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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 41

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Gutentag und Gutenabend

Es war einmal eine arme Witwe, die hatte zwei Söhne. Der Älteste davon hieß Gutentag, der jüngste Gutenabend. Beide Knaben waren gut und fromm, denn die Mutter hatte sie in Gottesfurcht aufgezogen und jedermann liebte sie deshalb. Die Mutter wurde einst krank und fühlte, dass sie bald sterben müsste. Da rief sie die beiden Kinder zu sich und sprach: »Kinder, ich werde nicht lange mehr leben. Versprecht mir aber bei eurer Liebe und Seligkeit, dass ihr fromm und gut bleiben wollt und stets auf Gott vertrauen, dann wird er euch nicht verlassen.«

Die Knaben weinten und versprachen es der Mutter, gut und fromm zu bleiben.

Bald darauf starb die Mutter, und die Kinder folgten ihrer Leiche.

Als sie vom Kirchhof zurückkamen, sprach Gutenabend zu Gutentag: »Ach, wer wird nun für uns sorgen und sich unserer erbarmen, wenn wir hungrig sind und matt?«Gutentag sagte aber: »Sei ruhig, lieber Bruder, sorge nicht. Weißt du nicht, was die Mutter sagte, als sie bald sterben wollte? Der liebe Gott im Himmel wird für uns sorgen. Darum lass uns zusammen fortgehen und ein Unterkommen suchen. Das müssen wir tun.«

Darauf nahmen sie ihre wenigen Habseligkeiten und wanderten aus.

Es war schon Abend, als sie in eine große Stadt kamen. Hier gingen sie von Haus zu Haus, Straße auf und nieder, aber niemand war zu finden, der die Knaben aufnehmen und versorgen wollte.

Da hörten die Kinder, dass ein vornehmer Herr einem anderen zurief: »Guten Abend, guten Abend!«

Geschwind lief Gutenabend hin zu dem Mann, denn er meinte, der Herr riefe ihn, und fragte, was er solle. Doch dieser fuhr den Knaben hart an und nannte ihn einen dummen Jungen. Gutenabend ging betrübt zu seinem Bruder zurück. Die Sonne ging unter, es fing an, dunkel zu werden, und noch immer hatten sie kein Unterkommen gefunden. Hungrig, traurig und müde legten sie sich unter einen Baum, beteten aber erst zum lieben Gott, er möge sie beschützen und schliefen darauf bald ein. Am folgenden Tag gingen sie weiter, kamen in manches Dorf, fanden aber immer noch kein Unterkommen, bis sie zuletzt ein guter Bauersmann anredete und zu ihnen Guten Tag sagte. Gutentag ging natürlich gleich zu ihm und fragte, was er solle. Dem Mann gefielen die Knaben, sie mussten ihm ihre Geschichte erzählen. Davon wurde er so gerührt, dass er sie zu sich nahm. Nun hatten sie ein Unterkommen. Der Mann sagte, wenn Gutenabend seine wenigen Schafe und Geisen hüten und Gutentag auf dem Feld mithelfen wollte, so würde er ihnen gern Essen und Trinken und alles geben, was sie nötig hätten. Die Knaben versprachen, recht gern arbeiten zu wollen, was ihr Wohltäter haben wolle. Gleich am ersten Tag, als Gutentag auf dem Feld mit grub, kam sein Spaten auf etwas Klingendes. Er machte es bloß und siehe, es war eine Kiste mit Gold und darin lag ein Zettel, auf welchem geschrieben stand: »Freue dich, du Glücklicher, das ist dein. Wende es nützlich an.« Gutentag rief sogleich seinen Wohltäter und zeigte ihm den Schatz. Der gute Mann freute sich herzlich über den Fund und beide brachten ihn in Sicherheit. Des Abends kam Gutenabend mit einer ganzen Menge Schafe und Ziegen nach Hause.

»Woher hast du die vielen Schafe und Ziegen«, fragte er den kleinen Hirten. »Ich habe dir nur zwei Schafe und zwei Ziegen gegeben.«

Der Knabe aber behauptete, er habe gleich so viel gehabt und weiter wisse er nichts. Da nahm sie der Landmann in seinen Stall und behielt sie. Er sollte aber nicht lange in Ungewissheit bleiben, woher das alles gekommen sei. Als sie des Abends in der Dämmerung beieinandersaßen und von den Erlebnissen sich erzählten, wurde es mit einem Mal hell im Zimmer.

Eine bildschöne, glänzende Frau trat zu ihnen, das war aber eine wohltätige Fee, lächelte sie freundlich an und sagte zu dem Landmann: »Du hast dich der armen Kinder erbarmt, dafür habe ich dich wieder belohnt. Der eine hat dir einen guten Tag und der andere einen guten Abend gebracht.«

Damit war sie verschwunden.

Der Landmann und die beiden Knaben blieben aber beieinander, bis sie der Tod trennte. Geld und Gut hatten sie genug. Dabei blieben sie aber auch gut.