Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Romantruhe-Western Band 13

Ross Kinkaid
Romantruhe-Western Band 13
Wer am schnellsten schießt …

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, April 2017, 70 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Firuz Askin
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Ist der durchreisende Revolvertramp Lester Morgan wirklich der Einzige, den das schreckliche Schicksal der Heimstätter-Familie Bartlett berührt? Was steckt dahinter? Im Zuge seiner Nachforschungen deckt Morgan das eine oder andere Geheimnis auf und lernt manche Bewohner der in der Stadt Buckshot und Umgebung besser kennen, als ihm lieb ist. Und am Ende kommt es nur auf eines an – wer am schnellsten schießt.

Leseprobe:

Hart greift Lester Morgan in die Zügel, als er um die Wegbiegung reitet und den mächtigen Baum zu Gesicht bekommt.

Ein Mann hängt dort am Ende eines Strickes von einem Ast herab.

Der leichte Wind bewegt den Körper des Toten.

Morgans brauner Hengst wirft den Kopf hoch und klirrt mit dem Zügelgeschirr. Aus dem Baum steigen mit schrillem Krächzen ein paar große Vögel, schrauben sich mit heftigem Flügelschlag in die Luft und beginnen über dem Galgenbaum zu kreisen.

»Oh, verdammt!«, stößt Lester Morgan hervor. »Und das auf leeren Magen!«

Er holt sein Rauchzeug aus der Tasche und dreht sich mit der rechten Hand eine Zigarette, dabei beobachtet er scharf das Land um sich herum.

Der Weg aus den Bergen heraus beginnt sich hier in ein weites, flaches Tal hinabzusenken und führt genau an der Lebenseiche vorbei. Die jenseitigen Talhänge sind im Dunst kaum zu erkennen. Morgan schätzt die Entfernung auf vierzig oder noch mehr Meilen. An Wasserreichtum leidet dieses Tal nicht. Da und dort ein paar grüne Schlangenlinien, die Wasserläufe markieren. Dazwischen große braune Flecken verdorrten Grases und helle Sandflächen. Das graue Band des staubigen Weges windet sich da hindurch.

Bis zur Talmitte kann Lester Morgan dem Weg mit den Blicken folgen.

Weit rechts davon entdeckt er winzig klein ein paar Gebäude. Das Land scheint dort besser beschaffen zu sein. Er kann die unzähligen hellen Punkte einer weit verstreuten Rinderherde ausmachen.

In der Nähe jedoch sind keine Ansiedlung und kein Haus, von wo dieser Mann stammen könnte.

Lester Morgan raucht hastiger und treibt den Hengst an. Er muss sehr nah an dem Toten vorbei.

Vielleicht ein Bandit?

Der Tote trägt derbe Schuhe, keine Reitstiefel. Die Kleidung ist einfach, aber nicht unordentlich. Das blaue, verzerrte Gesicht verrät noch die Todesangst im Augenblick des Aufhängens.

Morgan betrachtet das Seil, dessen anderes Ende in Kopfhöhe um den Stamm der Lebenseiche geknotet ist. Es ist ein Rinderlasso, wie es Cowboys verwenden. Etwas gefettet und nicht zu dick.

Dann ist Morgan vorbei. Er blickt nicht zurück. Tote gibt es in diesem Land immer. Die Ursache ist meist eine Kugel, die sich als unverdaulich erwies.

Der Weg schwingt sich abwärts um eine Bergschulter herum. Nach hundert Pferdelängen öffnet sich für Morgan der Blick in ein kleines Seitental linker Hand.

Jetzt pfeift er leise durch die Zähne.

Da unten liegt eine kümmerliche Heimstätte oder was es sonst sein mag. Ein Haus, halb in die Erde gebaut, ein kleiner Schuppen, ein Corral und drei bebaute Felder.

Mitten durch das Seitental fließt ein milchigweißer Alkalibach, der zur Bewässerung nicht taugt.

Alles ist verdorrt da unten. Dennoch hat der Besitzer versucht, sein Anwesen in Schuss zu halten. Lester Morgan erkennt dies auf einen Blick.

Ob der Tote von seiner Heimstätte stammt?

Der Weg führt nahe daran vorbei.

Morgan überlegt, ob er hinreiten und nachfragen soll.

Als er den Weg weiter abwärts reitet, beugt er sich plötzlich im Sattel vor.

Vor der Erdhütte liegt jemand im hellen Staub des Hofes. Jetzt sieht er auch, dass das Corralgatter ausgehängt ist.

Lester Morgan macht noch hastig einen Zug an seiner Zigarette, wirft sie dann in den tiefen Staub auf dem Weg, wo sie kein Unheil anrichten kann, und nimmt die Zügel auf.

Wachsam reitet er hinunter.

Aus der Nähe betrachtet wirkt die Heimstätte noch viel gepflegter als da oben von der Höhe. Hier hat ein Mann mit harter Arbeit versucht, dem Boden etwas abzuringen.

Morgan streift mit einer blitzschnellen Bewegung die Schlinge vom Colthammer, steigt ab und geht geduckt über den Hof.

In der Nähe der Frau richtet er sich mit einem flachen Seufzer auf.

Diese Frau konnte ihn nicht hören. Sie ist tot.

Unter ihrem Körper ist der Sand rostbraun – eingetrocknetes Blut.

Lester Morgan wendet sich der flachen Erdhütte zu, deren Eingang am Fuße von sechs Stufen liegt, die ins Erdreich gegraben wurden. Er zieht die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, als er die vielen Einschüsse sieht.

Die schmalen Fenster sind zerschossen, die Türe ist durchlöchert.

Er geht die Stufen hinunter, drückt mit der Schulter die halb zugezogene Tür ins Hütteninnere und gleitet sofort nach links an die Wand.

Nach ein paar Augenblicken haben sich seine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt. Die Hütte ist nicht sehr hoch. Dicht unter dem Dach sind die schmalen Fenster eingebaut.

Der gestampfte Lehmboden ist übersät mit Glassplittern, leeren Patronen und Hausrat. Neben dem Herd aus Feldsteinen liegt ein Gewehr mit zersplittertem Kolben.

Ein Stück links vom Herd ist eine Trennwand mit zwei Türen.

Lester Morgan schiebt sich auf die erste zu, tritt sie auf und blickt in einen Schlafraum, in dem nichts mehr an seinem Platz ist. Alles ist durcheinandergeworfen, die Strohsäcke aufgeschlitzt, ein Schrank zertrümmert und die Kleider zerrissen und im Raum verstreut.

Aber dann gibt er sich einen Ruck und geht mit zusammengebissenen Zähnen in dieses zweite Zimmer. Es ist ebenfalls eine Schlafkammer.

Auf dem einzigen Bett liegt ein Mädchen. Es ist zweimal durch den Leib geschossen.

Lester Morgan zieht dem Mädchen die Röcke herab und glättet sie. Das Gesicht der Toten drückt Ekel und Abscheu aus. Sie mag siebzehn oder achtzehn Jahre alt geworden sein.

Lester Morgan verharrt eine Weile reglos neben dem Bett. Dann wendet er sich ab und geht hinaus.

Im Hof scheucht er die Fliegen von der toten Frau, dreht sie auf den Rücken und nimmt sie auf die Arme. Sie ist von mehreren Kugeln getroffen. Ihr Gesicht ist mit Sand und Staub bedeckt, aber die harten Linien darin sind zu erkennen.

In der Kammer des Mädchens legt Lester Morgan die Frau auf das Bett, reibt die Hände an seiner verwaschenen und ausgebleichten blauen Hose ab und geht hinaus.

Er zieht die zerschossene Eingangstür hinter sich zu, steigt die Erdstufen hinauf und sieht im Hof die Abdrücke von Rinderklauen. Vier, höchstens fünf Rinder wurden aus dem kleinen Corral neben der Hütte herausgeholt und weggetrieben.

Morgan schüttelt den Kopf. Wegen fünf Kühen bringt man nicht zwei Frauen um.

Der Mann oben an der Lebenseiche war ohne Zweifel der Besitzer dieser Heimstätte.

Es wurde gekämpft, bevor das Unheil über diese Familie hereinbrach. Aber es ließ sich nicht aufhalten.

Lester Morgan hält sich nicht länger auf. Er geht zu seinem Pferd, den Blick zu Boden gesenkt. Er sieht die Spuren vieler beschlagener Pferde und da und dort blinkende Patronenhülsen.

Hier war eine teuflische Horde bei der Arbeit und hat eine Familie ausgerottet.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages