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Der Kommandant des Tower 30

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Drittes Kapitel

Wie der Graf von Hertford zum Herzog von Somerset gemacht und Sir Thomas geadelt wird

Spät am Abend kehrten alle Hauptteilnehmer an der Leichenfeierlichkeit vom Schloss Windsor zum Tower zurück.

Am nächsten Tag wurde in der großen Ratskammer im White Tower eine wichtige Versammlung gehalten. Nach der Verfügung des verstorbenen Königs, hieß es, sollten einige neue Pairs ernannt und andere hochstehende Personen mit neuen Würden bekleidet werden. Der junge König saß auf seinem Thronsessel unter dem Baldachin, und zu seiner Rechten stand der Lordprotektor. Obwohl für Hertford endlich der lang ersehnte Moment seiner Erhebung gekommen war, so erlaubte er sich doch kein äußeres Zeichen des Triumphes, sondern gab sich das Ansehen tiefster Demut.

Nach einigen Präliminarien stand der König auf, und indem er sich gegen den Lordprotektor wandte, sprach er mit großer Würde: »Nach dem Willen Unseres geliebten Vaters, der diejenigen zu belohnen wünschte, die ihm treu und redlich gedient hatten, gereicht es Uns zur Freude, nicht nur die Zahl Unserer Pairs durch einige neue Ernennungen zu vermehren, sondern auch ferner einige derer zu ehren und zu erheben, welche bereits geadelt sind, und deren außerordentliche Verdienste sie zu einer solchen Auszeichnung berechtigen. Wir beginnen mit Unserem sehr geliebten Oheim, Edward Seymour, Graf von Hertford, Lordprotektor des Reichs und Oberhofmeister Unserer Person, den wir hiemit zum Herzog von Somerset, Generallieutenant Unserer gesamten Kriegsmacht sowohl zu Wasser als auch zu Lande, zum Lordgroßschatzmeister, Grafmarschall von England und Gouverneur der Inseln Guernsey und Jersey ernennen.«

»Ich danke Eurer Majestät alleruntertänigst«, sprach der neu geschaffene Herzog, indem er das Knie vor seinem königlichen Neffen beugte, während der Saal von Beifall erdröhnte.

»Steht auf, Euer Gnaden«, sprach Edward. »Wir können Uns in einem für Uns so angenehmen Geschäft nicht aufhalten. Mylord Essex«, fügte er, zu jenem Edelmann gewandt, hinzu, »Ihr seid zum Marquis von Northampton ernannt, Mylord Lisle, Ihr seid jetzt Graf von Warwick mit dem Amt eines Großkämmerers, Ihr, Lordkanzler Wriothesley, seid von Southampton, Ihr, Baron Rely, Ihr seid Lord Rich, Ihr, Sir William Willoughby, seid Baron von Willoughby von Perham, Sir Edmund Sheffield, Ihr seid Baron Sheffield von Buttenwick, und Ihr, mein allerbester Oheim, Sir Thomas Seymour, Ihr seid Baron Seymour von Sudley mit dem Amt eines Lordadmirals von England. Es ist Unsere Absicht, diesen Titeln große Revenüen hinzuzufügen. Die nähere Bestimmung darüber behalten wir Uns vor, sodass die Ehren, welche Unser tief betrauerter Vater seinen getreuen Dienern zugeteilt, keine bloßen Ehren sind.«

Beim Schluss dieser gnädigen Anrede brach die Versammlung aufs Neue in Zeichen des Beifalls aus. Die neu geschaffenen Pairs sowie diejenigen, die an Rang erhöht worden waren, beugten einer nach dem anderen ihr Knie vor dem Thron und dankten dem jungen Monarchen für seine Güte. Als Lord Seymour von Sudley vor seinem königlichen Neffen kniete, fragte Edward: »Seid Ihr zufrieden, lieber Oheim?«

»Ich bin mehr geehrt, als ich es verdiene, Sire«, entgegnete Seymour, »aber lieber wäre mir irgendein Amt gewesen, das mich mehr in den Stand gesetzt hätte, Euch meine Anhänglichkeit und Ergebenheit zu beweisen.«

»Die Hofmeisterstelle während Unserer Minderjährigkeit etwa?«, sagte Edward lächelnd. »Vielleicht bewegen wir Unseren älteren Oheim dazu, Euch den Posten abzutreten. Was sagt Eure Hoheit?«, fügte er gegen den Lordprotektor gewandt hinzu. »Soll nicht Lord Seymour Unser Oberhofmeister sein?«

»Ich bedaure, Eure Majestät Wunsch nicht erfüllen zu können«, antwortete Somerfet.

»Warum nicht, guter Oheim?«, fragte der König. »Mich dünkt, Wir haben genug Ehren auf Euer Haupt gehäuft, um einige Erwiderung zu verdienen. Seid gut, Wir bitten Euch, tretet zurück.«

»Ich kann kein Amt abtreten, welches mir das Conseil übertragen hat, selbst wenn ich es wollte«, antwortete Somerset.

»Sag’ nur, du willst es nicht!«, rief Seymour ungeduldig.

»Offenherzig, nein, ich will es nicht«, entgegnete der Herzog. »Und wenn ich auch mein Amt niederlegte, so würde ich gegen deine Ernennung protestieren, denn ich halte dich nicht für die taugliche Person, um Seine Majestät zu leiten.«

»Genug, Eure Hoheit«, sprach Edward dazwischen. »Wir wollen nicht mehr von der Sache reden. Die Zeit wird kommen, wo Wir für Uns selbst wählen können, wen Wir als Ratgeber haben wollen. Bis dahin unterwerfen Wir Uns dem Willen des Conseils.«

»Das Conseil wird bald wenig zu sagen haben«, murmelte Seymour. »Ich müsste mich sehr tauschen, oder es wird bald all seiner Macht beraubt sein.«

Unterdessen hatte sich der größte Teil der Versammlung entfernt. Nur die Mitglieder beider Conseils waren geblieben.

Die Türen wurden geschlossen, worauf der Lordprotektor folgendermaßen sprach: »Bevor wir auseinandergehen, Mylords, muss ich notwendigerweise mit Euch über eine Schwierigkeit reden, auf die ich gestoßen bin, und um Eure Hilfe bitten, dieselbe zu beseitigen. Es sind Zweifel erhoben worden, ob Ihr als Conseil die Macht habt, einen Protektor zu ernennen. Die Gesandten von Frankreich und Deutschland haben mir privatim erklärt, dass sie nicht mit mir verhandeln könnten, solange meine Autorität möglicherweise angezweifelt würde. Um diesen Mangel abzuhelfen und die Angelegenheit sicher festzustellen, erbitte ich mir von Seiner Majestät ein Patent, mit dem Staatssiegel bedruckt, wodurch meine Autorität als Protektor des Reichs und Oberhofmeister des Königs bestätigt wird.«

Mehrere Mitglieder des Conseils drückten sogleich ihre Zustimmung aus, aber der neu geschaffene Graf von Southampton stand auf, um zu opponieren.

»Was bedarf Eure Hoheit fernerer Gewalt? Mich dünkt, Ihr habt bereits deren genug.«

»Ich habe erklärt, dass mein Amt in seiner fetzigen Form mir viele Ungelegenheiten bereitet«, bemerkte Somerfet. »Mein Recht ist infrage gestellt worden, wie ich schon sagte, und das sollte – nein, das darf nicht sein. Bevor ich nicht unabhängig mit fremden Mächten unterhandeln kann, bin ich nichts. Durch das Patent, welches ich begehre, wird Seine Majestät mir die Macht verleihen, nach meiner Ansicht und nach meinem Ermessen im Interesse Seiner Person und des Staates zu handeln.«

»Mit anderen Worten, er will sich selbst zum König machen an Eurer Stelle«, flüsterte Seymour Edward zu. »Bewilligt ihm das Patent nicht.«

»Aber die Maßregel, die Ihr vorschlagt, wird das Conseil aller Kontrolle Eurer Handlungen berauben«, sprach Southampton wieder. »Es kann sein, dass wir Euer Handeln nicht billigen. Ich bin dafür, die Sache zu lassen, wie sie ist. Wir haben bereits zu viel Konzessionen gemacht.«

»Es erschien uns unmöglich, die Regierung während Seiner Majestät Minderjährigkeit ohne Oberhaupt zu lassen«, sagte Sir William Paget, »und deshalb wurde der Lordprotektor ernannt. Aber das Amt wird unnütz sein, wenn es nicht mit genügender Macht bekleidet ist.«

»Das sind gerade meine Argumente gegen die Verfügung!«, rief Southampton. »Der Lordprotektor soll nicht unser Herr sein. Nach seinem Vorschlag könnte er alles annullieren, was wir tun, sein eigenes Conseil ernennen, das Testament des Königs beiseiteschieben und selbst beinahe eine königliche Macht ausüben.«

»Halt, halt! Mylord, Ihr geht zu weit«, rief Paget. »Bedenkt, in wessen Gegenwart Ihr seid!«

»Es scheint mir, meine Herren«, sprach der Graf von Warwick, »dass uns in der Sache keine Wahl bleibt. Ich bin nicht geneigt, unsere Macht zu beschränken oder dieselbe dem Lordprotektor zu übertragen. Aber wir müssen entweder ihn in den Stand setzen, zu handeln oder das Amt abschaffen.«

»Ihr habt die Sache ins rechte Licht gestellt«, sprach Lord Rich. »Die jetzige Verhandlung beweist gerade klar, dass wenig Einigkeit unter uns sein wird. Ich möchte deshalb des Lordprotektors Ansinnen bei Seiner Majestät befürworten.«

»Ich stimme Euch bei«, sagte Lord Northampton.

»Auch wir!«, riefen verschiedene Andere.

»Was sagt Seine Hochwürden von Canterbury?«, fragte der König.

»Ich kümmere mich nicht um weltliche Angelegenheiten«, entgegnete der Primas, »aber es scheint mir, dass die Einwände des Lordkanzlers gegen die Machtvergrößerung des Lordprotektors schlecht begründet sind, und dass Eure Majestät wohl daran tun wird, den ausdrücklichen Wünschen der Majorität zu willfahren.«

»Es ist nur eine dissentierende Stimme, die des Lord Southampton selbst«, bemerkte Sir William Paget. »Aber ich hoffe, er gibt seine Opposition auf.«

»Niemals!«, schrie Southampton. »Ich sah diese Gefahr vom Anfang an voraus und war deshalb gegen die Ernennung. Eine solche Machtausdehnung ist nicht nur gefährlich an sich, sondern steht auch in direktem Widerspruch mit dem Testament des verstorbenen Königs. Ich bitte Eure Majestät dringend, das Gesuch nicht sofort zu bewilligen.«

»Der Lordkanzler wird als Führer der römischen Partei betrachtet«, bemerkte Cranmer mit leiser Stimme gegen den König. »Er fürchtet augenscheinlich, dass der Lordprotektor seine Machtvergrößerung zur Unterdrückung des Papsttums anwenden wird. Eure Majestät wird gut tun, nicht auf ihn zu hören.«

»Wir danken Eurer Gnaden für den Wink«, antwortete Edward. »Eure Hoheit soll das Patent haben«, wandte er sich an den Lordprotektor, »lass es ohne Säumen anfertigen«, fügte er, zu Panlet gewendet, hinzu. Bald darauf ging das Conseil auseinander, und als der Lordprotektor sich mit seinem königlichen Neffen entfernte, sah er seinen besiegten Widersacher triumphierend an, der ihm dagegen mit Blicken voll Verachtung und Misstrauen antwortete.

»Der Mann muss entfernt werden – und zwar schnell«, dachte Somerfet, »er ist gefährlich.«

Bei seiner Rückkehr zum Palast begleitete Lord Seymour den König, der sich mit ihm unterhielt, wie um ihn an seiner Seite festzuhalten, sehr zum Verdruss des Lordprotektors, der genötigt war, mit dem Grafen Warwick hinterher zu gehen.

Indem sie so weiter gingen, fragte Edward plötzlich: »Habt Ihr irgendwelche Heiratsgedanken, lieber Oheim?«

»Wenn ich es wagen dürfte, so möchte ich fragen, wie Eure Majestät zu dieser Frage kommt?«, entgegnete Seymour überrascht.

»Ihr weicht der Antwort aus, lieber Oheim, und fürchtet vielleicht mein Missfallen. Aber Ihr beunruhigt Euch unnötigerweise. Lasst mich noch eins fragen. Findet Ihr es wahrscheinlich, dass Unsere Mutter, die Königinwitwe, sich wieder verheirate?«

»In Wahrheit, das kann ich nicht sagen, mein hoher Herr; noch nicht, sollte ich denken.«

»Nein, noch nicht – aber später. Wenn es wäre -ich sage, wenn es wäre – so sollte es mich nicht wundern, wenn ihre Wahl auf Euch fiele.«

»Auf mich, Sire!«, rief Seymour, Erstaunen heuchelnd.

»Ja, auf Euch, lieber Onkel. Nein, Ihr braucht nicht so geheimnisvoll gegen mich zu tun. Ich bin im Besitz Eures Geheimnisses. Bleibt ruhig. Wenn eine solche Heirat in Aussicht stände, ich würde nichts dagegen haben.«

»Was ist das, was ich da höre?«, rief der Lordprotektor, der vernommen hatte, was gesprochen worden war. »Hast du es gewagt, deine Augen zu der Königinwitwe zu erheben?«, wandte er sich an seinen Bruder.

»Mit welchem Recht fragst du mich?«, fragte Seymour stolz.

»Mit allem Recht«, entgegnete Somerfet errötend. »Wenn der Gedanke gehegt worden ist, so muss er aufgegeben werden. Diese Heirat kann nie stattfinden.«

»Warum nicht?«, fragte Edward scharf.

»Aus mancherlei Gründen, die Eurer Majestät zu erklären unnötig ist«, erwiderte Somerfet. »Aber um der Sache ein Ende zu machen, ich verbiete sie – verbiete sie peremtorisch.«

»Es gehört mehr dazu, als dein Verbot, um die Sache zu verhindern, falls sie in Aussicht stände«, antwortete Seymour.

»Hüte dich, dass nicht Stolz und Anmaßung dir den Untergang bereiten!«, schrie Somerfet, vor Wut schäumend.

»Nimm die Warnung für dich«, entgegnete Seymour, nicht minder hochmütig. »Du hast sie nötiger als ich.«

»Ich habe das verschuldet«, rief Edward, dem der Streit zu Herzen ging. »Aber nun ist’s genug. Kein Wort weiter«, wandte er sich an den Lordprotektor, »ich fordere es bei Eurem Eid.«

Und indem er immer noch seinen Lieblingsoheim zur Seite hielt, begab er sich zum Palast.