Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Marshal Crown – Band 26

Ein Revolver für die Rache

Aus und vorbei!

Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn, als er in die kreisrunde Mündung des Revolvers starrte.

Es mutete ihn wie eine Ironie des Schicksals an, dass er ausgerechnet in einer Kirche am Ende seines Regenbogens angelangt war.

Das war’s, dachte er noch, als die grellrote Mündungsflamme auf ihn zuraste.

Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen und seine Haltung versteifte sich in Erwartung der einschlagenden Kugel.

Aber nichts geschah.

Überhaupt nichts!

Kein brennender Schmerz, kein Blut, keine Dunkelheit, die ihn umgab, absolut nichts.

Stattdessen bemerkte er aus den Augenwinkeln heraus einen Schatten, der an ihm vorbei flog. Dann hörte er einen Schrei, der sich in das Krachen des Schusses mischte, und dann sah er mit geradezu entsetzlicher Deutlichkeit, wie sie von der Kugel, die eigentlich ihm gegolten hatte, in den Oberkörper getroffen wurde.

Er spürte förmlich den Einschlag in ihrer Brust, während er hilflos mit ansah, wie sie zusammenzuckte und schließlich langsam zu Boden sank.

Er sprang vor, versuchte sie noch auf die Füße zu zerren, aber vergeblich.

Seine Finger griffen bereits in eine klebrige Masse und eine eiskalte Hand legte sich um sein Herz, noch ehe er das viele Blut an seinen Händen sah.

Seine Lippen formten ihren Namen.

»Linda!«

Alle Verzweiflung und Wut dieser Welt lagen in diesem einen Wort.

 

*

 

»Mister Crown, alles okay oder was?«

Stille.

»Hallo, hallo!«

Mit einem ungehaltenen Brummen drehte sich Jim auf die Seite.

Es dauerte geraume Zeit, bis er registrierte, dass der Lärm, der ihn aufgeweckt hatte, nicht von den Hochzeitsgästen kam, die in wilder Hast aus der Kirche eilten, sondern dass er in einem Hotelzimmer lag, gegen dessen Tür jemand klopfte. Wobei die Bezeichnung klopfen untertrieben war, dem Lärm nach zu urteilen drosch dieser jemand wie ein Verrückter mit der Faust gegen das Holz.

Da half selbst das Kopfkissen nicht, das er mittlerweile auf die Ohren presste.

»Was ist passiert? Um Gottes willen, so antworten Sie doch!«

Die Stimme wurde immer schriller.

»Ja, Mann«, knurrte Jim. »Alles in Ordnung, also hören Sie endlich mit der Klopferei auf. Ich liege nämlich im Bett und will schlafen.«

»Nichts ist in Ordnung. Hier hat doch jemand geschrien, ich habe es laut und deutlich gehört. Also machen Sie endlich die Tür auf, ich will sehen, ob tatsächlich alles okay ist. Sonst rufe ich den Sheriff.«

Fluchend wälzte sich Jim aus dem Bett und ging schlaftrunken zur Tür.

Als er sie öffnete, erkannte er draußen auf dem Flur den hageren Hotelclerk, bei dem er gestern Nachmittag ein Zimmer geordert hatte. Der Mann starrte ihn an, als sei er ein Gespenst. Ungehalten drehte sich Jim zur Seite und machte eine weit ausholende Handbewegung in das Zimmer hinein.

Der dürre Clerk beugte sich vor und warf einen misstrauischen Blick in den Raum.

»Und, jetzt zufrieden? Wie Sie sehen, ist hier nichts.«

Der Hotelangestellte zog angesichts des leeren Zimmers und der versteinerten Miene seines Gegenübers den Kopf zwischen die Schultern und wedelte abwehrend mit den Händen.

»Ja, ja, alles gut«, stammelte er entschuldigend. »Ich wollte Sie auch nicht stören, aber ich fühle mich eben für meine Gäste verantwortlich. Deshalb wollte mich nur vergewissern, ob tatsächlich alles in Ordnung ist.«

»Das haben Sie ja nun, also kann ich jetzt endlich weiterschlafen?«, erwiderte Jim knapp.

Der Clerk nickte und hastete, ohne ein weiteres Wort über die Angelegenheit zu verlieren, wieder den Flur entlang nach unten zur Rezeption.

Crown starrte ihm noch einige Sekunden hinterher, verwünschte ihn in Gedanken in den dunkelsten Winkel der Hölle und drehte sich schließlich um. Nachdenklich ging er in sein Zimmer zurück. Dort, am Nachttisch angekommen, stützte er sich mit beiden Händen auf dem Möbelstück ab, starrte einen Moment lang in den darüber hängenden Spiegel und tauchte schließlich sein Gesicht in die Waschschüssel.

Als er den Kopf wieder prustend hochnahm, griff er mechanisch nach dem Handtuch, das neben der Schüssel lag, und trocknete sich damit ab.

Verflucht, wirst du alt, dachte Crown, während er dabei sein Spiegelbild betrachtete.

Das Gesicht, das ihm entgegenstarrte, erinnerte ihn nur noch im Entferntesten an das jenes Mannes, der einmal der Town Marshal von Rath City gewesen war. Der jugendliche Elan, mit dem er einst durch die Straßen der Rinderstadt patrouillierte, war genauso verschwunden wie sein Lächeln. Stattdessen hatten sich tiefe Falten in sein Gesicht gegraben und das glänzende, fast blauschwarze Haar, das inzwischen an den Schläfen von eisgrauen Strähnen durchzogen war, wirkte stumpf und spröde. Er selber war hager wie ein hungriger Wolf im Winter und der einst so gütige Blick in seinen Augen kalt und emotionslos wie poliertes Glas.

Diese verdammten Träume, dachte Crown, sie kommen immer wieder.

Seit jenem schicksalhaften Tag in der Kirche von Rath City gab es kaum eine Nacht, die er durchgeschlafen hatte. Selbst jetzt, Wochen danach, verfolgte ihn Lindas Tod immer noch bis in den Schlaf. Wenn es ihm nicht bald gelang, die Gespenster der Vergangenheit zu besiegen, war er ein toter Mann. Der wenige Schlaf und die daraus resultierende Nervosität waren Gift für den neuen Job, den er im nächsten Monat annehmen wollte. Zudem kam noch hinzu, dass er sich immer öfter dabei ertappte, wie er zur Flasche griff, um diese Träume zu vergessen.


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zur Verfügung.

Bisherige Downloads: 656
Bisherige Downloads: 629
Bisherige Downloads: 420
Bisherige Downloads: 420

2 Antworten auf Marshal Crown – Band 26