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Sagen- und Märchengestalten – Der Adept zu Berlin – Teil 8

Sagen- und Märchengestalten sowie Geister-, Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes
Mit Erzählungen von Begebenheiten der Vorzeit, die den Glauben an eine Geisterwelt förderten, Berlin, Verlag von Burmester & Stempell,1874

Der Adept zu Berlin – Teil 8

Es war am frühen Morgen des 19. Juli 1716, als im Palast des Generalfeldzeugmeisters Grafen von Rappach, des Kommandanten von Wien, sich versammelt hatten: der königlich preußische Gesandte, Staatsrat Ernst; der brandenburg-kulmbachische Gesandte, Geheime Rat Wolf; zwei Herren von Metternich; endlich der österreichische Vizekanzler, Gras Joseph von Würben-Freudenthal, als Stellvertreter seines kaiserlichen Herrn, dem ein Unbekannter ein Geringes von der golderzeugenden Substanz mitgeteilt hatte.

Auf der Tafel, an welcher der fürstlich schwarzburgische Hofrat Pantzer saß, dem das Amt eines Aufzeichners bei diesem merkwürdigen Akt übertragen worden war, lag der winzig kleine Gegenstand, gleich einem Körnlein Salz, sorgfältig an ein wenig Wachs geklebt. Eine Kupfermünze, wie sie im Wiener Armenhaus ausgeteilt zu werden pflegte, wurde glühend gemacht, das Wachs mit dem Körnlein darauf gelegt und die Münze alsdann in Wasser abgelöscht. Die angestellte Probe erwies das Kupfer in vierzehnlötiges Silber verwandelt. Eine Menge gleicher Münzen, geglüht und nur in dem Wasser abgekühlt, erfuhr dieselbe wunderbare Veränderung.

Die Tinktur hatte nicht allein ihre veredelnde Kraft an dem geringeren Metall bewährt, sondern auch das Gewicht desselben um den achten Teil erhöht. Der wichtige Vorgang wurde verzeichnet, von den anwesenden Herren unterschrieben und besiegelt.

Dieser geringe Teil der überaus kräftig wirkenden Masse sollte, wie die Überlieferung berichtet, von Laskaris herrühren, der auch hier nur den Beweis von der Möglichkeit der Verwandlung zu führen strebte.

Das Gerücht von dem auffallenden Ereignis durchflog schnell genug die deutschen Lande. Im darauffolgenden Jahr empfing der Landgraf von Hessen auf mysteriöse Weise ein Päckchen, welches kleine Gaben roter und weißer Tinktur enthielt. In seinem Laboratorium versuchte der kundige Fürst beide Mittel mit dem glücklichsten Erfolg. Von dem Gold, das er aus Blei gewann, ließ er Dukaten, und von dem Silber jene hessischen Speziestaler prägen, deren Umschrift lautete: »Sic Deo placuit in tribulationibus, (So hat es Gott gefallen in den Nöten.) – ein Stoßseufzer, wie er beim Anblick leerer Kassen einem so wirksamen Mittel gegenüber nur gerechtfertigt erscheint.

Das zweite Jahrzehnt des achtzehnten Jahrhunderts neigte sich seinem Ende zu. Der Sommer webte seine farbigen Blüten, die reiche Saat wogte der Ernte zu. Rosige Gewölke schwebten im Abenddämmer dahin, gleich verspäteten Liebesgrüßen, und bald blickte der erste Stern in das schmale Silberband des Flüsschens, welches sanft murmelnd durch die weichen Rasenplätze eines herrlichen Parks zog. Bis an das stattliche Schloss erstreckte der Wald sein grünes Gezweig und umfing mit schattigem Dunkel das einfache Denkmal.

An jenem Abend wandelte eine weibliche Gestalt leichten Schrittes den kiesigen Pfad in der Nähe desselben. Überrascht von einem plötzlichen Geräusch, als breche ein Wild durch das nahe Dickicht, schaute sie auf und erblickte einen Mann, der im schnellsten Lauf, Haar und Kleidung in wilder Unordnung, dicht an ihr vorüber der anderen Seite des Waldes zueilte. Unwillkürlich entfuhr ihr ein Angstruf. Im selben Moment bemerkte sie der Flüchtige, und der Eingebung eines rasch in ihm aufsteigenden Gedankens folgend, schritt er auf sie zu ließ sich auf ein Knie vor ihr nieder.

»Rettet mich, edle Frau!«, bat er leise, aber dringend. »Rettet mich vor einem schmählichen Tod!«

Die dunklen, angstvoll blickenden Augen des Fremden, seine edlen Züge, die weiße, zarte Hand, mit der er ihr Gewand hilfeflehend berührte, brachten einen lebhaften Eindruck auf die nächtliche Wallerin hervor. Indem sie ihre Rechte gegen das Monument ausstreckte, sagte sie in einem Ton, der die Gewohnheit des Befehlens verriet: »Eilt hinein, ich werde Euch schützen.«

Mit einem raschen Sprung überschritt er die Stufen, öffnete das Gitter und warf sich neben dem steinernen Sarkophag nieder, der die Mitte des überdachten Baus einnahm. Die Dame verschloss das Gitter hinter ihm und barg den Schlüssel in ihrem Gewand. Dann zog sie aus der reich verzierten Gürteltasche ein Fläschchen mit stark duftender Essenz, besprengte die Stufen und ließ sich auf der untersten derselben nieder, wie in Gebet versunken.

Jetzt knackte das Gebüsch von den Fußtritten der Verfolger, denen zwei ungeheure Doggen vorausprangen. Bei dem Anblick des Denkmals blieben die Tiere stehen und stießen ein klägliches Geheul aus.

»Hallo!«, rief der eine der Männer, »was scheuen die Hunde?« Er näherte sich dem aus dem Dunkel schimmernden Gemäuer und erblickte die weibliche Gestalt, welche sich erhob und ihn zu erwarten schien.

»Vergebt, meine Dame«, sagte der Jäger, denn als ein solcher erwies ihn seine Tracht, »habt Ihr nicht einen Mann über diesen Weg fliehen sehen? Und welche Richtung nahm er?«

»Wer seid Ihr?«, entgegnete sie mit einer Stimme, die nicht das leiseste Beben verriet, obwohl ihr das Herz hörbar klopfte. »Wen sucht Ihr?«

»Wir verfolgen einen Wilddieb, Frau!«, rief einer der anderen und trat der weiblichen Gestalt so nahe, dass diese unwillkürlich zurückwich. »Ohne Umstände sagt uns, welche Richtung er nahm, sonst …«

In diesem Augenblick mochten die Doggen trotz des sichtbaren Widerwillens gegen die Mauern des Denkmals, die Spur des Verfolgten von Neuem wittern. Sie stießen ein wildes Geheul aus und warfen sich gegen das Gitter. Gleichzeitig näherten die Jäger sich dem verdächtigen Ort, und die Dame, der um ihren Schützling bange werden mochte, ergriff ein silbernes Pfeifchen, welches an einer schimmernden Kette von ihrem Gürtel herabhing und führte es an die Lippen. Der wohlbekannte Ton rief die Dienerschaft des Schlosses zusammen, die mit Fackeln und Windlichtern der Stelle des Parks zueilte, von der aus der Ruf ihrer Gebieterin an sie erging.

Der Platz vor dem Denkmal zeigte sich nun in greller Beleuchtung. Vergebens hatten die fremden Jäger gesucht, das Gitter zu durchbrechen, dessen Festigkeit einen unerwarteten Widerstand leistete. Jetzt standen sie und schauten mit verwunderten, doch furchtlosen Blicken auf die Dame, deren Grund und Boden sie so kühn beschritten hatten.

»Wer Ihr auch sein mögt«, begann diese mit Hoheit und Würde, indem sie an den Fremden näher herantrat, welche noch immer an den Stufen des Denkmals weilten, »ich gebiete Euch, aus meinem Besitz zu weichen.«

»Erlaubt«, begann jener, dessen ehrerbietige Anrede ihn so vorteilhaft von der rohen Weise der anderen unterschied, der schönen Frau zu entgegnen. Allein die Dame hieß ihn schweigen und rief in strengem Ton: »Ihr seid im Gebiet des Grafen Erbach von mir betroffen worden, mit Waffen in der Hand, begleitet von Euren Hunden. Dankt es meiner Güte, wenn die gebührende Strafe Euer schuldiges Haupt nicht trifft. Hinweg! Entweihet nicht länger jenen Aufenthalt der Toten, und wehe, wenn ich Euch wieder begegne, wo Ihr kein Recht zu jagen habt. Hinweg!«

Es schien, als wollten die Jäger noch widersprechen. Allein ein Blick auf die zahlreiche Dienerschar, welche die Gebieterin umringte, zeigte ihnen das Erfolglose eines solchen Unterfangens, und sie zogen sich schweigend in den Wald zurück.

Auf einen Wink der Dame umgaben ihre Leute das Denkmal, dessen Gitter sie jetzt aufschloss.

»Kommt!«, rief sie hinein, »Ihr seid geborgen.«

Als der Fremde heraustrat, erteilte sie mit leiser Stimme rasche Befehle, und der ganze Zug setzte sich zum Schloss in Bewegung.

Am nächsten Morgen erschien im Kabinett der Gräfin Anna Sophie von Erbach, der Bewohnerin des Schlosses Frankenstein, jener Mann, den sie vor seinen Verfolgern, vielleicht auch nur vor einer gerechten Strafe in Schutz genommen hatte. Dies zu entscheiden, lud sie ihn vor den Richterstuhl ihres klaren Geistes und ihres vortrefflichen Herzens. Als die Tür sich öffnete und der Fremde auf der Schwelle des kleinen traulichen Gemaches erschien, umspielt von dem freundlichen Licht der Morgensonne, heftete die Gräfin einen langen, durchdringenden Blick auf ihn, den er mit einer ehrfurchtsvollen Neigung seines Hauptes erwiderte.

Die Züge seines geistvollen Angesichts waren scharf und bestimmt ausgeprägt. Über der kühn geschwungenen Nase wölbte sich die gerade, von schweren Linien durchfurchte Stirn. Dunkle feurige Augen, ein fein geschlossener Mund, dessen Winkel sich trotzig senkten, Haar und Bart, einst wohl schwarz, jetzt mit frühem Silber des Alters durchmischt. Die Gräfin schrak wie aus tiefen Gedanken empor.

»Wo sah ich Euch schon?«, fragte sie und suchte vergebens das Bild in den Rahmen zu zwängen, der es umschlossen haben mochte, als sie es zum ersten Mal erblickte.

Auch der Fremde schaute mit sinnigem Ernst zu der stattlichen Erscheinung im hellen Morgenkleid. Allein ihm fehlte die Erinnerung, und er erwiderte: »Mein Weg war verschlungen und ruhelos. Vielleicht täuscht Euch eine Ähnlichkeit, gnädige Frau.«

Die Gräfin warf ungeduldig das schöne Haupt zurück. »Nein, nein!«, rief sie, »auch die Stimme gemahnt mich. Doch setzt Euch, Herr, ich bitte, näher auf diesen Sessel.« Der Fremde war ihr ganz nahe. Sie schwieg und prüfte von Neuem seine Züge. Endlich begann sie wieder: »Weshalb verfolgten Euch jene Männer? Was habt Ihr ihnen zugefügt?«

Der Fremde lächelte. »Ich bitte Euch, gnädigste Frau, vertraut meinen Worten, wenngleich es märchenhaft klingt, was ich Euch sage. Ich durchzog diese Gegend, um, – doch der Grund tut nichts zur Sache. Als es zu dämmern begann, lagerte ich im Wald. Ich habe manche Nacht im Waldesarm verträumt. Zu meinem Feuer gesellte sich ein munterer Bursche, dem ein feister Rehbock von den breiten, kräftigen Schultern hing. ›He, Kamerad!‹, rief er mich an, ›gib mir einen Platz in deinem Nest. Ich teile mit dir von meinem Braten.‹

›So ist uns beiden geholfen‹, entgegnete ich, und er ließ sich nieder. Mein neuer Gefährte, ein hübscher Jüngling mit dem Ausdruck der Offenheit im Gesicht, warf seine Last ab und löste geschickt das saftigste Stück von der Beute. Während es über dem Feuer briet, reichte ich ihm einen Becher mit stärkendem Wein, und wir würden ein prächtiges Mahl gehalten haben, wenn nicht jene Jäger über uns gekommen wären.

Mit dem Ruf Ha! Da finden wir die Wilderer! Steht, ergebt Euch! stürzten sie uns entgegen. Wie ein Pfeil vom Bogen entsprang der andere, mir seinen Teil der Beute und die missliche Verantwortung überlassend. Ich sah die Unmöglichkeit, mich zu verteidigen, und floh ebenfalls. Hinter mir krachten die Büchsen, doch keine traf. Schon war ich erschöpft und verzweifelte an meiner Rettung, die ich nur Eurer Huld zu danken habe.«

»Nicht mir allein«, unterbrach die Gräfin den Erguss seines erregten Gefühls. »Jenes Denkmal im Park, dessen eisernes Gitter Euren Verfolgern so wacker widerstand, bedeckt ein liebenswürdiges Paar von dem Stamm meines Gemahls. Glücklich in ihrer Ehe, raffte sie der unbarmherzige Tod kurz nacheinander hinweg, und ich erfüllte gern den Wunsch, den beide mir einst in traulicher Stunde offenbarten, vereint an jener Stelle des Parks zu schlummern: Gräfin Elisabeth von Erbach ruht dort mit ihrem Gemahl.«

»Aus fürstenbergischem Geschlecht?«, forschte er überrascht und dringend.

»Gewiss«, beteuerte die Gräfin; »kanntet Ihr meine Muhme?«

»Ob ich sie kannte?«, fragte er mit einem schmerzvollen Zucken seiner Lippe und legte die Hand über die dunklen, schönen Augen, wie um Fassung zu gewinnen.

»Ha!«, rief die Gräfin plötzlich, »so täuschte mein Gefühl mich nicht, und nun weiß auch ich, wer Ihr seid. In Dresden sah ich Euch. Man hegte dort große Erwartungen von Eurer Wissenschaft, die Ihr durch plötzliches Verschwinden zunichtemachtet. Ihr seid der Adept, seid Laskaris.«

Indem er die Augen groß und voll zu ihr aufschlug, sagte er: »Ich mag nicht leugnen, dass ich’s bin. Werdet Ihr mich doch zum letzten Mal erblicken im deutschen Land. Ich zürnte ihr lange nicht mehr, das flüchtige Liebesbund war ja nur um mein Herz allzu fest gewebt. Ich wusste, dass sie glücklich war. Und nun vernehmt, edle Frau, was mich in diese Gegend trieb. Es war der Drang, noch einmal den Glanz meiner Jugend wiederzusehen, die Rose, der meine Seele sich in nie erlöschender Glut erschlossen hat. Es ist geschehen. Doch ehe ich auf immer scheide, will ich mich Euch erweisen in der Kraft des heiligen Geheimnisses, damit ein Gedenken des Adepten Eurem Stamm verbleibe. Gebt mir ein leeres Gemach, wo mich kein neugieriger Blick belauscht. Dann heißt Euer gesamtes Silbergeschirr hineintragen und überlasst es mir, bis der Hahn den jungen Tag verkündet! Ich bitte Euch, Frau Gräfin, es wird Euch nicht reuen.«

Staunend erhob sich die Dame, doch traute sie dem Adepten.

Sie schritt ihm voran und führte ihn in ein weites Turmzimmer, wo er alles so fand, wie er es wünschte. Die Diener trugen nun den reichen Brautschatz der hohen Frau herbei, der kaum Platz fand in dem weiten Gemach, dann schloss Laskaris die Tür und begann das wundersame Werk.

Heller Morgenglanz weckte die Gräfin Erbach aus dem Schlummer, der ihr liebliche Bilder vorgegaukelt haben mochte, denn ein sanftes, gütiges Lächeln schwebte um ihre Lippen, als sie sich erhob, um sich anzukleiden. Auf dem Tischchen vor ihrem Bett lag ein Schlüssel, den sie erst jetzt erblickte, der Schlüssel vom Turmgemach. Das Lächeln verschwand, mit besorgter Miene und in hastiger Zerstreuung vollendete sie selbst ihren Anzug und eilte dorthin, wo sie am Vortag den Adepten verlassen hatte. Indem sie öffnete, blieb sie wie bezaubert an der Schwelle stehen, denn drinnen leuchtete und blitzte es in goldiger Pracht. Und da sie die schweren Schüsseln, die noch gestern von minderem Gewicht und silbern gewesen, eine nach der anderen zagend berührte, und alles, auch bei den mannigfachen Proben, als echtes, lauteres Gold sich erwies, wusste sie ihres Staunens kein Ende über das herrliche Denkmal, welches sich der griechische Adept in Schloss Frankenstein gesetzt hatte.

Der Herr Graf Friedrich Karl von Erbach aber, ihr Gemahl, sobald er von der merkwürdigen Wandlung erfuhr, forderte gebieterisch die Hälfte des goldenen Geschirrs, das auf seinem Grund und Boden entstanden sei. Weil jedoch die Gräfin solchem Verlangen nicht zu willfahren gedachte, kam es zu einem langen, argen Prozess, den beide Parteien vor der Leipziger Juristenfakultät zum Austrag brachten. Da wackelten die alten Perücken in bedenklicher Überlegung, und es dauerte mehrere Jahre, ehe sie entschieden, was rechtens sei: »Dass nämlich dieses Silbergeschirr, weil es vor der Ehe, und daher auch ehe es verwandelt worden, sich im Besitz der Gräfin befunden, derselben mit Fug und Recht allein zugehören möge.« Aller Einspruch des Grafen fruchtete nichts, und das Andenken an den Adepten erhielt sich auf das Allerklärlichste in der Familie.

 

***

 

Im Jahr 1714, an einem warmen Herbsttag, glühte in dem Laboratorium mit den wohlverwahrten Fenstern ein mäßiges Kohlenfeuer und über diesem hing ein schwerer gläserner Destillierkolben. Neben der Herdstelle lag ein Mann auf den Knien, der das Feuer zu nähren schien und sorgsam bewachte. Als er sich emporrichtet hatte, traf der Schein der Flamme von unten sein Antlitz, ein verlorener Sonnenstrahl von oben sein graues Haar.

»Herr«, begann er zu dem jüngeren Gefährten, der mit untergeschlagenen Armen das gemeinsame Werk betrachtete, »sollte es nicht geratener sein, mit der Arbeit so zu verfahren, wie Ihr sonst zu tun pflegtet?«

»Die terra adamica will dir nicht recht einleuchten, wie ich sehe«, sagte der andere und streckte die rechte Hand, an deren Mittelfinger ein kostbarer Diamant glänzte, nach dem Inhalt des Glaskolbens  aus. »Es verhält sich damit wie mit den anderen Stoffen, die ich versuchte. Wir werden den Mercur der Weisen daraus gewinnen, den verschlingenden grünen Drachen, zu dem sich das Philosophengold gesellt, auf dass die Materie getötet werde. Fürchte nichts, unsere Mischung soll gelingen. Achte vielmehr genau auf das Feuer, damit es nur brüte, nicht entzünde, und nun komm, Antonio, denn meine drei Tage der Wacht sind um. Wie du mir gehorcht hast, bist du jetzt dem alten Ignaz zu dienen verpflichtet. Wenn du auf das Genaueste seinen Befehlen nachkommst und das herrliche Werk sich vollendet, woran ich nicht zweifle, soll dir ein überaus reicher Lohn zu Teil werden.«

»Herr Laskaris«, erwiderte Antonio, der seine Arme demütig über der Brust gekreuzt hielt, »wohin Eure Augen mich gehen heißen, eilt mein Gedanke voraus.«

»Nehmt den geschwätzigen Buben mit Euch, Herr, ich bitte!«, rief Ignaz und warf einen zornigen Blick auf den Zigeunerknaben, den dieser mit schelmischem Lächeln erwiderte. »Weiber und Kinder verderben das Werk der Sonne, hab’ ich immer gehört.«

Laskaris winkte begütigend mit der Hand: »Ertrag’ ihn nur eine Weile«, sprach er, zu Ignaz gewendet, »er wird seine Zunge unter Verschluss legen, wird bedächtiger handeln, sobald der Ernst hohen Strebens ihm klar geworden ist.«

Der Adept schritt hinweg durch die Galerie, an der Mauer entlang bis zu dem Turmgemach, aus welchem einst Don Caëtano heimlich in der Nacht entwich.

 

Da lagen wundersame Schriften aufgehäuft, alte vergilbte Papiere, mit eckigen Buchstaben und erstaunlichen Zeichen bedeckt. Vor dem Tisch, auf welchem ein großer, bestäubter Foliant der Entzifferung harrte, ließ der Adept sich nieder, stützte das Haupt in die Hand und versenkte seine Blicke in die verschlungenen Züge. Er las mit tiefem Ernst, aber nach und nach schwebte ein Lächeln um die geschlossenen Lippen.

»Nimm römischen Vitriol«, wiederholte er halblaut, »kalziniere ihn mit schwachem Feuer, dann destilliere ihn und das Flüssige wird mercurios philosophorum geben. Destilliere den Rückstand mit Wasser, dampfe es ab, so bleibt eine weiße Erde. Diese vermische mit dem Merkur und digeriere sie eine Woche lang immer von Neuem, bis eine Probe des Rückstandes auf glühendem Blech schnell verraucht. Anfänglich wird es grau, dann schwarz, endlich wieder weiß. Starke Flamme entwickelt hieraus die terra foliata. Mische sie mit mercurios, dass sie zerfließe wie Wachs. Ein Teil der terra foliata mit zehn Teilen flüssigen Goldes erzeugt die Wundertinktur.«

Laskaris schlug mit der Hand auf die Seite des Buches, welche er soeben gelesen hatte. »Irrtum überall!«, rief er, ironisch lächelnd, »ich sehe, auch du, Meister Agrippa, wusstest nichts. Der weiße Schwan wollte nicht fliegen und du starbst im Elend.«

Indem pochte es leise an die Tür. Der Adept erhob sich und öffnete. Draußen stand der alte Ignaz.

»Kommt noch einmal herunter«, sagte er schnell, »es zeigen sich wunderbare Dinge in dem Kolben und ich fürchte, er möchte zerspringen.«

»Unmöglich!«, sagte Laskaris erstaunt, »das ovum philosophicum ist in einer holsteinischen Glashütte gefertigt, genau in der vorgeschriebenen Form, und hat drei Klafter im Durchmesser. Es kann nicht brechen, wenn das Feuer nicht zu heftig glüht.«

Indessen waren sie die Treppe hinabgestiegen und betraten nach wenigen Augenblicken das Laboratorium, in welchem Antonio allein zurückgeblieben war. Er stürzte den Nahenden in wilder Erregung entgegen.

»Seht, o seht, Herr!«, rief er mit lauter Stimme und funkelnden Augen, »seht, welch’ ein Wundergebilde in dem Kolben sich zeigt. Eine Insel ist erstanden aus dem Grund, und darüber schwebt rötliches Gewölk, in dem es seltsam blitzt und strahlt.«

»Um aller Heiligen willen, heißt ihn schweigen!«, unterbrach Ignaz die Rede des Jünglings, während er unwillkürlich eine so drohende Bewegung machte, dass derselbe erschrocken verstummte und sich zurückzog.

Jetzt traten die beiden näher. Sie fanden bestätigt, was Antonio gesagt hatte. Mitten in der grauen Masse, welche den Kolben nur zum Teil erfüllte, hatte sich ein Stück Land gebildet, durch die Glaswände wie in einer Zauberlaterne vielfach vergrößert. Darüber brütete eine rötlich schwarze Wolke, in der es arbeitete, als ob Tag und Nacht miteinander kämpften. Jetzt senkte sie sich herab und löste sich in einen warmen befruchtenden Regen auf, unter dessen Tropfen das Land zu grünen begann. Dichte Gräser, Stauden, zierliche Palmen bedeckten den Boden. In den schlanken Kronen der Letzteren zeigten sich Vögel von wunderbarem Farbenschmelz, wetteifernd mit den herrlichen Blüten, welche überall sprießten.

Nun zerfloss das Gewölk in einen leichten duftweißen Nebel, aus dem sich Regenbogen entspannen in vielfachem Abglanz. Aus dem Grün funkelte Gestein, und leuchtende Salamander schossen darüber hin. Sterngewinde schwebten empor, von feurigen Blitzen durchzuckt. Zuweilen sank plötzlich das Ganze zurück in dunkle Schatten, aus denen sich in neuem Wechsel die strahlendsten Gebilde entrollten, während ein immer wachsender rosiger Schimmer, der Morgenröte gleich, in dem Kolben aufzuglühen begann.

Obwohl nur allmählich die Wunder vor ihren Blicken sich entwickelten, schien es doch den Zuschauenden, als rauschten die Stunden, Minuten gleich, an ihnen vorüber, und längst war die Nacht unbemerkt hereingebrochen.

Endlich unterbrach Laskaris die geheimnisvolle Stille. »Ist uns nicht ein gewaltiges Los zugefallen?«, rief er mit flammenden Blicken den Gefährten zu. »Wer darf sich gleicher Gunst der magischen Kräfte rühmen?«

Das Antlitz des alten Ignaz leuchtete in stiller Verklärung, als er die dargereichte Hand seines Herrn ergriff und herzlich drückte. Der Zigeunerbube aber, dessen unruhiges Wesen ihm keine Rast gönnte, hatte die Winkel des Laboratoriums durchstöbert und mühte sich eben, einen Streifen Pergament von dem ihm anhaftenden Staub zu befreien.

»Herr«, sagte er und reichte seine Beute mit stolzer Freude dem Adepten hin, »nehmt dies und lest, es sieht gar geheimnisvoll aus und enthält sicherlich etwas Wichtiges und Großes.«

Laskaris griff mechanisch danach und betrachtete die Schriftzüge, obwohl sein höchstes Interesse dem Werk galt, dessen Vollendung näher und näher rückte. Allein der flüchtige Blick, den er auf das Pergament warf, haftete nun mit düsterem Ausdruck auf demselben. »Wo nahmst du das her?«, fragte er barsch.

Der Bube erschrak heftig. So unhold war ihm der Grieche noch nie begegnet. Dann erwiderte er stockend: »Ich fand es dort im Gerümpel, Herr, in jenem Schrank. Hab’ ich übel getan?«

Der Adept antwortete nicht sogleich. Es schien, als versage ihm die Sprache. Endlich hob er an: »Tore und Kinder sollen die Wahrheit reden. Wenn dem so ist, wehe uns! Was du da wie den abgeschiedenen Geist eines Alchemistenfeindes heraufbeschworen hast, ist ein Teil der Schriften des alten Thomas Garzon und lautet: Die Alchymei ist eine falsche und irrige Kunst, deren Professoren elend, die Instrumente unnütz, der Kosten schädlich, die Müh’ vergeblich, die Begierd’ und Hoffnung betrüglich, die Verheißungen lügenhaft sind und endlich der ganze Kraut nichts anderes, als eine Vorbereitung zu einem Hospital und elender Armut. Denn diese armen Tröpfe, mit Pech besudelt, mit Ölen gesalbet, im Rauch gebraten, im Feuer verbrannt, im Schlafen bewährt, im Wachen geschwächet, haben ihre Zeit, Hab’ und Güter, Müh’ und Arbeit elendiglich und vergeblich aufgewendet und zugebracht.

»Wie gefällt dir diese Predigt, alter Ignaz?«

Der Alte lachte spöttisch. »Zeigt mir doch den Lügner!«, sagte er voll Ingrimm. »Ich will ihm seine Unverschämtheit zurückgeben.«

»Die Schrift ist älter als zweihundert Jahre«, erwiderte Laskaris, »wir müssen schon ruhig sein zu den derben und bitteren Wahrheiten, die sie uns hinterlassen hat.«

»Wahrheiten?«, wiederholte Ignaz, »Herr, achtet Ihr das als wahr, was auf dem Blatt steht?«

»Für viele, nicht für alle«, sagte Laskaris finster, »doch lassen wir die Toten! Sieh, wie herrlich der königliche Aar seine breiten Schwingen entfaltet, welch ein Strom flüssiggoldenen Feuers durch die Masse flutet! Lass uns vorsichtig den Verschluss des Kolbens lüften, damit nach und nach die äußere Luft hinzudringe, doch nicht zu jäh, sonst würde der Gefangene mit Gewalt die Freiheit suchen und unsere Mühe verloren sein.«

Mit kundigem Blick und sicherer Hand schritt der alte Ignaz zu dem wichtigen Werk. In die verschlossene Öffnung senkte sich ein fester Kern, mit zartweißen Linnen umsäumt. Dann ruhte die Arbeit, weil dreimal die Sonne noch auf- und niedersteigen musste, ehe auch das letzte Hindernis beseitigt werden durfte.

Es war am Abend des Tages, der auf das große Ereignis folgte. Die Sichel des Neumonds stand matt glänzend am östlichen Himmel. Durchsichtige Dämpfe wallten von dem grünen Moosteppich empor, der den Waldboden deckte, und flatterten unstet unter den Wipfeln dahin, irrenden Geistern gleich. Dicht am Fuß des Burgbergs, wo die Wand steil zur Talebene abstürzte, öffnete sich eine sumpfige Wiese mit Herbstzeitlosen bedeckt, zwischen denen silberweiße seltsam geformte Blumen auf dünnen Stängeln schwankten.

In die schimmernde Waldlichtung hinaus traten Laskaris und der alte Ignaz. Sie trugen seltsam bekreuzte Messer in den Händen und ein erzenes Gefäß, welches die Blüten aufzunehmen bestimmt war, die sie zu sammeln gedachten. Gleich als wollten sie die Genien der Nacht ihrem Werk geneigt machen, murmelten sie leise Sprüche in alle vier Himmelsrichtungen. Dann lösten sie unter Zauberworten die weißen Blumen, deren Silberglanz in dem blassen Mondlicht noch heller zu leuchten schien. Allein die unsichtbaren Mächte waren dem nächtlichen Beginnen abhold. Ein pfeifender Wind erhob sich plötzlich, schüttelte die Bäume, dass sie ächzten, und warf die sich ballenden Dunstwollen gegen den Nachthimmel empor, ihn schnell mit einer grauen Decke verhüllend. Dennoch sammelten die Alchemisten das Silberkraut in reicher Fülle, bis das erzene Gefäß keinen Raum mehr bot. Schon wendeten sie sich zur Heimkehr, als ein dumpfer Schlag über ihren Häuptern erdröhnte, die Erde zitterte und in der Gegend des Laboratoriums eine Feuergarbe aufstieg.

Mit einem Ausruf des Schreckens schauten die Alchemisten einander an. Dann eilte Laskaris, unbekümmert, ob der Alte ihm folge oder nicht, den steilen Pfad empor. Atemlos, in weiten Sprüngen näherte er sich dem Tor, betrat er den Hof. Da lag die Mauer in Trümmern, die Galerie war verschwunden. Nur der Turm stand noch in eiserner Festigkeit und schien mitleidsvoll auf den goldenen Glanz herabzublicken, der sich ringsum verbreitete.

Der alte Ignaz stieß an einen Körper, der mitten unter Mauerresten auf dem Pflaster des Hofs lag. Er bückte sich danach und richtete ihn empor. Es war der Zigeunerknabe, bewusstlos, verbrannt, von Rauch und Ruß geschwärzt.

»Um der Heiligen Jungfrau willen!«, rief der Alte, »was ist hier geschehen? Hat der Löwe sich selbst befreit und unsere Mühe vernichtet? Ach, Herr, welch ein böses Geschick waltet über dieser Nacht!«

»Klage nicht um das, was uns unabwendbar betroffen hat«, sagte Laskaris mit gepresster Stimme. »Sieh nach dem Knaben, denn er scheint nur betäubt zu sein. Mich aber lass die geringen Reste unseres herrlichen Schatzes aufsammeln!«

Von der gewaltigen Glasphiole, deren Splitter, fast zu Staub zermalmt, weithin den Burgberg bedeckten, war die rotgoldene Masse in die Nachtluft empor gesprüht. Das zeigten die seltsam gleißenden Tropfen, die überall am zerstörten Mauerwerk funkelten und die nun der Adept mit Sorgfalt zu sammeln sich bemühte, während Ignaz den bewusstlosen Antonio ins Turmgemach trug, um ihn womöglich ins Leben zurückzurufen.

Indessen heulte der Wind um die Trümmer des Laboratoriums wie die zornige Klage eines entfesselten bösen Geistes, während das Gewölk des Himmels sich in großen Tropfen zu entladen begann. Nicht ohne Gefahr waren die nur noch spärlich strahlenden Funken des Wunderelixiers zu erlangen, und Laskaris gab endlich der Ermüdung nach, welche ihn fast unwiderstehlich befiel. Als er mit triefendem Gewand und bleichem Angesicht den Turm betrat, in dessen Kamin, dem Sturm zum Trotz, ein munteres Feuer prasselte, war es den Bemühungen des alten Ignaz gelungen, den fest geschlossenen Mund des Zigeunerknaben zu öffnen und ihm einige Tropfen der starkduftenden Essenz einzuflößen, welche vor ihm auf dem Eichentisch stand.

Antonio atmete tief auf. Dann öffneten sich langsam seine dunklen Augen und schweiften unstet umher, bis sie das Antlitz des Griechen trafen, der in der Mitte des Gemachs stand, von der rötlichen Flamme hell beschienen. In rascher Folge durchfuhren die Bilder der Nacht das Gemüt des Jünglings. Plötzlich entglitt er von dem Lager, auf das er gebettet worden war, zu den Füßen seines Herrn, bedeckte dessen Hände mit leidenschaftlichen Küssen, und stammelte mit behänden Lippen: »Züchtigt mich, straft mich, so viel Ihr wollt, Herr, aber verzeiht mir, verstoßt mich nicht!«

Des Alten Augen blitzten wild empor, als er diese Worte vernahm. »Ha!«, rief er, und schritt auf den am Boden Liegenden zu. »Dachte ich’s doch, dass er das Unheil hervorgerufen hat.«

Allein Laskaris streckte schützend seine Hand über den Knaben aus. »Er ist mein«, sagte er ruhig, aber mit einem so eigentümlichen Ausdruck in Ton und Blick, dass der Alte sich unwillkürlich abwendete. »Sprich«, fuhr er, zu dem Knienden gewendet, fort, »wie geschah es?«

Antonio, im Gefühl der Sicherheit, welches ihm die Nähe des Adepten gab, begann mit zitternder Stimme: »Als Ihr hinabgestiegen ward an diesem Abend und ich allein bei dem Glaskolben zurückblieb, entstand plötzlich ein seltsames Getöse darin. Das währte kurze Zeit. Ich hatte mich, um den wunderbaren Klängen besser zu lauschen, nahe an die Öffnung gedrängt. Da sah ich aus dem goldfarbenen Gewölk, das über der Masse schwebte und sich wie eine herrliche, breite Blume zu spalten schien, ein Gebilde aufsteigen, wie es der Glaskolben nie zuvor gezeigt hatte, gleich einem Thron, und wie aus Edelgestein und schimmernden Perlen gebaut. Nun brausten die Nebel durcheinander, als wollten sie die Wände zertrümmern, die ihren wilden Reigen einschlossen, und es tönte Trompetengeschmetter. Dann ging es in unbeschreiblich süße Melodien über. Aus den nur leise flutenden Schleiern enthüllte sich eine königliche Jünglingsgestalt in rotem, leuchtendem, goldverbrämtem Gewand. Sie streckte ihre weiße Hand zurück in das Gewölk, und plötzlich erblickte ich eine zarte Jungfrau mit himmlischem Angesicht, wie sie die Engel malen. Da löste ich, einer geheimnisvollen Macht in meinem Busen gehorchend, den Verschluss. Eine feurige Lohe umgab mich vom Haupt bis zu den Füßen. Noch vernahm ich fernen dumpfen Klang, als schon des Todes Geschwister, schwere Fühllosigkeit, sich meiner Sinne bemächtigte.«

Eine bange Stille herrschte im Gemach, als der Knabe schwieg. Selbst der Alte schien seinen Groll vergessen zu haben und war unmerklich nähergetreten. Laskaris schaute düster sinnend zu Boden.

Endlich sagte Antonio leise: »Ist’s denn nicht möglich, dass Ihr noch einmal das Werk beginnt mit gleich glücklichem Erfolg?«

Der Adept schüttelte verneinend das Haupt. »Es ist ein törichter Glaube«, erwiderte er, »der Vergangenes zurückzurufen wähnt. Ich sage dir, Knabe, es kehrt nichts wieder von dem, was einmal dahin ist. Deshalb lerne des Augenblicks achten, denn nur dieser gehört dir ganz. Ein altes Gesetz der über uns waltenden Macht gebietet dreierlei: nicht mitzuteilen, was sie uns offenbarte, weder den Ungeweihten noch den Wissenden; nicht das Verliehene über Gebühr zu nutzen, denselben Pfad nicht zweimal zu wandeln! Mit des Blitzes Schnelle ereilt uns das Verderben, wenn wir gegen dieses Gebot sündigen. Von heute ab sei meine Lippe wie das Grab verschlossen, und du …« Er neigte sich zu dem Knaben und suchte durch gütige Blicke den herben Eindruck der Worte zu mäßigen. »… Du, Antonio, darfst nimmer wieder deine Hände zu meinem Werk regen.«

Antonio sah ihm starr ins Antlitz. Er schien nicht sogleich die Worte des Adepten zu fassen. Dann zuckte ein wilder Schmerz durch seine noch halb kindlichen Züge. Er wollte durch Flehen und Tränen des Meisters Spruch zu mildern suchen, allein er vermochte es nicht vor dem hohen gebietenden Blick, der ihn traf.

Sanft streifte der Adept die umschlingenden Arme des Jünglings ab und verließ das Gemach, dieser aber weinte seinen Schmerz in krampfhaftem Schluchzen auf dem Boden aus, den seines Herrn Tritt geweiht, und der alte Ignaz schwieg bedächtig, halb in beruhigtem Empfinden der gerechten Strafe, halb in unbewusstem Mitgefühl.