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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 65

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Die Stiefgeschwister

Einem Bergmann war die Frau gestorben und hatte ihm ein niedliches Mädchen hinterlassen. Dagegen war einer Frau der Mann gestorben und deren Tochter vaterlos geworden. Das war jammervoll, doch sollte es so fein. Nach der Trauerzeit kam der Witwer zu der Witwe, sie würden ihres Krams eins, und ehe ein Jahr verging, waren sie Mann und Frau und die Kinder hatten wieder Eltern. Der Vater hatte zwar sein und seiner Frau Kind lieb, die Mutter hieß aber und war auch eine Stiefmutter gegen das Kind ihres Mannes. Die Strafen blieben aber nicht aus. Nach Verlauf des zweiten Jahres war die Frau abermals Witwe und musste nun statt ein Kind, zwei Kinder ernähren. Da bekam es die Stieftochter aber erst recht schlimm und musste alles tun und wäre sie dabei liegen geblieben. Einst sagte die grausame Mutter zu dem Mädchen: »Hier hast du einen Korb, nun geh hinaus in den Wald und suche Heidelbeeren, bist aber vor Nachtwerden wieder da.«

Nun denke man sich, es war Winter, der Schnee lag wie hoch, und das Mädchen sollte Heidelbeeren holen! Doch in allem gehorsam, ging es getrosten Mutes fort und dachte nicht einmal daran, dass es in der Zeit, wo alles mit Schnee so hoch bedeckt war, gar keine Heidelbeeren gebeu konnte. Im Wald angekommen, sah es ein Feuer, ging darauf los und sieh, es saßen drei kleine Männlein dabei. Das Mädchen fragte, ob es sich wohl ein wenig wärmen dürfe.

»O ja«, sagten die Zwerge, »setze dich her und erquicke dich.«

Es setzte sich und holte nein Stückchen Brot aus dem Korb, dass ihm seine Stiefmutter mitgegeben hatte.

Als es anbiss, sagten die drei Kleinen: »Gib uns doch auch ein bisschen.«

Es teilte sein Brot und gab jedem einen Bissen und behielt ebenso viel. Nun fragten die Zwerge, was es hier wolle?

»Ach«, sagte das Kind, »ich soll Heidelbeeren holen, hat mir meine Mutter befohlen.«

»Die sollst du auch mitnehmen«, sagten die kleinen Leute. »Hier, nimm den Besen, gehe dort auf jenen freien Fleck (sie saßen unter hohen Tannenbäumen) und kehre den Schnee weg, dann wirst du Heidelbeeren in Menge finden.«

Das Mädchen tat, wie sie ihm sagten, und fand so viele Heidelbeeren, recht dick, blau und süß, dass es bald seinen Korb voll hatte. Nun brachte es den Besen wieder zu den Leutchen und bedankte sich schön. Dann sagte es Adieu und ging wieder nach Hause.

Als es fortging, sagte der eine Zwerg: »Lasst uns ihm auch nach etwas wünschen, es ist so gut und verdient, dass es glücklich wird.«

Da wünschte ihm der Eine: Bei jedem Wort, das es spräche, solle ihm ein Goldstück aus dem Mund fallen. Der Zweite wünschte: Es solle goldene Haare bekommen. Der Dritte: Seine Schönheit solle immer größer werden, sodass es das allerhübscheste Mädchen würde.

So kam das Mädchen nach Hause, und die Mutter wunderte sich nicht wenig, als es sagte: »Hier, Mutter, sind Heidelbeeren, ganz frisch und schön«, und ihm bei jedem Wort ein Goldstück aus dem Mund purzelte.

Da machte die Mutter große Augen und ein freundliches Gesicht, so freundlich, wie sie noch keines vorgeschnallt hatte. Am anderen Morgen schickte die Mutter ihr Mädchen in den Wald, unter dem Vorwand, es solle Heidelbeeren holen, eigentlich aber, dass, wenn es zurückkäme, ihm auch Goldstücke aus dem Mund fallen sollten. So dachte die Mutter. Es kam aber anders. Dem Mädchen war der Korb, den es mitnahm, recht gespickt mit Esskram, Wurst, Brot und Leckereien. Es kam auch zu dem Feuer, bei welchem die kleinen Leutchen noch saßen. Ohne zu fragen, setzte es sich zu ihnen und wärmte sich, dann holte es sein Essen heraus, fing an zu schmausen, dass ihm der Mund schäumte, und kümmerte sich gar nicht um seine Gesellschaft.

Endlich sagte der älteste Zwerg: »Liebes Mädchen, gib uns doch ein wenig von deinem Essen.«

»Ach was«, sagte es, »das schmeckt mir selbst gut. Der Tag ist noch lang, ich brauche noch viel.«

Da wurden die Kleinen traurig. Das Mädchen kehrte sich aber nicht daran.

Am Ende fragte der eine Zwerg, was es denn hier wolle?

Es antwortete: Heidelbeeren wolle es pflücken. Da geben sie ihm einen Besen und zeigen ihm einen freien Platz. Unter dem Schnee ständen genug. Das Mädchen nahm den Besen, ging hin und kehrte den Schnee weg. Heidelbeerenkraut kam auch vor, statt der Beeren saß aber so etwas daran, was man im Ziegenstall findet, und das wollte das Mädchen nicht mitnehmen. Ärgerlich warf es den kleinen Leutchen den Besen zu und ging nach Hause.

Als es trotzig fortging, wünschten ihm die Zwerge, der Eine: Es solle ihm bei jedem Wort, das es spräche, eine Kröte aus dem Mund springen. Der Zweite: Es sollten ihm ein paar Hörner aus dem Kopf wachsen. Und der Dritte: Es solle immer häßlicher werden.

Als es nach Hause kam und voll Groll und Ärger seiner Mutter erzählen wollte, was ihm begegnet wäre, sprangen ihm lauter Kröten aus dem Mund, sodass die Mutter ihm befahl, nicht weiter zu reden. Das war aber ein Malheur. Gern hätte die Stiefmutter die Stieftochter aus Neid fortgejagt, wären ihr nicht die Goldstücke so sehr lieb gewesen. Deshalb behielt sie diese und sah, wie sie immer älter und hübscher wurde.

Der Ruf von dem hübschen Mädchen hatte sich bis zum König erstreckt, und dieser, davon angezogen, kam und wollte das Wunderkind sehen. Da er zugleich auch eine Frau suchte, und das Mädchen ihm gefiel, so machte er es zu seiner Gattin. Nach einem Jahr war ein kleiner Prinz da und nun war Freude über Freude. Da wurde dem König Krieg angesagt und er musste selbst mit fort. Kaum war er aber weg, so war auch seine böse Schwiegermutter mit ihrer furchtbar hässlichen Tochter da. Und da sie sich so freundlich stellten, wurden sie eingelassen und blieben kurze Zeit bei der Königin. In der Zeit, wo die Mutter mit ihrer Tochter noch allein war, hatte das böse Weib das Hexen und Verwünschen gelernt und wollte es nun zuerst an der Königin versuchen. In einer der Nächte, wo die Alte bei der Tochter wachte, machte sie den Prinzen tot und verwünschte die Königin in einen Schwan, der im Angenblick danach auf dem Teich vor dem Schloss schwamm.

Am anderen Morgen wurde dem König gleich alles, was passiert war, geschrieben und der kam in vollem Galopp nach Hause und fand alles, wie er es erfahren hatte, aber auch die alte Hexe mit ihrer gehörnten Tochter, die niemand leiden konnte. Der König schickte zu seinem Zauberer, der bei ihm im Dienst stand. Dieser musste heran und Rat schaffen. Als der Zauberer die beiden Weibsbilder gewahr wurde, wusste er gleich Bescheid. Der König musste sein goldenes Schwert, das er besaß, hergeben, den Schwan aus dem Teich holen lassen. Die böse Stiefmutter wurde gezwungen, da sie freiwillig nicht wollte, dem Schwan den Kopf mit dem goldenen Schwert abzuschlagen. Indem der Kopf vom Rumpf auf die Erde sprang, stand die Königin, wie sie leibte und lebte, bei ihrem Mann und erzählte, dass ihre Stiefmutter den Prinzen umgebracht und sie verzaubert hätte. Da der Knabe nicht wieder lebendig gemacht werden konnte, so wurde die Mörderin in ein Fass gesteckt, das über und über mit langen, scharfen Nägeln durchschlagen war und so lange bergauf und bergab gewälzt, bis sie ihren schlechten Geist aufgegeben hatte. Das gehörnte Mädchen war aber in dem Augenblick, wo aus dem Schwan die Königin wieder hervorging, zum Schwan geworden und schwamm auf dem Schlossteich herum. In der folgenden Nacht hatten ihn die anderen Schwäne, die da ein ordentliches Häuschen bewohnten, auf die schrecklichste Art umgebracht. Der Königin aber ging es von der Zeit an immer gut.

Nun ist es aus!

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