Töchterleins die Hoffnung auf Leben und Glück festere Wurzel in seinem Herzen schlug?

Des Alten Zärtlichkeit verfehlte den Eindruck auf die Tochter nicht. Seine Liebesworte führten Margot wieder zu ihm zurück. Es war, als ob sie sich aus den Wogen eines Gedankenmeeres gerissen hatte und des Vaters Brust der einzige leuchtende Punkt im nächtlichen Grausen gewesen wäre. Sie ahnten wohl, dass man ihnen nicht viel Zeit gönnen würde. An jeder Minute hing ein bedeutender Teil von des Vaters noch übrigem Lebensraum. Sie hatten sich so vieles zu sagen, und gerade dem übervollen Herzen versagt der Mund so häufig den Gehorsam. Wenn die Trennnngsstunde für ein Ewiges heranrauscht, dann ist es, als ob in der Mittagsschwüle schwarzes Gewölk sich türmt und jedes Herz erbebt im leblosen Schweigen. Sollte Florian in Tränen und Klagen ausbrechen? Sollte Margot mit ihrem Schmerz den Alten weich machen? Nein, der Waffenschmied raffte all seine Stärke zusammen, setzte sich scheinbar ruhig nieder, um, ein weiser Vater, sein Haus zu bestellen. Es kostete ihm freilich Mühe, durch den traurigen Ernst der Umstände den ernsten Gedanken bringen zu lassen. Aber was vermag nicht Vaterliebe? Es gelang ihm, das erste Wort an Margot zu richten. Was aber sollte die Arme beginnen? Mit Balthasar war ja nun auch die letzte Stütze geraubt. Eine dunkle Zukunft, mit des Vaters Todesstunde begonnen, war ihre ganze Aussicht. Als Florian, darnieder gedrückt von dem Gedanken, schwieg, trat Matthias hinzu. Margot war vor dem Vater niedergesunken, er hielt des Mädchens schönes Haupt zwischen seinen Händen, als wollte er sich noch einmal recht sattsehen an den lieben Zügen.

»Bist ein Narr, Florian«, zürnte der Prior. »Der Bursche da spricht von Leben, Reichtum, und du achtest das nicht höher als eine taube Nuss? Er sagt von einem Geheimnis – hätte ich ein so liebes Kind, und ich sollte nur ein Geheimnis offenbaren, und wäre es aus dem siebenten Himmel gestohlen – ich würde es dennoch sagen.«

»Matthias, ich weiß ja um kein Geheimnis.«

»Dir ist nicht zu raten, nicht zu helfen – bist ein Narr!«

Indem sich der Prior verdrießlich von seinem Unglücksgefährten abwandte, trat der Gefangenenwärter herein. Die Trennungsstunde hatte geschlagen.

Show 1 footnote

  1. Philipp der Schöne setzte den Münzwert auf 331/3 pro C. herunter, sodass ein Heller vom heiligen Ludwig drei Heller Wert in sich hatte.