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Der Welt-Detektiv Band 6

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Interessante Abenteuer unter den Indianern 47

Interessante-Abenteuer-unter-den-IndianernJohn Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Wanou und der englische Offizier

Man erzählt eine Anekdote von einem alten Mohegan-Indianer, namens Wanou, welcher ein interessantes Beispiel der innigen Liebe eines Vaters zu seinem Sohn lieferte.

Während der häufigen Kriege, welche zwischen den Indianern und Weißen stattfanden, hatten bei einer Gelegenheit die Wilden eine Abteilung englischer Soldaten geschlagen und in die Flucht getrieben. Der Rückzug geschah in großer Unordnung, wobei ein junger englischer Offizier, der zu fliehen versuchte, von zwei Indianern verfolgt wurde. Da er sah, dass Flucht unmöglich war, beschloss er sein Leben wenigstens so teuer wie möglich zu verkaufen. Er wandte sich um, seine Feinde erwartend. Ein hitziges Gefecht entspann sich, in welchem der junge Offizier sicherlich bald unterlegen wäre, wenn nicht gerade in demselben Augenblick, als einer seiner Feinde den Tomahawk über seinem Kopf schwang, um ihm den Todesstreich zu versetzen, ein alter Indianer hervorgesprungen wäre und sich zwischen den Kämpfer und die Rothäute geworfen hätte. Die Indianer zogen sich sofort ehrerbietig zurück.

Der alte Mann nahm den Offizier bei der Hand, beruhigte ihn und führte ihn durch den Wald zu seinem Wigwam, wo er ihn mit dem größten Wohlwollen behandelte. Die Gesellschaft des Jünglings schien ihm Vergnügen zu machen. Er war sein steter Begleiter, er lehrte ihn seine Sprache und machte ihn mit den rohen Künsten seines Volkes vertraut.

Sie lebten glücklich zusammen, nur zuweilen trübte die Erinnerung an die Heimat des Engländers Ruhe, und für eine kurze Zeit drückte sein Gesicht Kummer und Sehnsucht aus. Wanou ließ in solchen Augenblicken seinen Blick auf dem Jüngling ruhen, und Tränen traten dann in seine Augen.

Bei der Wiederkehr des Frühlings wurden die Feindseligkeiten wieder erneuert und jeder Krieger war unter Waffen.

Wanou, dessen Stärke noch hinreichend war, um die Mühen des Krieges zu ertragen, gesellte sich, von seinem Gefangenen begleitet, zu seinen Kameraden. Nach einem Marsch von über 200 Meilen gelangten die Indianer vor das Lager der Weißen. Wanou beobachtete des Jünglings Züge scharf, als er ihm das Lager der Weißen zeigte.

»Da sind deine Brüder, bereit, uns zu bekämpfen«, sagte er. »Höre meine Worte! Ich habe dein Leben gerettet. Ich habe dich gelehrt, ein Kanu, Bogen und Pfeile zu machen, den Bären und den Büssel zu jagen, das Reh im Sprung zu erlegen und selbst den schlauen Fuchs zu überlisten.

Was warst du, als ich dich in meinen Wigwam führte? Deine Hände waren wie die eines Kindes, sie waren nicht geeignet, dich zu ernähren, dich zu verteidigen, du warst unwissend, ich habe dich in allem unterrichtet. Wirst du undankbar sein und deinen Arm gegen die roten Männer erheben?«

Der junge Engländer erklärte mit Innigkeit, dass er lieber sein Leben verlieren, als einen Tropfen Blut seiner indianischen Freunde vergießen würde.

Der alte Indianer schien von einer schmerzlichen Rückerinnerung überwältigt. Er bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen, ließ den Kopf auf die Brust sinken und blieb in dieser Stellung einige Zeit stehen. Nachdem er sich gezwungen hatte, seine Gefühle zu unterdrücken, blickte er den jungen Mann liebevoll an. Mit einem Ausdruck, aus dem Zärtlichkeit und Kummer sprachen, fragte er ihn: »Hast du einen Vater?«

»Er lebte, als ich mein Vaterland verließ«, antwortete der junge Mann.

»O, wie glücklich ist dein Vater, dass er noch einen Sohn hat«, sagte der Indianer, und dann fügte er nach einer kurzen Pause noch hinzu: »Wisse, dass auch ich einst Vater war, aber ich bin es jetzt nicht mehr. Ich sah meinen Sohn in der Schlacht fallen. Er focht heldenmütig an meiner Seite. Er fiel mit Wunden bedeckt und starb wie ein Mann! Aber ich rächte seinen Fall, ja, ich habe ihn gerächt.«

Wanou legte großen Nachdruck auf diese Worte. Sein ganzer Körper schien tief erschüttert, seine Augen verloren ihre gewöhnliche Heiterkeit und schwere Seufzer drangen aus seiner Brust. Nach und nach wurde er wieder ruhiger.

Sich gen Osten wendend, wo die Sonne gerade in voller Kraft aufgegangen war, sagte er: »Junger Mannl Du siehst dort das herrliche Licht. Gewährt es dir Vergnügen, es anzuschauen?«

»Ja«, antwortete der Engländer, »ich sehe nie die aufgehende Sonne ohne Vergnügen oder ohne das Gefühl der Dankbarkeit gegen unseren großen Vater, der sie erschaffen hat.«

»Es freut mich, dass es dir Bergnügen macht, doch für mich ist alle Freude verloren«, sagte Wanou.

Einen Augenblick darauf zeigte er dem jungen Mann einen Strauch, der in voller Blüte stand.

»Siehst du diese schöne Pflanze? Freut es dich nicht, sie anzuschauen?« »Ja, es gewährt mir großes Vergnügen«, antwortete der junge Mann.

»Mir macht es nicht länger eine Freude«, sagte der alte Mann.

Nachdem er den jungen Engländer herzlich umarmt hatte, schloss er mit diesen Worten: »Entferne dich, eile in dein Vaterland zurück, damit dein Vater noch Freude habe, die aufgehende Sonne und die Frühlingsblumen anzuschauen.«