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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 24

Der Kommandant des Tower
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Zweites Buch
Der Lordprotektor
Sechszehntes Kapitel

Wie König Heinrich VIII. feierlich bestattet wurde. Wie der Leichenzug sich aus dem Westminster-Palast herausbewegte

Die Zeit, welche zur Beisetzung des Königs bestimmt wor­den war, rückte heran, und da die hierbei stattfindenden Feier­lichkeiten die großartigsten waren, die man jemals im britischen Land oder vielleicht irgendwo in der Welt gesehen hat, so wird man vielleicht entschädigen, wenn wir etwas länger da­bei verweilen. Sie geben nicht nur ein lebendiges Bild jener Zeit, die an Aufzügen und Zeremonien aller Art ein besonderes Vergnügen fand, sondern die außerordentlichen Ehren, die man Heinrich bei seiner Beerdigung erwies, beweisen auch das Ansehen, in welchem Heinrich bei seinen Untertanen stand, und dass man ihn trotz seiner Grausamkeit als einen mächtigen Monarchen ehrte. Durch seine unvergleichliche Pracht schloss das Begräbnis auf würdige Weise eine Regierung, die nur ein langes Schauspiel war – ein größtenteils pracht­volles Schauspiel – zuweilen tragisch und selbst grauenhaft; immer aber großartig und imponierend. Glücklicherweise steht uns ein reiches Material zu genauer Beschreibung zu Gebote, und wir werden uns desselben frei bedienen, um eine ausführliche Schilderung des merkwürdigsten königlichen Begräbnisses geben zu können.

Von den geschicktesten Chemikern und Ärzten einbalsamiert, in faltenreiche Leinwand gekleidet, mit einem Tuch von Samt, das Silberschnüre festhielten, überdeckt, wurde der Leichnam des mächtigen Monarchen zuerst auf demselben Lager, auf dem er verschieden war, ausgestellt. Auf die Brust war eine Rolle geheftet, in der seine Titel und sein Sterbe­tag mit großer und mit kleiner Schrift verzeichnet standen. Darauf wurde der Körper in einen bleiernen Sarg gelegt und mit diesem in einen anderen, reich geschnitzten und unge­heuer großen Sarkophag von Eichenholz.

Mit einem blausamtenen Leichentuch, auf welchem ein silbernes Kreuz lag, überdeckt, wurde dann der schwere Sarg in einen Saal gebracht und auf ein großes mit Goldtuch überhangenes Untergestell gesetzt, wo er fünf Tage lang blieb. Unterdes brannten beständig Lichter in dem Saal, und Tag und Nacht hielten dreißig Kammerherren Wache, und von dem Kaplan wurden Messen gelesen und Gebete für die Ruhe des verstorbenen Fürsten gesprochen.

Alle Zugänge zu der Kapelle innerhalb des Palastes wurden schwarz behangen und mit dem königlichen Wappen und Stammbaum geschmückt; daneben ein Namensverzeichnis seiner verschiedenen Frauen. In der Kapelle selbst waren Flur und Wände mit schwarzem Tuch ausgeschlagen, Letztere, so wie die Decke, mit Bannern und Standarten des Heiligen Georg geschmückt. Der Hochaltar, mit schwarzem Samt überdeckt, prangte von Silber und Juwelen. In der Mitte des Sanktuariums, von ebenfalls schwarz überkleideten Schranken umgeben, stand ein prächtiger, mit Wappen und Fähn­chen gezierter Katafalk. An jeder Ecke trug er die Fahne eines Heiligen, mit Gold in Damast gestickt, und davor befand sich noch ein kleinerer Altar, der, ähnlich wie der Hochaltar, mit Silberzierraten und Juwelen bedeckt war. Unter dem Katafalk erhob sich ein Thronhimmel von Goldtuch, mit einem Umhang von schwarzer Seide mit schwarz und goldenen Fransen. Ringsum brannten achtzig viereckige Wachskerzen, je zwei Fuß lang und alle zusammen genommen tausend Pfund schwer.

Am Mittwoch, den 2. Februar 1547, am Lichtmesstag, wurde der Sarg – nachdem er in der Nacht vorher mit einem prächtigen Leichentuch von Goldstoff, mit eingewebtem silbernen Kreuz und mit den königlichen Wappenschildern ge­schmückt, überdeckt worden war – unter feierlichen Zeremonien in die Kapelle geschafft, wo er auf den Katafalk gesetzt wurde und all die brennenden Wachskerzen rings umher. Hier wurde darauf ein kostbares Goldtuch mit edlen Steinen über den Sarg gebreitet.

An dem darauffolgenden Tag versammelte sich der Marquis von Dorset als erster Leidtragender mit zwölf anderen Edelleuten, unter denen die Vornehmsten die Grafen von Arundel, Oxford, Shrewsbury, Derby und Sussex waren, im Palast, alle in Zobel gekleidet und den Kopf verhüllt. Je zwei und zwei – der Hauptleidtragende vorauf, mit einem Schleppenträger hinter sich, gingen sie dann zu der Kapelle. Bewaffnete Diener und Zeremonienmeister schritten vor dem feierlichen Zug her. Geschlossen wurde er von dem Vizekämmerer und anderen Beamten, alle in Trauerkleidern. Beim Katafalk angelangt, kniete der Marquis von Dorset zu Häupten, seine Gefährten zur Seite desselben nieder.

Dann erschien ein Priester am Eingang des Chors und rief mit lauter Stimme: »Um der ewigen Barmherzigkeit willen, betet für die Seele des allerhöchsten und mächtigsten Fürsten, unseres verstorbenen Königs und Herrn, Heinrichs VIII.«

Nun kamen Gardiner, Bischof von Winchester, Tunstal, Bischof von Durham, und Bonner, Bischof von London, im vollen Ornat aus der Sakristei und schritten auf den Hoch­altar zu. Ein feierliches Requiem wurde gesungen und der ganze Chor stimmte in den Hymnus ein.

Drei Tage blieb der Sarg in der Kapelle, während welcher Zeit unausgesetzt Wache gehalten wurde und die Lich­ter brannten. Die zum Begräbnis gehörigen Feierlichkeiten dauerten noch drei fernere Tage. Die königliche Leiche wollte man mit allen nur erdenklichen Zeremonien nach Schloss Windsor bringen. Am ersten Tag sollte im Zionskloster Halt ge­macht, am zweiten Tag Windsor erreicht werden, und am dritten die Beisetzung in der St. Georgs-Kapelle stattfinden. Am Montag, den 14. Februar früh morgens, begann die Zeremonie. Noch waren die Schatten der Nacht nicht ganz gewichen, als unzählige Fackeln die Tore, Mauern und Fenster des Palastes und die zahlreichen, in den Höfen versammelten Gruppen auf fantastische Weise beleuchteten.

Vor dem Tor der großen Halle stand ein prächtiger, mit sieben der größten flandrischen Pferde bespannter Leichen­wagen. Letztere trugen schwarze Samtdecken, die bis zur Erde reichten, und an jedem Pferd war das Wappenbild des Königs in Gold gestickt viermal angebracht. Außerdem war der Kopf der Tiere mit dem königlichen Wappenzeichen ge­schmückt. Der Wagen war merkwürdig anzusehen. Er war von ungeheurem Umfang, und die stark vergoldeten Räder funkelten wie eitel Gold. Der untere Teil des Fuhrwerkes war mit blauem Samt verhangen, der zwischen den Rädern bis auf die Erde reichte. Der obere Teil bestand aus einem riesigen, von vier Säulen getragenen Baldachin. Die Säulen waren mit Goldstoff umwickelt. Vom selben Zeug war der Baldachin, mit einer reich verzierten Kuppel in der Mitte. In dem Wagen lag eine dicke, mit weiß und goldenem Zeug überzogene und mit blauseidenen und goldenen Fransen besetzte Matratze.

Nachdem der Leichenwagen vorgefahren war, kam aus der Kapelle ein feierlicher Zug hervor, bestehend aus Präla­ten mit Chorrock und Inful, und aus weltlichen Lords in Trauerkleidern. Die Bischöfe gingen je zwei und zwei und sprachen unterwegs Gebete. Dann folgte der von sechs kräf­tigen Gardisten getragene Sarg. Hinter dem Sarg gingen der Marquis von Dorset und die zwölf Leidtragenden, Letztere je zwei und zwei. Viele Fackelträger, die meisten zur Seite des Sarges gehend, begleiteten den Zug. Nachdem der Sarg in den Wagen gesetzt war, wurde ein Leichentuch von Goldgewebe darüber geworfen.

Nun kam ein Gegenstand, der für das Hauptprachtstück galt und allgemein Staunen und Bewunderung erregte. Es war dies das Bildnis des verstorbenen Königs, schön in Holz geschnitzt von dem geschicktesten Holzschneider jener Zeit und von keinem anderen als von Holbein selbst gemalt. Mit Heinrichs eigenen Kleidern von Goldtuch und Samt angetan und mit Edelsteinen aller Art geschmückt, war dieses Bildnis wunderbar lebenstreu. In die rechte Hand hatte man ihm ein goldenes Zepter gegeben, während die Linke den Reichsapfel mit dem Kreuz trug. Auf dem Kopf ruhte eine Krone von unschätzbarem Wert. Über den Schultern hing der Hosenbandorden und unterhalb des Knies waren die Insignien des Ordens, wie sie der König zu seinen Leb­zeiten zu tragen pflegte, angebracht. Die Haltung der Ge­stalt war eine stolze und befehlende, genau die des gewaltigen Fürsten.

Die drei riesigen Towerwächter, die nicht wenig stolz auf ihr Amt zu sein schienen, trugen dies Bildnis und stell­ten es unter die Aufsicht Fowlers und anderer Diensttuenden Edelleute in den Wagen, wo es mit den Füßen auf einem goldgewirkten Kissen ruhte und vier seidene Schnüre, die an den Säulen des Wagens befestigt waren, es aufrecht hielten.

Während dieser Vorbereitungen, die eine bedeutende Zeit in Anspruch nahmen, hatte sich in den äußeren Höfen des Palastes eine Menge von Menschen versammelt, die ihrer Ungeduld in verschiedener Weise Luft machten. Der feierliche Anlass verhinderte selbst nicht einige Streitigkeiten und Schlä­gereien, welchen die Hellebardiere und bewaffneten Diener zu Pferde vergeblich Einhalt zu tun suchten. Wie die Zeit vorrückte und die Menge sich mehr und mehr langweilte, ver­mehrten sich solche Ungebürlichkeiten und die Wache hatte genug zu tun, um diese Tumultuanten und Spektakelmacher außer­halb der Schranken zu halten, welche von den Toren des Palastes bis Charing Cross gezogen waren. Diese ganze Strecke entlang drängten sich zahllose Zuschauer; jedes Fenster war besetzt und jedes Dach hing voll lebender Wesen. Gerade als die Glocke der Westminster-Abtei acht schlug, ließ sich auch die verhängnisvolle Glocke der St.-Paulskirche vernehmen, die nie anders geläutet wird, wenn ein König stirbt oder begraben wird. Unter dem langsamen und feierlichen Geläute aller benachbarten Turmglocken setzte sich der Leichenzug vom Palasthof aus in Bewegung.

Voran ritten zwei Stabträger des königlichen Hauses mit langen schwarzen Stäben, dann kam der Sakristeidiener mit dem Messner, Kinder und Geistliche, Letztere im Chorhemd und Gebete singend. Zu jeder Seite des Zuges gin­gen zweihundertfünfzig arme Männer, in langen Trauerklei­dern und mit Mützen auf dem Kopf. Auf der linken Schulter hatten sie als Zeichen das rot und weiße Kreuz in einer Strahlensonne und darüber die königliche Krone. Jeder die­ser Männer trug eine lange brennende Fackel, und die Menge dieser Flammen war von besonderer Wirkung. Zwei Karren voll Fackeln zum Ersatz fuhren mit. Diese Abteilung wurde vom Träger einer Standarte mit dem Drachen geschlossen, während zu jeder Seite ein Wappendiener mit den Reichsinsignien einherschritt. Dann kamen eine Menge Vor­reiter, Diener der Gesandtschaften, Trompeter, Diener und Hausbeamte, je nach ihrem Grad, alsdann die Bannerher­ren, begleitet von Herolden und bewaffneten Dienern.

Jetzt kam der Leichenwagen in Sicht. Vorauf wurden zwölf Banner getragen, die Träger zu zwei und zwei gehend. Die sieben großen Pferde, welche die schwere Maschine zu ziehen hatten, wurden von schwarz gekleideten Stallknechten geführt und von ebenfalls in Trauer gekleideten Ehrenknaben geritten. Sie hatten den Kopf bedeckt und trugen jeder ein großes Banner der königlichen Herrschaften mit dem alten englischen Wappen. Zu beiden Seiten der Pferde gingen dreißig in Zobelpelz gekleidete Personen, jeder eine lange brennende Fackel tragend. Neben ihnen eine Anzahl von Pagen und Reitknechten.

An jeder Ecke des Wagens ging ein Ritter mit einem Wappenschild und an jeder Seite ritten drei andere, mit Mänteln und Kapuzen, die Pferde mit bis auf die Erde hängenden schwarzen Decken bekleidet. Die zur Rechten waren Sir Thomas Seymour, Sir Thomas Paston und Sir Tho­mas Heneage; die zur Linken Sir John Gage, Sir Tho­mas Darcy und Sir Maurice Berkeley.

Gleich hinter dem Leichenwagen ritt allein der Haupt­leidtragende, der Marquis von Dorset, das Pferd mit schwarzem Samt behangen, und hinter ihm kamen die zwölf anderen Leidtragenden, die Pferde bis auf die Erde bedeckt. Eine lange Reihe von Dienern der Edelleute und anderen schlossen sich an.

Es war nun heller Tag, obgleich trübe und neblig. Aber die zahllosen Fackeln beleuchteten den Zug und verliehen ihm ein seltsames, geisterhaftes Aussehen. So betrachtet erschienen die schwarzen Gestalten geheimnisvoll und unheimlich.

Aber die Blicke waren alle auf den merkwürdigen Leichenwagen gerichtet. Das Bildnis des Königs war so wunder­bar lebensähnlich, dass nicht wenige der leichtgläubigen und halbgebildeten Zuschauer meinten, Heinrich sei selbst zurück­gekehrt, um sein eigenes Leichenbegängnis zu überwachen. Von allen aber wurde das Bildnis des Königs als ein Wunder der Kunst betrachtet. Überall hörte man im Vor­überziehen Ausrufe des Erstaunens und der Bewunderung, und viele knieten nieder, als ob ein Heiliger vorübergetragen würde. Der Anfang des Zuges war schon eine Strecke über Spring Gardens hinaus, als die Letzten erst aus dem Hof des Palastes kamen, und von Charing Cross aus gesehen ge­währte die lange Reihe dunkler Gestalten mit den Standar­ten, Bannern, Fackeln und dem Leichenwagen ein Schauspiel, wie es nach dem von hier nicht wieder gesehen wurde, obwohl mancher stattliche Zug in späteren Zeiten dieselbe Straße zog.

Am Fuße des schönen gotischen Kreuzes hatte sich beizeiten eine Menge von Menschen versammelt. Unter ihnen war ein großer Franziskanermönch, der ein finsteres Schwei­gen beobachtete und dem Schaugepränge mit einem solchen Ausdruck der Verachtung zuschaute, dass mancher verwundert dachte, warum er sich überhaupt wohl eingefunden habe. Nach­dem der schwere Leichenwagen sich die Höhe hinaufgearbeitet hatte und an Charing Cross angelangt war, wurde ein kurzer Halt gemacht. Während dieser Pause drängte sich der große Mönch vor, schlug die Kapuze zurück, sodass man ganz sein strenges und totenbleiches Antlitz sah, aus dem ein Paar Augen wie im Wahnsinn leuchteten, streckte seine Hand gegen den Sarg mit dem königlichen Leichnam aus und rief mit lauter Stimme: »In der Fülle seiner Macht tadelte ich den gottlosen König, den ihr jetzt mit so unsinnigem Pomp zu Grabe geleitet, um seiner Sünden willen. Begeistert von oben erhob ich meine Stimme und sagte ihm, wie sein Leben ein hoffnungslos Gottloses gewesen sei, so solle auch sein Schicksal dem des Bösesten aller Könige gleich sein, und Hunde würden sein Blut lecken. Und ehe er noch ins Grab gelegt ist, wer­den meine Worte in Erfüllung gehen.«

In diesem Moment ritten zwei Diener heran und droh­ten, dem Sprecher mit ihren Keulen den Schädel einzuschlagen, aber einige aus der Menge schützten ihn vor ihrer Wut.

»Schlagt ihn nicht!«, rief ein ältlicher Mann von an­ständigem Äußeren, »er ist verrückt. Es ist der wahnsinnige Vater Peto. Platz da für ihn! Lasst ihn durch!«, fügte er, zu den hinter ihm Stehenden gewendet, hinzu, die auch teilnehmend gehorchten, sodass der Mönch unbehelligt davon kam.