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Marshal Crown – Band 23

Verfluchtes Gold

Cap Rock, Te­xas, Ok­to­ber 1873

»Wir sind da, dort oben muss es sein!«

Die bei­den Gold­grä­ber, die an die­sem nass­kal­ten Herbst­mor­gen am Fuß der öst­li­chen Cap Rocks ver­harr­ten, hät­ten nicht un­ter­schied­li­cher sein kön­nen. Der Äl­te­re von ih­nen war ein un­ter­setz­ter, bul­lig wir­ken­der Mann, dem man deut­lich an­sah, dass er den größ­ten Teil sei­nes bis­he­ri­gen Le­bens im Frei­en ver­bracht hat­te.

Er saß auf ei­nem Esel und deu­te­te im­mer wie­der auf­ge­regt mit der Rech­ten auf die vor ih­nen lie­gen­de Berg­kup­pe. Das son­nen­ge­gerb­te Ge­sicht, das im Lauf der Jah­re die Far­be von al­tem Kup­fer an­ge­nom­men hat­te, stand im kras­sen Ge­gen­satz zu sei­nen grau­wei­ßen Haa­ren.

Ganz an­ders ver­hielt es sich da­ge­gen mit sei­nem Sat­tel­part­ner, des­sen flam­mend ro­ter Haar­schopf in der tris­ten, re­gen­ver­han­ge­nen Land­schaft schon von Wei­tem wie eine lo­dern­de Fa­ckel zu se­hen war.

Er ritt ei­nen hoch­bei­ni­gen Wal­lach und war im Ge­gen­satz zu dem Grau­haa­ri­gen nicht nur un­ge­wöhn­lich blass, son­dern auch mehr als ei­nen Kopf grö­ßer und – was eben­falls so­fort ins Auge fiel – er hat­te et­li­che Pfund we­ni­ger auf den Rip­pen als sein Sat­tel­part­ner, so­gar et­li­che vie­le. Er war von ei­ner sol­chen Ha­ger­keit, dass man­che böse Zun­gen bei sei­nem An­blick be­haup­te­ten, dass er so­gar in ei­nem Ge­wehr­lauf ba­den konn­te.

»Wor­auf war­ten wir dann noch? Los geht’s!«

Der Grau­haa­ri­ge schüt­tel­te den Kopf und warf dem an­de­ren ei­nen miss­bil­li­gen­den Blick zu.

»Was soll das, An­gus? Man könn­te fast mei­nen, dass du zum ers­ten Mal in den Cap Rocks he­rum­rei­test. Du weißt doch ge­nau, dass der Auf­stieg in die­se Fel­sen schon bei Son­nen­schein nicht ein­fach ist, erst recht nicht, wenn es reg­net und sich das Kalk­ge­stein da­bei je­des Mal in eine Rutsch­bahn ver­wan­delt. Also lang­sam mit den jun­gen Pfer­den.«

An­gus O’Shea, der iri­sche Rot­schopf, knurr­te un­ge­hal­ten.

Er knurr­te wei­ter, als sie be­reits nach zwei­hun­dert Yards aus dem Sat­tel muss­ten, weil der Re­gen den Un­ter­grund so sei­fig mach­te, dass die Tie­re kei­nen si­che­ren Tritt mehr fan­den. Die Pfer­de schlit­ter­ten und glit­ten im­mer wie­der aus.

Er knurr­te auch noch, als sie die ers­ten ein­hun­dert Yards hin­ter sich ge­bracht hat­ten, aber dann verstumm­te er doch.

Der Auf­stieg zur Berg­spit­ze wur­de im­mer müh­sa­mer und for­der­te all­mäh­lich ihre gan­ze Kraft und Aus­dau­er. Ob­wohl der Wind kalt und schnei­dend war und der Re­gen ih­nen manch­mal waa­ge­recht ins Ge­sicht klatsch­te, wa­ren sie schon bald in Schweiß ge­ba­det.

Sie keuch­ten, sie schnauf­ten und fluch­ten, aber sie gin­gen un­be­irrt wei­ter.

Yard um Yard, in de­nen sie bei­na­he me­cha­nisch ei­nen Fuß vor den an­de­ren setz­ten.

Schließ­lich, nach drei lan­gen, schein­bar end­los wir­ken­den Stun­den er­reich­ten sie die Berg­kup­pe. Eine klei­ne, fast ve­ge­ta­ti­ons­lo­se Hoch­ebe­ne, an de­ren nörd­li­chem Ende sich eine wei­te­re Fels­wand er­hob, die schein­bar bis in den Him­mel hi­nein rag­te.

Wind und Wet­ter hat­ten im Lauf der Jahr­tau­sen­de un­zäh­li­ge Spal­ten, Ein­buch­tun­gen und Höh­len in den Kalk hi­nein­ge­fres­sen, die auf­grund des wei­chen Ge­steins zum Teil schon mehr­fach wie­der in sich zu­sam­men­ge­fal­len wa­ren.

»Hier muss es sein«, sag­te Ed­ward Pai­ne.

»Bist du si­cher?«, er­wi­der­te An­gus an­ge­sichts der zer­klüf­te­ten Fels­wand skep­tisch. »Ich sehe hier nichts au­ßer Fel­sen und Sand.«

Pai­ne nick­te bit­ter. »Kein Wun­der, du hast in letz­ter Zeit ja auch au­ßer Sau­fen und Fi­cken nichts an­de­res mehr im Kopf.«

»Was soll das?«, schnaub­te der Rot­schopf. »Wir sind die letz­ten vier Mo­na­te Tag und Nacht wie die Zie­gen in den Ber­gen he­rum­ge­klet­tert. Ohne Schnaps, ohne Ta­bak und ohne Wei­ber. Ver­dammt Pai­ne, ich bin ein Mann und da ist es nur nor­mal, dass man an sol­che Sa­chen denkt. Was hät­te ich denn dei­ner Mei­nung nach sonst im­mer ma­chen sol­len! Sar­sa­pa­ril­la­tee1 trin­ken und in der Bi­bel le­sen?«

»Nein«, wi­der­sprach Pai­ne. »Aber viel­leicht mal zu­hö­ren, wenn ich ver­such­te, dir et­was zu er­klä­ren.«

»War­um soll ich mir da­rü­ber den Kopf zer­bre­chen? Es wird doch so­wie­so das ge­macht, was du sagst. Du bist der Boss von uns bei­den, ich habe da­mit kein Prob­lem. Im Ge­gen­teil, ich bin da­mit bis­her im­mer gut ge­fah­ren.«

Pai­ne zuck­te ge­nervt mit den Schul­tern. »Wenn du es von der Sei­te siehst, war­um fragst du mich dann, ob ich si­cher bin?«

»Weil … weil«, stam­mel­te O’Shea und wink­te schließ­lich ab. »Ach, ver­giss es ein­fach.«

Pai­ne schüt­tel­te den Kopf und mach­te sich an sei­nen Sat­tel­ta­schen zu schaf­fen. Als er sich wie­der um­dreh­te, hielt er ei­nen klei­nen Pi­ckel, eine Pe­tro­leum­lam­pe und ein Seil in den Hän­den.

»Was hast du vor?«

»Wenn du mir ges­tern zu­ge­hört hät­test, wür­dest du wis­sen, was jetzt kommt. Aber das hast du ja mal wie­der nicht. Also halt die Schnau­ze und komm mit. Es kann näm­lich sein, dass ich dich brau­che.«

Der Rot­haa­ri­ge ver­zog das Ge­sicht und folg­te ihm ein­ge­schnappt.

Kurz da­rauf blieb Pai­ne un­ver­mit­telt ste­hen.

Ohne sich nach sei­nem Part­ner um­zu­dre­hen, deu­te­te er auf ei­nen schma­len Höh­len­ein­gang. Der dunk­le Spalt sah von Wei­tem wie eine klaf­fen­de Wun­de in der Fels­wand aus. Pai­ne trat he­ran, riss mit dem Dau­men­na­gel ein Streich­holz an und hielt die Flam­me an den Docht der Pe­tro­leum­leuch­te.

In der glei­chen Se­kun­de wur­de es hell. Als Pai­ne die Lam­pe in den Spalt hi­nein­streck­te, durch­schnitt ihr grel­ler Schein die da­hin­ter lie­gen­de Dun­kel­heit wie ein Licht­schwert.

»All­mäch­ti­ger!«, sag­te er, nach­dem sie die Höh­le be­tre­ten hat­ten und er mit der Lam­pe das In­ne­re aus­leuch­te­te. »Ich hät­te nicht ge­dacht, dass die Höh­le so groß ist. Das sieht man ihr von au­ßen gar nicht an.«

»So groß ist sie nun auch wie­der nicht«, be­haup­te­te sein Part­ner. »Da hin­ten scheint sie ja schon wie­der zu Ende zu sein.«

»Täusch dich nicht. So, wie es aus­sieht, scheint es dort ei­nen Gang zu ge­ben, der wei­ter in den Berg hi­nein­führt. Also los, bin­den wir uns die Sei­len­den um den Bauch.«

»Wo­für soll das jetzt wie­der gut sein?«

Pai­ne schüt­tel­te den Kopf und seufz­te. »Was glaubst du wohl, was pas­siert, wenn ei­ner von uns da­hin­ten in ein ver­deck­tes Erd­loch fällt oder in eine Fels­spal­te stürzt. Wie soll ihn der an­de­re da wie­der he­raus­ho­len? Flie­gen kann kei­ner von uns, soll er ihn lie­gen las­sen? Ver­dammt An­gus, sind wir Part­ner oder nicht?«

Bet­rof­fen senk­te der Rot­haa­ri­ge den Blick. »Sor­ry, an so et­was habe ich gar nicht ge­dacht.«

»Das habe ich bei­na­he ver­mu­tet. Aber jetzt weißt du we­nigs­tens auch, war­um ich der Boss von uns bei­den bin. Doch jetzt ge­nug ge­re­det, bin­de dir das Seil um und dann lass uns in den Gang hi­nein ge­hen.«

»War­um glaubst du, dass wir aus­ge­rech­net hier Gold fin­den?«

»Ganz ein­fach, ich habe mich in den letz­ten Jah­ren so lan­ge mit den Le­gen­den und Über­lie­fe­run­gen der In­di­a­ner be­schäf­tigt, dass ich sie fast aus­wen­dig kann, und sie er­zäh­len alle die glei­che Ge­schich­te. Es muss hier ir­gend­wo Gold ge­ben, und da wir in den letz­ten Mo­na­ten fast alle Höh­len und Spal­ten die­ser Ge­gend durch­kämmt ha­ben, bleibt bloß noch die­ser Teil der Ber­ge üb­rig. Und soll ich dir was sa­gen? Je län­ger wir hier ste­hen, umso si­che­rer bin ich, dass es hier tat­säch­lich Gold gibt!«

»Dann los«, keuch­te O’Shea er­regt, nach­dem er sich das Seil um den Leib ge­kno­tet hat­te. »Su­chen wir es!«

Der Gang ent­pupp­te sich als ein nied­ri­ger, röh­ren­ar­ti­ger Tun­nel, der sich schlan­gen­gleich in den Berg hi­nein­wand.

Pai­ne, der vo­raus­lief, nahm die Lam­pe hoch und ließ das Licht vor sich über den Bo­den wan­dern, um ei­nen Fehl­tritt zu ver­mei­den, der ih­nen hier, wenn sie Pech hat­ten, das Le­ben kos­ten konn­te. Der gel­be Schein der Flam­me geis­ter­te über die dunk­len Fel­sen und zau­ber­te zu­cken­de Schat­ten an die Wän­de. Wäh­rend sie vor­sich­tig wei­ter­gin­gen, re­de­ten die Män­ner stän­dig da­von, was sie mit dem Gold al­les an­stel­len woll­ten. Aber die Käl­te, die mit je­dem wei­te­ren Schritt in ihre feuch­ten Klei­der kroch, ließ sie bald verstum­men.

Ob­wohl der Re­gen nicht in die Höh­le ein­drin­gen konn­te, war die Luft den­noch klamm und un­an­ge­nehm kühl.

Sie hat­ten etwa ein­hun­dert Yards zu­rück­ge­legt, als sein Part­ner hin­ter ihm so un­ver­mit­telt ste­hen blieb, dass sich das Seil straff­te und es Pai­ne fast von den Bei­nen riss.

Der grau­haa­ri­ge Dig­ger stol­per­te, fing sich je­doch wie­der und war ge­ra­de da­bei, ei­ni­ge läs­ter­li­che Flü­che von sich zu ge­ben, als ihn O’She­as schril­les La­chen ver­har­ren ließ.

Der Rot­haa­ri­ge tanz­te in dem Gang um­her wie ein klei­nes Kind. Da­bei we­del­te er mit den Ar­men wie ein Neu­ge­bo­re­nes, das auf dem Rü­cken lag, und kreisch­te und lach­te, als ob er den Vers­tand ver­lo­ren hät­te.

»Da … da!«

Pai­ne zö­ger­te kei­ne Se­kun­de.

Mit ei­nem Satz war er an der Sei­te des Iren und hob sich die Pe­tro­leum­lam­pe so ne­ben das Ge­sicht, dass er sich an dem hei­ßen Glas­zy­lin­der fast ver­brann­te. Aber das in­te­res­sier­te ihn in die­sem Mo­ment nicht. Der An­blick, der sich sei­nen Au­gen bot, ließ ihn al­les um sich he­rum ver­ges­sen.

Er ließ den Pi­ckel, den er im­mer noch in der Lin­ken hielt, ein­fach fal­len, streck­te un­gläu­big die Hand aus und strich vor­sich­tig, als müss­te er je­den Mo­ment da­mit rech­nen, sich die Fin­ger zu ver­bren­nen, über die vor ihm lie­gen­de Fels­wand.

Über­all glit­zer­te und fun­kel­te es.

Manch­mal wa­ren es nur fei­ne Li­ni­en im Fel­sen, manch­mal rich­ti­ge Ge­steins­bro­cken.

»Gold!«, durch­zuck­te es ihn. »Gold! Ich habe es ge­fun­den! Mein Gold!«

Ein nie ge­kann­tes Tri­umph­ge­fühl jag­te durch sei­nen Kör­per, wäh­rend er gleich­zei­tig im­mer er­reg­ter und gie­ri­ger wur­de.

Auch O’Shea, so hat­te es den An­schein, konn­te ihr Glück kaum fas­sen.

»Wir sind reich«, stam­mel­te er im­mer wie­der. »Ver­dammt Pai­ne, wir sind reich!«

Pai­ne nick­te stumm, wäh­rend es in sei­nen Au­gen plötz­lich un­heil­voll fun­kel­te. Er war schon im­mer ein rau­er Bur­sche ge­we­sen, der in sei­nem Le­ben oft, wenn es zu sei­nem Vor­teil war, hart am Ran­de der Ge­setz­lo­sig­keit ge­stan­den hat­te. Jetzt aber ließ ihn der An­blick des Gol­des end­gül­tig auf die an­de­re Sei­te des Zau­nes drif­ten.

Eine wil­de Hab­gier stieg in ihm hoch.

Nein, durch­zuck­te es ihn nach ei­nem kur­zen Blick auf An­gus. Das ist mein Gold, es ge­hört mir!

Ohne zu über­le­gen lang­te Pai­ne nach sei­nem Re­vol­ver, der hin­ter dem Gür­tel steck­te, und rich­te­te den Lauf der Waf­fe auf sei­nen rot­haa­ri­gen Part­ner.

»Du irrst dich«, sag­te er kalt. »Nicht wir sind reich, son­dern ich, denn ich wer­de nicht tei­len!«

Das Echo des Schus­ses roll­te wie Ka­no­nen­don­ner durch den schma­len Höh­len­gang.

An­gus O’Shea krümm­te sich, sein Kinn fiel nach un­ten.

»Pai­ne, du …« Sei­ne Stim­me er­stick­te, als er sah, wie es auf sei­ner Brust rot wur­de.

Dann sank er lang­sam zu Bo­den.


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  1. Ein Ge­sund­heits­tee, fie­ber­sen­kend und ent­zün­dungs­hem­mend aus der gleich­na­mi­gen Pflan­ze, de­ren Blät­ter und Wur­zeln nicht nur im Wil­den Wes­ten als All­heil­mit­tel ge­gen jed­we­de Krank­heit gal­ten.

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