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Der Schwur – Dritter Teil – Kapitel 7

Der-SchwurDer Schwur
Historischer Roman aus dem mexikanischen Unabhängigkeitskrieg

Dritter Teil
Der See Ostuta

Kapitel 7
Der hochwürdige Hauptmann

Der mexikanische Unabhängigkeitskrieg bildet einen merkwürdigen Abschnitt in der Zeitgeschichte. Auf beiden Seiten schlug man sich im Namen der gefährdeten Religion, ohne dass indessen auf einer Seite eine religiöse Meinungsverschiedenheit bestanden hätte, von der jede die Heilige Jungfrau als Generalissimus anerkannte und wo Priester sich zu Divisionsgeneralen unter ihren Befehlen machten.

In vielen Städten hatte man schon, sei es zugunsten der Insurrektion, sei es gegen sie, Regimenter von Mönchen aller Orden gebildet. Der Bischof Bergosa unterließ nicht, diesem Beispiel auch in Oajaca nachzueifern. Um die geringe Zahl der Truppen, welche in der Hauptstadt ihre Garnison hatten, zu verstärken, hatte er ein Korps Kirchenmiliz, das ausschließlich aus Priestern bestand, errichtet. Doch der Gouverneur Bonavia, derselbe, der die Belagerung von Huajapam geleitet hatte, erlangte, da er dieser Kirchenmiliz wenig zutraute, vom Bischof die Erlaubnis, sie mit einigen Regimentern militärisch geschulter Arbeiterbataillone unter der Bedingung verstärken zu dürfen, dass die Offiziere nur aus den Priestern und Mönchen gewählt würden. Ein solches Milizkommando schickte Bonavia diesen Abend auch dem Leutnant Veraegui. Die Truppe war im Hof aufgestellt, als Don Rafael dort eintraf, von seinem Leutnant, seinen Unterleutnants und den Soldaten, welche die Pechfackeln trugen, begleitet.

Der Oberst, obwohl ein strenger Katholik, war, vor allem doch Soldat und teilte das Misstrauen Bonavias gegen diese Priestersoldaten. Er musste sich Zwang antun, um den Chef des Bataillons schicklich zu empfangen, der auf ihn zuschritt.

Dies war ein großer, magerer Dominikaner in halb schwarzer, halb weißer Kutte. Auf den Schultern trug er dicke Quasten und um den Leib einen Gürtel, in dem sein Degen und zwei Pistolen steckten.

Was den Obersten am unangenehmsten berührte, obwohl er schon an dergleichen Wunderlichkeiten gewöhnt, war ein zur Kokarde dienender Schmuck, der den weiten schwarzen Hut des Dominikaners zieme.

»Zum Teufel, was tragt Ihr denn für eine Kokarde, hochwürdiger Capitano?«, fragte ihn Don Rafael etwas unwirsch, als der Mönch ihm vorgestellt worden war.

»Dies hier?«, entgegnete Fray Thomas de la Cruz – das war der Name des Dominikaners -, indem er seinen Hut abnahm, um den Zierrat besser beim Schein der Fackeln sehen zu lassen. »Das sind ganz einfach die Ohren eines indianischen Schufts, dem ich unterwegs die Ehre erwiesen habe, auf ihn Jagd zu machen.«

»Auf die Weise glaubt Ihr diese Unglücklichen zu Eurer Partei zu bekehren?«

»Dieser hier«, erwiderte der Mönch mit einem wohlgefälligen Lächeln, »dieser wenigstens wird seine Ohren der guten Sache geliehen haben.«

Ein Blitz, der Verachtung und Zorn auf den Dominikaner schleudernd, flammte in den Augen Don Rafaels auf. Er hielt den Ausbruch zurück und begnügte sich, mit strengem Ton zu dem Mönch zu sagen: »Ihr seid ohne Zweifel bereit, aufzubrechen?«

»So lauten die Befehle des Gouverneurs«, antwortete Fray Thomas brummend.

»So lauten die meinen, hochwürdiger Capitano, und ich bitte Euch nicht zu vergessen, dass Ihr hier nur meinen Befehlen zu gehorchen habt«, warf ihm der Oberst ein.

Der Dominikaner fühlte, dass er hier keineswegs der Stärkere war, verbeugte sich, ohne zu antworten.

»Wir waren gerade im Begriff, uns zur Verfolgung der Banditen Arroyos auf den Weg zu machen«, sagte der Katalonier.

»Wisst Ihr, wo sie sind?«

»Die Spur Arroyos ist immer leicht zu finden.«

»Ich weiß ihn, ich«, erwiderte der Oberst. »Dieser brave Diener, der den Zügel meines Pferdes hält, kommt, Eure Hilfe anzuflehen, um seine von den Räubern fürchterlich misshandelte Herrschaft zu rächen. Jetzt haben wir Gelegenheit, sie in der Hazienda San Carlos zu überrumpeln. Leutnant Veraegui, verseht Euch mit so vielen Stricken, wie Ihr auftreiben könnt. Hebt ein Geschütz von seinen Lafetten und legt es auf den Rücken eines Maultieres, wir werden dessen bedürfen, um das Tor zu beschießen.

»Und was werden wir mit den Stricken anfangen?«, fragte der Leutnant mit verschmitztem Lächeln.

»Wir werden diese Räuber bis auf den letzten Mann aufknüpfen, mein lieber Veraegui.«

»Dieses Mal aber bei den Beinen, denn wahrhaftig, wenn ich an meine törichte Nachsicht denke …«

»Ihr habt also einige laufen lassen?«, unterbrach ihn der Oberst.

»Ich war zu gut zu vier von ihnen, die ich gestern gefangen genommen hatte, ich habe sie gleich am Hals aufgehängt. Unter anderen, mein Oberst, befinden sich hier noch zwei Schelme, die behaupten, mit Euch sprechen zu müssen.«

»Ich werde sie später anhören«, entgegnete Don Rafael, weit davon entfernt, zu vermuten, dass er den zu hören sich weigerte, der ihm das Glück brachte. »Ich habe schon zu viel Zeit verloren, während die unglücklichen Besitzer der Hazienda San Carlos mit Angst jede Minute zählen. Ich werde nicht einmal meine Kleidung wechseln. Legt auf mein Pferd den erstbesten Sattel und dann vorwärts!«

»Blast zum Satteln!«, rief der Leutnant.

Die Trompeten schmetterten von Neuem in der Hazienda, und während man die Befehle des Obersten ausführte, entfernte sich dieser unter der Vorgabe, einen Augenblick allein sein zu wollen. Er richtete seine Schritte in den Garten und wandte sich dann zu der Stelle, wo er vor zwei Jahren den Leichnam seines Vaters bestattet hatte.

Noch war seine Seele von den Entdeckungen, die ihm der Diener Don Fernandos anvertraut hatte, stürmisch bewegt, und er hatte einen Augenblick zur Sammlung und zum Gebet nötig. Der Tod seines Vaters war ein für ihn doppelt verhängnisvolles Ereignis gewesen. Die Zeit hatte die erste Bitterkeit seines Schmerzes gelindert, aber es wäre weder ihm noch der angestrengten Tätigkeit, in die er sich gestürzt hatte, möglich geworden, die hoffnungslose Liebe aus seinem Herzen zu reißen, die an seinem Mark zehrte. Gertrudis teilte noch diese Liebe. Sie starb langsam an ihr hin, so hatte man ihm wenigstens gesagt, und in der schmerzlich süßen Freude, welche diese Nachricht in ihm erregt hatte, stand er auf dem Punkt, zu vergessen, dass sein Vater noch nicht gerächt sei, wie er sich geschworen hatte. Einer seiner Mörder befand sich nur wenige Schritte von ihm, und dennoch empfand er weiter nichts, als das unsinnige, unwiderstehliche Verlangen, sich zuerst auf die Straße von Oajaca zu begeben und mit Gertrudis zu vereinigen, um ihr zu sagen, dass er nicht mehr ohne sie leben könne.

Deshalb suchte Don Rafael am Grab seines Vaters die nötige Kraft, um nicht den Eid zu brechen, den er bei seinem Haupt geschworen hatte.

Gaspar und sein Gevatter Juan el Zapote hatte man unterdessen ohne alle Umstände in eine abgelegene Kammer geworfen, dann die Tür verschlossen und eine Schildwache, das Gewehr im Arm, vor dieselbe gestellt, um sie zu bewachen.

Es ist wahrscheinlich, dass sich die Melancholie der beiden Gefangenen trotz des so traurigen und überhaupt so unvorhergesehenen Fehlschlagens ihrer Hoffnungen gelegt hätte, wenn sie sich nur gegenseitig hätten betrachten und das offen zutage liegende Erstaunen, das sich auf ihren Gesichtern ausprägt hätten sehen können. Die tiefe Finsternis, in der sie sich gegenwärtig befanden, raubte ihnen auch diesen letzten Trost.

Beide verharrten daher eine Zeit lang in tiefem Stillschweigen. Endlich brach Juan, der philosophischer als sein Kumpel war, dasselbe zuerst.

»Gevatter des Teufels«, rief er, »siehst du jetzt ein, dass es ebenso schädlich ist, zu viel zu sprechen, als sich zu wenig zu kratzen?«

»Ist es denn meine Schuld«, entgegnete Gaspar erbittert, »wenn deine militärische Physiognomie, wie du es nennst, ihre gewöhnliche Wirkung hervorgebracht hat? Ich habe es dir wohl gesagt, du solltest versuchen, sie am Tor der Hazienda zu lassen.«

»Konntest du es denn nicht vermeiden, dich in deine endlose Geschichte zu verwickeln, die dem verdammten Katalonier Verdacht eingeflößt hat?«

»Dein Gesicht ist dabei sehr im Spiel, bei allen Teufeln!«

»Ich habe ein militärisches Aussehen und verheimliche das nicht, und deine Einfalt hat das Übrige zuwege gebracht. Du hast den Obersten gesehen, und dann wieder gesehen, ohne ihn zu erkennen. Wozu hattest du das einfältige Geschwätz nötig? Konntest du nicht die Sache anders erzählen und ganz einfach sagen, dass der Oberst sich in der größten Gefahr befinde, dass wir so und so viel Mann getötet haben, um ihn der Verfolgung zu entziehen und, dass er uns schließlich schickt, um ihm schleunigst Hilfe herbeizuholen. Dann würde man uns hoch aufgenommen und bewirtet haben, so ist deine Dummheit daran Schuld, dass wir jetzt noch, nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden, nüchtern sind, eingeschlossen, ohne Licht und dass ich, wenn der Oberst tot ist, nicht allein die Belohnung meiner Tugend verliere, sondern noch den Strick in Aussicht habe.«

»Und ich?«

»Du! Das kümmert mich nicht und ich begreife nicht, was mich zurückhält, dir so viele Faustschläge zu versetzen, wie du Worte zu viel gesagt hast.«

»Ich bleibe dabei, zu behaupten, dass deine Physiognomie …«

Der Klang vieler Trompeten, der die Ankunft der Abteilung Provinzialmilizen, die unter dem Kommando des hochwürdigen Fray Thomas de Cruz stand, ankündigte, unterbrach Gaspar und brachte glücklicherweise eine Ablenkung des Zorns Juans hervor, ohne die es wahrscheinlich war, dass die beiden Gefährten, um ihre Lage noch unangenehmer zu machen, sich tüchtig durchgebläut hätten.

»Was ist das, mein Freund?«, rief Juan der Schildwache durch das Schlüsselloch zu, deren abgemessene Schritte im Korridor dumpf erschallten.

»Es ist die Ankunft eines Bataillons Milizen«, erwiderte der Soldat.

»Ah! Ich hoffte, es wäre ein Zeichen der Ankunft des Obersten. Ihr wisst doch, dass Ihr uns dann sogleich in Freiheit setzen müsst?«

»Ich weiß es.«

Die beiden Gefährten versanken dann wieder eine Zeitlang in Stillschweigen, welches zuweilen nur durch gegenseitige Vorwürfe unterbrochen wurde, bis plötzlich die Trompeten von Neuem und stärker erklangen.

 Juan kehrte zu dem Schlüsselloch zurück.

»Ah! Jetzt ist es unser vielgeliebter Oberst, davon bin ich fest überzeugt, mein Herz sagt es mir«, sprach er mit zärtlicher Stimme. »Nicht wahr, mein Braver?«

»Ich weiß es noch nicht«, antwortete die Schildwache, »Ihr fangt an, mich unausstehlich zu belästigen. Wenn er es ist, werde ich es euch sagen.«

Die Bewegung, die sich in der Hazienda kundgab, drang auch bis zum Korridor, und Juan hörte die Schildwache auf demselben mit seinen Kameraden einige Worte wechseln, ohne dass dieselbe ihren angenommen Schritt unterbrach.

»Mein Herz hat richtig prophezeit, nicht wahr?«, flüsterte Juan von Neuem durch das Schlüsselloch.

»Ja, es ist der Oberst«, erwiderte der Wächter.

»Ah! Mein Herz täuscht mich niemals! Gaspar, hörst du? Es ist der tapfere Herr Oberst! Wir werden sogleich auf freien Füßen sein und mit Lobeserhebungen und Quadrupeln überhäuft werden. Ach, Gevatter, es ist doch eine herrliche Sache um die Tugend! Das ist mein Grundsatz!

Einige Augenblicke lang gab sich Juan ganz den Ausbrüchen einer tollen Freude hin. Nach und nach legte sich seine Ausgelassenheit und seine Freude wurde stillerer Natur, dann wurde er unruhig. Die Ungewissheit steigerte sich bis zur Unruhe, und danach schlichen sich Zweifel und Entmutigung in sein Herz, denn die Zeit verrann und niemand kam, sie in Freiheit zu setzen.

»Nun, mein Freund, da es der Oberst ist, so öffnet uns doch«, sagte Juan mit flehender Stimme.

»Geduld«, antwortete die Schildwache, »ich habe noch keinen Befehl dazu.«

Der melancholische el Zapote, weit davon entfernt, Geduld zu fassen, verlor sie vollständig und erfüllte die Luft mit solchem Geseufze, dass die Schildwache, die sich vergebens bemühte, ihn zu trösten, endlich der Sache müde wurde und versprach, ihn laufen zu lassen, wenn der Oberst, wie es schien, sich wieder entfernen sollte, ohne sie anzuhören, da derselbe unversehrt war.

Der Augenblick ließ nichts mehr lange auf sich warten, in welchem nach dem Versprechen des Soldaten die beiden Abenteurer ihre Freiheit wieder erhalten sollten, denn es war alles zum Abmarsch der Truppen angeordnet und der Oberst befand sich an der Spitze.

Ein Maultier trug die Lafette eines der kleinen Feldstücke, während der Kanonenlauf quer über dem Saumsattel eines zweiten Lasttieres befestigt war. Vierzig Mann, die aus den tapfersten Soldaten der Hazienda del Valle ausgelesen waren, bildeten mit den sechzig Leuten des Provinzialbataillons eine Schar von hundert Kämpfern, wovon ungefähr die Hälfte aus Infanterie bestand. Um die verlorene Zeit wieder aufzuholen, nahm jeder Reiter einen Infanteristen hinter sich aufs Pferd.

Auf ein gegebenes Signal drehten sich die Torflügel knarrend in ihren Angeln. Schweigend, mit größter Eile, machte sich das Kommando auf den Marsch.

Ungefähr zehn Späher bildeten den Vortrab, dann kamen an der Spitze der Schar der Oberst Don Rafael und der Leutnant Veraegui, der mit wenigen Worten seinem Kommandanten Rechenschaft von dem ablegte, was sich während seiner Zeit zugetragen hatte. Don Rafael, von seinen Gedanken vollständig in Anspruch genommen, schenkte ihm nur eine sehr zerstreute Aufmerksamkeit. Als der Leutnant seinen Bericht beendet hatte, empfing er die Befehle des Obersten.

So gelangte man zur Furt der Ostuta, die schleunigst durchritten wurde. Dann machte man so lange Halt, wie nötig war, um dem Nachtrab Zeit zu gönnen, sich wieder mit dem Hauptkorps zu vereinigen.

Von nun an ritt man noch vorsichtiger weiter und Don Rafael gab Befehl, den Diener Don Fernandos zu ihm zu schicken.

Als der Reiter, der denselben auf der Croupe seines Pferdes hatte, herankam, sagte der Oberst: »Könnt Ihr, da Ihr die Wege besser als irgendjemand anders kennen müsst, uns nicht auf einem Schleichweg zur Hazienda führen. Wenn ein solcher existiert, ist er für die Kanone passierbar, die wir bei uns haben? Ihr seht, dass das von Wichtigkeit ist.«

Der Diener versicherte, dass er die ganze Truppe auf einem Seitenpfad bis dicht vor die Hazienda führen wolle, ohne dass ihre Annäherung von den Banditen in derselben zu bemerken sei, aber die Kanone könne nicht gut gefahren werden.

»So begebt Euch denn an die Spitze des Vortrabes«, fügte der Oberst hinzu. »Wir müssen die Banditen so viel wie möglich zu überraschen versuchen und werden unsere Kanone erst zusammensetzen, wenn Ihr es für gut befindet.«

Der Diener gehorchte und begab sich an die Spitze der Vorhut. Der Weg, den er einschlug, führte am Fuß der Höhen vorüber, auf deren Gipfel der Hauptmann Lantejas wenige Stunden vorher die Hazienda und die Flammen bemerkt hatte, die hinter den Glasfenstern brannten.

Ein tiefes Schweigen herrschte und kein Zeichen deutete darauf hin, dass die Ankunft der Truppe bemerkt worden war, als der Führer seinen Posten an der Spitze der Kolonne verließ und sich Don Rafael näherte.

»Hier«, sagte er, »ist nicht das geringste Hindernis für die Kanone.«

Man machte Halt, die Kanone wurde auf die Lafette gelegt und dann der Marsch ebenso still wieder fortgesetzt, in drei verschiedenen Abteilungen, da man sich in der Ebene befand, aus deren Mitte die Hazienda San Carlos hervorragte. Der Oberst behielt sich das Kommando der ersten Abteilung vor, die sich geraden Weges auf das Eingangstor stürzen sollte, Veraegui und Fray Thomas de la Cruz erhielten die beiden anderen, um die Hazienda rechts und links zu umzingeln.

Jede dieser beiden letzten Abteilungen war mit Handgranaten versehen, um sie im Notfall über die Mauern oder an jeden Ort der Hazienda hinzuwerfen, wo die Banditen es versuchen könnten, sich zu verschanzen, wenn die Kanonenkugeln das Eingangstor zerstört haben würden.

Deshalb war auch das Geschütz bei der Abteilung, die der Oberst befehligte, der in seinem tödlichen Hass gegen Arroyo sich den Angriffsposten und die Ehre, zuerst mit dem Degen in der Faust einzudringen, vorbehalten hatte. Diese Anstalten, unter denen die drei Abteilungen in gleichem Schritt vorrückten, entgingen den auf der Terrasse der Hazienda aufgestellten Posten solange, wie die Dunkelheit, die Entfernung und die Bäume auf der Ebene ihnen die Annäherung der Feinde verbarg. Bald hörten die Spanier Alarmschüsse, welche die Garnison zur gemeinsamen Verteidigung aufriefen.

Die Spanier hielten es nicht der Mühe wert, darauf zu antworten, und rückten im Geschwindschritt, während die Wachen ihre Gewehre auf sie abfeuerten, bis zu dem Augenblick vor, wo die von Don Rafael befehligte Abteilung plötzlich ihre Reihen öffnete und die Kanone demaskierte, deren erste Kugel sogleich einen Flügel des Eingangstores niederriss.

Zu gleicher Zeit funkelten die angezündeten Granaten in der Dunkelheit und fielen in den Hof, wo die Insurgenten in Verwirrung sich aufzustellen versuchten.

Einige der Granaten konnten erstickt werden, die anderen zersprangen mit gewaltigem Lärm unter den Beinen der Pferde, die nun, von Schrecken ergriffen, ihren Reitern durchgingen, sie unter ihre Hufe traten und die allgemeine Verwirrung noch vermehrten, in der das Geschrei der Verwundeten und die Verwünschungen der Banditen mit dem fortdauernden Geknalle neuer, in die Höhe geworfener Granaten, die in den Hof niederfielen, sich mischte. Ein schrecklicher Donner ging einer zweiten Kanonenkugel voraus, die durch die Öffnung des Tores drang und in die zusammengedrängten Reihen der Banditen eine furchtbare Lücke riss.

»Noch einmal, noch einmal!«, rief Don Rafael, »auch der zweite Torflügel muss zusammengeschossen werden.«

Zwei Reiter wurden mit dem Auftrag abgeordnet, Fray Thomas und dem Leutnant Veraegui den Befehl zu überbringen, vor der Hazienda einen Halbkreis zu formieren, dessen offene Enden sich bis an seine Abteilung erstrecken sollten.

Die Schnelligkeit, mit der die Artilleristen ihr Geschütz wieder bedienten, war so groß, dass die beiden Reiter kaum soviel Zeit hatten, sich zu entfernen, als ein dritter Schuss durch die Luft donnerte und auch der andere Torflügel aus den Angeln gerissen zur Erde stürzte.

Von Neuem fielen nun auch wieder brennende Granaten in den Hof, wo die Insurgenten, von ihren Führern verlassen, nicht wussten, wozu sie sich entschließen sollten.

Der Leser wird sich erinnern, dass Arroyo in Begleitung Bocadros sich an die Verfolgung der Herrin der Hazienda San Carlos gemacht hatte und nicht mehr vor Ort war.

Ohne bestimmten Befehl wussten die Insurgenten nicht, welche Mittel sie zu ihrer Verteidigung wählen sollten. Die untergeordneten Befehlshaber, durch die Verantwortlichkeit, der sie sich unterzogen, beunruhigt, gaben widersprechende Befehle. Die einen, und zwar die Mehrzahl, ergriff ein unbesiegbarer Schrecken. Da sie ohne Kenntnis über die Stärke ihrer Angreifer waren, so flüchteten sie, um den Granaten und Kanonenkugeln zu entgehen, in die höher gelegenen Stockwerke.

Die anderen, entschlossen, ihr Leben teuer zu verkaufen und sich Bahn zu brechen, um ihre Chefs wieder zu erreichen, kletterten über die Trümmer des Tores. Aber vor ihnen öffnete sich ein Halbkreis von Bajonetten, Lanzen und Karabinern, die immer enger zusammenrückten, um sie zu erdrücken.

»Wo ist der Hund Arroyo?«, rief der Oberst, indem er mit gezücktem Degen die Insurgenten, die sich vergebens bemühten, den sie umgebenden Kreis zu durchbrechen, angriff. Ohne die Antwort abzuwarten, spaltete er dem einen den Schädel und streckte einen anderen durch einen Stich seines langen Dragonersäbels leblos nieder. »Nicht ein Einziger dieser Banditen will antworten!«, fügte der Oberst hinzu, indem er seine schreckliche Arbeit fortsetzte. »Weder Gefangene noch Schonung, meine Braven! Haut sie nieder! Haut sie nieder!«

»Ich werde die nur bei den Beinen aufhängen lassen, die sich ergeben«, rief der Katalonier mit lauter Stimme.

In Folge dieser menschenfreundlichen Äußerung ergab sich kein einziger Insurgent, und bald gab es vor dem Tor und im Hof der Hazienda nur noch einen Hügel von Leichen, die unempfindlich für die Barmherzigkeit Veraeguis blieben.

Doch fand sich weder Arroyo noch Bocadro unter den Toten, welche die Sieger gewissenhaft durchsuchten.

»Wo steckt denn der hochwürdige Hauptmann Fray Thomas de la Cruz?«, fragte der Leutnant, indem er sich dem Obersten näherte, der selbst die auf seinen Befehl angestellten Nachsuchungen unter den Toten, die entweder haufenweise übereinander geschichtet oder zerstreut dalagen, überwachte.

»Mit Eurer Erlaubnis, mein Oberst, ich glaube, hier ist er«, sagte einer der Soldaten, seine Fackel einem in einer langen, halb schwarzen, halb weißen Kutte eingehüllten Körper nähernd.

In der Tat war es der unglückliche Hauptmann, dem eine Flintenkugel, nach einer gerechten Vergeltung aller irdischen Dinge, ein Ohr weggerissen hatte, woran er wohl nicht gestorben wäre, wenn nicht ein Teil seines Schädels sich zugleich mit demselben entfernt hätte.

»Möge Gott seine Seele in Gnaden aufnehmen«, sagte der Leutnant, »obwohl er, um ihm einen seiner letzten Scherze zu entlehnen, gestorben ist, während er sein Ohr einer schlechten Sache lieh.«

Nachdem er mit diesen wenigen Worten die Leichenrede für den Dominikaner gehalten hatte, warf Veraegui einen trüben Blick auf die vor ihm liegenden Leichname, unter denen sich, wie man jetzt bestimmt wusste, weder Arroyo noch sein Gefährte befanden.

Die Royalisten glaubten nun, dass die beiden Chefs sich in eins der Gebäude der Hazienda zurückgezogen hätten, wo es gefährlicher war, sie zu verfolgen.

»Vorwärts!«, rief Don Rafael und rüttelte den Katalonier, der noch immer in seinen Betrachtungen versunken war, am Arm. »Wir müssen mit diesen Räubern, namentlich aber mit ihren Chefs, ein Ende machen. Es ist jetzt nicht die Zeit, sich seinem Mitleid hinzugeben.«

»Leider dachte ich eben daran«, erwiderte Veraegui mit einem Seufzer des Bedauerns, »dass dieser Vorrat an neuen Stricken uns zu nichts dienen wird, denn die hier sind tot, und was die anderen anbelangt, so werden wir sie in ihrer Räuberhöhle verbrennen müssen. Das ist betrübend.«

»Tut das um Gotteswillen nicht, Herr Oberst«, sagte der Diener Don Fernandos mit flehender Stimme, »ist denn nicht mein armer Herr in der Gewalt dieser Banditen und muss er denn nicht, wenn er noch am Leben ist, wie sie verbrennen? Und sind nicht außerdem alle seine Leute Gefangene wie er?«

»In der Tat«, entgegnete Don Rafael, von Mitleid bewegt, »wir dürfen weder daran denken, den Opfern und den Henkern ein gleiches Schicksal zu bereiten, noch diesen Elenden Verzeihung angedeihen zu lassen. Die Vipern in ihrem Nest verfolgen, würde uns dem Verlust vieler Leute aussetzen.

»Das ist in der Tat misslich«, sagte der Leutnant. »Ich sehe nur einen Weg, von ihnen die Herausgabe ihrer Gefangenen zu erlangen, und zwar den, ihnen eine Amnestie anzubieten. Ich meine damit, sie auf die gewöhnliche Weise zu hängen. Ei, mein Gott, ja, sie ohne Weiteres am Hals aufhängen. Die Schurken gewinnen dabei noch.«

»Es ist aber zweifelhaft, ob Euer Anerbieten sie verführen wird, mein lieber Leutnant«, sagte Don Rafael.

»Indessen …«

»Wenn ich wagen dürfte, meine Meinung auszusprechen«, unterbrach ihn der Diener, »so würde ich ein Auskunftsmittel vorschlagen, das sie vielleicht annehmen würden.«

»Sprich, mein Freund«, sagte der Oberst.

»Wir wollen einmal Euer Auskunftsmittel näher ansehen, das besser sein soll, als das, welches ich vorgeschlagen habe«, fügte Veraegui in einem Ton herablassender Milde hinzu.

»Die Frau Arroyos befindet sich unter den Elenden« fuhr der treue Diener Don Fernandos fort, »und wenn sie auch nicht mehr wert ist, als der größte Schurke unter ihnen, so ist sie doch immer eine Frau. Man könnte ihr nun in dieser Weise Gnade anbieten, wenn sie einwilligt, uns meinen armen Herrn zuzuführen.«

»Das ist ein armseliges Mittel, was den Teufel nichts taugt«, rief der Katalonier, »dann müsste man für jeden deiner Kameraden einen Banditen amnestieren.

Das vorgeschlagene Auskunftsmittel war in Wirklichkeit unausführbar, denn die Dienerschaft Don Fernandos, die gleich ihm gefangen war, war so zahlreich, dass die ganze Bande, die der Gouverneur mit Stumpf und Stiel auszurotten befohlen hatte, dann verschont geblieben wäre. Der Diener konnte auf diesen Einwand nichts erwidern.

Um die Menschlichkeit mit seiner Pflicht und seinen Racheschwur gegen Arroyo mit seinem Wunsch, das Blut seiner Soldaten zu schonen, zu vereinbaren, zeigte sich Don Rafael nur das eine Mittel, die Belagerten durch Hunger zur Übergabe zu zwingen. Es war klar, dass den Insurgenten, wenn sie in der Hazienda dicht umzingelt wurden, nur noch die Wahl blieb, entweder einen verzweifelten Ausfall zu machen oder die unnützen Esser wegzuschicken. In dem einen wie in dem anderen Fall war die Aussicht vorhanden, Don Fernando und die seinen unversehrt aus den Händen der Belagerten hervorgehen zu sehen.

Bis Sonnenaufgang entstand keine Schwierigkeit, diesen Entschluss zur Ausführung zu bringen, und Don Rafael gab demzufolge seine Befehle. Als alle Maßregeln getroffen waren, um niemand während der Dunkelheit entwischen zu lassen, erinnerte sich der Oberst daran, dass die Schwester Gertrudis’ ohne Zweifel noch ohne Führer und Beschützer in der Gegend umherirre. Er beschloss, sich selbst mit einem halben Dutzend seiner am besten berittenen Leute zur Nachforschung auf den Weg zu machen.

Der katalonische Leutnant blieb, mit dem Kommando vertraut, zurück.

Kaum war der Oberst eine halbe Stunde fort, als die ausgestellten Schildwachen zwei Männer anmeldeten, die atemlos herbeigestürzt kamen.

»Was wollt Ihr?«, fragte sie der Leutnant, vor den man sie führte. »Ei, das sind ja die beiden Schlingel aus der Nacht«, fügte er, sie erkennend, hinzu. »Wer hat euch denn in Freiheit gesetzt?«

»Unser Wächter«, erwiderte Juan el Zapote, »der, von unserer Anhänglichkeit an den Obersten Tres-Villas gerührt, uns gestattet hat, ihn aufzusuchen, denn wir werden ihn nun doch endlich sprechen können.«

Bei diesen Worten wischte sich Juan, vielleicht, um seine militärische Physiognomie zu verbergen, vielleicht auch, weil er in Schweiß gebadet war, fortwährend das Gesicht mit seinem Taschentuch.

»Der Oberst ist nicht gegenwärtig, sagte Veraegui.

»Fort! Alle Teufel, das ist also unser Los!«, rief Juan verstört, »und wo ist er?«

»Ungefähr eine halbe Stunde von hier, in diese Richtung.«

Dann drehte der Leutnant, nachdem er ihnen mit dem Finger die noch in tiefe Finsternis gehüllte Seite der Ebene bezeichnet hatte, wohin sich Don Rafael gewandt, den beiden entmutigten Boten den Rücken zu. Diese, zu glücklich, dem fürchterlichen Katalonier entronnen zu sein, hatten nicht nötig, sich erst lange zu beraten, sondern setzten mit Eifer die Verfolgung des Obersten fort, den ein beharrlicher Zufall ihrer Verbundenheit fortwährend zu entziehen schien.