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Felsenherz der Trapper – Teil 11.4

Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 11
Das Häuptlingsgrab am Juan-Fluss
Viertes Kapitel

In der Goldhöhle eingeschlossen

Zu derselben Zeit näherten sich dem Regental drei Reiter, die sich vorläufig hier vor dev Apachen gavz sicher wähnten. Es waren Felsenherz, der Schwarze Panther und der Polizeimeister Tom Pick.

Bald hatten sie die Höhe der Talwand erreicht, von der aus man in die Bonanza hinabgelangen konnte, wenn man den stürzenden Wassermassen des Falles auszuweichen verstand.

Chokariga war als Späher vorausgeeilt, hatte sehr bald festgestellt, dass die Eiche am Rand des Abgrundes frische Spuren von Lassoschlingen zeigte, und wusste so, dass die Desperados und der verblendete Sancho bereits hier gewesen und die Bonanza fraglos schon geplündert hatten.

Felsenherz erklärte nun, dass er allein in die Felsspalte hinabsteigen würde, um zu sehen, ob die Bonanza wirtlich bereits ausgeplündert sei.

Die Dunkelheit hatte mittlerweile die Täler und Schluchten in finstere Schatten gehüllt. Das Donnern des Wasserfalles übertönte jedes andere Geräusch.

So kam es denn, dass die Apachen, die hier in den Guadalupe-Bergen nach den Navajo suchen sollten, sich unbemerkt nähern konnten. Sie waren den beiden Spähern gefolgt, die der Heulende Wolf, der Navajo-Häuptling, keine hundert Meter weiter vorhin niedergeschlagen hatte. Felsenherz hing gerade an den zusammengeknüpften Lassos, die der Comanche an die Eiche gebunden hatte, und wollte an den Lederriemen abwärts klettern, als er noch wie Gespenster die zehn Apachen aus dem nahen Dickicht hervorbrechen sah.

Sechs stürzten sich auf Chokariga, die anderen auf Tom Pick.

Der blonde Trapper wollte sich zuerst wieder auf die Felswand zurückschwingen, erkannte dann jedoch rechtzeitig, dass er den beiden Gefährten kaum mehr Hilfe bringen könnte. Er hielt es für richtiger, schnell in der Felsspalte zu verschwinden, indem er hoffte, dass den Apachen die an die Eiche gebundenen Lassos entgehen würden. Der Rand des Abgrundes war ja dicht mit Gestrüpp bewachsen, und daher konnten die Apachen kaum gesehen haben, was der Trapper vorhatte und wo er geblieben war.

So versetzte er die Lassos denn in Schwingungen, achtete darauf, dass sie die gefährliche Nähe des Wasserfalles vermieden und sein Körper in immer stärkeren Pendelbewegungen hinter den Fall gelangte.

Da – als die Lassos nun abermals dicht an den stürzenden Wassern vorbei den blonden Jäger in die tiefe Finsternis hinter den schäumenden Vorhang führten, da spürte Felsenherz ein paar ruckartige Erschütterungen der Lederriemen.

Er bog den Kopf zurück, blickte nach oben und bemerkte so zwei Apachen, die sich über den Abhang beugten.

Felsenherz ahnte, was diese Rucke an den Lassos bedeuteten. Die Apachen schnitten das aus acht dünnen Riemen geflochtene Lasso durch, wollten ihren Totfeind also in das Tal hinab in den sicheren Tod befördern, da sie ihm anders nicht mehr beikommen konnten.

Ein Eiseshauch lief ihm da über den Rücken hin.

Er glaubte sich verloren.

Aber nur ein paar Sekunden währte diese halbe Erstarrung des furchtbarsten Entsetzens.

Dann gab er seinem Körper schon einen Schwung auf die Steinwand zu, streckte den rechten Arm aus, bekam den dünnen Stamm einer verkrüppelten Kiefer, die hier auf einem winzigen Vorsprung Wurzel geschlagen hatte, zu packen, ließ das Lasso los und hing nun nur noch an dem kleinen Bäumchen, dessen Wurzelwerk unter der Last des kräftigen Mannes sich schnell zu lockern begann.

Felsenherz’ Linke tastete schon nach einem besseren Halt das zackige Gestein ab.

Hinter ihm fiel jetzt das Lasso leer in die Tiefe.

Neben ihm sauste auch die kleine Kiefer abwärts in den Staubregen der aufprallenden Wasser.

Und seine beiden Hände umkrallten nun eine hornartig geformte Felszacke.

Sie hielt. Sie hatte Erbarmen mit dem blonden Jäger.

Und wieder hing er über dem Abgrund.

Wieder vertraute er sein volles Körpergewicht nur einer Hand an, befühlte mit der anderen die schroffe Wand.

Ah – da rechts über ihm ein zweiter Vorsprung!

Er rechnete auf seine Kraft, umfasste ihn, lockerte die Linke.

Und gelangte so allmählich bis an die Felsspalte, die den Zugang zur Bonanza bildete.

Als er endlich festen Boden unter den Füßen hatte, brach er völlig erschöpft zusammen. Wohl eine Viertelstunde lag er so, bis sein Herzschlag und seine Lunge sich beruhigt hatten.

Dann tastete er hier in der tiefen Dunkelheit nach einer Fackel umher. Chokariga hatte ihm ja gesagt, dass dicht am Eingang Harzfackeln lagen. Er fand auch eine, setzte sein Präriefeuerzeug in Brand und zündete die Fackel an.

So fand er den gefesselten, aber nicht mehr bewusstlosen Sancho.

Als der Gambusino seinen Retter erkannte, senkte er beschämt den Kopf.

»Sancho«, sagte der blonde Trapper ernst, nachdem er dem Verwundeten die Riemen abgenommen hatte, »Ihr habt nun am eigenen Leib erfahren, dass die Goldgier das Verderblichste ist, was es an Leidenschaften gibt! Ihr wäret hier umgekommen, wenn ich Euch nicht aufgefunden hätte! Und Euretwegen sind nun Chokariga und ein wackerer Mann, der den beiden Desperados, den beiden Kojoten nachspürte, in die Gewalt der Apachen geraten. Wir aber sind hier ebenfalls Gefangene in dieser Höhle, aus der es kein Entrinnen gibt! Wie sollen wir wohl wieder nach oben auf die Höhe der Felswand gelangen, die jetzt von den Apachen belebt ist und wo sehr bald auch der Große Bär sich mit seinen Kriegern einstellen wird?«

Der Gambusino griff reuevoll nach des Trappers Hand.

»Ich tat unrecht!«, sagte er leise. »Ich bin jetzt von dem Goldhunger geheilt. Verzeiht mir, Felsenherz!« Dann sank er aufstöhnend wieder auf das kahle Gestein zurück, da seine Wunde am Hinterkopf ihm plötzlich die fürchterlichsten Schmerzen bereitete.

Felsenherz verband ihm die schwere Verletzung und bereitete ihm auch ein weiches Lager in einer Ecke dieser ausgedehnten Höhle.

Der Gambusino verfiel sehr bald in einen unruhigen Schlummer. Felsenherz erneuerte den kühlenden Verband wiederholt und durchsuchte in der Zwischenzeit die Höhle nach einem zweiten Ausgang, konnte einen solchen jedoch nicht finden. Außerdem begab er sich auch mehrmals nach vorn an die Mündung der Felsspalte, um zu sehen, ob die Apachen etwa mithilfe von Lassos hier einzudringen beabsichtigten. Wenn der Trapper in der niedrigen Felsspalte stand, die den Zugang zu der Bonanza-Höhle bildete, hatte er den Wasserfall etwa drei Meter vor sich. In der sternenklaren Sommernacht schillerten die herabstürzenden Wassermassen wie helles Glas, wirkten wie ein fester Glaskörper, der von der Höhe der Felswand in den Staubregen der Tiefe hinabreichte.

Doch von den Apachen war nichts zu bemerken.

Als der blonde Jäger dann wieder einmal hier Ausschau hielt, wurde er sich plötzlich seiner verzweifelten Lage mit aller Eindringlichkeit bewusst.

Denn wie sollte er wohl die Höhle wieder verlassen können? Wie sollte er es möglich machen, seinen Bruder Chokariga und Tom Pick aus den Händen der Apachin zu befreien, wo er doch selbst hier ein Gefangener war?

An Waffen besaß er ja nur seinen Tomahawk und sein Messer. Auch Sancho verfügte über keine Büchte mehr. Mithin würde es recht schwer sein, die Höhle gegen Apachen zu verteidigen. Wenn nur zwei oder drei von ihnen sich mit Flinten an Lassos herabließen, konnten sie Felsenherz erschießen.

Je mehr der Trapper sich all dies vergegenwärtigte, desto bedrückter und besorgter wurde er. Nicht um seine eigene Person, nicht um seine eigene Sicherheit handelte es sich hier. Nein – er wusste ja nur zu gut, dass der Schwarze Panther und der wackere Polizeimeister von dem Oderhäuptling der Apachen qualvoll am Marterpfahl hingemordet werden würden, wenn er die beiden nicht rettete.

Außerdem aber mussten auch den beiden Samter die Schätze der Bonanza wieder abgenommen werden. Sollten diese Schurken etwa mit dem Gold wirklich die Ansiedelungen im Osten erreichen und hier spurlos verschwinden? Das durfte nicht sein!

Felsenherz beugte sich weit aus der Felsspalte heraus und betastete ringsum das Gestein. Er hoffte, er würde vielleicht genug Vorsprünge finden, um in das

Tal hinabklettern zu können. Doch auch diese Absicht ließ sich nicht verwirklichen, wie er nur zu bald feststellte.

Da kehrte er denn in die Höhle zurück, wo neben Sanchos Lagerstatt in einer Ritze des Gesteins eine der Harzfackeln brannte.

Der Gambusino lag mit offenen Augen da.

»Felsenherz«, flüsterte er matt, »mir geht es bereits besser. Die Schmerzen haben nachgelassen. Erzählt mir, was inzwischen geschehen ist!«

Als der Trapper nun erwähnte, dass sie beide hier so gut wie gefangen seien und dass die Apachen hier sehr leicht eindringen könnten, da sie zur Verteidigung der Felsspalte keine Gewehre besaßen, erwiderte Sancho nach kurzem Nachdenken: »Felsenherz, bei den Apachen heißt der Bach, der Abfluss des Wasserfalles, seit vielen Jahren Juan-Fluss, und zwar nach einem Mexikaner namens Juan, der sich in den Apachenstamm hatte aufnehmen lassen und ein berühmter Krieger, ja sogar Häuptling wurde. Dieser Juan fiel dann an dem Bach hier im Kampf mit weißen Goldsuchern. Die Apachen, der ich die Kenntnis dieser Höhle verdanke, deutete mir gegenüber an, dass der weiße Häuptling Juan hier in der Nähe begraben worden sei. Vielleicht befindet sich seine Grabstätte gar in dieser Höhle. Sucht danach, Felsenherz, denn die Rothäute begraben ihre berühmten Krieger ja sitzend mit all ihren Waffen. Möglich, dass wir auf diese Weise in den Besitz einer Büchse gelangen.«

Der Trapper hatte nicht viel Hoffnung und meinte, er dürfe es nicht wagen, sich allzu lange vom Eingang der Felsspalte zu entfernen, er könne deshalb nicht alle Nebengrotten genau durchforschen.

Sancho erklärte jedoch, Felsenherz solle ihm nur aufhelfen und ihn bis an den Eingang geleiten. Dann würde er dort schon achtgeben, ob die Apachen irgendetwas unternehmen wollten.

Gleich darauf lag der Gambusino in unmittelbarer Nähe des Zuganges und brauchte hier nur den Kopf etwas vorzurecken, um zu sehen, was draußen vorging.

Felsenherz zündete zwei frische Fackeln an und durchsuchte die ganze Höhle nochmals auf das Genaueste.

So gelangte er denn auch in eine recht geräumige Nebengrotte, die wie ein großes, von Menschenhand angelegtes Gewölbe aussah.

In der Milte erhob sich ein bienenkorbförmiger Hügel von Felsstücken und Steinen, der nur zu einem bestimmten Zweck aufgeschichtet sein konnte.

Mit erwartungsvoller Erregung machte sich der Trapper an die Arbeit und häufte die Steine und Felsbrocken an anderer Stelle auf. Sehr bald merkte er, dass der Hügel im Inneren hohl war.

Als er eine genügend große Öffnung geschaffen hatte, leuchtete er mit einer Fackel hinein.

Da saß aufrecht auf einem sesselähnlichen Stein die zur Mumie zusammengetrocknete Leiche eines Indianers im vollen Kriegsschmuck. Ob der Tote ein Europäer gewesen war, ließ sich nicht mehr erkennen. Doch zweifelte der Trapper keinen Angenblick, hier die Leiche des berühmten weißen Häuptlings vor sich zu haben.

Der Tote war an dem Stein festgebunden. Im rechten Arm hielt er eine lange Doppelbüchse. Um die Schulter hingen ihm Pulverhorn, Jagdtasche und Kugelbeutel. Im Gürtel steckten Tomahawk und Messer. Felsenherz kroch jetzt in das Grabmal hinein, nachdem er die beiden Fackeln draußen befestigt hatte.

Es widerstrebte ihm zwar, die Ruhe des Toten zu stören. Aber in dieser Notlage musste er solche Gedanken zurückdrängen.

Er nahm die Büchse an sich und besichtigte sie. Es war eine sehr gute Waffe englischen Fabrikats mit Zündhütchen, also keine Steinschlossflinte. In der Jagdtasche fand er Zündhütchen. Das Pulverhorn war gleichfalls gefüllt, und das Pulver war trocken. Der Kugelbeutel enthielt zwanzig Kugeln.

Der blonde Jäger lud die Waffe sehr sorgfältig.

Als er sie dann zur Probe anlegte und ihre reiche Schaftverzierung, die auf jeder Seite in goldenen Plättchen das Bild eines springenden Jaguars zeigte, nachher besichtigte, als er feststellte, dass die Waffe sehr schwer war, aber für ihn fast noch besser paßte als seine eigene, da ahnte er noch nicht, dass die »Jaguarbüchse« einst im ganzen Wilden Westen gerade durch ihn berühmt werden sollte.

Jetzt, wo er wieder eine Schusswaffe besaß, war plötzlich alle Sorge von ihm genommen. Er wusste, dass er nicht lange mehr hier in der Bonanza-Höhle ein Gefangener sein würde. Denn außer den Waffen hatte man der Leiche des weißen Häuptlings auch ein Lasso mitgegeben, ein Lasso von fast zehn Meter Länge und feinster indianischer Arbeit. Mithilfe dieses Lassos konnte er sich jederzeit in das Tal hinablassen. Mochten ihn dort auch die Sprühwogen des Falles einhüllen, mochte er dort auch vielleicht für Minuten dem Ersticken nahe sein. Er würde sich schon herausarbeiten aus den weißen Gischtmassen!

Es war kurz nach Mitternacht. Felsenherz kehrte schnell zu Sancho zurück.

»Ich muss sofort aus der Felsspalte in das Tal hinab«, erklärte er dem Gambusino. »Damit Ihr nun nicht in meiner Abwesenheit von oben her durch die Apachen überfallen werden könnt, werde ich Euch die Büchse hierlassen. Sobald ein Roter sich an einem Lasso hinter den Fall schwingt, sobald Ihr seht, dass Euch ernstlich Gefahr droht, schießt Ihr! Lebt wohl, Sancho! Ich habe einen schweren Gang vor mir. Sollte ich etwa unten im Tal in den schäumenden Wassermassen ertrinken, so tut Eurerseits alles, um Chokariga und Tom Pick zu befreien.«

Noch ein fester Händedruck, dann schlang der Trapper das eine Ende des Lassos um einen Vorsprung des Gesteins und schwang sich in die dunkle Tiefe.

»Sobald ich unten dreimal an dem Lasso ziehe, werft es mir herab, Sancho!«, rief er dem Gambusino noch zu.

Sancho war so völlig sprachlos über das tollkühne Wagnis des Trappers, dass er erst durch diesen letzten Befehl seines Gefährten, dessen Stimme selbst das Toben der zerstäubenden Wasser übertönte, gleichsam wieder zu sich kam.

Er kroch schnell bis an den Rand des Abhanges und brüllte Felsenherz nach: »Holla, Ihr werdet doch nicht Euer Leben auf diese Weise aufs Spiel setzen! Mann, da unten erwartet Euch der sichere Tod! Hört auf mich, der über fünfzehn Jahre älter ist!«

Doch Felsenherz vernahm von dieser Warnung nichts mehr. Er war bereits an dem Lasso etwa ein Meter tiefer gerutscht, und diese Entfernung genügte hier bei dem donnernden Lärmen des Falles, jedes Wort aus menschlicher Kehle vollständig zu verwehen.

Sancho war kein schlechter Charakter. Nein, er war nur durch das Leben in der Wildnis rau und etwas selbstsüchtig geworden. Jetzt aber, wo er Felsenherz sich für den Comanchenhäuptling und den Polizeimeister opfern sah, flüsterte er unwillkürlich: »Santa Virgo – stehe ihm bei!«

Und nochmals beugte er sich über den Rand der Felsspalte und warf einen Blick in die Tiefe.

Aber von dem blonden Trapper war bei der hier herrschenden Finsternis nichts mehr zu sehen.