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Die Macht der Drei – Teil 54

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Als die Tür des Rapid Flyers ins Schloss fiel, ließ Erik Truwor die Turbinen anspringen. In jähem Aufstieg stürmte die Maschine in die Höhe, brachte Kilometer um Kilometer unter sich.

Schon stand der Sonnenball, der dort unten bereits zur Hälfte vom Horizont verdeckt wurde, wieder frei über der Kimme. Schon höhlte sich die weit gestreckte Eiswüste wie eine ungeheure Mulde unter dem Flieger.

Erik Truwor stand am Steuer und sah es … blickte dann wieder nach oben und ballte die Fäuste, als drohe er einem unsichtbaren Feind.

Ein einziger Gedanke beherrschte sein krankes Gehirn: Nach oben … immer höher nach oben …

Der Flieger stieg und stieg. Aber er war nur gebaut, eine Höhe von dreißig Kilometern zu erreichen, in ihr zu fliegen.

Erik Truwor sah am Höhenmesser, dass die Maschine langsamer stieg, dass die Kraft der Turbinen nachließ.

»Haha … haha …« Wieder entquoll jenes dumpfe schaurige Gelächter seinen Lippen.

»Menschenwerk! … Tand … Sie können nicht weiter. Ihre Macht ist zu Ende … Aber ich, ich habe die Macht … haha … ich steige, bis ich euch unter mir habe … ihr da oben …«

Mit geschickten Griffen entfernte er die Sperrungen an den Schalthebeln des Strahlers. Und konzentrierte dann die Energie in den Druckkammern der großen Turbinen. Schon war es geschehen, schon war die Wirkung zu merken. Die Turbinen, die bis dahin matt und unregelmäßig gelaufen waren, begannen sich in rasendem Wirbel zu drehen, rissen die Propeller in gleichem Tempo mit sich.

Der Rapid Flyer stieg unaufhaltsam. Längst hatte er die Dreißigkilometerhöhe überschritten und war tief in die Zone der Polarlichter eingedrungen. Schon strahlte die Sonne wieder gelbweiß, die er so lange Tage nur in blutfarbenem Dämmerschein erblickt hatte. Schon stand sie hoch über der Kimme.

Der Rapid Flyer stieg, und das Land weitete sich. Schon waren hundert Kilometer erklommen. Die nördlichen Küstenstreifen der Kontinente wurden sichtbar, mehr zu ahnen, als zu erblicken.

Höher hinauf! … Immer höher! … Es war vergeblich, dass er die Turbinen bis zum Bersten mit Energie versah. Es war vergeblich, dass die Propeller, bis zum Zerreißen gespannt, in rasendem Spiel rotierten. Die Atmosphäre war in dieser Höhe zu dünn, um den Luftschrauben noch Halt, den Tragflächen Stütze zu geben. Über hundert Kilometer kam er mit der Maschine nicht hinauf.

Wie hatte er auch hoffen können, mit diesem gebrechlichen Menschenwerk Höhen zu erreichen, aus denen er sein ganzes Reich zu übersehen vermochte. Etwas ganz anderes würde er bauen müssen. Eine Maschine, die, durch die Gewalt des Strahlers allein getrieben, raketenartig durch den Raum fuhr, die ihn in Sekunden Hunderte von Kilometern über die Erde erhob. Einen Himmelswagen, der neuen Macht … der neuen Gottheit würdig. Schade, dass Silvester tot war. Der hätte ihm die Maschine sicher und schnell gebaut.

Unter dem ratenden Spiel der Propeller dröhnte und summte der metallene Rumpf des Rapid Flyers wie eine gespannte Saite. Jäh mischte sich ein scharfer Klang, ein harter Schlag in das Singen des Rumpfes. Erik Truwor trat einen Schritt zurück. Dicht neben ihm zeigte die Aluminiumwand eine schwere Einbeulung, als ob ein großer Stein sie von außen getroffen hätte.

In das Dröhnen des getroffenen Rumpfes mischte sich das dumpfe schaurige Lachen Erik Truwors.

»Ihr droht mir … ihr wagt mir zu drohen … ihr wagt mein Schiff zu berühren … wartet ihr … ihr … Ich werde euch brennen …«

Ein neues Dröhnen, eine neue Beule im Rumpf des Rapid Flyers. An der eingebeulten Stelle war das Metall bis zur Rissbildung gereckt. Noch ein wenig mehr, und der Rumpf wurde undicht, die Sauerstoffatmosphäre seines Inneren entwich in die luftleere Umgebung …

Und dann ein drittes Mal. Eine neue schwere Einbeulung.

Erik Truwors Geist begriff die fürchterliche Gefahr nicht mehr, in die er sich so mutwillig begeben hatte. Er war aus dem Schutz der dichteren Atmosphäre bis in jene fast luftleeren Höhen emporgestiegen, in denen der Erde der Schutz des Luftpolsters fehlt.

Er sah nur unsichtbare feindliche Gewalten, die ihm die Macht entreißen wollten. Mit einem Sprung war er am Strahler und ließ die telenergetische Konzentration nach allen Seiten um den Flieger kreisen. Die Turbinen, der Energie beraubt, ohne Verbrennungsluft, ohne Kraft, stellten die Arbeit ein. Schwer wie ein Stein fiel die Maschine im luftleeren Raum nach unten. Mit glühender Stirn und rollenden Augen stand Erik Truwor, die Hand am Strahler, und schleuderte dem Schicksal seine Herausforderung entgegen. Ein Bolide, ein Felsblock, viel größer als das Schiff, wurde vom Strahl gepackt, zischte auf und stand als feurige Dampfwolke im Raum.

»Haha … birg dich, Schicksal! … Fliehe, Schicksal, sanft brenn ich dich!«

Erik Truwor stieß die Worte, mit wahnsinnigem Gelächter vermischt, heraus, während er den energetischen Strahl kreisen ließ. Doch der freie Fall des Fliegers raubte ihm die Sicherheit der Bewegungen, machte die schon so schwierige Aufgabe, mit einem Strahl den halben Raum abzuschirmen, zu einer unlöslichen. Seine Hände vermochten den Strahl nicht mehr sicher zu meistern. Wildzuckend stieß er nach allen Seiten weithin durch den Raum. Jetzt traf er in Kanada einen Wald und fraß ihn in feurigem Wirbel. Jetzt ließ er auf den Gipfeln des Himalaja den Schnee aufkochen. Jetzt dampfte der Ozean, von der Energie durchsetzt.

Das Flugschiff stürzte, während die Sekunden sich zur Minute ballten. Schon wurde die Atmosphäre dichter, die Gefahr geringer.

Da ein scharfer, greller Schlag. Ein Meteorit von Faustgröße durchbrach die Decke des Flugschiffes. Drang weiter vor und traf den Hebel des Strahlers. Erik Truwor hatte zu Beginn seiner wahnsinnigen Fahrt die Sperrungen entfernt. Der Hebel wurde zurückgetrieben. Über den Sperrpunkt hinaus … die Energie von zehn Millionen Kilowatt explodierte im Flugschiff, im Strahler selbst … Eine Feuerwolke, wo eben noch der Flieger durch den Raum stürzte.

So schnell wie das Feuer am Himmel entstand, verschwand es auch wieder. Machte bläulichem Dampf Platz, der sich ausbreitete, auflöste und zu Nichts wurde. Nur das Nichts blieb übrig. Der leere Raum. Nichts mehr vom Rapid Flyer, von seinem Insassen und vom Strahler.

Die letzten Ausläufer der schweren Explosion erreichten noch die unteren Schichten der Atmosphäre. Ein Sturm jagte über das Schneefeld und ließ die Flanken des Eisbergs erzittern. Ein Schüttern und Dröhnen ging durch das Eismassiv. Ein Aufruhr aller Elemente begleitete den Untergang dessen, dem das Schicksal eine so unendliche Macht anvertraut hatte.

 

***