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Interessante Abenteuer unter den Indianern 46

Interessante-Abenteuer-unter-den-IndianernJohn Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Indianische Kinder

Man schildert die Indianer häufig so, als wären sie ganz ohne alle natürliche Zuneigung oder ganz und gar ohne Gefühl, doch dies ist ein Irrtum, welcher wahrscheinlich dadurch entstanden ist, dass sie, namentlich in der Gegenwart von Fremden eine so große Gewalt über ihre Gefühle und Leidenschaften auszuüben vermögen. Solche Personen, welche die beste Gelegenheit gehabt haben, den wahren Charakter der Indianer kennenzulernen, lehren uns, dass unter vielen guten Eigenschaften, sie auch große Liebe für ihre Kinder haben, und dass die Jugend dem Alter, nicht allein ihren Eltern, sondern auch dem Alter im Allgemeinen ganz besondere Achtung zollt.

Solange sie nicht laufen können, werden die kleinen Kinder oder Papoose in eine Wiege eingeschnürt und von der Mutter während der Arbeit auf dem Rücken getragen, oder aufrecht an die Wand gestellt.

Die Kinder, sowohl Knaben als auch Mädchen, scheinen hauptsächlich unter der Sorgfalt der Mutter zu stehen. Sie zeigt ihnen, wie Gamaschen, Mokassins und viele andere Sachen zu machen sind, die wir bereits beschrieben haben. Wenn sie eine gute Mutter ist, wie es deren viele unter diesen armen Frauen gibt, so hält sie besonders darauf, ihre Töchter fortwährend zu beschäftigen, damit sie den Ruf fleißiger Mädchen erhalten, welcher bei den heiratsfähigen jungen Männern eine Empfehlung ist.

Körperliche Züchtigungen werden nur höchst selten angewandt, um die Kinder zu strafen. Doch wenn sie sich irgendein Vergehen haben zuschulden kommen lassen, so ist es gebräuchlich, dass die Mutter ihre Gesichter schwarz färbt und sie aus der Hütte schickt. Ist dies geschehen, so dürfen sie eher nichts essen, bis sie wieder reingewaschen sind. Mitunter bleiben sie den ganzen Tag in diesem Zustand als Strafe für die schlechte Aufführung.

Es ist ein beträchtlicher Unterschied in den Gebräuchen und der Lebensweise der verschiedenen Stämme. Einige sind tapfer, aufrichtig und großmütig, andere dagegen sind wegen ihres verräterischen Charakters und ihrer Unreinlichkeit berüchtigt. In manchen Stämmen scheinen die Familien wohlgeordnet zu sein, und die Häuptlinge und Weisen der Nation geben sich große Mühe, um den jüngeren Mitgliedern des Stammes das einzuprägen, was sie für ihre Pflichten und Gesetze halten.

Wenn die Knaben sechs oder sieben Iahre alt sind, erhalten sie einen kleinen Bogen mit Pfeilen, und man schickt sie eine kleine Strecke fort, um Vögel zu schießen. Mit dieser Jagd beschäftigen sie sich fünf oder sechs Jahre, und dann verschafft der Vater ihnen eine kurze Flinte, und sie fangen an, Enten, Gänse und kleines Wild zu jagen. In den langen Winterabenden erzählt der Vater ihnen dann die Art und Weise, wie man Fallen für verschiedene Tiere stellt und wie man sich dem Hirsch, dem Rentier und dem Büssel nähert. Wenn der Knabe alt genug ist, so nimmt der Vater ihn mit auf die Jagd und zeigt ihm die Fährten der wilden Tiere. Allen diesen Belehrungen zollt der Knabe die strengste Aufmerksamkeit.

Die Indianer scheinen sich gewöhnlich mehr um den Verlust eines Säuglings oder kleinen Kindes zu grämen, als bei dem Tod einer Person in reiferem Alter. Die Letztere, denken sie, kann in dem Land, wohin sie gegangen sind, für sich selbst sorgen, doch das Kind, glauben sie, ist zu jung, um sich selbst zu erhalten.

Der Mann schämt sich, Kummer über den Verlust einer seiner Verwandten zu zeigen, wie lieb und wert er ihm auch immerhin gewesen sein mag. Doch die Frau versucht nicht beim Tod ihres Mannes oder Kindes ihre Gefühle zu verbergen. Sie schneidet ihr Haar ab, entstellt ihr Gesicht und ihre Glieder mit schwarzer Farbe und sogar mit Schnitten und verbrennt alle ihre Kleider, einige wenige elende Lumpen ausgenommen.

Wie groß die Liebe der Indianer zu ihren Kindern ist, bezeichnet folgender Fall, der sich in einer kleinen Stadt im Staat Maine zutrug.

Ein Indianer vom Kennebecstamm, allgemein beliebt wegen seines guten Benehmens, erhielt von der Regierung des Staates einen Strich Landes in einer Gegend, wo mehrere Familien sich schon angesiedelt hatten. Obgleich man ihn durchaus nicht ungerecht behandelte, so verhinderte doch die gewöhnliche Abneigung, welche man im Allgemeinen gegen Indianer hegt, dass die Ansiedler mit ihm sympathisierten. Er fühlte dies um so härter, als bei dem Tod seines einzigen Kindes keiner seiner Nachbarn zu ihm kam, um dem Leichenbegängnis beizuwohnen.

Nach wenigen Monaten erklärte er, dass er das Dorf verlassen wolle, besuchte aber vorher einige der Bewohner und sagte zu ihnen: »Wenn weißen Mannes Kind stirbt, Indianer ist traurig. Er hilft ihm, es begraben. Als mein Kind starb, keiner kam und sprach mit mir. Ich mache sein Grab allein. Ich kann hier nicht wohnen.«

Er verkaufte seine Besitzung, grub den Körper fseines Kindes aus und schleppte ihn durch den Wald 200 Meilen weit, um sich zu den kanadischen Indianern zu begeben.

Nicht lange, nachdem die englischen Ansiedler sich in Pennsylvania festgesetzt hatten, verirrte sich im Winter ein weißes Kind von dem Haus seiner Eltern. Nachdem der Vater volle 24 Stunden vergebens nach dem Kind gesucht hatte, beschloss er, einen seiner indianischen Nachbarn um Beistand zu ersuchen. Er kannte den vorzüglichen Scharfsinn, mit welchem die Indianer, die beständig im Gehölz umherschweifen, Gegenstände durch das Gesicht und Gehör entdecken und unterscheiden können.

Osamee war der Name des befreundeten Indianers. Er ging sofort zu dem Haus der Eltern und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um, entdeckte bald die Fußstapfen eines kleinen Kindes sowie die Richtung, welche dasselbe genommen hatte. Obwohl der Vater kaum die Zeichen sehen konnte, welche ihn führten, folgte er ganz leicht der Spur und mit solcher Gewissheit, als wie ein zivilisierter Wanderer einer Chaussee gefolgt wäre. Nachdem er der Spur ungefähr drei Meilen gefolgt war, fand er das arme Kind bitterlich weinend unter einem Baum im Wald liegen. Es war beinahe erstarrt.

Dieser kleine Zufall gab Veranlassung, dass einige der Weißen mit den Indianern sich aussöhnten und die unmittelbare Nähe derselben suchten, die sie bisher immer gefürchtet hatten und lebten von der Zeit an als gute Nachbarn miteinander.

Es wäre für beide Teile von großem Wert gewesen, wenn der gute Wille und die Freundschaft, welche die Indianer den ersten Ansiedlern zeigten, in Hunderten von Beispielen ebenso erwidert worden wäre, wie es Menschen, die sich Christen nennen, geziemt hätte. Doch sie handelten leider ganz entgegengesetzt.