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Die Skalpjäger – Liebe

Die-SkalpjägerThomas Mayne Reid
Die Skalpjäger

Erster Teil
Vierzehntes Kapitel
Liebe

Ich möchte die Geschichte der nächsten zehn Tage in ebenso viele Worte zusammenpressen. Ich möchte euch nicht mit den Details meiner Liebe langweilen – einer Liebe, die im kurzen Zeitraum von wenigen Stunden zu einer tiefen und glühenden Leidenschaft wurde.

Ich war zu jener Zeit jung – gerade in dem Alter, wo die romantischen Ereignisse, welche mir zustießen, und dieses schöne Wesen in meinen Weg warfen, den tiefen Eindruck auf mich machten – in dem Alter, wo das Herz, ohne kalte Berechnungen über die Zukunft anzustellen, sich widerstandslos den elektrischen Eindrücken der Liebe hingibt. Ich sage, den elektrischen; ich glaube, dass in diesem Alter die Sympathien, welche sich zwischen zwei Herzen erzeugen, rein von dieser Art sind.

In einer späteren Periode unseres Lebens verstreut und zerteilt sich diese Kraft, die Vernunft beherrscht sie, und wir werden uns der Fähigkeit bewusst, unsere Neigungen zu übertragen, denn sie haben bereits die Treue gebrochen, und wir verlieren das süße Vertrauen, welches die Liebe unserer Jugend gestärkt hatte. Wir sind entweder gebieterisch oder eifersüchtig, je nachdem die Vorteile zu unseren Gunsten oder gegen uns erscheinen. Eine grobe Legierung verbindet sich mit der Liebe unseres mittleren Lebensalters und vermindert die Göttlichkeit ihres Charakters auf bedauerliche Weise.

Ich konnte das, was ich damals fühlte, meine erste eigentliche Leidenschaft nennen. Ich glaubte, schon früher geliebt zu haben; aber nein, es war nur ein Traum, ein Traum des Dorfschulknaben, der den Himmel in den spröden Augen seiner Schulkameradin sah, oder der vielleicht bei dem Familien-Picknick in einem romantischen Tal die rosigen Wangen seiner hübschen Cousine geküsst hatte.

Ich genas mit einer Schnelligkeit, die den geschickten Arzt in Erstaunen setzte. Die Liebe nährte das Feuer des Lebens. Der Wille bewirkt oftmals die Tat, und Ihr mögt sagen, was euch beliebt; aber ich behaupte, dass er seine Gewalt auf den Körper ausübt. Der Wunsch, wohl zu sein – ein Lebenszweck, sind oftmals die schnellsten Wiederherstellungsmittel; für mich waren sie es.

Ich wurde kräftig und erhob mich von meinem Lager. Ein Blick in den Spiegel verkündete mir, dass meine Farbe zurückkehrte.

Der Instinkt lehrt den Vogel, wenn er sich um sein Weibchen bewirbt, seine Schwingen zu putzen, bis sie den höchsten Glanz erreichen, und ein ähnliches Gefühl machte mich jetzt auf meine Toilette aufmerksam. Mein Mantelsack wurde ausgepackt, meine Rasiermesser herausgezogen, der Bart verschwand von meinem Kinn und der Schnurrbart wurde zu seinen gewöhnlichen Dimensionen beschnitten.

Ich bekenne alles dies. Die Welt hatte mir gesagt, dass ich nicht hässlich sei, und ich glaubte ihr. Ich bin in meiner Eitelkeit ein Sterblicher. Ihr nicht auch?

Bei ihr – bei Zoe – dem Naturkind in seiner vollkommenen Unschuld – gab es keine solche Einbildung. Die Kunstgriffe der Toilette kamen ihr nie in den Sinn. Sie wusste nichts von der Anmut, welche ihr die Natur mit so verschwenderischer Hand verliehen hatte. Noch niemand hatte ihr etwas von ihrer Schönheit gesagt. Ich hatte die seltsame Tatsache erfahren, dass ich, mit Ausnahme ihres Vaters, des alten Botanikers und der Pueblo-Peonen, der Diener des Hauses, die einzige Person meines Geschlechts gewesen war, die sie seit ihrer frühen Kindheit gesehen hatte. Jahre lang hatte sie mit ihrer Mutter in der Abgeschiedenheit ihres Hauses – einer Abgeschiedenheit, die ebenso ununterbrochen war, wie die eines Klosters – gelebt. Alles dies war rätselhaft, und erst später erfuhr ich die Lösung.

Ihr Herz war also ein jungfräulich reines und fleckenloses, ein Herz, in dessen holden Traum das Licht der Liebe seine Strahlen noch nicht geworfen, gegen dessen heilige Unschuld der Liebesgott noch keinen einzigen Pfeil abgeschossen hatte!

Gehörst du zu meinem Geschlecht? Hast du je gewünscht, der Herr eines Herzens, wie dieses, zu werden? Wenn du diese Fragen bejahend beantworten kannst, so sage ich dir – was du vielleicht noch gut in deinem Gedächtnis hast, – dass alle Anstrengungen, die du gemacht hast, um dieses Ziel zu erreichen, vergeblich waren. Du wurdest augenblicklich geliebt, oder nie! Das jungfräuliche Herz lässt sich nicht durch die Feinheiten des Hofmachens gewinnen. Es hat keine halben Neigungen, die einer zärtlichen Bewerbung von deiner Seite weichen. Der Gegenstand zieht es entweder an oder stößt es zurück, und der Eindruck ist schnell wie das Zucken eines Blitzes. Es ist der Wurf eines Würfels: Du hast gewonnen oder verloren. Wenn das Letztere der Fall ist, so tust du am besten, abzustehen. Keine Anstrengung vermag das Hindernis zu überwinden und die Empfindung der Liebe hervorzubringen. Freundschaft kannst du erwerben – Liebe nie! Keine Koketterie von deiner Seite vermag das Herz eifersüchtig zu machen. Keine Gunstbezeugungen, die du verleihen kannst, vermögen es zur Liebe gegen dich zu bewegen. Du magst Welten unterjochen können, aber sein geheimes, stilles Pulsieren nicht beherrschen. Du kannst der Held von Tausenden sein, und doch wird der, dessen Bild in jenes kleine Herz geworfen ist, sein Held, und für dasselbe edler und höher sein als alle anderen! Das holde junge Geschöpf – dessen Eigentümerin – wird völlig die Seine sein, wie niedrig, wie wertlos er auch sein mag. Bei ihr wird es keine Zurückhaltung, kein Vernünfteln, keine Vorsicht, keine List geben. Sie wird nur den geheimnisvollen Einflüsterungen der Natur weichen. Unter ihrem Einfluss wird sie ihr ganzes Herz an dem Altar binden, selbst wenn sie weiß, dass er ein blutendes Opfer daraus machen wird!

Ist es bei dem gereifteren – oft angegriffenen Herzen – bei der Ballsaalschönen – der Kokette, auch so? Nein. Wenn du auch hier zurückgewiesen wirst, brauchst du noch nicht zu verzweifeln. Du kannst versteckte Eigenschaften besitzen, welche die Runzeln von der Stirn verscheuchen und das Lächeln auf das Gesicht zaubern. Du kannst große Taten verrichten, du kannst Ruhm erwerben, und die Geringschätzung, welche dich einst zurückgewiesen hat, kann zur Demut vor deinen Füßen werden. Dennoch ist dies vielleicht auch Liebe – und zwar starke Liebe, die sich auf Bewunderung einer intellektuellen, oder vielleicht körperlichen Eigenschaft gründet, als deren Besitzer du dich erwiesen hast. Es ist eine Liebe, die von der Vernunft, und nicht von dem rätselhaften Instinkt, welcher das Herz beherrscht, geleitet wird. Auf welche von diesen Lieben bauen die Männer den höchsten Triumph? Auf welche sind sie am stolzesten? Auf die Letzteren leider! Und der, welcher uns geschaffen hat, mag das Warum sagen. Aber ich habe nie einen Mann gesehen, der nicht eher wegen der Schönheit seines Körpers, als der Vortrefflichkeit seines Geistes geliebt werden möchte! Ihr mögt mich wegen dieser Behauptung tadeln, Ihr mögt sie ableugnen, aber sie ist wahr! O, es gibt keine süßere Freude, keinen höheren Triumph, als ob wir die bebende, kleine Gefangene, deren Herz in dem reinen Pulsschlag einer jungfräulichen Liebe klopft, an unsere Brust gezogen haben.

Dies sind später gekommene Gedanken. Ich war zu der Zeit, von welcher ich schreibe, zu jung, um so vernünfteln zu können, zu wenig in der Diplomatie der Liebe erfahren, und doch zogen eine Menge von Gedanken durch meinen Geist. Ich ersann eine Anzahl von Plänen, um zu entdecken, ob ich geliebt werde.

Im Haus befand sich eine Gitarre. Ich hatte sie auf meiner Universität spielen gelernt, und ihre Musik erfreute sowohl Zoe als ihre Mutter. Ich sang ihnen die Lieder meines Vaterlandes – Lieder der Liebe – vor und beobachtete mit pochendem Herzen, ob meine glühenden Worte einen Eindruck auf sie hervorbrachten. Mehr als einmal legte ich das Instrument mit Gefühlen getäuschter Hoffnung beiseite.

Von Tag zu Tag zogen immer seltsamere Reflexionen durch meinen Geist. Konnte es wahr sein, dass sie noch zu jung war, um die Bedeutung des Wortes Liebe zu verstehen? Zu jung, um eine Leidenschaft zu empfinden? Sie war erst zwölf Jahre alt. Aber sie war das Kind eines sonnigen Klimas, und ich hatte in diesem Alter oft unter dem warmen Himmel von Mexiko verheiratete Frauen und zärtliche Mütter gesehen!

Wir waren täglich allein beisammen. Der Botaniker beschäftigte sich mit seinen Studien, und die schweigsame Mutter mit den Pflichten ihrer Hausführung. Die Liebe ist nicht blind. Für die ganze übrige Welt mag sie es sein, aber für ihren Gegenstand ist sie wachsam wie der Argus.

 

***

 

Ich war im Gebrauch des Bleistifts geschickt und unterhielt meine Gefährtin mit Skizzen auf Papierstückchen und den weißen Blättern ihrer Noten. Viele davon waren die Gestalten von Frauen in verschiedenartigen Stellungen und Kostümen. In einer Beziehung waren sie einander ähnlich – ihre Gesichter waren gleich!

Das Kind hatte, ohne den Grund zu erraten, diese Eigentümlichkeit der Zeichnungen bemerkt.

»Wie kommt das?«, fragte sie eines Tages, als wir beisammen saßen. »Diese Damen sind alle in verschiedenem Kostüm, gehören sie nicht auch verschiedenen Nationen an? Und doch sind ihre Gesichter alle einander ähnlich. Sie haben alle dieselben Züge – ja, genau dieselben!«

»Es ist Ihr Gesicht, Zoe. Ich kann kein anderes zeichnen.«

Sie erhob ihre großen Augen und heftete sie mit einem Ausdruck unschuldiger Verwunderung auf mich. Errötete sie? Nein!

»Ist das mir ähnlich?«

»Ja, so gut ich es zu zeichnen vermag.«

»Und warum zeichnen Sie keine anderen Gesichter?«

»Warum? Weil ich – Zoe, ich fürchte, dass Sie mich nicht verstehen würden.«

»O, Enrique, halten Sie mich für ein so unverständiges Mädchen? Verstehe ich nicht alles, was Sie mir von den fremden Ländern, wo Sie gewesen sind, erzählen? Ich kann doch sicherlich dies ebenso gut begreifen!«

»Nun, so will ich es Ihnen sagen, Zoe …«

Ich beugte mich mit glühendem Herzen und bebender Stimme vorwärts.

»Es kommt daher, weil – Ihr Gesicht beständig vor mir steht – ich kann kein anderes malen. Es kommt daher – dass – ich Sie liebe, Zoe!«

»O, ist das der Grund? Und wenn Sie eine Person lieben, so steht ihr Gesicht vor Ihnen, mag die Person selbst nun gegenwärtig sein, oder nicht? Ist das nicht so?«

»Es ist so«, antwortete ich mit einem peinlichen Gefühl getäuschter Erwartung.

»Und – ist das Liebe, Enrique?«

»Ja!«

»Dann muss ich Sie lieben, denn überall, wo ich auch bin, kann ich Ihr Gesicht ganz deutlich vor mir sehen! Wenn ich den Bleistift ebenso gut zu gebrauchen verstände wie Sie, so bin ich überzeugt, dass ich es zu malen vermöchte, wenn Sie auch nicht in meiner Nähe wären. Denken Sie, dass ich Sie liebe, Enrique?«

Keine Feder würde imstande sein, die Gefühle, welche mich in jenem Augenblick durchbebten, zu beschreiben. Wir saßen nebeneinander, und das Blatt, auf welchem die Skizzen waren, wurde von uns gemeinschaftlich gehalten. Meine Hand wanderte über die Oberfläche, bis die widerstandslosen Finger meiner Nachbarin von den meinen umfasst waren, eine glühende Empfindung folgte der elektrischen Berührung, das Papier fiel zu Boden, und mit stolzem, aber bebendem Herzen zog ich die nachgiebige Gestalt an mich.

Sie leistete keinen Widerstand – unsere Lippen begegneten sich im ersten Kuss, im Kuss gegenseitiger Liebe. Ich fühlte, wie ihr Herz pochte und wogte, als sie an meiner Brust lag. O Freude, Freude! Ich war der Herr jenes kleinen Herzens.