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Crazy Horse

Crazy Horse
Das Leben Und Vermächtnis eines Lakota-Kriegers

Legenden trüben das Leben von Crazy Horse, eine bahnbrechende Persönlichkeit in der amerikanischen Geschichte, aber auch ein Rätsel für sein eigenes Volk in seiner unnachahmlichen Art. Diese hervorragende Biografie blickt auf das Leben und den Tod dieses großen Lakota-Kriegers zurück, der in der Schlacht am Little Bighorn River zu einem widerwilligen Führer wurde.

Mit ihrer verblüffenden Begabung für das Verständnis der menschlichen Psyche belebt die Edward Clown Family den Charakter dieser bemerkenswerten Figur, deren Verrat durch weiße Vetreter der US-amerikanischen Regierung einen tragischen Wendpunkt in der Geschichte des Westen darstellt.

Die Edward Clown Family klärt die Ungenauigkeiten und teilt ihre Geschichte über die Vergangenheit, enschließlich dessen, was es bedeutet, Lakota zu sein,  Ahnenforschung über das Leben von Crazy Horse und seine Beweggründe, seinen Tod zu betreiben, und warum sie sich entschieden haben, nach so langer Zeit ihr Schweigen zu brechen.

Dieses Buch ist eine fesselnde Ergänzung zu bisher veröffentlichten Werken über Crazy Horse und zu den komplizierten und oft widersprüchlichen Ereignissen der damaligen Zeit in der amerikanischen Geschichte.

Das Buch

The Edward Clown Family
Crazy Horse
Das Leben Und Vermächtnis eines Lakota-Kriegers

Sachbuch, Hardcover, TraumFänger Verlag, Hohenthann, März 2017, 530 Seiten, 22,50 Euro, ISBN: 9783941485525, erzählt von William B. Matson, aus dem Amerikanischen übersetzt von Martin Krueger, überarbeitet von Monika Seiller, Titelbild: Amos Bad Heart Bull

Klappentext:
Der Mann, der Mythos und die Legende – Eine neue Perspektive

Floyd Clown, Doug War Eagle und Don Red Thunder sind die Repräsentanten der Crasy Horse Familie. Mit der Hilfe von B. Matson enthüllen sie Familiengeschichten, die ein neues Lichtauf das Leben und den Tod von Crazy Horse werfen, die das bisher bekannte Wissen über den bekannten Krieger der Lakota verändern werden.
Es wird Zeit, dass diese reiche Quelle an mündlicher Überlieferung, erzählt mit der Stimme der Natice Americans, endlich gehört wird.

Leseprobe

1.Kapitel
Wir werden Lakota bleiben

Die Geschichte Nordamerikas beginnt weder mit Leif Erikson oder Christoph Columbus noch mit den spanischen Forschungs­reisenden oder den Pilgervätern. Sie begann mit den indigenen Völkern dieses Kontinents. Lange bevor die Europäer überhaupt ahnten, dass der amerikanische Kontinent existiert, war Nord­amerika bereits vom Pazifik bis zum Atlantischen Ozean mit blü­henden und wachsenden Nationen bevölkert.

Die Lakota-, Dakota- und Nakota-Nation war und ist eine dieser ursprünglichen Nationen, und unsere Familie ist eine der Famili­en, welche diese Nation bilden. Wir sind die Mitglieder der Crazy Horse Familie, und wir mögen es absolut nicht, wenn unsere Geschichte durch Menschen anderer Kulturen falsch dargestellt wird. Würden es die Amerikaner denn mögen, wenn ihre Ge­schichte von Franzosen oder Chinesen geschrieben würde? Ganz sicher nicht. Genauso würden Franzosen oder Chinesen eine amerikanische Darstellung ihrer Geschichte ablehnen. Warum also sollten wir es zulassen, dass die Geschichte unseres Volkes weiterhin von Menschen anderer Kulturen definiert wird?

Dies ist einer der Gründe dafür, warum wir unsere eigene Ge­schichte erzählen müssen. Unsere Geschichte wurde nie schrift­lich festgehalten. Stattdessen wurde sie mündlich von unseren erwachsenen Familienmitgliedern an die Kinder weitergegeben. Indem wir unsere mündliche Geschichte nun schriftlich darle­gen, hoffen wir, unseren Kindern, Enkeln und künftigen Gene­rationen, aber zugleich anderen Kulturen zeigen zu können, wer wir wirklich sind.

Menschen anderer Kulturen nennen uns „Native Americans”. Wir selbst nennen uns aber nicht so. Wir sind Lakota, Dakota und Nakota. „Native American” ist nur ein Begriff, den die Bundesre­gierung für Volkzählungen und andere statistische Erhebungen verwendet. Aber wir waren schon vorher hier, und wir haben nicht auf die Ankunft von Columbus gewartet, damit wir Ameri­kaner werden konnten.

Vertreter anderer Kulturen, die über unsere Identität bestimmen wollen, behaupten, dass unsere Vorfahren von Asien nach Nord­amerika einwanderten. Diesen Irrglauben möchten wir korrigie­ren. Wir sind die Urbevölkerung Nordamerikas. Die sterblichen Überreste unserer Vorfahren sind über ganz Nordamerika ver­teilt. Ihre Gebeine lassen das Gras wachsen und nähren die Vege­tation, die wiederum alles ernährt, was auf dem nordamerikani­schen Boden lebt. Aus diesem Grund bildet unser Volk mit dem nordamerikanischen Kontinent eine Einheit.

Unsere Sprache war seit jeher eine gesprochene Sprache, die nie­mals niedergeschrieben wurde, bis amerikanische Geistliche An­fang des 20. Jahrhunderts anfingen, eine Schriftform für unsere Worte zu entwickeln. Dabei machten sie natürlich viele Fehler, weil sie in einer ganz anderen Kultur aufgewachsen waren und dieser Verschriftlichung ihre eigene Kultur und Sprache über­stülpten.

Diese anderen Kulturen gaben unserem Volk sogar einen fal­schen Namen: Sie nannten uns die „Große Sioux Nation”.

Das Markenzeichen der Crazy Horse Familie. Alles, was mit diesem Markenzeichen gekennzeichnet ist, bedeutet, dass das Material von der Crazy Horse Familie genehmigt wurde. Es wurde von Kyle Clown, Mitglied der Edward-Clown-Fami­lie, entworfen.

Es waren frühe französische Händler, welche uns „Sioux” nann­ten, eine verkürzte Version des Wortes „Nadouessioux”, aus der Sprache der Ojibwa, welches „Sprecher einer anderen Sprache” bedeutet. Da die Ojibwa unsere Feinde waren, wehrten sich viele von uns dagegen, „Sioux” genannt zu werden. Doch diese Vertre­ter der fremden Kulturen hörten nicht auf uns.

Die Lakota, Dakota und Nakota sprechen die gleiche Sprache, aber mit drei verschiedenen Dialekten, bezüglich der Laute für die Buchstaben L, D und N. Die Lakota-Gruppe benutzt den Laut des Buchstabens L anstelle von D und N. Die Dakota-Gruppe ersetzt die anderen Buchstaben mit D, und die Nakota-Gruppe gebraucht N anstelle der beiden anderen Buchstaben. Unsere Na­men Lakota, Dakota und Nakota bedeuten in allen Dialekten das­selbe und können in Englisch am besten mit „Verbündete” über­setzt werden.

Wir möchten betonen: Wir, die Familie Crazy Horse, unsere Fa­milie, sind Lakota! Wir glauben daran, dass die Vierbeiner, die Geflügelten, die Insekten, die Fische, das Gras, die Bäume, die Zweibeiner und alle anderen hier auf der Welt sind, um alle auf ihre eigene Weise, ohne Einschränkungen, zu leben. Sie sind alle gleichwertig. Wir glauben nicht daran, dass eine Spezies das Recht hat, alle anderen zu beherrschen. Wir alle haben dieselbe Mutter, Mutter Erde, der wir unser Leben verdanken. Das spiri­tuelle Zentrum unseres Volkes und unserer Welt sind unsere hei­ligen Black Hills, die sich größtenteils im Westen des heutigen Bundesstaats South Dakota befinden. Die meisten Verstorbenen unserer Familie sind dort bestattet. Unsere Familie lebt hier seit Menschengedenken. Wir bewahren unsere Legenden, Geschich­ten und mündlichen Überlieferungen in unseren Erinnerungen und in unseren Herzen.

Es sind die Legenden und Geschichten aus längst vergangenen Zeiten, lange bevor unsere Krieger Adlerfedern im Haar trugen. Eine der Legenden, die uns von unseren Ältesten weitergegeben wurden, erzählt von der Großen Flut. Und sie geht so:

Es geschah vor langer Zeit, als sich mächtige Regenschauer vom Him­mel ergossen und unsere Mutter Erde in ein Meer aus Wasser verwan­delten. Unsere Leute suchten in unseren heiligen Black Hills Zuflucht, weil die Black Hills der Geburtsort unseres Volkes und unsere erste Hei­mat waren. Der Schöpfer sagte unseren Leuten, sie sollten sich zu einer Höhle in den Black Hills begeben, um sich vor dem Ertrinken zu retten. Allerdings gab es eine Frau, die war sehr neugierig und wollte unbe­dingt auf der Oberfläche der Erde bleiben. Niemand verstand, dass sie so töricht sein konnte.

Die Ältesten beschworen sie, mit in die Höhle zu kommen, aber sie wei­gerte sich, weil sie sehen wollte, was geschehen würde. Es regnete und regnete, und der Regen hörte nicht auf.

Als das Wasser einen bestimmten Stand erreicht hatte, versiegelte der Schöpfer unsere Höhle, damit wir im Trockenen bleiben konnten. Wäh­rend dies geschah, blieb die Frau draußen und konnte nicht mehr hinein. In der geschlossenen Höhle lebte unser Volk unter der Erde und wartete, dass der Regen aufhörte und das Wasser wieder zurückging. Wir waren dem Schöpfer dankbar, dass er uns einen trockenen Ort gab, an dem wir bleiben konnten, um zu überleben.

Schließlich musste die Frau, die außerhalb der Höhle geblieben war, immer höher klettern, um nicht zu ertrinken. Als die Frau den höchs­ten Punkt unserer Black Hills erreicht hatte, fing sie an zu weinen. Das Wasser war inzwischen so hoch gestiegen, dass es keinen Platz mehr gab, wohin sie fliehen konnte, und sie glaubte, dass sie nun ertrinken würde. Sie bedauerte, dass sie den Warnungen unserer Ältesten gegen­über taub gewesen war, und begann sich auf den Tod vorzubereiten.

Plötzlich stieß ein Adler vom Himmel herab und packte sie. Lange Zeit hielt er sie über Wasser, bis der Regen endlich aufhörte und das Wasser wieder seinen ursprünglichen Stand erreichte.

Als dies geschehen war, setzte der Adler die Frau auf unsere Erde zu­rück. Als sie dann wiederfesten Boden unter den Füßen hatte, wollte sie sich beim ihm für die Rettung ihres Lebens bedanken, doch bevor sie das tun konnte, hatte sich der Adler in einen jungen Krieger verwandelt. Dieser junge Krieger sah nicht anders aus als andere junge Krieger – mit Ausnahme der Tatsache, dass er eine Adlerfeder im Haar trug.

In der Höhle wussten unsere Leute noch nicht, dass die Flut zurückge­gangen war. Sie blieben in der Höhle und warteten auf ein Zeichen, dass sie herauskommen könnten. Sie wussten aber nicht, was für ein Zeichen das sein könnte. Währenddessen begannen die Tiere auf der Erde wie­der ihr normales Leben zuführen. Nur ein Tier, der Wolf, wusste, wo sich unsere Leute befanden und wie man sie von der Oberfläche aus er­reichen konnte. Er erkannte die Öffnung der Höhle am Geruch unserer Leute. Inktomi, der Spinnenmann, der auch als Trickster bekannt ist, wusste, dass der Wolf den Aufenthaltsort unseres Volkes kannte, und so bat er den Wolf, ihn zur Höhle unserer Leute mitzunehmen. Aber der Wolf weigerte sich, und als er ihm befahl, auf der Erdoberfläche zurück­zubleiben, überlistete ihn Inktomi mit einem Trick. Er versprach dem Wolf, er werde ihm, wenn er ihn in die Höhle mitnahm, als Gegenleis­tung zeigen, wie er mehr Jagdbeute finden könne. Letztendlich war der Wolf dann doch einverstanden.

Als er sich der Höhle näherte, hüpfte Inktomi auf seinen Rücken und der Wolf nahm ihn mit in die Höhle, wo unsere Leute warteten.

Als Inktomi mit unseren Leuten zusammentraf, überredete er sie dazu, den sicheren Zufluchtsort der Höhle zu verlassen, und sie ließen sich vom Wolf wieder an die Erdoberfläche führen.

Der erste unserer Leute, der wieder an der Erdoberfläche erschien, wur­de Tokah1 genannt. Als alle unsere Leute wieder auf der Erdoberfläche waren, staunten sie, wie die Vegetation und Bäume so wundervoll nach­gewachsen waren, und sie sahen, dass die gesamte Schöpfung nur dar­auf wartete, dass sie ihr altes Leben wieder aufnahm.

Und als sie sahen, was für ein gutes Leben sie haben würden, erinnerten sie sich daran, dass Tokah derjenige war, der mutig genug gewesen war, als erster Zweibeiner wieder auf die Erdoberfläche zurückzukehren. Sie dankten ihm, und bis zum heutigen Tage gedenken wir Tokahs in unse­ren Gebeten. Und auch die närrische Frau kam wieder zu unserem Volk zurück und stellte nie wieder in ihrem Leben den Rat der Ältesten infrage.

Solche Geschichten, wie die Legende von der Großen Flut, sind wichtige Lehren für uns. Es sind Lehren, die wir an unsere Jugend weitergeben können. Wir haben auch andere Geschichten und Legenden über unsere Vergangenheit. Es handelt sich dabei um unsere mündlichen Überlieferungen, und sie lehren uns die Wahrheit über unser Volk, unsere Vorfahren und über uns. Sie lehren uns, wer wir sind. Seit Urzeiten wurden unsere mündli­chen Überlieferungen von einer Generation zur nächsten wei­tergegeben, wie es die Tradition unseres Volkes und Ausdruck unserer Identität ist. Wer unsere orale Tradition verstehen will, muss sich der spirituellen Entwicklung unseres Volkes bewusst werden, denn wir sind sehr spirituelle Menschen.

Jeder Schritt und jeder Atemzug, den wir machen, ist durchdrun­gen von Spiritualität. Diese Spiritualität ist eingebettet in das, was wir als Gesetz der Natur bezeichnen.

Dieses Naturgesetz gibt es auch unter den Tieren. Jedes Tier, das auf unserer Mutter Erde erschaffen wurde, hat seine eigene Art und Weise zu leben, und so ist es auch mit uns, den Zweibeinern. Wir sind alle ein Teil unserer Mutter, der Erde, und wir müssen stets daran denken, dass sie nicht nur für uns allein geschaffen wurde, sondern für alle Lebewesen.

Wir müssen in Harmonie mit der ganzen Schöpfung leben und dieses Leben aufrichtig und ehrenhaft führen. Nur wenn wir al­len Lebewesen gestatten, auf ihre eigene Art und Weise zu leben, folgen wir dem Pfad, den uns der Schöpfer gewiesen hat.

Lange Zeit lebte unser Volk nach diesem natürlichen Gesetz, doch nach einer Weile begann es, sich allmählich davon zu ent­fernen und eigene Regeln zu entwickeln. Wir vergaßen, aufrich­tig und ehrlich zu sein. Wir wurden egoistisch und konnten nicht mehr verstehen, dass man respektvoll mit unserer Mutter Erde umgehen sollte, und als Strafe dafür ließ sie uns fast verhungern. Wir litten furchtbar.

Einer der Vierbeiner, der Büffel, sah dies, erbarmte sich unser und machte uns zu seinen Verwandten. Er schenkte uns seinen Kör­per, sodass wir unsere Tipis nähen konnten, er verschaffte uns volle Bäuche und kleidete uns, damit wir es in den kalten Win­termonaten warm hatten. Und er lehrte uns erneut die alte Weis­heit, alles mit anderen zu teilen, indem er sich opferte, damit wir überleben konnten. Und so betrachteten wir ihn fortan als unse­ren Bruder. Und so geschah es eine lange Zeit. Unser Volk gedieh, unsere Bäuche waren voll, und unsere Welt war wieder ein schö­ner Ort. Das Gesetz der Natur hatte wieder Einzug in unsere Herzen gefunden. Doch als die Zeit verging, entfernten wir uns wieder von diesem Gesetz. Wir hatten aus der ersten Erfahrung keine Lehren gezogen und verließen unseren Pfad. Erneut hatten wir vergessen, wahrhaftig und aufrichtig zu sein, dachten nur an uns selbst, wurden geizig und gefährdeten damit unser eigenes Überleben. Und so kam unser Bruder, der Büffel, wieder zu uns, diesmal in Gestalt einer schönen jungen Frau.

An einem Sommertag gingen zwei unserer jungen Kundschafter auf die Jagd. Plötzlich entdeckten sie ein weißes Büffelkaib, das sich auf sie zu­bewegte. Sie waren sehr erstaunt, als sich ihnen das weiße Büffelkaib näherte und plötzlich in eine wunderschöne Frau verwandelte. Sie war mit einem weißen Wildlederkleid bekleidet und trug ein Bündel auf dem Rücken. Einer der Scouts begehrte sie. „Ich will diese Frau zu meinem Vergnügen haben”, meinte er.

Der andere Scout aber betrachtete sie nicht auf diese Weise. „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun”, warnte er ihn. „Ich glaube, sie ist eine heilige Frau.”

Aber der erste Scout wollte nicht auf ihn hören und streckte die Hand aus, um sie auf unanständige Weise zu berühren. Doch in dem Moment, als er dies tat, wurde er von einer dicken schwarzen Wolke eingehüllt. Nachdem sich die Wolke verzogen hatte, blieb von dem ersten Kund­schafter nur mehr ein Häufchen Staub.

Der andere Mann aber kniete nieder und betete für seinen toten Freund. Als ihn die heilige Frau für seinen Freund beten sah, wusste sie, dass dieser Mann ein gutes Herz hatte, und so wählte sie ihn aus, unserem Volk eine Nachricht zu überbringen.

„Geh und sag deinen Leuten, dass ich sie in vier Tagen besuchen kom­me. Ich komme, um ihr Leben mit einem heiligen Bündel zu erneuern. Sage ihnen, dass sie einen Kreis bilden sollen, um diese Erneuerung des Lebens zu feiern. Auf die gleiche Art und Weise, wie es die Jahreszei­ten tun, wenn sie sich im Zyklus vom Frühling zum Sommer und vom Herbst zum Winter bewegen und dann wieder zum Frühjahr.”

Der Kundschafter versprach, dies zu tun, und beeilte sich, unserem Volk die Nachricht zu überbringen.

Am Morgen des vierten Tages setzte sich unser Volk in einem Kreis nie­der und wartete auf die Ankunft der heiligen Frau. Und schon bald er­schien ein weißes Büffelkaib und bewegte sich auf sie zu. Auf einmal brauste ein Wirbelwind auf, und das weiße Büffelkalb verwandelte sich wieder in die heilige Frau. Diese heilige Frau wurde die Weiße-Büffelkalb-Pfeifen-Frau genannt. Sie sagte unserem Volk, dass sie ein Ge­schenk mitgebracht hätte. Dann öffnete sie das Bündel, das vorher auf ihrem Rücken festgebunden war, und zeigte unseren Leuten, was sich darin befand. Es war die heilige Büffelkalbpfeife. Unsere Leute wunder­ten sich natürlich, denn so etwas hatten sie noch nie zuvor gesehen. Der Kopf der Pfeife war aus rotem Stein gefertigt. Dieser Stein repräsentiert unsere Mutter, die Erde. Die rote Farbe des Steines verweist auf das Blut unserer Leute, die vor uns gegangen sind. Der Pfeifenstiel war aus Holz und steht für alles, was auf unserer Erde wächst. Er soll uns an die Gesetze der Natur erinnern.

Dann zündete die weiße Büffelkalb-Pfeifen-Frau die Pfeife an. Unse­re Leute beobachteten, wie sie die Pfeife zuerst himmelwärts richtete, dann in Richtung unserer Mutter, der Erde, und dann zu jeder der vier Himmelsrichtungen: Osten, Norden, Westen und Süden. Wenn wir die Pfeife rauchen und gleichzeitig beten, so würde der Rauch unsere Ge­bete zum Schöpfer tragen. Und weil sich der Schöpfer überall befände, würde ihn der Rauch in allen Richtungen erreichen und er würde kom­men und zuhören.

„Dies ist die Pfeife der Wahrheit und Aufrichtigkeit”, erklärte sie ihnen. Dann überreichte sie ihnen die Pfeife und bat sie, immer dafür Sorge zu tragen, dass jede Generation ihre Existenz und ihre Kraft kenne und dass man sie immer sicher aufbewahren sollte. Und unser Volk dankte ihr von ganzem Herzen. Als sie sich erhob, um uns zu verlassen, sagte sie uns, dass sie eines Tages zurückkommen würde. Das Zeichen ihrer Rückkehr wäre die Geburt eines weißen Büffelkalbs. Als sie davonging, kam erneut der Sturm und sie verwandelte sich in ein weißes Büffelkalb. Dann verschwand sie.

Wir waren sehr traurig, als sie uns verließ, und noch immer hal­ten wir Ausschau, ob irgendwo ein weißes Büffelkalb geboren wird. Heute haben viele unserer Leute ihre persönlichen Pfei­fen, aber es gibt nur eine einzige heilige Büffelkalbpfeife, welche durch den Hüter der heiligen Büffelkalbpfeife sicher aufbewahrt wird, der heute in der Gemeinde von Green Grass auf der „Che­yenne River Reservation” in South Dakota lebt.

Die Zeit verging und wir verehrten den Büffel stets als heiliges Wesen. Unsere Großväter folgten den Büffeln, wohin sie auch zo­gen, damit wir Nahrung für unser Überleben hatten, und weil die Büffel stets umherstreiften, wurden auch unsere Großeltern zu Nomaden. Wir wären noch heute Nomaden, wenn wir nicht von anderen Völkern, die behaupteten, es besser für uns zu wissen, gezwungen worden wären, auf Reservationen zu leben.

In früheren Zeiten jagten wir die Büffel, indem wir uns mit Wolfs­fellen getarnt an eine Herde anschlichen, um einen Büffel mit un­seren Bogen zu erlegen.

Wir trieben sie auch über steile Abhänge hinab, die wir „Buffalo Jumps” nannten. Dafür war oft die Mithilfe des gesamten Lagers notwendig. Wir bildeten auf beiden Seiten einer Büffelherde je­weils eine Reihe und wedelten mit unseren Decken und Fellen herum, um sie zu erschrecken und in Panik zu versetzen, da­mit sie auf der Flucht über die Büffelklippen in den Tod stürz­ten. Waren wir dabei erfolgreich, dann hatten wir viel Fleisch. Wir konservierten dieses Fleisch, indem wir es in dünne Streifen schnitten und zum Trocknen in die Sonne hängten. Auf diese Art getrocknet hielt es sich über einen langen Zeitraum, ohne zu ver­derben. Einen großen Teil des Trockenfleisches zerkleinerten wir, indem wir es mit Hilfe von Steinen in winzige Stücke zermahlten und dann mit Beeren und Nierenfett vermengten. Daraus stellten wir einen köstlichen Leckerbissen her, den wir Wasna nannten.

Unsere Vorfahren ließen ihre Travois von Hunden ziehen, und diese halfen, das Hab und Gut von einem Ort zum anderen zu tragen, wenn sie den Büffeln folgten. Um das Jahr 1700 schenk­te uns der Schöpfer das Pferd. Diese stammten von kleinen Her­den ab, die von spanischen Forschungsreisenden und Eroberern zurückgelassen worden waren. Das Pferd veränderte unsere Lebensweise, denn nun mussten wir nicht mehr darauf warten, dass die Büffel zu Tode stürzten. Mit den Pferden konnten wir an einem Tag 110 Kilometer zurücklegen und die Büffel jagen, wo immer wir sie entdeckten, denn die Pferde waren mit 56 Stunden­kilometern genauso schnell wie die Büffel.

Diese neue Art zu jagen war wesentlich schonender für den Wild­bestand, denn nun konnten wir gerade so viel jagen, um unse­ren Bedarf zu decken. Wir mussten nicht mehr wie früher jede Gelegenheit nutzen, um, getrieben von der Alternative zwischen Überfluss und Hunger, ganze Büffelherden in den Tod zu hetzen. Die Pferde wurden für uns so wichtig, dass sich bald alles in unserem Leben nur noch um sie drehte. Wenn zum Beispiel ein kleiner Junge seine ersten Schritte machte, setzen wir ihn auf ein Pferd, damit er, wenn er zum Krieger heranwuchs, fähig war, sein Pferd auf der Büffeljagd oder im Kampf sicher zu lenken.

Nicht einmal die beste Kavallerie der europäischen Eindringlin­ge konnte sich mit unseren Kriegern vergleichen. Erst als die eu­ropäischen Eindringlinge unseren Bruder, den Büffel, (fast) aus­gerottet hatten und wir zu verhungern drohten, haben wir uns ihren Forderungen gebeugt, auf diesen kleinen Inseln zu leben, die sie Reservationen nennen.

Nur damit unsere Kinder zu essen hatten, akzeptierten wir ihre Nahrungsmittel im Austausch für ein Leben in den Reservaten. Aber kaum angekommen, nahmen sie uns die Pferde weg, sodass sie uns wie Gefangene halten konnten.

Seit mehr als einem Jahrhundert haben die europäischen Ein­dringlinge ihre Religion, ihr Geld und die Macht ihrer Regierung dazu benutzt, uns davon zu überzeugen, dass unsere Lakota-Art zu leben nicht gut sei. Allerdings konnten sie uns unsere Denk­weise nicht wegnehmen, sodass auch heute noch in vielen von uns ein rotes Lakota-Herz schlägt. Wir sind immer noch Lakota, die im Geiste unserer Vorfahren leben. Wir sind spirituelle Men­schen geblieben, und ein spirituelles Volk kann nicht besiegt wer­den.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages

(wb)

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  1. Der Erste