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Der Welt-Detektiv Band 6

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Genovefa

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden undGeschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Erstes Bändchen

Genovefa

In Mayen steht die im Jahre 1280 vom Erzbischof Heinrich von Binstingen erbaute Genovefaburg. Wahrscheinlich hat an deren Stelle schon früher eine Burg gestanden, die Hohensymmern geheißen haben mag. Dort wohnte zu der Zeit, als Karl Martell als Hausmeier das Frankenreich regierte, der Pfalzgraf Siegfried. Mit seiner ebenso schönen wie tugendhaften Gemahlin Genovefa führte er ein überaus glückliches Familienleben. In inniger Liebe waren beide einander zugetan. Aber ihr Glück war von nur kurzer Dauer. Die Kunde, dass die Sarazenen in das Frankenreich einzufallen drohten, drang durch das Land und beunruhigte auch die Bewohner der Burg Hohensymmern. Karl Martell rief zum Kampf auf, und auch Siegfried folgte diesem Ruf, so sehr auch der Abschied von seiner Heimat und die Trennung von seiner treuen Frau ihn schmerzten. Er versuchte dieses zu trösten und sprach: »Hemme der Tränen Lauf! Es ist Pflicht eines jeden Christen und Ritters, die unserem Land und dem christlichen Glauben durch die Sarazenen drohende Gefahr abwenden zu helfen. Gott wird mit uns sein und unseren Waffen den Sieg verleihen. Nach kurzer Trennung wird uns ein frohes Wiedersehen beschieden. In dem Schutz meines Hausmeisters wirst du gut aufgehoben sein.« Dann nahm er Abschied und ritt mit seinen Mannen vertrauensvoll davon. Lange schaute Genovefa dem geliebten Gemahl nach. Sie bebte vor innerem Schmerz, trotzdem sie nicht ahnte, welch grenzenloses Herzeleid ihr noch bevorstand.

Golo, der sich die Gunst seines Herrn zu erwerben verstand, war ein treu- und ehrloser Diener, der sich alle Mühe gab, Genovefa zur Untreue gegen ihren Gemahl zu verleiten. Da sie seine schändlichen Anträge hartnäckig zurückwies, erfasste ihn namenlose Wut. Er sann auf Rache und ließ seine Herrin in dem Turm der Burg gefangen setzen. Ihr kleines Knäblein, das sie Schmerzenreich genannt und das seinen Vater noch nicht gesehen hatte, war da ihr einziger Trost.

Doch Golos Rachedurst war damit noch nicht gekühlt. Er sandte Boten an Siegfried und ließ ihm melden, seine Gemahlin habe ihm die Treue gebrochen. Ohne Argwohn glaubte Siegfried die schändliche Kunde, und in seiner Entrüstung gab er den Befehl, Genovefa zu töten. Golo sollte diesen Befehl vollziehen. Mit teuflischer Freude ließ er sie aus dem Turm holen. So war die vor Schmerz und Entbehrung abgemagerte Frau, die sich fast blind geweint hatte, schutzlos der Wut ihres Todfeindes preisgegeben. Golo ließ sie durch zwei Knechte in den nahen Wald bringen, wo diese das Todesurteil an ihr vollziehen sollten. Als man sie über die Nettebrücke führte, blieb sie stehen. Sie zog ihren Trauring vom Finger und warf ihn in das Wasser, wobei sie weinend sprach: »So gebe ich meinem Herrn seine Treue und sein Versprechen zurück, um seine Schuld zu verringern.«

Im Wald beteuerte Genovefa ihre Unschuld und flehte um Schonung. Da ließen sich die Knechte erweichen und schenkten ihr und ihrem Kind das Leben. Beide fristeten nun mehr als sechs Jahre lang in einer Höhle im Dickicht des Waldes ein trauriges Dasein. Wurzeln und Kräuter sowie die Milch einer Hirschkuh, die ganz zutraulich geworden war und immer in ihrer Nähe blieb, bildeten ihre Nahrung.

Siegfried war seit einigen Jahren wieder aus dem Krieg heimgekehrt. Aber Glück und Frieden waren für ihn dahin. Trübe Gedanken und bittere Ahnungen quälten, Zweifel an der Schuld seiner Gattin beunruhigten ihn. Einst sollte ein großes Fest und dabei auch eine große Jagd veranstaltet werden. Auf dieser wurde die Hirschkuh aufgespürt, die in der Höhle bei Genovefa Schutz suchte. So wurde die Gräfin gefunden, und Siegfried, der alsbald hinzugekommen war, erkannte seine totgeglaubte Gattin, die er unter so seltsamen Umständen wiedergefunden hatte. Sofort wurde die Jagd eingestellt, und freudig eilte alles zum Schloss. Als Genovefa mit ihrem Gemahl die Brücke der Nette überschritt, näherten sich dem Pfalzgrafen zwei Fischer und überreichten ihm einen großen Fisch. Bei seiner Zubereitung fand man in seinem Magen den Trauring der schwer geprüften Pfalzgräfin. Golo musste, da alles Leugnen nichts mehr helfen konnte, seine böse Tat eingestehen und wurde zur Strafe dafür sofort hingerichtet.

Die Tage Genovefas aber waren gezählt. Sie starb noch in demselben Jahr eines seligen Todes. Ihre Begräbnisstätte fand sie in dem Dickicht des Waldes, wo sie so lange gelebt hatte. Über ihrem Grab wurde eine Kapelle, die Fraukirche, erbaut, in der auch Siegfried und sein Sohn nach ihrem Tod beigesetzt wurden.