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Felsenherz der Trapper – Teil 11.6

Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 11
Das Häuptlingsgrab am Juan-Fluss
Sechstes Kapitel

Überlistet

Das Schnelle Elentier hatte mit der Linken das Jagdmesser und mit der Rechten den Tomahawk aus dem Gürtel gerissen. Er wusste nicht, wen er hier als Gegner vor sich hatte, denn in der Dämmerung der Felsenspalte erkannte er nur die Umrisse einer Gestatt. Dass es ein Weißer war, sah er freilich, aber dass gerade der berühmte Trapper mit seinen Gefährten hierher geflüchtet sein sollte, erschien ihm unmöglich. So glaubte er, irgen ein anderes Bleichgesicht vor sich zu haben. Hätte er die Wahrheit geahnt, wäre er wohl weniger übereilt zum Angriff übergegangen.

Mit zwei wahren Panthersätzen sprang er nun den Feind an. Das Schlachtbeil zum Schlag erhoben, hoffte er schon auf einen leichten Sieg über den scheinbar ängstlich Zurückweichenden.

Felsenherz hatte die schwere Büchse ganz kurz gefasst, benutzte sie als Keule, ließ sie einen Bogen in der Luft beschreiben.

Der Kolben traf Tatwirus rechtes Handgelenk von unten mit solcher Kraft, dass der Apache den Tomahawk aus den halb gelähmten Fingern gleiten ließ.

Im selben Moment fühlte er auch schon den zweiten Kolbenschlag. Sein linker Arm, am Ellenbogen getroffen, sank herab. Ein neuer Hieb der Hammerfaust des Trappers gegen die rechte Schläfe ließ den Apachen besinnungslos zu Boden sinken.

Felsenherz fesselte ihn und trug ihn tiefer in die Grotte hinein.

Dass der Schuss oben auf der Höhe der Steilwand von den Apachen gehört worden sei, brauchte er nicht zu fürchten. Das Tosen des Wasserfalles musste auch den Knall der Büchse übertönt haben.

Die Apachen oben würden auch nicht ahnen, dass das Lasso durch äußere Einwirkung absichtlich zerschnitten worden war. Ein Messer hätte allerdings den Riemen so durchtrennt, dass dies sofort erkennbar gewesen wäre. Aber die Kugel hatte die einzelnen Riemen, aus denen das Lasso geflochten war, mehr zerfasert, und die Bruchstelle wirkte daher wie ein zufälliger Riss. Mithin würden die Apachen annehmen, das Lasso wäre aus irgendeinem Grund, vielleicht durch zu starke Belastung zerrissen.

So durfte Felsenherz denn hoffen, dass ihre Anwesenheit hier in der Grabhöhle des weißen Häuptlings den Rothäuten verborgen bleiben würde. Sollten die Apachen einen zweiten Krieger hinabsenden, um feststellen zu lassen, was aus Tatwiru geworden war, dann würde er auch diesen neuen Späher unschädlich machen. Inzwischen würde wohl wieder die Nacht herbeigekommen sein, die man zur Fortsetzung der Flucht benutzen konnte.

Der blonde Jäger hatte sich wieder an den Eingang der Felsspalte begeben.

Gleich darauf erschien Chokariga bei ihm und sagte kurz: »Mein Bruder Harry hat einen guten Fang gemacht. Tatwiru hat uns über die Pläne des Großen Bären alles verraten. Er ist bereits wieder bei Bewusstsein. Das schnelle Elentier ist flüchtig wie der Präriehase, aber auch ebenso dumm. Als er mich soeben erkannte, wie ich ihm mit der Fackel ins Gesicht leuchtete, zischte er mich rachgierig an und rief: »Wenn der Große Bär mit den hundertfünfzig Kriegern von der Verfolgung der Navajohunde zurückgekehrt ist, wird er euch gefangen nehmen. Der Skalp des Schwarzen Panthers wird bald im Rauch des Feuers unserer Zelte trockneu. Mein Bruder Harry weiß, dass die Apachen oben im Lager etwa hundertsiebzig Krieger zählten. Es können jetzt nur gegen zwanzig oben auf dem Felsplateau sein.«

Felsenherz nickte nur. Dann winkte er dem Comanchen und beide begaben sich zu dem Gefangenen, neben dem eine Fackel an der Steinwand brannte.

»Das schnelle Elentier mag auf des Trappers Worte achten«, begann Felsenherz, indem er den Apachen aufrichtete und sitzend an einen Steinblock lehnte. »Der Große Bär glaubt, wir wären hinter den Navajo her, die wieder den beiden Bleichgesichtern folgen, von denen das Gold der Bonanza gestohlen wurde. Tatwiru soll frei sein, wenn er uns heimlich zur Flucht verhilft und uns unsere Pferde und Waffen zurückgibt.«

Felsenherz wusste genau, dass der Unterhäuptling nur zum Schein auf diesem Vorschlag eingehen würde. Er hatte seine Worte klug berechnet. Es kam ihm nur darauf an, dass der Apache ihm durch seine Antwort das bestätigte, was er über den Grund der Abwesenheit des Großen Bären mit hundertfünfzig Kriegern vermutete. Und Tatwirus Erwiderung, die wirklich wenig Schlauheit verriet, genügte ihm denn auch vollständig.

»Der berühmte weiße Jäger mag das Schnelle Elentier sofort freilassen, damit Felsenherz und die anderen Männer rasch von hier fliehen können, bevor der Große Bär zurückkehrt, der durch einen unserer Späher, von dem die beiden Bleichgesichter mit den Goldsäcken und auch die Navajo beobachtet worden sind, alles erfuhr, was sich gestern eben hier ereignet hat. Tatwiru wird die Waffen und Pferde der vier Männer an einen Ort schaffen, den wir vereinbaren können.«

Da mischte sich der Comanche ein. »Das Schnelle Elentier hat das Hirn eines Säuglings, der von der Mutter noch bei der Arbeit auf dem Rücken getragen wird«, sagte er verächtlich. »Wir werden auch ohne ihn die volle Freiheit wiedererlangen. Tatwiru würde uns nur betrügen.«

Der Apache stieß einen heiseren Wutschrei aus. Erst setzt erkannte er, dass er sich hatte überlisten lassen.

Felsenherz und Chokariga beachteten ihn nicht weiter, gingen wieder zum Eingang der Felsspalte zurück und berieten, was nun geschehen solle. Da sich oben auf dem Plateau im Apachenlager nur noch gegen zwanzig Krieger aufhielten, die noch nicht ahnten, dass die beiden Westmänner und die beiden anderen Weißen in der Bonanzagrotte Schutz gefunden hatten, musste es nicht schwer sein, nachts die Pferde und Waffen aus dem Lager zu holen. Sie beschlossen denn auch, sofort nach Dunkelwerden die Höhle zu verlassen. Tatwiru sollte hier zurückbleiben, da die Apachen ihn nachher schon finden würden. Gegen Mittag ließ sich dann ein zweiter Apache von der Steilwand herab und gelangte in die Felsspalte. Er zeigte sich sehr misstrauisch und rief erst wiederholt Tatwirus Namen in den dunklen Schlund hinein, bevor er, die gespannte Flinte in der Hand, vorsichtig die Grotte betrat, wo die vier Gefährten sich so verteilt hatten, dass sie ihn leicht abfangen konnten.

Er wagte sich jedoch nur so weit vor, wie der Lichtschein von draußen eine trübe Dämmerung verbreitete. Dann blieb er stehen und wiederholte seine Rufe nach dem Unterhäuptling. Als sich auch jetzt niemand meldete, wurde er offenbar noch argwöhnischer, kehre plötzlich um und ergriff schnell das Ende des Lassos, das er unter einem Stein festgeklemmt hatte.

Chokariga wollte aus dem Versteck hervorspringen und den Apachen durch ein Felsstück in den Wasserfall hinabbefördern.

Aber der Trapper hielt ihn zurück und flüsterte: »Mag er wieder hinaufklettern. Er wird fraglos mit mehreren anderen und mit Fackeln zurückkehren. Diese Krieger jedoch sollen uns dann nicht entkommen.«

Der Apache hatte sich bereits an dem Lasso aus der Felsspalte herabpendeln lassen und befand sich sehr bald oben auf dem Plateau, wo ihn zwölf seiner Stammesgenossen neugierig auszufragen begannen. Der Älteste der Krieger befahl dann, dass harzige Äste zu Fackeln zurechtgehauen werden und dass acht Apachen nacheinander sich hinab in die Felsspalte schwingen und die Grabhöhle durchsuchen sollten.

»Tatwiru ist nicht in den Wasserfall hinabgestürzt«, erklärte er zum Schluss. »Ich lag dort rechts am Rand des Abhangs und habe hinter den Wasserfall geschaut. Ich hätte Tatwiru sehen müssen, wenn er in den Wassernden Tod gefunden hätte.«

Gegen vier Uhr nachmittags ließen sich dann die acht Krieger einzeln hinab und gelangten auch sämtlich wohlbehalten auf festen Boden. Hier musste dann einer von ihnen zurückbleiben und die oben festgebundenen Lassos bewachen.

Die sieben anderen setzten ihre Fackeln in Brand und drangen nun langsam in die Grotte ein. Vorsichtig suchten sie nach irgendwelchen Spuren, entdeckten jedoch nicht das geringste Anzeichen dafür, dass sich hier noch Menschen aufhielten.

Dass Felsenherz und seine Gefährten sich in einer kleinen Nebenhöhle verborgen und den Zugang durch große Felsstücke, die wie eine zufällige Anhäufung von Steintrümmern aussahen, verrammelt hatten, konnten sie nicht ahnen.

So kamen sie schließlich auch in die einem riesigen Gewölbe gleichende Hauptgrotte, wo sich das Grabmal des weißen Häuptlings befand.

Als sie bemerkten, dass dieses geöffnet worden war, als sie nun hineinleuchteten und neben dem zur Mumie ausgetrockneten Toten ihren Unterhäuptling Tatwiru gefesselt sitzen sahen, als sie zu gleicher Zeit den donnernden Knall zweier Schüsse und die Schmerzensrufe zweier durch den Arm getroffener Krieger vernahmen, stießen sie ein gellendes Wutgeheul aus, das jedoch sehr bald von Felsenherz’ Stimme übertönt wurde.

»Die Krieger der Apachen mögen auf des Trappers Worte hören! Wer von euch dieses Grabgewölbe zu verlassen wagt, erhält eine Kugel durch den Kopf.«

Die Apachen starrten zu dem schmalen Zugang des Gewölbes hinüber. Dort stand Felsenherz, befestigte vier Fackeln rasch in den Rissen des Gesteins und verschwand wieder.

Inzwischen hatte Chokariga vorn am Eingang der Felsspalte den dort zurückgebliebenen Wächter, einen jüngeren Krieger, mühelos überwältigt.

Drei Stunden später war es dann im Regental bereits so dunkel, dass die vier Gefährten es wagen konnten, die Bonanzahöhle für immer zu verlassen. Die Apachen in dem Grabgewölbe hatten bisher sich nicht herausgetraut, da Felsenherz den schmalen Zugang durch stets neue Fackeln erleuchtet hatte. Sancho, der Gambusino, fühlte sich jetzt schon so frisch und kräftig, dass er den Abstieg durch die Staubwasser des Falles nicht weiter zu fürchten brauchte.

Wohlbehalten kamen die Flüchtlinge aus dem Tal heraus auf das Plateau, wo das Apachenlager nur noch durch neun Krieger bewacht wurde. Da diese in ihrer Unruhe über das Schicksal der in die Grabhöhle Hinabgestiegenen jede Vorsicht außer Acht ließen und sich zumeist am Rand des Abhangs aufhielten, konnten Felsenherz und Chokariga unbemerkt aus dem Zelt des Großen Bären ihre Waffen holen und ebenso die des Polizeimeisters aus Tatwirus Zelt mitnehmen. Nicht viel schwieriger war es, den die Pferde bewachenden Krieger lautlos unschädlich zu machen.

Gegen elf Uhr abends konnten die vier Gefährten daher mit ihren Reittieren, ohne dass die am Abhang versammelten Apachen dies gewahr geworden waren, von dem Plateau durch eine nordwärts verlaufende Schlucht zunächst im Schritt sich entfernen. Nachher bestiegen sie ihre Pferde und erreichten am Morgen die letzten nördlichen Anhöhen der Guadalupe-Berge.