Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Slatermans Westernkurier 10/2016

the-hold-up-20-miles-to-deadwoodHold up!

Auf ein Wort, Stranger, denn dieser Begriff ist zweideutig.

Hold Up bedeutet zum einen, dass eine Postkutsche, Eisenbahn oder Bank überfallen und ausgeraubt wird, zum anderen stehen diese beiden Wörter in der Cowboysprache für ein kleines Rudel zahmer Rinder, das man in einem Corral mit eingefangenen Wildrindern brachte, damit sie diese günstig beeinflussen sollten.

Wir wenden uns natürlich der ersten Bedeutung zu, auch um aufzuzeigen, dass sich Verbrechen dieser Art schon damals nicht gelohnt haben.

Eisenbahn- und Banküberfälle waren schon relativ früh aus dem Wilden Westen nicht mehr wegzudenken, aber ihre Anzahl war nichts gegen die Flut der Postkutschenüberfälle, die so zahlreich waren, dass sie in manchen Gegenden fast schon zum Tagesablauf gehörten.

Der Grund war relativ einfach.

Bei einem Banküberfall mussten die Gesetzlosen immer damit rechnen, dass sie mit etwas Pech außer den Bankangestellten auch die halbe Stadt als Gegner hatten, aufgebrachte Bürger, die ihre Ersparnisse mit Waffengewalt zu verteidigen wussten. Außerdem konnte der hiesige Sheriff vor Ort relativ schnell ein großes Aufgebot zusammenstellen, das zudem über ausgeruhte Pferde verfügte. Bei einem Eisenbahnüberfall war die Ausgangsposition ähnlich. Auch hier gab es relativ viele Beteiligte. Da das Schienennetz größtenteils neben der Telegrafenleitung verlief, war auch hier die Zeitspanne, bis Verstärkung heran war, äußerst gering. Ganz anders verhielt es sich dagegen bei einem Postkutschenraub.

Hier hatten es die Verbrecher, wenn man vom Kutscher und seinem Begleitfahrer absah, mit höchstens 11 Personen zu tun. Mehr als acht oder neun Passagiere fasste auch die größte Concord- Kutsche nicht. Eine Verfolgung war erst nach Stunden oder Tagen möglich, da die Kutschen zumeist durch unbesiedeltes Gebiet fuhren und in der Einöde regelrecht festsaßen, sobald man die Gespannpferde erschossen hatte.

Deshalb ist die Liste aller bekannten Postkutschenräuber auch ziemlich lang. Die Erwähnung jedes einzelnen würde den Umfang dieser Kolumne sprengen, darum möchten wir hier nur einige wenige erwähnen, die es auf die eine oder andere Art fertig gebracht haben mit ihrem Hold up einen zweifelhaften Ruhm zu erringen.

Dabei wird von brutalen Burschen und eiskalten Mördern ebenso zu lesen sein, wie von tragischen Figuren, skurrilen Typen und lustigen Gesellen.

***

Einer von ihnen war der Mann, den alle nur Big Nose George nannten.

Er hatte sich im Goldland zwischen Montana und Wyoming relativ schnell einen Namen als rücksichtsloser Verbrecher gemacht. Es war, wie könnte es anders sein, ein Postkutschenüberfall, der seiner ebenso kurzen wie steilen Karriere als Gesetzesloser ein jähes Ende bereitete, deshalb auch seine Erwähnung in dieser Kolumne.

Im Frühjahr 1880 überfiel er in Montana die Mittagskutsche zwischen Miles City und Bismarck. Ein Kumpan hatte ihm erzählt, dass in dieser Kutsche ein gewisser Issac Katz saß, der die Absicht hatte, im Goldland ein Bekleidungsgeschäft zu eröffnen. Zu diesem Zweck trug Katz, den alle nur Ikey nannten, etliche tausend Dollar bei sich, die alle in seiner Jacke eingenäht waren.

Der Überfall gelang.

Aber nachdem sein Kumpan aufgeflogen war, landete auch George relativ schnell hinter Gittern.

Bekannt wurde er durch zwei Dinge.

Eines davon war das Ölgemälde des berühmten Westernmalers C. M. Russell, der nach Augenzeugenberichten 1899 die Szene des Überfalls in einem 30 x 48 Inch großen Bild mit dem Titel The hold up 20 miles to deadwood festhielt. Das andere war der Umstand, das ihn nach seiner Verhaftung ein wütender Mob aus dem Gefängnis von Rawlins, Wyoming, holte, ihn lynchte und aus seiner Haut ein Paar Damenhandschuhe und eine Reitpeitsche fertigen ließ.

Ein ganz anderes Kaliber dagegen war Milton Sharp, der jahrelang das Grenzgebiet zwischen Nevada und Kalifornien in Atem hielt.

Das Besondere an ihm war, dass er seine Hold up stets gut gekleidet ausführte, gute Manieren und eine kultivierte Ausdrucksweise besaß. Er verabscheute jegliche Gewalt und raubte niemals Frauen, geistliche oder körperlich gebrechliche Menschen aus.

Er war eine lebende Legende bis zu jenem schicksalhaften 5. September 1880.

An diesem Tag endete sein Ruf als König der Postkutschenräuber ebenso abrupt, wie das Leben seines Partners Bill Jones, den der Kutscher Mike Tovey während eines Hold up erschossen hatte.

Nach dem Tod von Jones klebte ihm das Pech förmlich an den Stiefeln.

Bereits im Winter desselben Jahres wurde ihm, dem ehemals Unfassbarem, bei einem weiteren Überfall das Pferd unter dem Hintern weggeschossen, und er musste zu Fuß durch den Schnee fliehen. Geschwächt von Hunger und Kälte stellte er sich wenige Wochen später völlig entkräftet den Behörden. Er wurde daraufhin zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Nachdem etliche Gnadengesuche abgelehnt wurden, floh er 1889 aus dem Gefängnis und wurde 4 Jahre später von James Hume und seinen Wells Fargo Sicherheitsagenten gefasst. Da Sharp in dieser Zeit allerdings bei den Rangern gearbeitet hatte, überdachte Hume seine Haltung gegenüber dem ehemaligen Postkutschenräuber und setzte sich für ihn vor Gericht ein. Milton Sharp wurde begnadigt und arbeitete fortan als erfolgreicher Geschäftsmann.

Allerdings hat er bis zu seinem Tod nie verraten, wo er die Beute aus über 20 Überfällen versteckt hatte. 1910 fanden die Gebrüder Hess in den Hügeln um Bodie kleinere Geldmengen aus der Beute, aber bis heute noch sind über siebzig Prozent des geraubten Geldes immer noch irgendwo an der Grenze zwischen Kalifornien und Nevada vergraben.

***

Myra Belle Shirley hingegen, von Romanautoren sowohl der damaligen wie der heutigen Zeit als Banditenkönigin glorifiziert, die mit ihrer Bande verwegene Überfälle auf Postkutschen und später auch auf Eisenbahnen ausgeführt haben soll, ist lediglich das Phantasieprodukt dieser Schreiber. Nichts von ihren Hold up ist wahr. Es ist historisch lediglich belegt, dass sie fünfmal von Richter Parker wegen Viehdiebstahl zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde, dass sie von Cole Younger, einem berüchtigten Verbrecher, der Seite an Seite mit Jesse James geritten war, eine Tochter hatte, sechsmal verheiratet war und am 1. Februar 1889 von einem Heckenschützen aus dem Sattel geschossen wurde.

Sam Bass hingegen war mit seiner Bande als Postkutschenräuber in den Jahren zwischen 1876 und 1878 sehr erfolgreich. Aber auch ihn ereilte das Schicksal der meisten Postkutschenräuber. Von Texas-Rangern gestellt wurde er am 20. Juli 1878 in Round Rock erschossen.

Der lustigste Geselle dieser Gilde war zweifellos Black Bart, der Poet. Seine Bekanntheit beruhte nicht nur auf seinen weit über 30 Überfällen, mit denen er Wells Fargo fast in den Wahnsinn trieb, sondern auch seine gewählte Ausdrucksweise, die Tatsache, dass bei seinen Überfällen nie jemand zu Schaden kam und dass er am Tatort immer einen kleinen Zettel mit einem Gedicht hinterließ.

Sein bürgerlicher Name war Charles E. Boles und seine Karriere als Postkutschenräuber endete wegen einem Taschentuch. Am 3. November 1883 wurde er bei seinem letzten Hold Up nahe der Stadt Cooperopolis vom Kutscher angeschossen. Bei seiner Flucht hinterließ er einige persönlich Sachen wie seine Brille und ein Taschentuch mit Wäschereisiegel. Dieses Siegel der Ferguson & Biggs California Wäscherei aus San Francisco überführte ihn schließlich.

Den Abschluss der illustren Runde bildet Pearl Hart, die dafür geradezu prädestiniert ist.

Pearl Hart war nicht nur die einzige Frau, von der man wusste, dass sie eine Postkutsche überfallen hatte, sondern ihr Überfall war auch gleichzeitig der letzte Überfall auf eine Postkutsche im Wilden Westen.

Man schrieb das Jahr 1899, als sie mit einem Komplizen namens Joe Boot die Kutsche zwischen Florence und Globe, Arizona überfiel.

Ihre Beute war 450 Dollar, das Urteil, nachdem man sie bereits wenige Tage später gefasst hatte, 5 Jahre Gefängnis.

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal wenn es wieder heißt:

Auf ein Wort Stranger

Quellenhinweis:

(slaterman)