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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der gewundene Kirchturm zu Mayen

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden undGeschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Erstes Bändchen

Der gewundene Kirchturm zu Mayen

Auf der Burg zu Mayen lebte einst ein vornehmer Ritter, dessen Gemahlin sich durch seltene Wohltätigkeit auszeichnete. Täglich suchte sie die Hütten der Armen auf, um reiche Gaben unter sie auszuteilen. Das gefiel dem Teufel nicht, und er versuchte die Gräfin durch böse Einflüsterungen von ihrem tugendhaften und wohltätigen Leben abzubringen. Ihr fester Glaube aber hielt allen Anfechtungen des Bösen siegreich stand. Dieser wusste aber des Grafen bisher so edlen Sinn zu verwirren und ihn mit religiöser Lauheit und mit Geiz zu erfüllen. Besonders spiegelte er ihm vor, dass seine Gemahlin durch ihre große Wohltätigkeit, indem sie unwürdiges und von Weitem zugereistes Gesindel reichlich bedenke, seine Güter verschwende. Mit der Zeit müsse ihn das an den Bettelstab bringen. Dieser Gedanke entrüstete den Grafen und er verbot seiner Gemahlin aufs Strengste, noch einem Armen und Bettler etwas zu geben. Als sie einst nach ihrer Gewohnheit den Armen wieder Speise bringen wollte, fuhr der Graf sie hart an und fragte: »Was hast du in der Schürze? Lass mich einmal sehen!«

Sanft und leise sagte sie: »Es sind nur Blumen!« Und als sie auf des Grafen Geheiß die Schürze öffnete, fielen Blumen mancherlei Art daraus zur Erde. Auf wunderbare Weise waren die Brotstücke zu Blumen geworden. Beschämt stand der Graf da und bat seine Gemahlin wegen des Misstrauens, das er gegen sie gehegt hatte, um Verzeihung. Sofort begab er sich mit ihr zur Kirche, um hier auch Gott Abbitte zu leisten. Furchtbar ergrimmt war darüber der Teufel. Er fuhr in die Lüfte, ergriff voll Wut den Kirchturm und drehte ihn um, wie man eine Weidenrute beim Binden dreht. Der gewundene Kirchturm ist noch heute das Wahrzeichen der Stadt Mayen.