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Romantruhe-Western Band 2

John Gray
Romantruhe-Western Band 2
Gatos Krieg

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, Mai 2016, 72 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Firuz Askin
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Texas Ranger Tom Cadburn hat diesmal einen besonders riskanten Auftrag. Er soll den Apachenhäuptling Gato überreden, sich mit seinem Stamm zu ergeben und in die Reservation zu ziehen. Die letzten Wochen über ist viel Blut geflossen, und die Lage darf nicht weiter eskalieren. Tom Cadburn weiß, dass dieser Krieg nur deswegen entstanden ist, weil Gatos Stamm in die Enge getrieben und seine Familie getötet wurde. Aber jetzt soll es endlich Frieden geben.

Damit ist jedoch Colonel Harriman nicht einverstanden. Der machtbesessene Offizier will den Krieg auf seine Weise beenden – indem er die Apachen so lange jagt, bis der Letzte von ihnen getötet worden ist. Er hat jedoch nicht mit der Entschlossenheit Tom Cadburns gerechnet, der sich von Harriman nicht aufhalten lässt. Und das gilt erst recht nicht für Old Joe und Sam …

Leseprobe

Er lief mit dem Wind. Sein geschmeidiger Leib dehnte und streckte sich, und die Spannung seiner Muskeln erzeugte in ihm ein kribbelndes Glücksgefühl. Jäh klang ein helles, lang gezogenes Jaulen durch die Nacht. Er blieb stehen, duckte sich, zog die Lefzen hoch und knurrte. Da war das Jaulen wieder. Je­der hätte sich täuschen lassen. Jeder. Er nicht. Er wusste sofort, dass es nicht aus der Kehle eines Wolfs kam, sondern von einem Menschen stammte.

Sam streckte sich im hohen Gras aus.

Sein Herz schlug schnell. Er sog den würzigen Duft der Wildnis tief ein, der über die Prärie trieb. Blühender Salbei, Teufelsbirne, Büffelgras und der Geruch tausend anderer Dinge vereinigte sich. Das war der Duft der Freiheit.

Über ihm stand voll und rund die silbrige Scheibe des Mondes, dessen fah­les Licht sich in seinen dunklen Augen spiegelte. Der Anblick des Mondes versetzte ihn in eine wilde und nur schwer zu unterdrückende Erregung, die nur ein Wolf empfinden kann.

Sam knurrte unwillig, rührte sich aber nicht vom Fleck, obwohl der Wunsch in ihm zu laufen, bis zur totalen Erschöpfung dahinzujagen, nahezu übermächtig wurde. Seine Lauscher zuckten hin und her.

Wieder hörte er den falschen Wolfsruf, dann nahm er ein dumpfes Pochen wahr. Seine Aufmerksamkeit wuchs. Kein Geheimnis der Wildnis war ihm fremd, aber er wusste, dass er Menschen gegenüber sehr vorsichtig sein musste. Menschen in der Wildnis waren die schlimmsten Raubtiere.

Das Pochen verstärkte sich. Sams Nackenhaare richteten sich auf. Er wand­te den großen, edel geformten Kopf und schaute zum Fluss. Der breite Strom spiegelte sich wie flüssiges Erz im Mondlicht.

Auf dem gegenüberliegenden Ufer tauchten die Reiter auf. Sie glichen Schattenrissen. Als sie ihre kleinen, stämmigen Ponys in den Fluss trieben, gischtete das Wasser silbern auf. In langer Reihe durchfurteten sie den Strom. Als sie die Böschung hochritten, zog Sam den Kopf tief ein. Er sah sie vorbeireiten. Der strenge Geruch der Pferde trieb herüber. Seitlich von ihnen tauchte ein weiterer Reiter auf, der sich der Gruppe anschloss. Er musste den Wolfsruf ausgestoßen haben.

Sam blickte ihnen nach. Sein Jagdinstinkt erwachte. Er sprang auf und folg­te ihnen. Sie ritten nach Norden. Sam hielt Abstand. Er fühlte sich wieder sicher. Sein Temperament kehrte zurück. Er gab sich seinen Instinkten hin, der Lust am Laufen, der unbändigen Kraft seines muskulösen, geschmeidi­gen Körpers. Seine Wachsamkeit aber ließ nie nach.

Und je weiter er den Reitern folgte, desto mehr wuchs seine Erregung. Er ahnte Kampf und Gefahr, und die Gedanken daran wirkten belebend auf ihn. Irgendwann sah er die Umrisse von Hütten auftauchen.

Sam blieb stehen. Die Reiter vor ihm schwärmten plötzlich aus. Sie began­nen zu schießen. Die peitschenden Detonationen fuhren ihm bis ins Mark. Kehlige Schreie ballten durch die Nacht. Sam fühlte die Anspannung in sich wachsen. Er wusste nicht, warum dort7vor ihm gekämpft wurde, aber seine Lust, sich zu beteiligen, war groß.

Feuer zuckten auf. Erst eines, dann zwei, drei. Schreiende Menschen rann­ten hin und her. Sam knurrte leise. Er hasste Feuer. Es gehörte zu den Din­gen, gegen die er machtlos war, genau wie die Gewehre der Menschen. Die Indianer preschten um die Feuer herum. Ihre bronzefarbenen Körper glänzten vor Schweiß in den hochlodernden Flammen. Unvermittelt wandten sie sich wieder nach Süden. Sam duckte sich tief ins Gras. Die Indianer don­nerten in vollem Galopp davon.

Sam folgte ihnen nicht mehr. Er behielt die brennende Farm im Auge, wäh­rend die Reiter in der Nacht verschwanden.

Noch immer hörte er ab und zu Schreie, aber er widerstand der Versuchung, sich den brennenden Hütten zu nähern. Er spürte die Gefahr, die dort lauerte, eine Gefahr, der er nicht gewachsen war, trotz seiner Kraft und seiner Klug­heit. Nach einiger Zeit hörte er erneut Hufschlag. Diesmal von Norden. Es waren andere Männer als die vom Fluss, die jetzt in der Nacht auftauchten. Sie ritten andere Pferde, saßen anders in den Sätteln und waren anders ge­kleidet.

Sam nahm ihre Witterung auf – es waren Weiße. Der Unterschied war für ihn groß. Die Indianer hatte Sam als Teil der Wildnis empfunden. Mit ihnen fühlte er sich in gewisser Weise verwandt. Die weißen Reiter dagegen gefie­len ihm nicht. Sie waren für ihn gefährlicher und unberechenbarer. Er zog den Kopf ein. Sie ritten zu den brennenden Gebäuden und versuchten, das Feuer zu löschen. Es gelang ihnen nicht. Sie rissen einige Hütten ein, und bald wurden die Flammen kleiner. Scharfer Brandgeruch und der Gestank von verkohltem Holz wehten herüber.

Mehrere der Reiter preschten plötzlich nach Süden. Sam hatte lange genug gewartet. Er musste verschwinden. Die Reiter kamen ihm zu nahe. Sein kraftvoller Körper explodierte. Er sauste aus dem Stand los. Tief ge­duckt fegte er über die Prärie. Er jagte auf den Fluss zu. Der Hufschlag wur­de immer lauter, wurde zum donnernden Stakkato.

Plötzlich krachten Schüsse. Sie galten ihm. Die Reiter hatten ihn entdeckt. Er fühlte Wut in sich hochschießen, und wieder bestätigten sich seine Erfah­rungen, dass weiße Männer in der Wildnis auf alles schossen, was ihnen vor die Mündung geriet; ohne Notwendigkeit, ohne jeden Grund. Er rannte wei­ter. Sein Körper streckte sich. Seine Pfoten berührten kaum noch den Boden. Obwohl sein seidiges schwarzes Fell ihn zu einem Teil der Nacht werden ließ, war er schemenhaft zu erkennen. Die Reiter schrien und feuerten. Sam fühlte die Kugeln hoch über sich hinwegstreichen. Rechts und links von ihm schlugen die Projektile in den Boden ein und zerfetzten die Gras­narbe. Sam schob den Kopf vor und rannte, bis es hinter ihm still wurde. Ir­gendwann war er wieder allein. Aber der Zauber der nächtlichen Wildnis, der ihm vorher Kraft eingeflößt hatte, war dahin.

Sam erreichte ein Gehölz und ließ sich flach auf den Bauch fallen. Er legte den Kopf auf die Pfoten, während sein Herzschlag sich beruhigte. Seine Wachsamkeit erlahmte nicht. Obwohl seine innere Spannung nachließ, re­gistrierte er jeden Windhauch, jedes Rascheln im Unterholz. Er hörte die Maus, die in seiner Nähe vorbeihuschte, und den Vogel, der nahezu lautlos hoch über ihn hinwegschwebte. Er bemerkte auch den Präriehasen, der durch das Gras hoppelte, und für einen Moment zuckte es in seinen Pfoten, aber er blieb liegen. Nach und nach kehrte das Gefühl der Freiheit zurück, das Wis­sen, dass er allein war und dass die Nacht und die Wildnis ihm gehörten, ihm, dem Wolfshund.

Die Wildnis lockte ihn mit unwiderstehlicher Macht. So würde es immer sein. Er hob den Kopf und heulte den Mond an.

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung der Romantruhe