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Edgar Allan Poe – Manuscript Found in a Bottle

Das Manuskript in der Flasche (Manuscript Found in a Bottle) (1833)

Ein namenloser Erzähler formuliert seine Geschichte, indem er die Verbindung zu seiner Familie und seinem Land bestreitet. Er sagt, er ziehe die Gesellschaft der deutschen Moralschriftsteller vor, deren Träumereien er sowohl detektieren als auch sich von ihnen distanzieren kann. Er gibt zu, dass er eine starre rationale Denkweise hat, die der Wahrheit gewidmet und immun gegen Aberglauben ist.

Der Erzähler berichtet über eine Reise von der Insel Java auf einem Schiff, beladen mit Baumwolle, Kokosnüssen und einigen Kisten mit Opium. Bald nach der Abreise beobachtet der Erzähler in der Ferne eine große, unheilvolle Wolke und fürchtet die Zeichen eines nahenden Samums oder Taifuns. Der Kapitän des Schiffes jedoch weist die Ängste des Erzählers von sich. Als er sich unter Deck zurückzieht, hört der Erzähler ein lautes Geräusch und fühlt, wie das Schiff zu kentert beginnt. Als es sich wieder aufrichtet, stellt der Erzähler fest, dass er und ein alter Schwede die einzigen Überlebenden sind. Allerdings bleibt das Schiff in einem Strudel gefangen und droht in die Tiefen des Meeres gesogen zu werden. Fünf Tage lange treiben die beiden Männer auf dem geborstenen Schiff und entkommen dem Sog des Strudels. Sie finden, dass ihre Umgebung kälter geworden ist, und bald überwältigt sie völlige Dunkelheit.

Mitten in dieser Finsternis bricht ein anderer Orkan los. Die Männer erblicken ein riesiges schwarzes Schiff, das auf dem Kamm einer großen Welle reitet. Die Wucht des Eintauchens des Bugs lässt das Schiff des Erzählers dermaßen Schaukeln, dass dieser auf das unbekannte Schiff geschleudert wird. Schnell versteckt er sich im Frachtraum und beobachtet sehr alte Seeleute, die sich in einer nicht erkennbaren Sprache unterhalten. Mit zunehmendem Mut erforscht er die Kapitänskajüte, in welcher er das vorliegende Manuskript findet. Er steckt das Manuskript in eine Flasche und wirft sie ins Meer.

Danach geht der Erzähler auf ein zufälliges Ereignis ein, indem er spielerisch mit einer Teerbürste über ein zusammengefaltetes Segel streicht. Als er es ausbreitet, steht auf dem Segel das Wort Discovery. Dieses Ereignis veranlasst den Erzähler, das Schiff genauer zu untersuchen. Er ist sich über das Ziel des Schiffes unsicher, und dessen Holz ist merkwürdig porös. Darüber hinaus scheint die Mannschaft unfähig zu sein, ihn zu sehen. Auch der alte Kapitän schenkt ihm keine Aufmerksamkeit. Der Erzähler verbleibt in der ewigen Dunkelheit auf dem Schiff und entdeckt bald, dass es nach Süden fährt, vielleicht für den Südpol bestimmt. Als sich die Aufregung um die Entdeckung bei der Mannschaft und dem Erzähler legt, bricht das Eis plötzlich auseinander, um einen starken Strudel zu offenbaren. Der Sog des Wirbels ist für das Schiff zu mächtig, um widerstehen zu können, und es wird in das Schwarze Loch des Meeres gesaugt.

Das Manuskript in der Flasche erschien zunächst am 19. Oktober 1833 im Saturday Visiter, einer Zeitung in Baltimore, als Sieger eines literarischen Wettbewerbs für die beste Kurzgeschichte. Poe hatte 6 Geschichten eingereicht, und die Zeitung erhielt insgesamt über 100 Einsendungen. Obwohl der Saturday Visiter alle Einsendungen von Poe lobten, hob sich Das Manuskript in der Flasche aufgrund seiner umfassenden Fantasie und seiner einzigartigen Demonstration von Wissen ab.

Der Saturday Visiter ermutigte Poe, das gesamte Buch zu veröffentlichen, was er nach diesem Hinweis auch tat. In den folgenden Jahren stellte Poe seine Tales of the Grotesque and Arabesque zusammen und veröffentlichte diese im Jahr 1840.

Das Manuskript in der Flasche war ein Lichtblick in Poes literarischer Karriere und half seinem Ruf, vor allem in Baltimore. Poe gruppierte die Story ursprünglich in einem größeren Band Eleven Tales of the Arabesque, zu dem er später den Terminus grotesque hinzufügte. Diese Klassifizierung weist in Poes Schrift auf eine Unterscheidung zwischen einer verspielten Geschichte, angesiedelt in vorderorientalischer Literatur, und einer grotesken Story, in welcher Terror aus der Rückkehr der Toten ins Leben entsteht, wie zum Beispiel in Ligeia. Gemäß dem Vorwort von Tales of the Grotesque and Arabesque von 1840 beruht das Groteske auf menschlicher Interaktion, auch wenn Monster und Gestalten aus dem Totenreich den Plot mit Leben erfüllen. Die Arabeske dagegen beschäftigt sich mit dem Grauen der Idee und der geheimnisvollen Faszination kryptischer Muster.
Das Manuskript in der Flasche ist eine von Poes berühmtesten Science-Fiction-Geschichten. Poe war von dem Südpol fasziniert, er las wie besessen die Tagebücher von Alexander von Humboldt, einem deutschen Zeitgenossen von Poe, der als Teil seiner kosmologischen Forschung rund um die Welt reiste. In Poe erwachte das für die fantastische Vorstellung von einem Loch im Südpol, das sich auf der anderen Seite des Globus entleerte. Die Darstellung des Strudels und dessen Macht, die Erzählung zu beenden, markiert den Südpol als eine drohende Region jenseits menschlicher Rationalität und Wissen. Poe genoss diese Erzählung dermaßen, dass er in späteren Geschichten darauf Bezug nahm. Er erweiterte seine Behandlung des Südpols in seinem 1838 erschienenen Roman The Narrative of Arthur Gordon Pym, eine Abenteuergeschichte von Spionage, Meuterei und Erforschung, die das irrationalen Versinken in das Weiße eines Strudels in der Nähe des Südpols gipfelt.

Das Erschreckliche an Das Manuskript in der Flasche stammt aus seinen wissenschaftlichen Vorstellungen und seiner Beschreibung einer physischen Welt jenseits der Grenzen der menschlichen Erforschung. Es betont Ideen und ruft uns zur Einleitung der Geschichte, in welcher der Erzähler seine Treue zum Realismus ankündigt. Dieser Realismus ist mit dem Sinken in den Strudel verloren, wie vermutlich das Leben des Erzählers auch.

Der britische Romancier Samuel Taylor Coleridge beschrieb in seinem Poem Die Ballade vom alten Seemann eine ähnliche Reise in das Unbekannte. Mit dem Betreten des Lastenseglers nimmt Poes Erzähler an einer ähnlichen Reise teil. Coleridge Seemann reist südwärts ins Unbekannte, kehrt gezeichnet zurück und verändert sich mit größerer Erkenntnis des inneren Selbst. Poes Erzähler schaut im Verlauf der Story tiefer in sein eigenes Ich und schämt sich vor seinem früheren. Wir erfahren aber nichts von einer Rückkehr, sondern erhalten nur das Manuskript als Flaschenpost, in welcher die Geschichte des Erzählers überlebt, nachdem er vermutlich durch den Strudel verzehrt worden ist.

(wb)