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Judith Winter – Sterbegeld

Judith Winter – Sterbegeld

Im November 2014 wählt ein sechsjähriger Junge namens Leon Svensson den Notruf der Polizeieinsatzzentrale Frankfurt. Der Junge meldet, dass im Haus der Familie in der Spendersraße 16 ein Mann die Mutter und ihn bedroht, während sein Vater und seine dreijährige Schwester offensichtlich schon tot sind. Die Polizeieinsatzzentrale schickt Beamte zum Haus der Svenssons, doch diese kommen zu spät. Alle vier Familienmitglieder werden Opfer des Killers.

Acht Monate später wird auf dem Frankfurter Hauptfriedhof der junge Sonderermittler Thorsten Mohr beigesetzt. Er ist als Mitglied der Sonderermittlergruppe Calibri im Zuge einer missglückten Razzia erschossen worden. Mysteriös ist an diesem Fall, dass Mohr kurz vor seinem Tod die vorgeschriebene Schutzweste abgelegt hat.

Emilia Capelli, genannt Em und Mai Zhou werden auf diesen Fall angesetzt, denn man vermutet sehr bald eine undichte Stelle in den eigenen Reihen beziehungsweise in der Gruppe Calibri, die den gut vernetzten Kriminellen Dragan Petrovic auf frischer Tat ertappen und dingfest machen soll, der offensichtlich auch Geschäftsbeziehungen zum syrischen und irakischen Untergrund unterhält.

Em und Zhou ermitteln äußerst widerwillig gegen die eigenen Leute, die sie nicht nur bestens kennen, sondern zu denen sie auch durchweg ein Verhältnis großen Vertrauens aufgebaut haben. Aber ihr Chef Makarov wird von höherer Stelle gezwungen, seine beiden jungen und ehrgeizigen Ermittlerinnen gegen den Verräter in der Sonderermittlergruppe einzusetzen, obwohl auch ihm diese Ermittlung in den eigenen Reihen nicht behagt.

Zudem bekommt der Mann, den man für den Vierfachmord in der Spenderstraße 16 inhaftiert hat, Armin Bormann ist sein Name, einen Pflichtverteidiger namens Karel Schubert zugeteilt, der den Untersuchungshäftling in der JVA Frankfurt besucht und mit ihm über den Fall spricht. Bormann macht bei diesem Gespräch einen intelligenten, wachen, aber an seiner Verteidigung recht desinteressierten Eindruck.

Als Schubert dann jedoch eine Zeugin besucht, die vor Gericht eine Aussage für seinen neuen Mandanten machen will, kann er ihr mitteilen, dass die zuständige Richterin aufgrund neuer Beweise und ihrer Äußerungen beschlossen hat, erneut in die Beweisaufnahme einzutreten.

Um nach außen hin mit einem Fall betraut zu sein, sodass es nicht so auffällt, dass sie polizeiintern ebenfalls ermitteln, wird Em und Zhou die Untersuchung im Mordfall Svensson ebenfalls übertragen, die aufgrund der Entscheidung der Richterin unabdingbar geworden ist.

So müssen die beiden taffen Ermittlerinnen von nun an auf zwei Hochzeiten tanzen und kommen zunächst weder in dem einen Fall noch in dem anderen wirklich weiter. In der Angelegenheit der Svenssons mischt sich außerdem der Anwalt des Beschuldigten, Karel Schubert, intensiv in die Ermittlungen ein und ist dann drauf und dran, eine Entlassung seines Mandanten aus der Untersuchungshaft zu erreichen, was der Vertreter der Staatsanwaltschaft, ein ehemaliger Geliebter von Emilia Capelli, trotz der offensichtlich nicht für die Haft ausreichenden Indizien gar nicht für gut hält.

Die Ermittlungen in zwei schwierigen und verwickelten Fällen nehmen ihren Lauf, die Em und Zhou an ihre Grenzen bringen und auch eine sehr persönliche und private Herausforderung für die Polizistinnen bedeuten.

 

Die Autorin beschreibt am Anfang ihres Buches eine furchtbare Bluttat, den Mord an einer vierköpfigen Familie. Aber auch die zweite Straftat, die ihre beiden Kommissarinnen, Mai Zhou und Emilia Capelli, aufklären müssen, ist alles andere als ein Spaß. Es handelt sich nämlich um den Verrat eines Mitgliedes einer Sonderermittlergruppe der Polizei an seinen Kollegen, der sogar mehrere Mitglieder seiner Gruppe das Leben kostet.

Judith Winter beherrscht dabei ihr Handwerk perfekt und baut von der ersten Seite ihres Krimis an Spannung auf, die sich bis zum Ende der Geschichte stetig steigert. Der Leser wird derart gefesselt, dass es ihm bereits zu Beginn schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen. Er unterliegt einem gewissen Suchtverhalten, das ihn nötigt, immer weiter zu lesen.

Besonders spannend beschrieben sind dabei die Passagen, die sich um die Sonderermittlerin Iris Molder drehen, die längere Zeit in einem dunklen, mit kniehohem Wasser gefüllten Schacht auf einem ehemaligen Truppenübungsgelände in Frankfurt festgehalten wird.

Aber nicht nur den Aufbau eines Spannungsbogens beherrscht die Verfasserin. Sie beschreibt zudem ihre Charaktere, deren Gedanken und Gefühle und die Kommunikation dieser Personen untereinander sehr professionell und glaubhaft. Man merkt ihrem Roman an, dass sie Psychologie studiert hat und die Psyche von Menschen sehr gut beschreiben kann.

Dabei legt sie offenbar Wert darauf, dass nicht nur Hauptpersonen wie Em und Zhou sehr intensiv betrachtet werden, sondern dass zum Beispiel auch die inneren Monologe und Aktivitäten der Nebenakteure wie des Künstlers Jonah Frey und der Sonderermittlerin Iris Molder sehr detailliert geschildert werden.

Ein weiteres Plus des vorliegenden Kriminalromans ist, dass die Arbeit der Polizei sehr glaubhaft beschrieben wird. Hier fehlt es auch nicht an Hinweisen auf die oft große Gefahr, in der sich die Ermittler sehr schnell befinden können und die manchmal auch die Oberhand gewinnt.

Fazit:
Alles in allem handelt es sich bei Sterbegeld von Judith Winter um einen rundum gelungenen Kriminalroman, der äußerst spannend daherkommt und den Leser von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Die psychologischen Betrachtungen der Autorin sind von sehr guter Qualität, und ihre Charaktere sind detailliert und glaubhaft beschrieben, nicht nur die Hasuptpersonen, sondern auch die weniger wichtigen Akteure.

Außerdem schildert die Verfasserin die Arbeit der modernen Polizei sehr nachvollziehbar, sodass man als Leser immer das Gefühl hat, einen realistischen Krimi statt einer Geschichte aus dem Bereich der Phantastik vorgesetzt zu bekommen.

Die Autorin

Judith Winter wurde 1969 in Frankfurt am Main geboren. Sie studierte Germanistik und Psychologie in Berlin und Wien. Nach vielen Jahren Arbeit für ein renommiertes wissenschaftliches Institut machte sie sich selbstständig. Sie hielt sich zeitweise in Paris und Mailand auf und lebt heute mit ihrer Familie in Konstanz.

Sterbegeld ist der dritte Fall um die ungleichen Ermittlerinnen Emilia Capelli und Mai Zhou.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG.

(ww)