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Schwäbische Sagen 44

Schwäbische-Sagen

Elftes Kapitel
Gespenster – Umgehende Seelen

Der Hausgeist Jokele
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

In Wurmlingen, dem jetzigen Rößleswirt gegenüber, lag der Hof und das Schloss der Wegezer (Wegenzer von Feldorf). Daselbst stand später ein Haus, in welchem sich ein Getsi aufhielt, der allerlei Arbeiten für die Bewohner tat. Er wiegte zum Beispiel die kleinen Kinder, warf Stroh und Heu vom Boden, holte Holz, Wasser und dergleichen. Allein bei jedem Auftrag musste man immer sagen: »It ze litzel, it ze viel!« Sonst machte er Dummheiten und übertrieb alles, schleppte den ganzen Holzstall in die Küche usw. Auffallend war es aber, dass man in diesem Haus kein Vieh halten konnte. Es magerte jedes Mal ab und krepierte in kurzer Zeit.

Als das Haus abgebrochen wurde und an der Stelle des Viehstalls ein Keller gegraben werden sollte, fand man daselbst die Gebeine eines Kindes, das jener Geist wahrscheinlich bei seinen Lebzeiten umgebracht und hier vergraben hatte. Denn nachdem man das Kind auf den Gottesacker in ein ordentliches Grab gebracht hatte, war dieser Poltergeist verschwunden.


Käsperle
Eine mündliche Überlieferung aus Immenhausen, Hinternweiler, Gomaringen

Kaspar oder Käsperle war ein Vogt in Gomaringen und soll die Gemeinde um Ländereien betrogen haben. Deshalb musste er nach seinem Tod umgehen und spukte in einem Haus, das man Aunaut (Unnot) nannte, nicht weit von Gomaringen. Da ist er oftmals in seiner weißen Zipfelmütze, mit weißen Strümpfen, Schnallenschuhen und mit der Pfeife im Mund gesehen worden, klopfte und polterte im ganzen Haus so arg, dass niemand mehr darin wohnen wollte und man es am Ende einem Schreiner umsonst überließ. Besonders unruhig zeigte er sich, wenn die Haus­frau niederkam. Dann nahm er ihr öfters das Kind weg und trug es unters Bett, tat ihm übrigens nichts zuleide.

Am ärgsten lärmte er jedoch um Weihnachten. Da sprang er zum Beispiel in der Viehkrippe hin und her, dass die Kühe vor Angst brüllten, worüber er jedes Mal laut lachte. Ferner band er das Vieh verkehrt an, band zwei Stück an einem Strick zusammen und dergleichen. Wenn er es zu toll machte, rief der Hausherr wohl einmal: »Jetzt bist aber still!«

Dann ging es eine Weile gut. Aber bald trieb er aufs Neue seine Streiche, zog den Knechten, die Futter schneiden wollten, das Heu und Stroh aus der Schneidlade (Stroh­stuhl), während sie das Messer wetzten und dergleichen mehr.

Um Weih­nachten ging er immer auch aufs Feld und klopfte beständig an einem Markstein herum, den er wahrscheinlich versetzt hatte.

Auch führte er eine große Schnupftabakdose bei sich, die wie grünes Moos aussah, und hielt sie den Leuten hin. Wollte aber jemand zulangen und eine Prise nehmen, so zog er sie schnell wieder zurück.

Als endlich das Haus abgebrochen und das Holz nach Gomaringen geführt wurde, spottete man über den Käsperle, der nun allein zurückbleiben müsse. Allein, als der letzte Wagen mit Holz abfuhr, saß Käsperle oben drauf, wovon der Wagen so gedrückt wurde, dass er sich ganz zusammenbog und brechen wollte. In Gomaringen wagte es aber niemand, den Wagen abzuladen, bis dass der Geist fortgesprungen war. So wie aber das Holz verbaut war, stellte auch Käsperle in dem neuen Haus sich ein und trieb darin sein altes Unwesen fort, bis vor einigen Jahren sein Grab geöffnet und er noch unverwest und blutig darin gefunden wurde.

Dann hat man ihn zum zweiten Mal in Gomaringen begraben, und seitdem ist er nicht mehr gesehen noch gehört worden, und wird nun erlöst sein.


Der Geist im Kaiser zu Rottenburg
Eine mündliche Überlieferung aus Rottenburg am Neckar

In Rottenburg steht am Markt das Wirtshaus Zum Kaiser. Darin befindet sich eine alte Kapelle, in welcher alljährlich einmal und zwar am ersten Sonntag nach dem September Gottesdienst gehalten werden muss. Unterbleibt der, so lärmen und poltern die Geister darin so furchtbar, dass man es nicht aushalten kann. Als der frühere Besitzer das Haus verkaufte, empfahl er dem neuen Be­sitzer dringend an, doch ja die jährliche Abhaltung des Gottesdienstes nicht zu versäumen. Das tat er denn auch nicht und behielt die Sitte bei, und so blieb alles ruhig.

Vor einigen Jahren aber ließ er die hölzerne Treppe, die von Außen in die Hauskapelle führte, durch eine steinerne ersetzen. Obwohl er die Maurer beständig antrieb, so war es doch nicht möglich, bis zu dem bestimmten Tag damit fertig zu werden. Deshalb musste auch der Gottesdienst zum ersten Mal unterbleiben. Acht Tage vergingen, ohne dass man etwas hörte. Als aber auch am zweiten Sonntag der Gottesdienst nicht abgehalten wurde, da brach nachts ein entsetzliches Gerumpel und Gerassel los. Es war, als ob beständig schwere Ketten vom Dach herabgelassen würden. Die Pferde im Stall zitterten, schnaubten und schwitzten. Der Knecht war in Todesängsten und bat um Gotteswillen seine Herrschaft, den Geist durch Abhalten des Gottesdienstes zu beschwichtigen. Das geschah denn auch sofort, und seitdem ist es wieder still geworden.

Frühere Hausbewohner wollen gesehen haben, dass ein langer Mann und eine Frau im Kaiser umgehen. Man hat oft bei Nacht im Schlafzimmer gehört, wie sie laut herumtappten und mit den Pantoffeln am Boden schlürften. Auch im Kamin hörte man sie zuweilen herunterrutschen. Ferner sagt man, dass Schätze in dem Haus vergraben seien. Darauf bezieht sich auch wohl die Bemerkung in mehreren alten Kaufbriefen, dass alle Schätze, die man im Kaiser finde, dem jedesmaligen Hausherrn gehören sollten.


Der Geist in der Kreuzberger Kelter
Mündliche Überlieferungen aus Tübingen

1.

Im Ammertal zwischen Tübingen und Jesingen liegt die Kreuzberger Kelter, in welcher ein Geist umgehen muss. Der ist schon oft und von vielen Leuten als ein Licht gesehen worden. Der Zimmermann Schlegel aus Tübingen, der an keine Geister glaubte, spottete oft darüber, wenn man von diesem Geist in der Kelter sprach. Einst kam er mit mehreren Gesellen an der Kelter vorbei. Da sah man ein Licht in der Stube und alle machten ihn aufmerksam, dass der Geist sich wieder sehen lasse. Der Zimmermann Schlegel stieg nun die Treppe hinauf, guckte durchs Schlüsselloch der Tür, sah allerdings ein Flämmchen in der Stube und rief:

Schaible, Schaible (Schäuble),
mach dich leicht!
Dass du bald
bei mir seist!

Da fühlte er sich plötzlich von unsichtbaren Händen gepackt und wurde die Treppe hinabgeworfen, dass er mehrere Wochen totkrank im Bett liegen musste.

2.

Ein Mann aus Jesingen ging eines Tages an der Kreuzberger Kelter vorbei und hörte jemand darin niesen.

»Helf dir Gott!«, rief er hinein.

Sofort nieste es noch einmal.

»Helf dir Gott!«, rief er zum zweiten Mal.

Als es aber zum dritten Mal nieste, sprach er: »Ei, wenn dir Gott nicht helfen kann, so helf dir der Teufel!«

Da ergriff ihn der Geist und warf ihn so jämmerlich zu Boden, dass der Mann krank geworden und acht Tage danach gestorben ist.


Die umgehende Haushälterin
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

Ein früherer »Pater Statthalter« auf dem Ammerhof bei Tübingen hatte eine sehr geizige Haushälterin, die niemanden ein Almosen geben mochte. Kamen arme Leute zu ihr und baten sie um etwas zu essen oder um eine Schale Milch, so sagte sie immer, sie habe gar nichts übrig, und schüttete dann alles übrig gebliebene Essen sowie die übrige Milch den Schweinen in den Trog. Auch gestand sie, dass sie gar keinen armen Menschen sehen könne. Zur Strafe für diese Hartherzigkeit schwebte sie lange Zeit nach ihrem Tod als feuriger Geist des Nachts im Ammertal herum und musste auf dem Ammerhof beständig den Saukübel umrühren. Am häufigsten sah man sie als Licht bei der Ohnnot (Aunaut), einer Schutzhütte bei Gewitter. Weil sie aber den Ammerhof sehr beunruhigte, so hat sie endlich ein Geistlicher fortbeschworen.


Der Stotzenschläger
Eine mündliche Überlieferung aus Gomaringen

Auf einer Wiese bei Gomaringen ließ sich das ganze Jahr ein Geist vernehmen, der Stotzen einschlug, daher man ihn nur den Stotzenschläger nannte. Einmal sah ein Mann in Gomaringen aus dem Fenster und rauchte eben aus einer irdenen Kölner Pfeife, als der Stotzenschläger wieder zu klopfen anfing.

»Der wird auch nicht müde«, rief der Mann seinem Nachbarn zu.

Patsch!, hatte er eine Ohrfeige, dass ihm die Pfeife aus dem Mund fiel und zerbrach. Seitdem hat er nie wieder über Geister gespottet.

Jetzt hört man den Stotzenschläger nicht mehr. Er muss erlöst sein wie die meisten Geister, von denen man früher, besonders in Gomaringen, so viel zu erzählen wusste. Da hörte man zum Beispiel immer um Weihnachten eine »Windelwäscherin«, die in der Wiesatz patschte und Windeln wusch. Ferner konnte man jede Nacht auf dem Landsbühl ein Weib jämmerlich schreien hören. Das war die »Landsbühl-Heulerin«, die wahrscheinlich ihr Kind dort vergraben hatte. Jetzt hört man nichts dergleichen mehr.