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Schwäbische Sagen 39

Schwäbische-Sagen

Achtes Kapitel

Pflanzen, Kräuter, Bäume

Farnsamen

1.
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

Wer Farnsamen (das Volk spricht: Faarensamen oder Faarsamen) bekommen will, der muss sich an den Teufel wenden und hat schwere Proben zu bestehen. Er darf zunächst vier Wochen vor Weihnachten, während der ganzen Adventszeit kein Gebet verrichten, keine Kirche besuchen, kein Weihwasser zu sich nehmen, sondern muss den ganzen Tag hindurch sich mit teuflischen Gedanken beschäftigen und beständig den Wunsch in sich hegen, dass der Teufel ihm doch zu Geld verhelfen möge.

Sodann muss er in der Christnacht zwischen 11 und 12 Uhr sich auf einen Kreuzweg stellen, über den schon Leichen zum Gottesacker geführt worden sind, und zwar über beide Wege schon. Hier begegnen ihm nun viele Leute, teils Bekannte und Verwandte, die bereits gestorben sind, Eltern, Großeltern usw., grüßen ihn und fragen: »Was machst du denn da?«, teils gehen noch lebende gute Freunde vorüber und versuchen ihn zum Reden zu bringen, teils hüpfen und tanzen kleine, teuflische Männlein da herum und wollen ihn zum Lachen verleiten. Wer alsdann aber nur ein einziges Wort spricht oder eine Miene zum Lachen verzieht, der wird auf der Stelle vom Teufel zerrissen. Wenn man aber diese Proben bestanden hat und sonder Furcht still und stumm stehen bleibt, so kommt zuletzt hinter all diesen Gespenstern her ein Mann in der Kleidung eines Jägers, und das ist der Teufel. Der reicht einem dann eine papierne »Gucke« (Tüte) voll Farnsamen, den man wohl verwahren und lebenslänglich bei sich tragen muss. Durch diesen Samen bekommt der Inhaber die Kraft, dass er in seinem Gewerbe täglich allein so viel arbeiten kann als sonst 20 – 30 Mann. Allein nur wenige Leute haben den Mut, die genannten Proben auszuhalten.

So hatten sich noch vor einigen Jahren zwei Burschen aus Kie­bingen vorbereitet, den Farnsamen zu holen und gingen in der Christnacht auf die Straße, die sich zwischen Bühl und Kiebingen kreuzt. Als sie hier eine Weile gewartet hatten, kamen eine Menge teuflischer Gespenster und zuletzt ein Jäger mit einem großen Hund. Der Jäger blieb dicht vor ihnen stehen, sah sie starr an und redete nicht ein Wort. Der Hund aber, der ganz feurige Augen hatte, lief um sie herum, wedelte mit dem Schweif und schlüpfte endlich dem einen Burschen zwischen den Füßen durch, worauf es ihnen so höllen­angst wurde, dass sie plötzlich davonsprangen und nach Hause eilten.

Ebenso gedachten vor vielen Jahren drei ledige Gesellen aus Wurmlingen sich den Farnsamen zu verschaffen und gingen, wohl vorbereitet, in der Christnacht zwischen 11 und 12 Uhr auf die Kreuzstraße, die zwischen Wurmlingen und Pfäffingen liegt, sahen hier verschiedene gestorbene und noch lebende Leute, die mit ihnen reden wollten, vorübergehen, und zuletzt auch allerlei teuflische Geister, die sie ins Lachen zu bringen versuchten. Aber sie entsetzten sich über den Spuk und gingen schnell wieder heim, ohne den Zaubersamen erhalten zu haben.

Dagegen soll ein Tagelöhner in Rotenburg a. N., der vom Holzhauen lebte, den Farnsamen einmal glücklich bekommen haben. Dieser Mann konnte seitdem täglich 500 Büschele Holz im Wald machen, wozu er obendrein noch das Holz immer selbst fällte.

Ebenso erzählen die Rotenburger als eine wahre Geschichte, dass vor mehr als 200 Jahren in Rotenburg ein Webergeselle gewesen sei, der nur am Samstag gearbeitet und die übrigen Tage der Woche mit Spielen und Saufen hingebracht, aber an dem einen Tag immer weit mehr gewoben habe, als ein anderer geschickter Weber die ganze Woche hindurch. Das kam daher, weil dieser Geselle den Farnsamen auf seine Profession geholt hatte. (Jeder kann ihn überhaupt nur auf das Handwerk holen, das er betreibt.) Dies ist am Ende auch herausgekommen. Denn eines Tags in der »Oktavzeit«, als dieser Geselle ein Stück Leintuch von 100 Ellen während eines einzigen Tages angefertigt hatte, wollte seine Meisterin dasselbe noch an dem nämlichen Abend abliefern. Sie tat es in einen »Grätten« (Korb) und trug es fort. Ihr Weg aber führte sie gerade an der Ehinger Kirche vorbei. Als sie eben daran vorüberging, hörte sie zum heiligen Segen schellen, stellte darauf ihren Grätten nieder, kniete hin und empfing nun auch den heiligen Segen. Nachdem aber der Segen ausgeteilt war und die Frau mit ihrem Leintuch weiter wollte, da war das ganze Stück wieder zu Garn geworden und die ganze Weberei vernichtet.

2.
Eine mündliche Überlieferung aus Owen

Theophrastus Paracelsus bekam den Farnsamen, indem er »Wullekraut« (d. i. die Königskerze, verbascum thapsus) unter das Farnkraut legte.


Wünschelrute

1.
Eine mündliche Überlieferung aus Sulz a. N.

Eine Glücks- oder Wünschelrute besteht aus einer gabelförmigen Haselrute, d. i. Zwieselrute, Doppelrute der Hasel, die in einem Jahr gewachsen ist. Sie muss in der Karfreitagsnacht um 12 Uhr geschnitten, auf dem Altar geweiht und eine heilige Messe darüber gelesen werden. Dann kann sie auch ein Protestant ge­brauchen. Man fasst sie an den beiden Spitzen an und sagt: »Wünschelrute, ich spreche dich an im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.«

Nachdem man diese drei höchsten Namen ausgesprochen hat, krümmt und hebt sich die Rute und schlägt an, da wo Geld oder Wasser in der Erde zu finden sind. So hat man zum Beispiel in Ludwigsburg nach langem vergeblichen Suchen endlich durch die Anzeige einer Wünschelrute Wasser gefunden.

2.
Mündlich überliefert aus Wurmlingen, Derendingen und sonst woher

Mit einer Haselrute, die man am Karfreitag vor Sonnenaufgang unbeschrien schneidet, kann man einen Abwesenden prügeln. Man darf nur ein Kleidungsstück ausziehen, drauf losschlagen und dabei an den Abwesenden denken, so bekommt er sicher die Schläge­.

Andere sagen bestimmter so: Die Haselnussrute zum Durchprügeln eines Entfernten muss eine Einjährige sein. Sodann muss sie am Karfreitagmorgen vor Sonnenaufgang mit drei Schnitten abgeschnitten werden, wobei man zugleich nach Osten blicken und die drei höchsten Namen aussprechen soll. Will man mit dieser Rute nun einen Abwesenden prügeln, so nimmt man einen Fetzen oder Lumpen, sieht nach Osten, spricht den Namen des anderen aus und schlägt auf den Fetzen, solange man Lust hat. Bekommt er Löcher, so wird auch die Haut des entfernten Menschen durchlöchert.

Dass diese Sache ihre Richtigkeit hat, kann folgende Geschichte be­weisen. Es zogen einmal zwischen Wurmlingen und Pfäffingen Soldaten hin, während ein Schäfer, auf seinen Stab gelehnt, zusah. Da schoss ein guter Schütze ihm den Stab unter dem Hintern weg, sodass der Schäfer zur Erde stürzte. Um sich zu rächen, zog der Schäfer sogleich seinen Kittel aus und prügelte diesen mit einer solchen Rute, die er bei sich hatte, woran der Soldat jämmerlich schrie und von seinen Kameraden verhöhnt wurde wegen der Schläge, die er aus der Ferne kriegte.


Erbsen
Eine mündliche Überlieferung aus Wurmlingen

Durch Erbsen, welche in der Karfreitagsnacht gepflanzt sind, kann man sich unsichtbar machen. Dabei ist aber Folgendes zu beobachten. Man muss einen Totenkopf ausgraben, denselben mit Erde ausfüllen und in der Karfreitagsnacht drei Erbsen dahinein­stecken, sodann den Totenkopf unter der Dachtraufe der Kirche wieder begraben und hierauf in der Kirche sein Glaubensbekenntnis hersagen. Nimmt man von den Erbsen, die auf diese Art gezogen werden, eine in den Mund, so wird man unsichtbar. Früher haben sich die Wilderer oft solcher Erbsen bedient und sich durch dieselbe in allerlei täuschende Gestalten, zum Beispiel in »Holzstumpen« verwandeln können.

Ein Bursche aus Wurmlingen steckte einmal solche Erbsen auf dem Kirchhof bei der Wurmlinger Kapelle. Wie er nun aber in der Kapelle das Glaubensbekenntnis ablegen wollte, da zogen viele Verstorbene, die er kannte, als Geister an ihm vorüber, worauf ihn plötzlich ein solcher Schauder ergriff, dass er forteilte und heftig krank wurde.