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Felsenherz der Trapper – Teil 9.5

Felsenherz-der-Trapper-Band-9Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 9
Die belagerte Hazienda
Fünftes Kapitel
Der Reiter der Hazienda

Die drei Boote der Apachen wurden durch Befehle, die ihnen der Große Bär vom Ufer zurief, wieder näher an die Halbinsel geschickt und kümmerten sich um den umgeschlagenen Nachen nicht weiter, der langsam, von niemand beachtet, dem Nordufer zutrieb, wo die berittenen Krieger längst wieder verschwunden waren.

Hier am nördlichen Ufer reichten die Büsche und einzelne Felsen bis dicht an das Wasser heran. Der Nachen stieß auf den Ufersand, lag still.

Doch nur ein paar Minuten blieb der kleine Kahn so regungslos. Dann wurde er vorsichtig gelüftet, und in dem hier herrschenden Dunkel konnte man nun eine Gestalt undeutlich erkennen, die sich lautlos in die Büsche schob und hinter sich an einem Strick das Fässchen Pulver nachzog.

Es war Felsenherz, der kühne, listige Trapper, dessen Vorhaben bisher ganz nach Wunsch geglückt war.

Nachdem er sich überzeugt hatte, dass sich hier keine Feinde befanden, nahm er das Fässchen Pulver auf und schlich tief gebückt die Uferböschung höher hinauf.

Über ihm durchzuckten wie feurige Schlangen häufige Blitze das tiefschwarze Firmament. Jedem Blitz folgte ein ohrbetäubender Donnerschlag. Noch regnete es nicht. Aber die völlige Windstille deutete auf das baldige Losbrechen einer wahren Sintflut hin.

Felsenherz beeilte sich, den Ort zu finden, den er sich als Ziel bestimmt hatte. Dieses Ziel war jenes Tal hier nahe am Seeufer, wo das Erdöl angesammelt und durch Mauer und Damm aufgestaut worden war.

Leider verstrichen gut fünf Minuten, bevor er, hauptsächlich durch den scharfen Petroleumgeruch geleitet, das Tal entdeckt hatte, das etwa fünfzig Meter vom Rand der Uferböschung entfernt lag. Es zog sich nach Norden zu hin und war bedeutend höher als der See gelegen. Der Staudamm aber befand sich auf der Südseite des Tales, so wie Benito dies angegeben hatte.

Gerade als der junge Trapper nun den Damm untersuchte, begann der Regen mit voller Gewalt herabzustürzen.

Und – kaum hatte dieser Wolkenbruch eingesetzt, als auch schon von der Halbinsel die ersten Schüsse erklangen, dem ein wildes Gebrüll der angreifenden Apachen folgte. Felsenherz grub schon mithilfe seines Jagdmessers in den Damm ein tiefes Loch, schob dann das Fässchen Pulver hinein, das bis an die Mauer reichte, die der Trapper so freigelegt hatte.

Sein Tomahawk schlug den Deckel in Stücke. Das Pulver rieselte heraus. Kein Regentropfen traf bis in diese Aushöhlung des Staudammes hinein.

Bald sprühte auch die Zündschnur auf, von der Felsenherz nur ein kaum handlanges Stück benutzte. Er wusste, dass dieses Stück in fünf Minuten verbrannt sein würde. Dann musste das Pulver explodieren, dann …

Da – wie er so vor dem Loch noch kniete und die Zündschnur zurechtlegte, da fühlte er sich plötzlich von hinten gepackt, wurde niedergerissen. Nicht weniger als acht Apachen, eine Streifwache, die der Große Bär um den See geschickt hatte, rangen den bärenstarken Mann nieder, hingen an ihm wie die Meute Hunde, die einen Keiler gefasst hat und sich an ihm festbeißt.

Ein furchtbares Ringen entstand. Der Trapper wehrte sich mit verzweifelter Kraft. Dieses wirre Knäuel von menschlichen Leibern, in steter Bewegung gehalten durch die ungeheure Stärke des weißen Mannes und seine körperliche Gewandtheit, diese Lawine von keuchenden, ringenden Körpern glitt den Damm abwärts und kollerte fast bis zur Uferböschung hin.

Lebend wollten die Apachen ihren Feind haben, lebend wollten sie ihn vor ihren Häuptling schleppen. Ruhm wollten sie ernten für die Überwältigung des gefürchteten Gegners, Ruhm und die Belohnung, die ihnen sicher war, wenn es ihnen gelang, Felsenherz gesund an den Marterpfahl zu bringen, der drüben im Lager bereits für Chokariga, den Schwarzen Panther, und für die Vaqueros errichtet worden war.

Doch der Trapper machte es ihnen wahrlich nicht leicht, ihn auch nur einen Moment festzuhalten, damit man ihm die Schlingen um Füße und Hände werfen könne. Nein, noch nie hatte er so nachdrücklich von seiner Riesenkraft Gebrauch gemacht. Bald schleuderte er gleichzeitig dreh vier Rothäute von sich, teilte mit der Faust blitzschnelle Hiebe aus.

Dann rutschte das Knäuel hasserfüllter Leiber abermals tiefer.

Und Felsenherz schlug so unglücklich mit dem Hinterkopf auf einen Stein, dass er für Sekunden kraftlos dalag.

Ein förmliches Bündel von Blitzen erhellte trotz des Regengusses die Umgebung. Der Trapper sah über sich die verzerrten Gesichter dreier Apachen, spürte die Riemen, die seine Handgelenke zu umschnüren begannen.

Da war er bereits wieder Herr seiner Sinne, riss die Arme empor.

Ein neuer Blitz.

Eine um seinen Hals gelegte Lassoschlinge wurde nun mit einem Ruck zugezogen, während er sich umsonst bemühte, die Hände wieder freizubekommen.

Er sah sich verloren. Vier Apachen knieten auf seiner Brust, drückten ihm fast die Rippen ein.

Und flogen mit einem Mal wie weggefegt ins Weite, in den See.

Das Pulverfass war explodiert. Die Kraft des Luftstoßes der Explosion schleuderte die vier von ihrem Opfer über die Böschung in das aufklatschende Wasser. Dieselbe Kraft zerriss auch Damm und Mauer des Erdölbeckens, schuf dem Petroleum einen freien Ausweg nach dem See zu.

Felsenherz war aufgesprungen, war mit drei Sätzen in den nächsten Büschen, warf die Lederriemen ab.

Eine hohe Woge des freigewordenen Erdöls wälzte sich abwärts, wälzte sich in den See. Dicht an dem Trapper vorüber schoss das so leicht brennbare Gemenge wie ein Wasserfall.

Der alte Vaquero, der die Seeseite der Mauer verteidigen half, hatte soeben mit einem Bajonettstoß abermals einen Apachen von der Mauer heruntergeholt.

Von den achtzehn Eisenkörben brannten nur noch fünf.

Dreimal hatte man den Ansturm der Apachen abgeschlagen. Alle Büchsen und Karabiner waren bereits abgefeuert. Zum Laden war keine Zeit. Man konnte die Rothäute nur noch mit den Bajonetten abwehren.

Da – wieder erlosch bei dem starken Regen einer der Körbe.

Schon schwangen sich drei, vier der blutgierigen Feinde an der Landseite über das Eingangstor.

»Ins Wohnhaus hinein!«, rief Señor Alvaro, der bereits alles verloren gab.

Plötzlich jedoch verstummte mit einem Schlag das wilde Kriegsgeschrei der Angreifer.

Ein seltsames Licht zuckte dort im Norden auf -eine ungeheure Flamme, die blitzschnell wie ein lebendes Wesen weiter hinab zum See lief, sich auch dort auf dem Wasser ausbreitete.

Felsenherz hatte das Erdölbecken angezündet, hatte so im letzten Augenblick den Verteidigern Hilfe gebracht.

Die Apachen stutzten.

Turmhoch schlugen die Flammen, tanzten über den See hin.

Taghell war es geworden. Und immer weiter kroch das Feuer über den See – immer weiter, verscheuchte die Boote, die eilig dem Südufer zuruderten, um dieser flackernden Glut zu entgehen.

Ungeheure Qualmmassen sammelten sich an. Der Wind drückte die erstickenden Dämpfe zur Erde nieder. Sie hüllten die Hazienda ein, drangen weiter an Land, vertrieben auch hier die Apachen.

Señor Alvaro und die seinen mussten in das Wohnhaus flüchten, wenn sie nicht ersticken wollten. Der Vaquero Juan vergaß des Trappers Braunen nicht, nahm ihn mit in das Haus.

Bald bildete der See nur noch ein einziges Feuermeer. Die Hitze drang schnell in die oberen Luftschichten, glich die elektrische Spannung aus und brachte das Gewitter zum Schweigen, erzeugte eine andere Naturerscheinung, die man nach Präriebränden im Südwesten Nordamerikas sehr häufig beobachten kann: Wirbelstürme, Tornados, von deren verheerender Gewalt man sich in Europa keine Vorstellung machen kann.

Bevor diese Tornados einsetzten, hatte der Wind etwas nach Süden gedreht und jagte nun Qualm und Hitze nur noch teilweise über die Hazienda hinweg.

Als die Flammen des Erdölbeckens zuerst wie feurige Zungen zum schwarzen Nachthimmel emporleckten, als urplötzlich die Finsternis, dieser beste Verbündete der Angreifer, sich in eine unheimliche, gelbrote Helle verwandelte, hatte der Große Bär gerade die 200 Mann starke Abteilung des Unterhäuptlings, die bisher nach Osten zu die anderen Apachen gegen etwa unerwartet auftauchende texanische Kavallerie sicherte, herangezogen und einen neuen allgemeinen Angriff befohlen. Dieser letzte Sturm, der unweigerlich die Hazienda in Besitz der Rothäute gebracht hätte, unterblieb nun.

Von panischem Schrecken erfasst, flüchteten die gesamten Apachen nach Westen auf ihr Zeltlager zu, dass sich in einem vierhundert Meter entfernten weiten Tal befand.

Umsonst bemühten sich der Große Bär, der Fliegende Pfeil und andere Unterhäuptlinge, die Masse ihrer Krieger zum Stehen zu bringen. Den Apachen war das Petroleum etwas völlig Unbekanntes. Sie konnten sich die Entstehung dieses Feuermeers, das sich blitzschnell selbst über den See hinzog, nicht erklären. Unaufhaltsam stürmten sie weiter. Dann spürten sie noch die erstickenden Dünste des brennenden Erdöls, die der Gewittersturm als schrecklichsten Verfolger hinter ihnen drein hetzte. Die allgemeine Flucht wurde zur Panik. Noch nie war eine so zahlreiche Indianerhorde in sinnloser Angst davongerast, noch nie hatte der Große Bär es erlebt, dass seine Krieger die Waffen wegwarfen, nur um ungehinderter die jenseits des Lagers weidenden Pferde erreichen zu können.

Diese wurden auf einem besonders grasreichen Teil der Prärie von dreißig Apachen bewacht. Gegen 530 Mustangs waren hier beisammen.

Als dort im Osten die Flammen hochschossen, als die unheimliche Helle selbst bis hierher drang, als dann die ersten Qualmschwaden, diese scharf riechenden Dünste den Tieren die Nasen füllten, wurde auch die nun dicht gedrängt mit hockgereckten Köpfen dastehende Masse der Mustangs unruhig. Die Wächter, die wohl eine plötzliche Flucht der Pferde befürchten mochten, umkreisten sie dauernd, hatten kein Auge für das, was in ihrer Nähe vorging. Abseits von den Mustangs waren die Tiere der drei gefangenen Vaqueros, ebenso das des Gambusino Sancho und der Rappe Chokarigas angepflockt worden.

Mit einem Mal erhob sich unmittelbar vor diesen fünf Pferden eine schlanke Gestalt, griff nach den Zügeln der Pferde und schwang sich auf den Rappen des Schwarzen Panthers.

Felsenherz war es, der nun in gestrecktem Galopp mit den Tieren dem Indianerlager zusprengte. Seine Brust rang nach Atem. Hatte er doch vom Seeufer an bis hierher in schnellstem Lauf die ganze Entfernung zurückgelegt.

Einzelne Trupps der flüchtenden Apachen kamen ihm entgegen. Niemand hielt ihn auf, niemand ließ sich die Zeit, mit dem gefürchteten Trapper gerade jetzt anzubinden, wo die Qualmwolken immer dichter und dichter wurden.

Der Rappe des Comanchenhäuptlings und die übrigen vier Pferde gehorchten nur widerwillig, drängten zur Seite. Ihr Instinkt sagte ihnen, dass sie dem Verderben in die Arme getrieben wurden.

Felsenherz zwang sie zum Gehorsam. Er hatte eine lange Apachenlanze im vollen Jagen aufgerafft und schlug erbarmungslos auf die Tiere ein.

Nun waren die ersten Zelte des Lagers erreicht, nun galoppierte er der Mitte der ausgedehnten Zeltstadt zu.

Ein Windstoß zerteilte die trüben Qualmschleier.

Und … der blonde Trapper erblickte dort vor sich fünf in die Erde gerammte Pfähle, erblickte die daran festgebundenen Gefangenen und vor diesen den Großen Bär und den Fliegenden Pfeil, die offenbar die wehrlos Gefesselten, deren Wächter ebenfalls längst davongestürmt waren, morden wollten, da sie sie nicht mehr mitnehmen konnten.

Der Fliegende Pfeil sprang mit geschwungenem Tomahawk auf den früheren Gambusino zu.

Ein anderer Tomahawk war schneller.

Felsenherz hatte das Schlachtbeil aus dem Gürtel gerissen, schleuderte es vom Sattel aus.

Es beschrieb einem kurzen Bogen, vergrub sich dumpf krachend im Hinterkopf des Apachen.

Der Große Bär, das Messer in der Rechten, sah den Fliegenden Pfeil zusammenbrechen, schnellte herum, gewahrte den Trapper, ließ das Messer fallen, hob die Büchse.

Keine zehn Schritte war Felsenherz entfernt. Und das gelbrote Licht der brennenden Erdölmengen umstrahlte ihn so hell, dass ein Fehlschuss unmöglich schien.

Der Große Bär wollte abdrücken.

Da – der Sattel des Rappen war plötzlich leer.

Aber weiter rasten die halb besinnungslosen Tiere auf den Oberhäuptling zu. Er musste zur Seite springen. Er hatte wohl gesehen, dass der Trapper aus dem Sattel geglitten war, er fand keine Zeit mehr, nochmals anzulegen.

Felsenherz hatte sich am langen Schweif des Rappen festgehalten, schwang sich nun vollends zu Boden, tat noch zwei Sprünge, tauchte vor dem riesigen Apachen auf, schmetterte ihm die Faust unter das Kinn, gab ihm gleichzeitig mit der Linken einen Stoß gegen die Herzgrube.

Der Große Bär wankte, sank um.

Felsenherz war schon bei den Gefangenen, ließ sein Messer durch die Riemen gleiten, warf das Messer Sancho zu, hetzte nach links, um die fünf Pferde, die nun kehrt gemacht hatten, wieder einzufangen. Er bekam die Zügel des Rappen und zweier Vaquerogäule zu packen.

Sancho hatte indessen den Comanchen losgeschnitten, den der Trapper nun in den Sattel hob.

Zwei Mann musste jedes Pferd tragen. So sprengten sie der Hazienda zu, hinein in den schwarzen Qualm, den gerade jetzt der nach Süden herumgegangene Wind mehr und mehr lichtete.