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Felsenherz der Trapper – Teil 11.2

Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 11
Das Häuptlingsgrab am Juan-Fluss
Zweites Kapitel

Umzingelt

Dies ereignete sich etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht.

Felsenherz und der Comanche schliefen, in ihre Decken gehüllt, neben dem längst erloschenen Feuer, schliefen fest, und in dem beruhigenden Bewusstsein, durch Sancho gegen jeden geführten Zwischenfall geschützt zu sein.

Der Große Bär, der Oberhäuptling der Apachennation, dem die beiden berühmten Westmänner zwei Tage vorher am Pecos einige Krieger erschossen hatten, da sie sonst ihren alten Feinden, den Apachen, in die Hände gefallen wären, dieser riesige, wirklich bärenstarke Oberhäuptling hatte nach der Flucht der beiden Weißen und Chokarigas aus den Guadalupe-Bergen die Verfolgung sofort mit allem Eifer aufgenommen. Nachdem durch die besten Fährtensucher seiner etwa zweihundert Mann starken Abteilung festgestellt worden war, dass die drei sich nach Norden zu in die Prärien gewandt hatten, ließ er die Hälfte seiner Krieger zu je zweien in einer meilenbreiten Linie vorausreiten, um so aufs Schnellste festzustellen, ob und wo die Flüchtlinge von der bisherigen Richtung abgebogen waren. Er selbst mit dem Rest der Apachen blieb auf der recht schwer erkennbaren und oft ganz verschwindenden Spur der drei Reiter, die ja jede List, durch die man den Gegner irreführen kann, hier angewandt und so den Verfolgern ein sehr langsames Marschtempo aufgezwungen hatten.

Nur infolge dieser großzügigen Anordnungen des Apachenhäuptlings wurde der Lagerplatz der drei an dem Präriebach schon bei anbrechender Dunkelheit und kaum eine halbe Stunde nach dem Eintreffen der Flüchtlinge an dem kleinen Gewässer durch einige der Apachenkundschafter entdeckt, die, durch den Feuerschein angelockt, sich nur so weit herangewagt hatten, um mit Gewissheit feststellen zu können, dass wirklich die Gesuchten hier lagerten.

Die Kundschafter kehrten dann auf dem kürzesten Weg zur Hauptabteilung zurück, und drei Stunden später waren die Büsche am Präriebach bereits von den Apachen umzingelt.

Dies geschah, als Sancho und die beiden Kojoten kaum erst zehn Minuten unterwegs waren.

Inzwischen hatte aber auch jener Tom Pick, dessen Bekanntschaft wir zu Anfang unserer Erzählung gemacht haben, nach Aufhören des Gewitterregens dort weiter südöstlich sein Pferd wieder bestiegen und wollte auf gut Glück weiterreiten, indem er hoffte, die beiden Männer, hinter denen er her war, würden wohl irgendwo nach Norden zu haltgemacht und ein Feuer angezündet haben, dessen Schein er möglicherweise mithilfe des Fernrohrs, das er in der Satteltasche mit sich führte, entdecken könnte. Gewiss – es war dies ein sehr unsicherer Versuch, die durch den Regenguss nun völlig verwischte Fährte der beiden nicht weiter zu beachten, sondern sich mehr auf einen glücklichen Zufall zu verlassen.

Der Reiter hielt dann auf jedem Hügel, von dem aus er einen guten Rundblick hatte, an und musterte mit dem Fernrohr jeden Busch, jede Baumgruppe, die sich als schwarzer Fleck im grauen, einfarbigen Bild der nächtlichen Steppe hervorhoben.

Als er so abermals eine Kuppe erreicht hatte, als er abermals sein Fernrohr einstellte und die jetzt etwas lichtere Prärie, über der ein nur noch schwach bewölkter Himmel sich ausspannte, sorgfältig absuchte, gewahrte er acht Reiter, die in einer Linie nach Nordost dahinritten, wobei sie den Abstand voneinander immer mehr vergrößerten.

»Hm – ich will einen lebenden Laubfrosch verschlingen, wenn das nicht Apachen sind!«, murmelte Tom Pick. »Natürlich haben die roten Spitzbuben hier etwas Besonderes vor. Es wäre ein feiner Spaß, wenn sie es etwa auf meine beiden Freunde Bill und Will abgesehen hätten!«

Er beobachtete die Rothäute weiter, folgte ihnen dann vorsichtig und bemerkte so, dass von links her noch mehr Apachen erschienen, die jetzt eine Gebüschgruppe an einem kleinen Bach einkreisten.

Gerade jetzt lichtete sich das Gewölk am Himmel immer mehr, und die volle Mondscheibe sandte ihr mattes Silberlicht friedlich auf die nächtliche Erde hinab. Diese ziemlich unvermittelte Helle, die auch das Gesicht des schlafenden Comanchenhäuptlings traf, genügt für die feinen Sinnesorgane des Sohnes der Wildnis, ihm den Schlummer von den Lidern zu verscheuchen.

Er erwachte und war auch im Moment vollkommen munter.

Dem Stand des Mondes nach musste es, wie der Schwarze Panther sich sagte, etwa Mitternacht sein.

Es war also Zeit, den Gambusino als Wache abzulösen.

Leise erhob Chokariga sich, so leise, dass nicht einmal Felsenherz erwachte.

Er nahm seine Büchse auf und glitt genau so lautlos durch Büsche, blieb jedoch noch innerhalb des Gesträuchs stehen und warf einen prüfenden Blick über die jetzt mondbeschienene Prärie.

Umsonst schaute er jedoch nach dem Goldsucher aus.

Und dann dort, kaum hundert Meter nach Süden zu, ging jetzt ein kleines Rudel Hirsche flüchtig davon, kam gerade auf den Bach zu.

Das nimmermüde Misstrauen des Comanchen argwöhnte sofort, die Hirsche könnten durch irgendjemand aufgescheucht worden sein.

Er beobachtete die Tiere weiter. Sie kamen kaum fünfzig Schritt entfernt an den Büschen vorüber, stutzten jedoch kurz vor dem Bach, warfen sich herum und jagten in noch wilderer Eile nach Westen, hasteten ganz dicht an ihm vorbei und prallten wiederum ohne sichtbaren Grund zurück.

Chokarigas stolzen Mund umspielte ein schwaches Lächeln. Er schlüpfte zurück zu dem erloschenen Feuer, legte Felsenherz die Hand leicht auf die Schulter.

Der Trapper richtete sich sofort auf und fragte: »Was gibt es, Chokariga?«

»Mein Bruder möge mir folgen. Die stinkenden Kröten der Apachen haben einen Ring um uns geschlossen. Dreimal sah Chokariga die Hirsche in anderer Richtung davoneilen.«

Felsenherz hatte schon seine Büchse in der Hand. »Wie gedenkt der Schwarze Panther den Apachen zu entgehen?«, meinte er. »Offenbar ist es doch der Große Bär mit seiner Abteilung. Dann haben wir einige zweihundert Krieger gegen uns. Durchbrechen können wir nicht! Wir würden abgeschossen werden. Sancho scheint von den Apachen schon überwältigt worden zu sein. Vielleicht stecken ein paar von ihnen schon ganz nahe in den Büschen.«

»Suchen wir!«, erklärte der Häuptling kurz.

In wenigen Minuten hatten sie festgestellt, dass die Büsche leer waren.

Der Trapper flüsterte nun eindringlich auf den Comanchen ein. »Besser, wir opfern unsere Decken, meinen Hut und deinen Federschmuck, als dass wir uns der Gefahr aussetzen, durch die Kugeln der Apachen unsere Pferde oder gar unser Leben zu verlieren«, meinte er zum Schluss.

Der Häuptling war mit Felsenherz’ Plan sofort einverstanden.

Der große Bär sowie acht seiner im Anschleichen geübtesten Krieger schoben sich wie die Schlangen durch das hohe Präriegras der Buschgruppe zu, drangen dann mit äußerster Behutsamkeit in die Büsche ein und gewahrten nun dort links im Schatten eines von wildem Hopfen völlig überzogenen Dornengestrüpps zwei Gestalten, die, in Decken gehüllt, regungslos am Boden lagen. Weiter rechts, mehr nach dem Bach zu, standen der Braune und der Rappe der beiden Schläfer, die nur Chokariga und Felsenherz sein konnten, da der Trapper sich seinen Filzhut über das Gesicht gedeckt hatte und unter dem Filzhut noch ein Stück des rotseidenen Halstuches, das Felsenherz stets trug, hervorkam, während bei der anderen ruhenden Gestalt über die Wolldecke die Adlerfedern des Comanchen hinausragten.

Der Große Bär vermisste hier zwar den Gambusino, sagte sich aber, dieser könnte sich bereits von den beiden getrennt haben.

Auf seinen Wink hin musste nun einer seiner Krieger die draußen um die Büsche Postierten herbeiholen.

Über des Oberhäuptlings grimmem, rachgierigem Gesicht lief ein triumphierendes Aufleuchten hin.

Diesmal sollten ihm die beiden nicht entgehen! Diesmal würde er sie durch einen Zuruf wecken, und dann würden sie nicht einmal mehr Zeit finden, nach ihren Waffen zu greifen!

Die Apachen wanden sich durch das Gesträuch, bildeten einen engen Ring um die Schläfer.

Der Große Bär wunderte sich, dass sich die beiden Pferde dort so ruhig verhielten. Aber die Tiere mochten vielleicht zu abgetrieben und ermattet sein. Deshalb verrieten sie die Nähe der Feinde nicht wie sonst durch Schnauben und Stampfen. So fand der Oberhäuptling auch hierfür eine Erklärung.

Die Pferde wurden absichtlich nicht mit eingeschlossen. Sie hätten nur hinderlich sein können.

Jetzt trat der Große Bär vollends auf die Lichtung hinaus und gab den seinen ein Zeichen.

Dreißig Flinten und fast ebenso viele Pfeile richteten sich auf die im Mondschatten liegende Stelle, wo die beiden Westmänner ruhten.

Dann des Oberhäuptlings gellender Ruf: »Die Krieger der Apachen sind da!«

Gleichzeitig riss er den Tomahawk aus dem Gürtel und wollte sich auf den Comanchen stürzen.

Doch die Schläfer rührten sich nicht.

Aber etwas anderes geschah: Die beiden Pferde waren in den Sträuchern nach dem Bach zu verschwunden.

Jetzt hörte man sie plätschernd den Bach durchschreiten, jetzt hatte auch der Große Bär mit einem Satz die Decke von der Gestalt des Comanchen gerissen.

Nichts als ein kunstgerecht geformter Mooshaufen lag darunter!

Der Oberhäuptling stieß ein geradezu tierisches Wutgebrüll aus.

Und dann – dann auch von jenseits des Baches Geschrei, ein paar Schüsse.

Dort hatten noch ein paar Apachen den Durchbruch der Eingekreisten für alle Fälle verhindern sollen; dort waren Felsenherz und Chokariga so überraschend hoch zu Ross erschienen, dass die ihnen zugedachten Kugeln sämtlich fehlgingen.

Der Große Bär war schon über den Bach gestürmt, sah dort in der Ferne die beiden Jäger im Galopp nach Norden davonsprengen!

Die Pferde der Apachen standen weit zurück in einem Tal. Bevor sie geholt wurden, waren die Flüchtlinge längst außer Sicht.

Aber der Große Bär wollte sie fangen, wollte sie um jeden Preis in seine Gewalt bringen.

Die ganze Apachenabteilung zerstreute sich wieder zur langen Linie. Die Indianermustangs waren ausgeruht, während die Tiere der beiden Westmänner, wie der Oberhäuptling sehr wohl wusste, seit drei Tagen fast ununterbrochen in Bewegung gewesen waren. So hoffte er denn, sie würden ihm nicht entkommen, obwohl sie einen Vorsprung von etwa einer Viertelstunde hatten.

Ihre Fährte zog sich als im Mondlicht erkennbarer Strich durch das Präriegras.

Der Große Bär und sechs Apachen jagten auf dieser Spur dahin. Sehr bald jedoch tauchte vor ihnen ein dunkler Streifen auf: ein Wald!

Hier unter den Bäumen mussten die Apachen haltmachen, mussten erst trockenes Reisig zu Fackeln suchen und anzünden. Denn hier war es unmöglich, ohne Beleuchtung eine Fährte zu unterscheiden. Eine volle Stunde verloren die Verfolger hier, bevor sie festgestellt hatten, dass Felsenherz und der Schwarze Panther nach Osten zum jenseitigen Waldrand entlanggeritten waren.

Zu dieser Stunde waren die beiden Westmänner längst über die weit auseinandergezogene Linie der übrigen Apachen hinausgelangt, waren wieder nach Südost eingeschwenkt und trabten an demselben Bach hin, an dem sie vorher gelagert hatten.

»Es müsste merkwürdig sein, wenn wir dort in den Büschen nicht meines Bruders Adlerfedern, meinen Hut und unsere Decken noch vorfinden sollten«, sagte der blonde Trapper, als sie sich der Stelle des missglückten Überfalles näherten. »Die Apachen werden sich keine Zeit gelassen haben, die Sachen aufzuheben. Wo nur Sancho geblieben sein mag? Ich begreife nicht recht, dass ein so kundiger Gambusino wie er die Roten hat so nahe herankommen lassen, dass sie ihn lautlos stumm machen konnten …«

Chokariga zügelte plötzlich seinen Rappen. »Dort steht ein Mann, ein Bleichgesicht, vor den Büschen und winkt«, rief er leise.

»Ah – das ist ein Fremder! Das ist Sancho nicht! Warten wir. Der Mann nähert sich uns, führt seinen Falben am Zügel …«

»Halt, Master«, sagte der blonde Trapper dann, als der Fremde noch dreißig Schritt entfernt war. »Wer seid Ihr? Die Prärien sind oft der Schlupfwinkel für weiße Verbrecher, die aus den Ansiedlungen fliehen mussten.«

»Da habt Ihr den Nagel sozusagen auf den Kopf getroffen!«, erwiderte Tom Piek, denn er war dieser Fremde. »Hinter zwei solchen Gaunern bin ich seit Wochen wie ein zäher Schweißhund her. Mein Name ist Tom Pick, damit Ihr wisst, und Ihr beide seid ohne Zweifel Felsenherz, der Trapper, und der berühmte Häuptling der Comanchen! Habe genug über Euch gehört. Und ich habe gute Augen im Kopf. Bin nämlich drüben jenseits des Missouri in der Stadt Trenton als Polizeimeister angestellt. War selbst früher Fallensteller und kenne mich in der Wildnis aus. Jetzt möchte ich mit den Brüdern Bill und Will Samter, stets die beiden Kojoten genannt, hier ein ernstes Wörtchen reden. Sind üble Burschen, die beiden, haben in Trenton einen Postbeamten ermordet und etwa 80 000 Dollar geraubt.«

Felsenherz und der Comanche ritten nun auf Tom Pick zu, reichten ihm die Hand und ließen sich erzählen, was er in dieser Nacht hier erlebt hatte.

»Oh – die Hauptsache ist, dass ich vorhin die Fährte der beiden Kojoten dort bei jenen Eichen wiedergefunden habe«, meinte Tom Pick gut gelaunt. »Die zweite Hauptsache sind hier Eure Adlerfedern, Häuptling, und Master Felsenherz’ Hut und die Wolldecken. Da – bitte! Ich hob sie dort in den Büschen auf, nachdem die ganze Apachenbande wie toll hinter Euch drein gejagt war.«

Der blonde Trapper schaute den stattlichen Polizeimeister von Trenton nachdenklich an, nachdem er mit Dank seinen Hut und seine Decke entgegengenommen hatte.

»Master Pick«, fragte er darauf. »Habt Ihr drüben bei den Eichen noch die Spur eines dritten Reiters bemerkt?«

»Ja, das stimmt! Die beiden Samter müssen sich hier mit einem Mann zusammengetan haben, der einen Fuchs ritt. Ich fand an einem Dornenstrauch bei den Eichen drei Schwanzhaare eines Fuchses, der hinten den Drehtritt hat.«

»Das ist Sanchos Pferd«, rief Felsenherz. »Chokariga, das Verschwinden des Pferdes des Gambusino von unserem Lagerplatz hat mich gleich so etwas misstrauisch gemacht. Nun wissen wir Bescheid. Er hat uns verlassen!«

»Der Goldsucher wird die Bonanza besuchen«, sagte der Schwarze Panther ernst. »Er mag ahnen, dass ich ihm die Wahrheit vorenthielt!«

Felsenherz klärte Tom Pick kurz über die Bonanza auf. »Wir müssen nun schleunigst den dreien folgen«, fügte er hinzu. »Sancho ist ein Narr, dass er den Brüdern Samter mehr Vertrauen schenkt als uns.« »Sie werden ihn ermorden, wenn sie erst das Gold sicher haben!«, meinte der Polizeimeister nicht minder erregt. »Ja – nach den Guadalupe-Bergen also! Retten wir diesen Leichtgläubigen vor den Verbrechern!«

Gleich darauf sprengten die drei nach Süden davon, indem sie sich auf der breiten Fährte der Apachen hielten, die so ebenfalls von Süden her gekommen waren.

Auf diese Weile erreichten sie, dass ihre Spuren nur schwer in der Menge der Mustangfährten zu erkennen waren.