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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Flusspiraten des Mississippi 6

die-flusspiraten-des-mississippiFriedrich Gerstäcker
Die Flusspiraten des Mississippi
Aus dem Waldleben Amerikas

6. Die Insulaner

In Bachelors Hall ging es munter und lebhaft zu. Um ein großes Feuer gelagert, das in dem mächtigen Kamin loderte, streckten und dehnten sich etwa ein Dutzend kräftiger Gestalten, und die dampfenden Blechbecher, die sie in den Händen hielten oder neben sich stehen hatten, kündeten deutlich genug, wie sie den verflossenen Teil der Nacht verbracht hatten. Ihre Tracht war die gewöhnliche der Bootsleute am Mississippi, und Waffen trugen sie keine – wenigstens keine sichtbar. An den Wänden aber hingen neben den langen amerikanischen Büchsen kurze deutsche Stutzen, französische Schrotgewehre, Pistolen, Bowiemesser, spanische Dolche, Harpunen, Beile und Äxte im Überfluss. Hängematten bewiesen, wie die Insassen dieser Räuberburg sogar einen Teil des früheren Schiffslebens hier fortsetzten und, wenn auch auf festem Land, dennoch den alten Gewohnheiten nicht ganz entsagen wollten.

Zech- und Liebeslieder wurden gesungen, doch immer nur mit halblauter Stimme. Während einige sich noch damit beschäftigten, große Stücke Hirsch- und Truthahnfleisch an der Kaminglut zu schmoren, waren andere emsig bemüht, mit Hacken und Zehen den Takt zu den schnellen Tanzmelodien zu schlagen, die ein breitschultriger Neger mit geübter Hand einer Violine entlockte.

Da öffnete sich die Tür. Den breitrandigen schwarzen Filzhut tief in die Stirn gedrückt, den schlanken Körper mit einer langen Lotsenjacke und weiten Matrosenhosen bekleidet, trat ein kräftiger Mann in den Raum und überflog mit prüfendem Blick die Versammelten.

Es war Richard Kelly, der Captain der Schar. So wild und trotzig diese vom Gesetz verfemten Männer auch wohl sonst dreinschauen mochten, so hörten sie doch, in einem gewissen Grad von Ehrerbietung, vielleicht Furcht oder wenigstens Scheu, augenblicklich zu tanzen auf, als sie den Anführer erkannten, und murrten auch nicht, als er nur mit leichtem Kopfnicken ihren laut gerufenen Gruß erwiderte. Schweigend beobachteten sie ihn, wie er zum Kamin ging und dort erst einige Minuten lang in die knisternde Glut schaute, dann aber, die Hände auf den Rücken gelegt, mit schnellen Schritten auf und ab wanderte.

»Ist das Boot von Helena noch nicht zurück?«, wandte er sich endlich an einen der seinen, der gerade in der Tür erschien.

»Noch nicht, Sir«, erwiderte dieser, »aber ich glaube, ich habe es gehört, als ich eben an den Snags stand und nach ihnen ausschaute. Ich wollte nur fragen, ob vielleicht etwas nach Mississippi hinüber zu besorgen ist, ehe wir das Boot wieder unten in Sicherheit bringen.«

»Das Boot mag gleich über den Snags unter dem Platanenwinkel liegen bleiben«, sagte Kelly und warf sich auf einen für ihn zum Kamin gerückten Stuhl. »Die Pferde müssen noch heute Nacht von Arkansas kommen, denn Jones hat es uns fest versprochen, und nachher dürfen wir sie keinen Augenblick hierbehalten. Drei von euch sollen sie sofort nach Vicksburg schaffen. Das Übrige werdet Ihr dort vom Constable Brooks erfahren.«

»’s ist doch putzig«, meinte einer der Männer lachend, »wie wir die wohllöblichen Gerichtsbarkeiten an der Nase herumführen. Kaum eine Stadt gibt’s hier, im ganzen Westen, wo nicht entweder Constable oder Gefängniswärter, Advokaten oder selbst Postmeister und Friedensrichter unsere Verbündeten und Kameraden sind. Einen Mann in Mississippi oder Arkansas für ein begangenes Verbrechen ins Zuchthaus zu stecken, ist, wenn er zu uns gehört, geradeso gut, als ob man ihn begnadigte. Denkt Euch nun Captain, vor acht Tagen haben sie in Sinkville drüben Tobi, den Einäugigen, sogar zum Staatsanwalt gemacht. Wenn ich nun einmal eine seiner Reden hören könnte!«

Des Captains Züge überflog ein leichtes Lächeln, dann aber wandte er sich plötzlich an den Sprecher und sagte: »Kommt, Blackfoot, ich habe etwas mit Euch zu bereden.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er rasch voran, dem freien, jetzt vom Mondlicht beschienenen Raum zu, der sich zwischen den Gebäuden und nur von wenigen niederen Bäumen beschattet ausdehnte.

»Ja, Blackfoot«, sagte Kelly hier, nachdem der Mann zu ihm getreten war. »Unsere Geschäfte stehen gut, aber wir sind noch nicht genug auf einen äußersten Fall vorbereitet. Zu viele kennen unser Geheimnis, und wenn auch Verrat schwierig und gefährlich sein mag, so ist er doch nicht unmöglich.«

»Ei, zum Henker, wer soll uns denn etwas anhaben?«, meinte der andere höhnisch lachend. »Und wenn man wirklich das ganze Nest entdeckte. Den möchte ich sehen, der uns lebendig finge.«

»Ist das alles, was uns bedroht?«, fragte Kelly. »Und wäre das nicht schon Verlust genug? Ja, ein unersetzlicher Verlust, wenn wir unseres Schlupfwinkels und mit ihm eines Zufluchtortes beraubt würden, wie ihn die Vereinigten Staaten nicht wieder aufweisen können? Nein, Blackfoot, darauf dürfen wir nicht trotzen, ein solcher Fall träfe uns schlimmer als Gefangenschaft. Dieser könnte man sich allenfalls wieder entziehen. Doch, wie dem auch sei, es ist unsere Pflicht, den schlimmsten Fall im Voraus zu bedenken und jede Vorkehrung zu treffen, die von uns getroffen werden kann.«

»Nun, haben wir nicht die Boote, nicht die weiter unten liegende kleine Insel, nicht die Hütte im Sumpf drüben, wohin uns niemand folgen kann, wenn er nicht den richtigen und fast stets unter Wasser stehenden Pfad kennt?«

»Und dennoch genügt das alles noch nicht«, sagte Kelly, nahm bei diesen Worten den großen breitrandigen Hut ab und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar.

Er war eine stattliche Gestalt, dieser Captain der Flusspiraten. Die dunklen Locken umflatterten ihm wild die fein und hoch geformte Stirn. Die großen schwarzen Augen, jetzt von einem kühnen Gedanken belebt, blitzten hell und feurig, und die Oberlippe warf er in Trotz und Hohn auf, während er mehr mit sich selbst redend als zu dem Gefährten gewandt, halblaut vor sich hinmurmelte.

»Sie sollen die trüben Augen vor Verwunderung aufreißen, sie sollen starren und staunen, wenn sie uns einmal recht fest und sicher zu haben glauben, und nun – hahaha – ich sehe schon die dummen, verblüfften Gesichter, wie sie am Ufer stehen und uns nachstarren und dann alle möglichen und erdenklichen Schlussfolgerungen ziehen, wie es hätte werden können, wenn sie nicht ganz so albern und kurzsichtig wie jetzt oder doch überhaupt nur ein klein wenig gescheiter gehandelt hätten.«

»Aber was habt Ihr für einen Plan, darf man ihn nicht wissen?«, fragte Blackfoot, der im Gegensatz zu Kelly von grobknochiger Gestalt war, aber dem Captain treu ergeben. »Ich kann mir gar nicht denken, was Euch auf einmal so Merkwürdiges im Kopf herumgeht.«

»Was ich habe?«, fragte Kelly nach kurzer Pause. »Ihr sollt es wissen. Ich fange an, für unsere Sicherheit besorgt zu werden.«

»Was? Ist ein Verräter unter uns? Habt ihr Verdacht, Captain? Heraus damit! Wer ist die Kanaille?«

»Nicht doch, nicht doch«, sagte Kelly und blickte lächelnd auf das wilde und doch jetzt ängstliche Gesicht Blackfoots. »Die Gefahr ist vorüber, aber sie kann uns sehr bald wieder bedrohen. Ihr wisst, dass Rowson in seiner Todesangst unser Geheimnis enthüllen wollte. Ein Glück für uns war es, dass einesteils die Regulatoren keinen Verdacht geschöpft hatten, andererseits der Indianer mit seiner Eile Rowson daran hinderte, uns zu verraten. Hätte dieser es getan, unsere Zufluchtsstätte wäre jetzt verloren, denn wenn wir selbst auch Zeit behalten hätten, unser Leben in Sicherheit zu bringen, so wäre das auch das Einzige gewesen, was wir hätten retten können, und mit unseren Gütern sähen wir zugleich die Früchte dreijähriger harter Arbeit schwinden. Dem müssen wir begegnen. Eine solche Gefahr darf uns nicht wieder bedrohen, ohne uns besser gerüstet zu finden.«

»Aber wie? Was können wir unternehmen?«, fragte Blackfoot sinnend.

»Viel, sehr viel, und wir müssen tun, was in unseren Kräften steht. So dürfen wir von jetzt an das, was wir in New Orleans für unsere Beute einlösen, nicht mehr hierher schaffen. Wir sammeln am Ende nur für das Pack, das unser Nest aufstöbert. Wir haben Verbündete in Houston in Texas. Dorthin müssen wir alle erbeuteten Waren senden. Trifft uns dann hier Verrat, gut, so haben wir nicht allein einen Ort, wo wir in Sicherheit sind, sondern auch die Mittel, mit denen wir wieder neu beginnen können. Unternehmende Köpfe finden stets Arbeit. Aber selbst das genügt noch nicht. Schneidet uns der Feind den südlichen Pfad zu den Booten ab oder entdeckt er diese gar, so ist auch unser Leben bedroht, denn wenn wir uns wirklich im Fort kurze Zeit halten könnten, so müssten wir dennoch bald einer Übermacht unterliegen.«

»Ja, aber was lässt sich dagegen tun?«, brummte Blackfoot. »Die Geschichte mit Rowson spielte überdies schon vor drei Jahren, und es ahnt doch noch keine Katze, weder in Arkansas noch Mississippi, welche Gesellschaft hier ihr freundliches Ruheplätzchen hat.«

»Dass es drei Jahre so ruhig war«, sagte Kelly ernst, »sollte uns gerade vorsichtig machen. Wir haben die Beispiele an anderen Unternehmungen solcher Art erlebt. Außerdem hat unsere Gesellschaft im letzten Jahr eine Verbreitung erhalten, die es fast nicht mehr möglich erscheinen lässt, dass sie noch lange geheim bleiben kann. Unsere Agenten leben in allen Flussstädten der Vereinigten Staaten, und wie viele werden darunter sein, die, wie eben jener Rowson, im äußersten Fall auch zum äußersten Mittel greifen und die eigene Haut zuerst in Sicherheit bringen würden. Dem wollen wir vorbeugen. Noch gibt es eine Möglichkeit, uns jeder etwaigen Verfolgung entziehen zu können.«

»Und die wäre?«, fragte Blackfoot gespannt.

»Ein Dampfboot«, flüsterte Kelly und beobachtete in den Zügen seines Vertrauten den Eindruck, den dieser Vorschlag auf ihn machen würde.

»Ein Dampfboot?«, wiederholte dieser, von der Kühnheit des Gedankens überrascht. »Ha, das wäre nicht so übel. Pulver und Schwefel, da könnte man ja den Mississippi hinauf und direkt in den Golf von Mexiko hineinsteuern. Bei Gott, ein Dampfboot wollen wir haben, das ist ein kapitaler Einfall. Aber – sollen wir’s kaufen oder auf andere Art an uns bringen? Und wenn wir es haben, wie wird es möglich sein, es stets in unserer Nähe zu halten, was doch unbedingt notwendig wäre? Die Sache klingt vortrefflich, aber, wenn man sie länger überlegt, weiß ich doch nicht, wie sie ins Werk gesetzt werden kann.«

»Und dennoch ist es möglich«, erwiderte Kelly. »Blackfoot, Ihr müsst der Kapitän des Dampfbootes werden, und wir tarnen es als Paketboot, das zwischen Memphis und Napoleon verkehren mag. Das gibt uns zugleich Gelegenheit, unsere Leute in Tätigkeit zu halten und mit den Orten, wo die Unseren wohnen, in engerer Verbindung zu bleiben. Dann bringt es schon unsere Paketlinie mit sich, dass wir hier fortwährend in der Nähe sind, ja wir können sogar tage- und wochenlang vor Anker bleiben, und die vorbeifahrenden Boote werden glauben, wir hätten die Passage an der linken Seite der Insel versuchen wollen und wären auf Sand gelaufen. -Die Bootsleute von Helena haben wohl ihr Fahrzeug gleich unter die Weiden geschafft?«, unterbrach er sich plötzlich.

»Ja – Bolivar ist mit hinunter – sie wollen die Fähre zurückbringen, um die Pferde zu transportieren.«

»Ich wollte, Peter würde ein wenig vorsichtiger sein«, sagte der Captain finster. »Er ist sonst brav und brauchbar, sollte aber doch bedenken, dass er durch seine Tollheiten sich selbst noch einmal um den Hals und uns andere in kaum geringere Verlegenheit bringen könnte.«

»Er überlegt nicht gern«, sagte Blackfoot lachend, »denn Denkzettel hat er doch wahrhaftig schon genug bekommen, der letzte Hieb ins Gesicht war nicht von Pappe. Aber um wieder auf unser Dampfboot zu kommen: Wo kaufen wir das am besten, und wird es nicht überhaupt einen zu großen Riss in unsere Kasse machen?«

»In New Orleans oder noch besser in Cincinnati, glaube ich. Geld ist genug da«, erwiderte der Captain. »Nachrichten zufolge bringt auch Teufels-Bill, wie Ihr ihn nennt, ein reich beladenes Boot aus dem Wabash heraus, auf dem sich besonders viel bares Geld befindet. Von Pittsburg, Cincinnati, Louisville, Shawneetown, Paducah, St. Louis und Memphis sind heute Briefe an mich gekommen, die alle das baldige Eintreffen herrlicher Beute verkünden. Wir wollen von nun an den Wachposten abends verdoppeln, dass wir nicht einmal das Signal versäumen. Die Nächte sind kurz, und vor Tage müssen wir das erbeutete Boot stets am linken Ufer und unter den Weiden halten, sonst könnte doch einmal ein vorbeifahrender Flatbooter Verdacht schöpfen.«

»Und wer soll den Ankauf eines Dampfbootes besorgen?«, fragte Blackfoot. »Wollt Ihr selbst stromaufwärts gehen und es in einer der nördlichen Städte erhandeln, oder soll das einem unserer Kommissionäre überlassen bleiben?«

»Ich selbst würde gehen«, erwiderte Kelly sinnend, »wenn nicht gerade in diesem Augenblick wichtige Dinge meine Aufmerksamkeit zu sehr in Anspruch nähmen. Ich werde wahrscheinlich eine kleine Reise in das Innere des Landes machen müssen. Ist von Simrow noch immer keine Antwort eingetroffen?«

»Nein – sonderbarerweise lässt er nichts von sich hören. In Georgia steckt er noch, so viel weiß ich, und die Nachricht, die er uns kürzlich hat zukommen lassen, lautete günstig, sonst aber kann niemand Auskunft über ihn geben.«

»In Georgia scheint er sehr tätig gewesen zu sein«, sagte Kelly. »Seit der Zeit muss er aber wohl glauben, er habe für sich allein gearbeitet und unsere Hilfe nur so lange benutzt, wie er sie brauchte. Aber dagegen gibt es Mittel – wartet einmal – unseren kleinen amerikanischen Advokaten Broom kennt er ja wohl noch nicht?«

»Nein, ich glaube nicht. Er kam erst vier Wochen später, als jener ans verließ.«

»Gut, Broom soll hinüberreiten. Er mag eins von unseren Pferden nehmen und kann es dort verkaufen. Den Brief, den er mitnehmen wird, will ich Euch morgen früh aushändigen. – Halt, dass ich’s nicht vergesse … in den Sumpf müsst Ihr, ehe die Pferde abgehen, einen Boten schicken. Waterford dort hat andere Arbeit und würde sonst nicht dabei sein. Sind die Bretter an die Landung geschafft?«

»Wie Ihr angewiesen habt – es liegt alles bereit. Aber, was ich Euch fragen wollte, wie ist es denn mit dem Verkauf des Grundstücks in Helena gegangen? Ist unser neugebackener Erbe akzeptiert worden?« »Vortrefflich«, erwiderte Kelly lächelnd, »wir können das Stück nächstens wiederholen – der Plan war herrlich! Er hat viel Geld eingebracht.«

»Und schöpft man keinen Verdacht? Sind die Leute wirklich freundlich genug zu glauben, dass Holk mit Mann und Maus versunken sei und seinen Tod unseren Sündenböcken, den Snags, zu verdanken habe?«

»Gewiss denken sie s«, sagte Kelly verächtlich. »Das Volk drüben könnte ich glauben machen, der Himmel sei nur blau angestrichene Wachsleinwand und die Erde ein Futteral, alte Gebeine aufzubewahren.«

»Hahaha«, lachte der Gauner. »Ein göttlicher Spaß ist das. Es wundert mich auch, dass es mit dem Verkauf der drei letzten Boote in New Orleans gut gegangen ist. Wir hätten sie übrigens doch anmalen sollen. Der Teufel könnte einmal seine Finger im Spiel haben.«

»Ja, es soll auch künftig geschehen«, sagte Kelly sinnend, »Farbe habe ich schon gestern herüberschaffen lassen. Das nächste Boot jedoch, das wir nehmen, mag, wenn die Ladung wertvoll ist, ebenfalls nach New Orleans geschafft werden. Hier ist die Adresse des Kaufmanns, der die Spedition der Güter besorgt.«

»Wer geht von unseren Leuten mit?«

»Schickt, wen Ihr wollt, nur den Neger nicht. Den können wir hier besser gebrauchen. Und halt – noch eins – in Helena ist gestern ein Mann angekommen, der nach Little Rock will, um das Land zu kaufen, das hier gegenüber in Arkansas liegt. Er wird morgen früh von Helena aufbrechen und reitet einen Schimmel.«

»Ist er allein?«

»Nein – der Madrider ist bei ihm und wird das Übrige besorgen. Bis zu Strongs Postoffice müssen die beiden aber zusammen reiten. Der Fremde wird dort nicht übernachten, weil es ihm zu teuer ist. Er will noch das drei Meilen von Strongs entfernte Haus erreichen. Nach zwei Meilen auf der rechten Seite könnte er vielleicht ein Licht sehen – Ihr versteht mich.«

»Schon gut, ich glaube nicht, dass wir auf dem Land drüben belästigt werden. Was soll aber mit dem Mädchen geschehen, das die Burschen gestern eingebracht haben – es ist ganz wie von Sinnen. Ich glaube, das Ding ist verrückt geworden.«

»Die Pest – wer hieß euch die Dirne an Land nehmen«, rief Kelly, unwillig mit dem Fuß aufstampfend. »Gab ich nicht dem Kentuckyer ganz bestimmte Befehle, sie beiseitezuschaffen? Der Bursche wird mir zu eigenwillig. Ich fürchte …«

»Ich traue ihm auch nicht recht!«, flüsterte Blackfoot. »Bolivar hat mich neulich auf ein paar Dinge aufmerksam gemacht, die mir nicht recht gefallen.«

»Der Neger hat ein gutes Auge – er soll schärfer auf ihn achthaben. Sind die beiden entladenen Boote versenkt?«

»Ja, ich habe sie ein paar Meilen stromab geschickt. Es werden sonst zu viel hier in der Nähe.«

»Recht so! Gut wär’s vielleicht, die Trümmer von einem oder zweien dicht an der kleinen Insel hier unten zu zeigen. Das schreckt andere vom Landen zurück.«

»Von dem Dampfboot sagen wir auf der Insel noch nichts?«

»Wir werden es nicht gut verheimlichen können«, meinte Kelly nach kurzer Pause. »Es muss gemeinschaftlich bezahlt werden, und deshalb wollen wir auch gemeinsam darüber beraten. Wo ist denn das Mädchen jetzt?«

»Es war in Nummer zwei, gleich hier oben«, brummte Blackfoot. »Aber Mrs. Kelly hatte Mitleid mit dem armen Ding und nahm es zu sich.«

»Was? Georgine hat die Dirne ins Haus genommen?«, fragte der Captain zornig. »Hölle und Teufel – sie weiß doch, dass ich das nicht haben will. Das Mädchen muss fort, es muss augenblicklich fort, Blackfoot. Du wirst mir Bolivar herschicken. Es sind überdies zu viele Frauen hier. Gibt es etwas, was mich um unsere Sicherheit fürchten lässt, so ist es dieser Umstand. Unsere Gesetze bestimmen sogar, dass nur zwölf Frauen auf der Insel bleiben sollen, und diese Gefangene ist bereits die achtzehnte.« Der Captain ging mit verschränkten Armen und zusammengebissenen Lippen schnellen Schrittes vor der Tür der Halle hin und her, aus der jetzt wieder die leisen Töne der Violine herausdrangen. Seine Aufmerksamkeit wurde aber bald von den aus Helena kommenden Bootsleuten in Anspruch genommen, die in diesem Augenblick hintereinander den schmalen Pfad herankamen und ihren Anführer begrüßten. Dieser aber, ohne den Gruß zu erwidern, fragte ernst und unwillig: »Wo sind die Briefe?«

»Hier, Captain«, sagte Peter oder der Narbige, unter welchem Namen er schon dem Leser bekannt ist, »den Brief hier gab mir der Postmeister zwei Minuten, bevor wir abfuhren.«

Kelly nahm die Papiere an sich und schritt seiner dicht am Speicher liegenden Wohnung zu. Ehe er diese aber erreichte, blieb er noch einmal stehen und sagte, zu Blackfoot gewandt: »Schickt mir den Neger. Und sollten von Arkansas die Pferde noch in dieser Nacht eintreffen, so lasst sie die Nacht ruhen. Morgen früh aber, sobald sie Kräfte genug haben, eine neue Reise anzutreten, müssen zwei von euch nach Osten aufbrechen. Ist Sander nicht mitgekommen?«

Ein junger schlanker Mann mit langen blonden Haaren und blauen Augen, der, wenn ihn nicht jetzt der schwerfällige, trunkene Blick entstellt hätte, für schön hätte gelten können, schwankte vor und sagte lallend: »Captain Kelly … j’ ai l’honneur … ich … ich habe die … habe die Ehre …«

»Schon gut, Sander, leg dich hin und schlaf aus, ich brauche dich morgen früh notwendig. Also gute Nacht.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er zum Haus, in dessen Tür er verschwand.

Die übrigen Männer blieben noch eine Weile in dem inneren Hofraum stehen, und Sander, der augenscheinlich an diesem Abend des Guten zu viel getan, murmelte halblaut vor sich hin, während er die Hände tief in die Taschen schob und der Bachelors Hall zuschwankte.

»Verdammt kaltblütig von Kelly – ich brauche dich morgen früh notwendig – so, Captain? Wirklich?« Er wandte den Kopf und starrte mit seinem glanzlosen, halbtrunkenen Blick nach dem hellen Lichtschein hinüber, der durch jenes verhangene Fenster fiel. »So, Sir? Ihr braucht mich morgen früh notwendig – o jawohl, Sir, ich soll wohl wieder einem armen unglücklichen Mädchen … unglücklichen Mädchen den Kopf verdrehen und das Herz brechen? Ah! Schöne Beschäftigung, das! Außerordentlich schöne Beschäftigung, aber verdammt – ich wünschte der Dame erst vorgestellt zu werden, Gentlemen. Es gibt Momente, Gentlemen …«

»Kommt, Sander!«, sagte Blackfoot und nahm ihn ohne weitere Umstände beim Arm, »wir sind beide müde und wollen zu Bett gehen. Zum Donnerwetter. Mann, bedenkt, dass Ihr sonst morgen verschlafene und trübe Augen habt und bei den Damen leicht Verdacht erregen könntet, Ihr hättet geschwärmt.«

»Ah … certainement … sicher«, lallte der junge Stutzer, »gehen wir denn zu Bett, wir … wir Herzensbezwinger. Wir … Gott Amor soll leben, Blackfoot … Gott Amor soll leben und jedes schöne Gesicht! Aber – du nimmst mir das nicht übel, Blackfoot, wie? Zum Teufel mit solchen Fratzen, wie ihr zwei, du und Peter, zwischen euren Ohren herumtragt. Ich möchte nicht aus solchem Gesicht herausgucken, und wenn der Besitzer Millionen zu verzehren hätte! Bei Gott nicht.«

»Schon gut«, knurrte Blackfoot, und ein boshaftes Lachen zuckte um seine Lippen. »Es können nicht alle solche Schönheit sein wie Ihr. Aber kommt, ich bin müde, wir wollen uns hinlegen. Vielleicht gibt’s morgen früh wieder Arbeit.«

Und ohne weiter die Worte des Betrunkenen zu beachten, zog er ihn energisch der eigenen Schlafstelle zu. Er wollte ihn erst, durch seine Gesellschaft beruhigt, eingeschlafen wissen, damit dieser nicht aufs Neue dem Becher zuspräche und für morgen ganz untauglich würde.