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Das Riesenfräulein

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden undGeschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Erstes Bändchen

Das Riesenfräulein

Auf der Hohen Acht stand vor Zeiten eine Burg, in der ein Riesengeschlecht von Rittern hauste. Die Tochter des Burgherrn, der das einförmige Leben dort oben auf der Burg langweilig wurde, ging einst hinab ins Tal, um sich die Zeit zu vertreiben. Hier im lieblichen Grund sah es ganz anders aus als auf der unwirtlichen Höhe ihrer Burg. Ringsum breiteten sich fruchtbare Gefilde aus, die des Landmanns Fleiß reichlich belohnten. Doch kam ihr, die bisher nur Riesen gesehen haben, alles so winzig klein vor. Als sie ihr Auge über die Gegend schweifen ließ, bemerkte sie einen Bauersmann, der mit zwei kräftigen Rossen sein Feld pflügte. Der ungewohnte Anblick vergnügte das Riesenfräulein, und Bauer und Gespann dünkten ihr ein passendes Spielzeug zu sein. Das Burgfräulein breitete seine Schürze aus, verbarg Bauer, Pferde und Pflug darin und eilte dann zur Burg hinauf.

Freudig rief es dem Vater entgegen: »Sieh, welch seltsam Spielzeug ich mir in dem Tal geholt habe! Ein putziges Männlein, zwei schwarze Käfer und eine blanke Nadel habe ich hier. Es ist mir ein Vergnügen, mir die Zeit damit zu vertreiben.«

Der Vater aber sprach: »Kind, was hast du angerichtet? Trage die Sachen wieder an ihren Ort. Ein Bauersmann ist kein Spielzeug, und Pflüge nehmen bringt kein Glück. Wir Riesen sind zwar die Herren der Erde, aber da wir an Arbeit nicht gewöhnt sind, müssten wir Hungers sterben, wenn nicht der Landmann im Schweiße seines Angesichtes arbeitete und den Acker jahraus, jahrein bestellte.«