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Detektiv Dagoberts Taten und Abenteuer 12

Balduin Groller
Detektiv Dagoberts Taten und Abenteuer
Zweiter Band

Der große Schmuckdiebstahl
Teil 2

Am nächsten Tage erschienen die Gäste vollzählig zur festgesetzten Zeit. Frau Violet empfing sie mit vollendeter Liebenswürdigkeit. Sie hatte ihre Haltung wieder gewonnen, und nichts deutete auf den schweren Kummer, der sie am Tage vorher noch bei Tisch so niedergedrückt und um alle Fassung gebracht hatte.

Dagobert hatte auch seine kulinarische Mission glänzend erfüllt. Es war ein tadelloses und erstklassiges Mahl, das den Herrschaften vorgesetzt wurde. Während man bei Tisch war, wurde der eigentliche Gegenstand der Tagesordnung nicht berührt. Dagobert hatte es abgelehnt, auch nur mit einer Bemerkung auf die Sache einzugehen, solange die aufwartende Mannschaft ihres Dienstes waltete. Erst als die Gesellschaft nach aufgehobener Tafel sich ins Rauchzimmer zurückgezogen, es sich dort bequem eingerichtet hatte, mit Kaffee, den feinen Schnäpsen und Zigarren versorgt und eine weitere Störung durch Bedienungsmannschaft nicht zu gewärtigen war, erklärte sich Dagobert bereit, auf den vorliegenden Fall einzugehen. Er saß auf seinem gewohnten Platz Frau Violet gegenüber, die in ihrer traditionellen Kaminecke mit Spannung der Dinge harrte, die nun kommen sollten.

Freiherr v. Friese war der Erste, der den Stein ins Rollen brachte. Er deklamierte mit komischem, falschem Pathos wie folgt: »Achtung, meine verehrten Herrschaften – nur hereinspaziert! Soeben beginnt die große Vorstellung. Der weltberühmte Matador Herr Dagobert wird die Ehre haben, auf dem gespannten Drahtseil seiner hohen Detektivkunst einem hohen Adel und dem sonstigen verehrungswürdigen Publiko eine Probe seiner unübertrefflichen Geschicklichkeit zu bieten. Anerkennungsschreiben liegen vor. Kinder und das Militär vom Feldwebel abwärts zahlen die Hälfte. Nur immer hereinspaziert, meine Herrschaften!«

»Sagen Sie mal, lieber Baron«, fragte hierauf Dagobert ruhig von unten herauf, »genießen Sie das unschätzbare Glück, noch eine Großmama zu haben?«

»Bedaure lebhaft, nicht mehr aufwarten zu können.«

»Schade!«

»Warum?«

»Ich hätte Ihnen sonst den freundschaftlichen Rat erteilt, es doch vielleicht erst mit ihr zu versuchen und lieber Ihre geschätzte Großmutter zum Besten halten zu wollen, als einen Dagobert Trostler, wenn er auf dem Kriegspfad wandelt. Vielleicht hätten Sie da mehr Glück, übrigens danke ich Ihnen auch für diesen Scherz, der für meine Untersuchung nicht ganz wertlos gewesen ist.«

»Kommen wir zur Sache!«, mahnte der Hausherr beschwichtigend.

»Jawohl«, fügte die Hausfrau hinzu, ängstlich geworden, dass da ein Streit entstehen könnte, »wir haben Wichtigeres vor, als einem Wortgeplänkel der Herren zu lauschen.«

»Das Wichtigste, Frau Violet«, lenkte Dagobert sofort ein, »ist, dass wir den gestohlenen Schmuck zur Stelle schaffen. Ich denke, das wird sehr bald erledigt sein. Lieber Freund Grumbach, würdest du wohl so freundlich sein, mir deine Kassaschlüssel auf eine Minute anzuvertrauen?«

Verdutzte Gesichter. Der Hausherr griff unter sichtlicher Verlegenheit in die Tasche und holte die Schlüssel aherus. Die Kasse stand in einer Ecke des Rauchzimmers. Sie war von zierlichen Dimensionen. Es war ja nur die Hauskasse. Die großen und gewichtigen standen in den Geschäftsbüros.

»Ich bitte, mir nur genau auf die Finger zu sehen, meine Herrschaften«, sagte Dagobert, während er öffnete. »Denn wenn hinterher eine kleine Million fehlen sollte, dann möchte ich es nicht gewesen sein!«

Er zog die schwere Tür vollends auf, nahm die Schmuckkassette heraus und überreichte sie der Hausfrau. »Bitte, überzeugen Sie sich, Gnädigste«, bemerkte er dazu, »ob auch nichts fehlt. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass für jeden etwaigen Abgang der Herr Gemahl haftpflichtig ist.«

»Es fehlt nichts, Dagobert!«, erwiderte Frau Violet lachend und blickte bewundernd zu Dagobert auf.

»Ich mache Sie weiter darauf aufmerksam, Gnädigste«, fuhr Dagobert fort, »dass der Herr Gemahl Ihnen eine Entschädigung für den ausgestandenen Schrecken schuldig ist, und dass diese Entschädigung am zweckmäßigsten durch eine fachgemäße Vervollständigung des Inhalts dieser Kassette erfolgen wird.«

»Bewilligt!«, sagte Herr Grumbach sofort, aber er sagte es nicht eben in sehr freundlichem Ton. Er war ärgerlich. Nicht dass er da zu einer größeren Ausgabe gepresst wurde, seiner Frau eine Freude zu bereiten, war ihm immer ein Vergnügen, aber wieder die alte Geschichte, dass keine Vereinbarung etwas nützt, geplaudert wird doch immer! Er kannte das von den vertraulichen Sitzungen her. Immer war etwas davon doch in die Öffentlichkeit gedrungen. Die Leute können einmal ein Geheimnis nicht bewahren. Das war seine Meinung, und mit dieser hielt er auch jetzt nicht hinter dem Berg. Eine so einmütige Opposition hatte aber der Herr Präsident in seinem ganzen Leben noch nicht gefunden, wie in diesem Fall. Jeder Einzelne überschüttete ihn mit Beteuerungen, dass er geschwiegen habe wie das Grab, und auch Dagobert gab die bündige Versicherung ab, dass kein Verrat geübt worden sei. Es sei in diesem so einfachen Fall doch wahrhaftig auch nicht nötig gewesen.

»Wie konntest du sonst darauf kommen?«, fragte Grumbach.

»Durch eine einfache Kombination, ohne die bei meinem Sport überhaupt nichts zu erreichen ist.«

»Dagobert«, bat die Hausfrau, »Sie müssen uns genau erzählen, wie Sie das herausgebracht haben.«

»Aber mit Vergnügen, meine Gnädigste! Freilich wäre es vorsichtiger, wenn ich mich nun mit dem Resultat begnügte, das doch einen positiven Erfolg vorstellt, während ich mich noch immer blamieren kann, wenn ich die Methode und den Weg aufzeige, die mich zu dem Schlussergebnis geführt haben. Auch mir ist aber – nach berühmten Mustern – das Suchen und Forschen nach Wahrheit interessanter und wichtiger als die Wahrheit selbst. Darum will ich also gern verraten, wie ich zu dem Schluss gekommen bin.«

»Nicht so viele Reflexionen!«, erklang es aus der Korona heraus. »Wir wollen Tatsachen. Dagobert soll erzählen, nicht philosophieren!«

»Nur nicht ungeduldig, meine Herren, Sie werden es noch früh genug erfahren. Bevor ich beginne, muss ich doch noch eine schmerzliche Betrachtung anstellen. Meine Herren! All unser Wissen ist Stückwerk. Ich war lediglich auf meine Kombination angewiesen, die ich Ihnen nun entwickeln will, und Sie werden meine Richter sein. Ihr Amt ist kein schwieriges, denn Sie sind ja genau eingeweiht, ich aber kann mich leicht blamieren, und dann werden Sie mich auslachen.«

»Die Hauptsache hast du ja doch herausgebracht!«, tröstete der Hausherr.

»Deshalb könnten mir aber in der Kombination doch Irrtümer unterlaufen sein. Sollten es wesentliche Irrtümer sein, dann muss ich die Buße auf mich nehmen. Dann werde ich das heutige Festmahl bezahlen.«

»Sonst?«, fragte Freiherr von Friese.

»Sonst, lieber Baron, wird ein anderer bluten müssen. Ich beginne also. Die Situation, die ich vorfand, war folgende: Wenige Minuten, nachdem ich eingetreten war, begrüßte uns die verehrte Hausfrau heiter und rosig wie immer. Eine Viertelstunde später bittet sie uns zu Tisch und ist bleich und verstört, und wieder einige Minuten später bricht sie in Tränen aus. Wir erfahren auch den Grund. Sie hat in der kurzen Zwischenzeit des Toilettenwechsels für das Diner die Entdeckung gemacht, dass ihre Schmuckkassette abhandengekommen sei. Ich erhebe mich, ich steige wie das alte Schlachtross beim Klang der Kriegsrompete. Das war ja ein Fall für mich. Es wird Ihnen aufgefallen sein, und um so leichter werden Sie sich daran erinnern, dass ich mich so rasch beruhigte und wieder niedersetzte. Ich bedauere, es sagen zu müssen, denn es wird Ihrer Eigenliebe nicht sehr schmeicheln, meine Herren. Ich hatte da Ihr Spiel schon durchschaut.«

»Das kann man jetzt leicht sagen!«, warf Baron Friese dazwischen.

»Sie können mich ja dann dementieren, Herr Baron, wenn meine Folgerungen sich als falsch erweisen sollten. Was mich zunächst stutzig machte, war das: Der Kummer unserer lieben Hausfrau war echt. Der Ihre, meine Herren, war falsch, war schlecht gespielt. Schämen Sie sich! Auch der Hausherr spielte seine Rolle nicht gut. Mein lieber Grumbach, allen Respekt vor deiner etwaigen Seelengröße im Unglück, aber wenn man ein noch so großer Held ist, man benimmt sich doch etwas anders, wenn man, den Suppenlöffel in der Hand, mit der angenehmen Botschaft niedergerannt wird, dass der Gattin für hunderttausend Gulden Schmuck gestohlen worden ist.«

»Deshalb wäre die Welt noch nicht untergegangen!«

»Ich vermute; aber man benimmt sich doch anders! Ich versuchte, mir die Lage klar zu machen. Da war etwas abgekartet, die Hausfrau aber nicht ins Vertrauen gezogen worden. Man hatte sich nicht gescheut, im Interesse der eigenen Unterhaltung der Hausfrau einen ernsten Schrecken und einen wirklichen Kummer zu bereiten. Das verdient Strafe, und es wird, verlassen Sie sich darauf, nicht ungestraft bleiben. Ich bin übrigens nicht der Mann, der sich etwaigen Milderungsgründen verschließt. Vielleicht hielt man es zum Gelingen des Komplotts für nötig, die Hausfrau nicht einzuweihen. Das würde ich als keine genügende Entschuldigung für die begangene Grausamkeit betrachten. Wohl aber wäre es noch möglich, dass man keine Zeit gefunden hatte, sie einzuweihen. Also ein Komplott! Gegen wen? Kein Zweifel, es war auf mich abgesehen.«

»Wie mag es zustande gekommen sein? Ich konstruierte, rekonstruierte mir den Sachverhalt wie folgt: Die Sitzung, an der ich nicht teilnehmen konnte, war vorbei, und es folgte die zwanglose Unterhaltung vor Tisch. Dabei kam die Rede auch auf Dagobert und sein berühmtes Steckenpferd. Man sollte ihn zur allgemeinen Erheiterung einmal ordentlich hineinlegen, meinte der eine. Das wird nicht so leicht gehen. Der fällt uns nicht herein, hatte ein anderer die Güte, mir die Ehre anzutun. Ich vermute, dass dieser wahrhaft edle andere mein Freund Grumbach gewesen ist.«

»Bravo, Dagobert«, rief der Hausherr, »so war es!«

»Ich kenne meine Pappenheimer. Es käme auf einen Versuch an, meinte wieder der eine. Und nun wurde die großartige Idee ausgeheckt. Die Gelegenheit war günstig. Die Hausfrau nicht zu Hause. Sie wird zwar sehr erschrecken, aber dann ihre Rolle nur um so glaubwürdiger spielen. Hier steckt der Frevel, der bestraft werden muss und bestraft werden wird. Vielleicht hätte sie Freund Grumbach übrigens doch noch verständigt, aber es fand sich dazu die unauffällige Gelegenheit nicht mehr.

»Der Diebstahl wurde also vollführt. Eine solche Beute kann man nicht unter dem Tisch verstecken. Um sie aus dem Haus zu schaffen, fehlte die Zeit und auch jede nötigende Veranlassung. Da gab es nur ein sicheres Versteck – die feuer- und einbruchsichere Kasse des Hausherrn, darauf wird Dagobert doch in seinem Leben nicht verfallen! Wie Sie gesehen haben, hatte ich die Ehre, sie dort vorzufinden. Also ein schwieriger Fall war das wahrhaftig nicht, und ich bin es meiner Reputation schuldig, Sie zu bitten, meine Herrschaften, wenn Sie wieder einmal die Neigung verspüren sollten, mir eine Falle aufzurichten, doch mit etwas mehr Schläue vorzugehen und nur nicht eine Aufgabe zu stellen, die so kinderleicht ist. Ich kann Ihnen meine fachmännische Kritik nicht vorenthalten, dass Sie Ihre Sache nicht gut gemacht haben. Nicht ich, wohl aber Sie selbst tappen gutmütig und willig in die erste beste Falle hinein, die man Ihnen stellt, und mag sie noch so plump sein. Ich habe mich gestern nach Tisch zurückgezogen, um den Lokalaugenschein aufzunehmen, wie Sie meinten. Ist mir gar nicht eingefallen. Ich habe drüben ruhig geschlafen. Ich wollte Ihnen nur Zeit gönnen, unsere verehrte Hausfrau einzuweihen und sie zu beruhigen. Letzteres ist Ihnen gelungen, das ist aber auch Ihr ganzer Erfolg, der allerdings nicht viel Findigkeit zur Voraussetzung hatte. Mir aber die kolossale Dummheit zuzutrauen, dass ich den Umschwung in der Stimmung bei der Gnädigen auch bei gutgespielter Mitwirkung nicht bemerken würde, dazu gehörte eine Naivität, die Ihnen selbst nach der mildesten Auffassung nicht verziehen werden kann. Damit, meine Herren, bin ich am Ende.«

»Noch eine Aufklärung geben Sie den Herren«, bat darauf Frau Violet, und aus ihren Augen leuchtete dabei ein Strahl des Triumphes. Sie hatte niemals an seiner Kunst gezweifelt, und nun war sie stolz darauf, dass er ihr Vertrauen wieder so glänzend gerechtfertigt hatte. »Ihr Freund und nun auch unser Freund, der Herr Oberkommissar Weinlich, ist uns heute ein lieber und werter Gast und wird es in aller Zukunft sein, aber er hatte bei dieser Affäre nichts zu tun, und doch sagten Sie, dass Ihnen seine Mitwirkung unentbehrlich sei.«

»Die hätte nötig werden können, meine Gnädigste. Ich konnte nicht wissen, wie die Wetten auf und gegen mich abgeschlossen worden sind. Die Propositionen waren mir unbekannt. Nun hätte es geschehen können, dass ich zu dem Endresultat überhaupt nicht gelangen konnte. Ihr Herr Gemahl brauchte nur nach irgendeiner Proposition der Wette oder weil dieser oder jener mir den Erfolg nicht gönnte, mir die Ausfolgung der Kassaschlüssel zu verweigern. Man muss alles bedenken. Für diesen Fall hätten wir ihn dazu gezwungen. Ein großer Diebstahl war begangen worden. Hier musste entweder die Wahrheit bekannt oder es durfte der Untersuchung, die ich auf eine Spur geleitet halte, keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Mein Freund Herr Doktor Weinlich hat einen ordnungsgemäß ausgestellten amtlichen Hausdurchsuchungsbefehl in der Tasche, und nichts hätte uns gehindert, davon Gebrauch zu machen.«

»Donnerwetter!«, rief der Hausherr lachend, »das heiße ich eine Sache scharf durchführen!«

»Mein Künstlerruhm stand auf dem Spiel«, entschuldigte sich Dagobert, »und dann hat ja die Sache nicht nur ihre strafrechtliche, sondern auch ihre zivilrechtliche Seite. Vergessen Sie nicht, meine Herren – das heutige Diner – es freut mich, dass es Ihnen so wohl geschmeckt hat – habe ich bestellt. War meine Kombination falsch, so sollte es meine Strafe sein, dass ich es bezahlte. Sie war aber richtig, und nun muss ein anderer heran, der, der die ganze Geschichte angezettelt, der unsere liebe Hausfrau in Schrecken gejagt, der – die schlimmste Todsünde! – an meiner Kunst gezweifelt, gegen sie gewettet hat – der muss nun heran und der muss berappen. Herr Baron von Friese, ich habe die Rechnung bereits in der Tasche, und ich habe sie der Einfachheit halber gleich auf Ihren Namen ausstellen lassen. Darf ich sie Ihnen hochachtungsvollst und ergebenst überreichen?«

»Herr Dagobert«, erwiderte der Baron ein wenig elegisch, »mein Kompliment! Ich bitte um die Rechnung.«