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Die Geisterburg

Die-Geister-Zweites-BuchChristoph Wilhelm Meißner
Die Geister
Zweiter Band
Berlin 1805, bei Oehmigke jun., überarbeitet 2016

Die Geisterburg

Ich reiste durch ein Dorf, welches nahe an einem Wald grenzte, dessen Besitzer sich aber nie hier aufhielt, und der einen Bauer zum Pächter eingesetzt hatte. Auf meine Frage, warum das schöne Schloss unbenutzt dastände, erfuhr ich, dass es seit zwanzig Jahren von einem Geist beunruhigt würde.

Ich lachte laut auf. Mein Wirt aber brachte mir die glaubwürdigsten Belege, dass schon zwei Wagehälse mit aufgeschnittenen Kehlen herausgetragen und von der Gemeinde begraben worden wären.

Zweifeln war hier unmöglich. Mein Urteil war also gleich, dass irgendeine Betrügerei dabei zugrunde liegen müsse, und nichts konnte mich abschrecken, dieses Abenteuer ebenfalls zu bestehen.

Ehe es Abend wurde, gingen mir dennoch mancherlei Gedanken im Kopf herum. Ich ging vorher selbst aufs Schloss und untersuchte alles in dem Zimmer, wo der Geist wirklich erscheinen sollte. Keine Spalte der Wand, keine Ritze des Fußbodens blieb unerforscht, sogar die Keller durchstrich ich, aber nirgends fand ich etwas, was meinen Argwohn erwecken oder mich sonst irremachen konnte.

Eine Flasche Wasser, ein paar geladene Pistolen und mein Degen waren meine ganze Begleitung. Ich legte alles zusammen auf ein Tischchen und stellte meinen Stuhl so dahinter, dass ich alle Winkel der Stube und besonders die Tür übersehen konnte. Nun zündete ich zwei Lichter an und stellte das eine etwas abwärts, um im Notfall, wenn das andere etwa plötzlich verlöschen sollte, mich dessen zu bedienen. Auch hatte ich mich mit einem guten und sehr fertigen Feuerzeug versehen. Ich setzte mich ganz ruhig nieder und las in einem mitgebrachten Buch. Nichts rührte, nichts bewegte sich.

Mit dem Schlag zwölfe hörte ich ein dumpfes Getöse, das einem entfernten Gewitter ähnlich schien. Es kam immer näher. Plötzlich geschah in meinem Zimmer ein heller Blitz und harter Donnerschlag, und in demselben Augenblick sprang aus der Wand eine große geharnischte Figur hervor, und stellte sich mir gerade gegenüber.

Einige Augenblicke sah ich halb bewusstlos darauf hin, bald aber fasste ich mich wieder und fragte die Gestalt, was sie bewege, auf diesem Schloss solchen Unfug zu treiben, und den rechtmäßigen Besitzer zu verscheuchen.

Ich erhielt keine Antwort. Der Geist rührte sich nicht von der Stelle. Dies gab mir neuen Mut. Ich stand auf, nahm ein Licht, beleuchtete ihn von allen Seiten und fand, dass es ein bloßer leerer Harnisch sei.

Dies kam mir – Gott weiß, warum – in diesem Moment so komisch vor, dass ich laut auflachte, ein Terzerol ergriff und es darauf abschoss. Aber diese Unvorsichtigkeit hätte mir bald das Leben gekostet, denn die Kugel sprang zurück und fuhr dicht neben mir in die Wand.

»Tollkühner Sterblicher!«, begann darauf hin mit einer dumpfen Stimme die Figur, »ich könnte deine Verwegenheit dir mit dem Leben bezahlen lassen. Indes sei es dir geschenkt, unter der Bedingung, dass du dich ganz ruhig schlafen legst und es nie wieder wagst, dieses Schloss zu betreten. Übertrittst du je dieses Gebot, so ist es um dich geschehen!«

Ein heller Blitz, begleitet von einem heftigen Knall, und verschwunden war die Gestalt wieder durch die Wand, woher sie gekommen war.

Ich nahm aufs Neue mein Licht und untersuchte nun mit einer außerordentlichen Sorgfalt die Wand, aus welcher die Maschine herausgesprungen war. Sie war von Stein. Klopfen auf allen Seiten gab nicht den Schall eines Hohlraumes. Von Fugen war nichts daran zu bemerken. Ich überlegte, dachte, zerbrach mir den Kopf. Ich konnte und wollte nichts von Geistererscheinungen glauben, und doch entdeckte sich mir nichts Natürliches.

Ich legte mich endlich aufs Bett und versuchte einzuschlafen. Aber mein unruhiges Blut gab keinem festen Schlaf Raum. Es war ein Mittelding zwischen Schlummern und Wachen. Bald träumte ich, bald sah ich den Geist und schreckte auf.

Der Gedanke, dass hier ein verborgenes Kunststück sich befinden müsse, dessen böse Menschen sich bedienten, um ihre Räubereien zu beschönigen, beschäftigte mich zuletzt am meisten und schien mir am wahrscheinlichsten. Ich fasste deshalb den unwandelbaren Entschluss, eine zweite Nacht hier zuzubringen.

Mein Wirt, dem ich das ganze Abenteuer und auch die Drohung des Geistes nicht verschwiegen hatte, geriet dadurch in Furcht und Schrecken, und ich konnte ihn nur dann erst loswerden, als ich ihm die Versicherung gab, ich wäre ein Teufelsbanner, dem kein Geist etwas schaden könne. Um zehn Uhr ging ich wieder in das Schloss und vertrieb mir mit allerlei Beschäftigungen die Zeit, bis es zwölf Uhr schlug. Aber kein Toben ließ sich hören, kein Geist erschien. Es schlug eins, und alles blieb still. Ich glaubte nun nichts Gewisseres, als dass meine Herzhaftigkeit den nächtlichen Folterer furchtsam gemacht hätte, und hielt mich nunmehr vollkommen überzeugt, dass es eine bloße Gaukelei sei.

Da ich vorherige Nacht nicht geschlafen hatte, so war ich äußerst müde, kleidete mich aus und legte mich nieder. Kaum aber lag ich im Bett, so fiel ein Stahlgitter auf mich und drückte mich so, dass ich nicht imstande war, mich zu rühren oder zu bewegen.

Nun sah ich die Größe meiner Unvorsichtigkeit und die Möglichkeit ein, wie die gestern geschehene Drohung an mir vollzogen werden konnte. Plötzlich erschien auch der Harnisch und sprach die fürchterlichen Worte: »Bereite dich auf deinen Tod vor!«

Im selben Augenblick geschah ein heftiger Blitz und Donnerknall. Eine weiße, blendende Gestalt kam, dem Harnisch gegenüber, aber ebenfalls aus der Wand zum Vorschein und sagte zu ihm: »Schweig, verdammter Betrüger, der du schon zwei Mordtaten auf deine Seele geladen hast, und lass dich mit deiner Rotte nie wieder hier sehen!«

Im Nu war der Harnisch verschwunden, und der lichte Geist näherte sich meinem Bett. Er hatte es kaum berührt, als schon das stählerne Gitter aufflog.

»Verwegener Jüngling!«, sprach die Gestalt zu mir, indem sie sich wieder zurückzog. »Mäßige in Zukunft deinen Vorwitz. Diesmal habe ich dein Leben noch gerettet! Nicht immer möchte mir dies gelingen!«

Ich sprang auf und wollte ihr nach. Aber ein neuer Blitz und Schlag schreckte mich zurück. Mit ihm war die Erscheinung verschwunden. Ich hatte nicht Lust, länger hier zu verweilen, ging zu meinem Wirt und legte mich schlafen. Am folgenden Morgen ging ich in seiner Begleitung aufs Schloss. Es war alles ohne die geringste Veränderung in seinem vorigen Zustand, nur der Boden hatte einige Pulverflecke, und in den zwei verschiedenen Ecken des Zimmers lag etwas verbranntes Papier.

Am Betthimmel fanden wir das stählerne Gitter, welches zum Bett, das ebenfalls ganz von Stahl war, zu gehören schien. Alle unsere Kräfte aber vermochten nicht, es von den Pfosten zu trennen.

Je mehr ich nachdachte, desto mehr wurde mir die ganze Begebenheit ein unlösbares Rätsel.

Zu glauben, dass es eine wirkliche Erscheinung gewesen sei, dazu hatte ich eine zu aufgeklärte Erziehung genossen. Und doch konnte ich es wieder nicht zusammenreimen, was die zweite Erscheinung bewogen haben konnte, Zeit, Ort und Umstände so genau abzumessen und all die verschiedenen unmöglich scheinenden Möglichkeiten zu übersteigen, und mich eben in dem gefährlichsten Augenblick zu retten! Was für Gründe konnte man gehabt, was für Vorteile davon erhofft haben?

Das Resultat von allen diesen Betrachtungen fiel endlich dahin aus, dem Besitzer dieses Schlosses, einem Grafen S…, der sich gegenwärtig in Italien aufhalten sollte, nachzureisen, und mit diesem gemeinschaftlich der obwaltenden Betrügerei nachzuspüren und sie ans Licht zu ziehen.

Da ich mich auf meiner Reise immer nach dem Grafen erkundigte, so erfuhr ich endlich, dass er gegenwärtig in P… sei und sich mit einem Mann, namens Silvio, in Verbindung eingelassen habe, der ihm den Geist wegbannen sollte. Auf weiteres Nachforschen hörte ich, dass dieser Mann sich für älter als hundert Jahre ausgäbe, in dieser Gegend schon manche unbegreifliche Proben seiner Kunst gegeben habe, sodass er allenthalben als ein mit besonderen Gaben von Gott ausgerüsteter Mann betrachtet und in den Klöstern verehrt werde. Seit vier Tagen lebe er mit dem Grafen, der zum Besten der Armen eine bedeutende Summe im Kloster des heiligen Franziskus habe niederlegen müssen, in einer unterirdischen Höhle, wo er ihm versprochen habe, zu untersuchen, ob er seinen Geist beschwören könne.

Ich musste mit großer Behutsamkeit zu Werke gehen, wenn meine Absicht nicht fehlschlagen sollte. Jener Mensch hatte sich einmal in das Herz des Grafen geschlichen und besaß sein Zutrauen. Es konnte ihm daher leichtfallen, meine vom Pächter und den Bauern bestätigte Erzählung verdächtig zu machen, und meine Aussage für ein Hirngespinst zu erklären. Ich ließ mir also den Ort zeigen, wo der Eingang zur Höhle war, die, nach der Angabe der dortigen Einwohner, keiner zu betreten wage, der nicht die Erlaubnis und den Segen der Franziskaner vorher erhalten habe.

Mir gingen die Augen über diese Höhle und den angeblichen Geisterbanner immer mehr auf. Ich durchdachte die Rolle, die ich spielen wollte, und baute darauf den guten Ausgang meines Unternehmens.

Unter dem Vorgeben, dass ich eine Reliquie besitze, die mich vor jedem Ungemach schütze, betrat ich, mit einer kleinen angebrannten Lampe und begleitet von den guten Wünschen aller, die mit mir gegangen waren, die Höhle. Ich fand den Eingang bequem, und nachdem ich zwölf Stufen herabgestiegen war, musste ich durch einen langen, geschlängelten Gang wandern, der mich endlich in ein ziemlich geräumiges Zimmer führte, in dem sich allerlei Hausrat befand.

Ich hielt mich hier nicht auf und gelangte bald in ein kleineres, in welchem zwei Betten und einige ausgeleerte Flaschen standen. Eine andere Tür brachte mich wieder in einen langen Gang, durch den ich fast eine halbe Stunde gehen musste. Endlich sah ich von Weitem einen hellen Schein, auf den ich nun losging, nachdem ich vorher meine Lampe, die mich nun blendete, ausgelöscht hatte.

Dieser Schein fiel von oben herab durch ein viereckiges Loch, und ich sah ein Brett auf der Erde, welches mir genau in die Öffnung zu passen schien. Ich riet sogleich auf eine Hebemaschine und hatte mich nicht geirrt.

Denn kaum stand ich mit beiden Füßen darauf, als sie sanft in die Höhe ging und mich in ein mit vielen farbigen Lampen erleuchtetes Gemach hinaufhob, wo der Graf und der Geisterbanner in einem Kreis von Sand saßen.

Mein unvermutetes Erscheinen brachte ein ganz entgegengesetztes Benehmen bei beiden hervor. Der Graf schien mehr freudig, als erschrocken. Der Geisterbanner aber unterdrückte mit sichtbarem Zwang einen lauten Ausbruch des Schrecks.

Kaum war er nach einer kleinen Pause vermögend, die Worte hervorzubringen. »Wer unterfängt sich, dieses Heiligtum unberufen zu betreten?«

»Ein Bekannter jenes nächtlichen Wesens, das zu bannen du dir vorgenommen hast.«

Der Graf sprang auf. Dem Geisterbanner schien leichter ums Herz zu werden, als er den Schall einer menschlichen Stimme vernahm. Er sprach heimlich mit dem Grafen, und dieser schien durch Kopfnicken die Einwilligung zu einer von ihm zu machenden Frage zu geben.

»Es ist nicht genug«, fuhr der Banner nun zu mir fort, dass du dich für einen Bekannten jenes geistigen Wesens ausgibst. Dies kann jeder. Beantworte mir erst zwei Fragen: »In welchen Zimmern lässt sich jene Erscheinung sehen?«

»Nur in einem, wo das stählerne Bett mit dem schrecklichen Gitter steht.«

»Wie erscheint sie?«

»Aus der Wand springend, als ein eiserner Harnisch, den kein Stahl verletzen, kein Blei durchlöchern kann.«

Der Graf wurde aufmerksamer und der Banner blass. Er winkte jenem, sich zu entfernen. Als dies geschehen war, fragte er mich lächelnd: »Bist du ein Sterblicher oder ein Geist?«

»Ein Sterblicher!«

Sein Gesicht erheiterte sich nach diesen Worten merklich. Er machte mir verschiedene Zeichen und wurde verlegen, als ich sie unbeantwortet ließ, weil ich wirklich nicht recht verstand, was er damit andeuten wollte.

Er rief den Grafen wieder und sagte zu diesem: »Er ist kein Geist, scheint aber hohe Kenntnisse zu haben.«

Mich selbst lud er zum Abendessen ein.

Er führte uns durch eine Tür die Treppe hinab in einen kleinen Speisesaal. Wir setzten uns zu Tisch, aßen und tranken recht gut. Hierauf machte er mir eine Matratze zurecht, und wir legten uns nieder.

Dass ich nicht schlief, kann man wohl denken, aber ich stellte mich schlafend.

Als der Graf, an diesen Ort schon gewohnt, wirklich eingeschlafen war, glaubte sich der Geisterbanner sicher, stand auf, zündete eine Lampe am Nachttisch an und schlich sich fort.

Ich hörte ihn eine entfernte Tür aufschließen und weckte den Grafen.

»Ist Ihr Freund schon oft des Nachts weggegangen?«, fragte ich ihn.

»Noch nie!«, war seine Antwort.

»Eben hat er uns verlassen.«

Der Graf wollte es nicht glauben, stand auf, und überzeugte sich.

»Hüten Sie sich«, sagte ich. »Man hintergeht Sie!«

»Er hat mir doch alles gesagt, was Sie mir gesagt haben!«

»Auch dass, außer dem Harnisch noch eine weiße Gestalt auf Ihrem Schloss sich sehen lässt?«

»Das ist lächerlich«, entgegnete mir der Graf etwas misstrauisch. »Diese hat noch niemand gesehen!«

Ich erhielt auf meine ferneren Fragen keine weitere Antwort, sprach auch nichts weiter und stellte mich wieder schlafend.

Gegen Morgen kam der Geisterbanner wieder, setzte sich vor das Bett des Grafen und sprach viel mit ihm, doch konnte ich den Inhalt ihres Gespräches nicht deutlich genug verstehen.

Müde dieses Geflüsters tat ich, als ob ich erwachte, und wünschte beiden einen guten Morgen. Nach eingenommenem Frühstück ersuchte mich der Geisterbanner, mich ins Zimmer der Beschwörungen hinaufheben zu lassen, wo er den auf dem Schloss des Grafen spukenden Geist zitieren werde. Er selbst wolle den Grafen nur vorher nochmals darauf vorbereiten und in kurzer Zeit mit ihm nachkommen.

War es mein guter Genius, der mich warnte, oder eine innere Ahnung, die mir eine unerklärbare Beängstigung verursachte – kurz, eine unsichtbare Gewalt zog mich von diesem Ort weg. Ich sprang ohne Schaden die Öffnung wieder hinab, ging mit einer Lampe durch den langen Gang, kam ans Tageslicht, und gelangte unbeschadet in meine Wohnung zurück.

Bald nach meiner Ankunft überreichte mir mein Wirt einen versiegelten Zettel, den ein fremder Bediensteter abgegeben und dringend um augenblickliche Bestellung gebeten hatte. Hastig öffnete ich ihn und fand darin die Worte:

»Dein Leben ist verloren, wenn du noch eine Nacht hier verweilst! Eile ohne Verzug nach Neapel!

Ich stand und staunte und wusste anfänglich selbst nicht, was ich aus dieser abenteuerlich scheinenden Warnung machen sollte. Nach langem Kampf mit mir selbst gab endlich mein jetziger Gemütszustand den Ausschlag. Ich nahm unverzüglich Post nach Neapel. Je näher ich dieser Stadt kam, desto mehr machte ich mir über meine Handlungsweise Vorwürfe. Der Graf konnte jetzt nicht anders urteilen, als dass ich ein Betrüger sei, der, aus Furcht entdeckt zu werden, davongelaufen wäre. Meine ganze Hoffnung, ihn aus seinem unseligen Traum zu wecken, war dahin. Und schon war ich entschlossen, diese ganze Unternehmung aufzugeben, als ein neuer Zufall mich in den vorigen Enthusiasmus zurückbrachte.

Eines Tages brachte mir mein Wirt, dem ich meine ganze Geschichte erzählt hatte, die Nachricht, er habe an einem öffentlichen Ort Menschen gesehen, die nach der gemachten Beschreibung keine anderen als der Graf und der Geisterbanner sein könnten. Diese Nachricht war für mich äußerst wichtig. Ich wollte mich selbst in die Gefahr wagen, alles zu untersuchen.

»Um Himmelswillen!«, sagte er. »Sie kennen den Italiener nicht. Wenn er glaubt, man habe ihm ein Projekt verderben wollen, dann ist seine Rache unbegrenzt. Ich will es auf mich nehmen, die sorgfältigsten Erkundigungen einzuziehen.«

Ich war damit zufrieden. Er ging, kam zurück, sagte, er habe ein Gespräch mit ihnen angesponnen und sei endlich auch auf mich gekommen. »Kaum hatte der Geisterbanner gehört, dass Sie auch hier wären«, fuhr mein Wirt fort, »als er alle Schmeicheleien aufbot, um mich dahin zu bringen, Sie bei ihm einzuführen. Der Graf vereinigte seine Bitten und nannte mir den Gasthof, wo sie logierten. Ich versprach es, um ihrer los zu werden, und entfernte mich dann unbemerkt in der größten Geschwindigkeit. Tun Sie jetzt, was Ihnen gut dünkt. Raten kann ich zu nichts.«

»Ich gehe hin, und Sie müssen mich begleiten«, war meine Antwort. »Morgen mit dem Frühsten!«

Er versprach es, wünschte mir eine gute Nacht, und ließ mich allein. Es mochte ungefähr gegen Mitternacht sein, als plötzlich die Tür meines Zimmers ohne Geräusch aufging und jene lichtweiße Gestalt, die mir damals auf dem Schloss des Grafen das Leben rettete, hereintrat.

Sie sagte zu mir: »Geh nicht zum Geisterbanner. Es ist dein Tod! Zum dritten Male rette ich dich! Auf dem Schloss des Grafen siehst du mich wieder!«

Ich war überrascht, erstaunt. Jetzt sprang ich plötzlich auf und griff nach meinem Degen, um das Phantom zu entlarven. Allein ich war keine Sekunde in Bewegung, als Knall, Blitz, Rauch, das Verschwinden der Gestalt, das Werk eines Augenblicks war. Mein Licht war verloschen, ich stand im Finstern und fast ohne Besinnung da!

In dieser Lage fand mich mein Wirt, der durch die offenstehende Tür in mein Zimmer trat.

»Mein Gott!«, rief er erschrocken aus. »Was ist hier vorgefallen? Sie haben einen nächtlichen Besuch gehabt und müssen etwas auf Ihrem Gewissen tragen. Erfährt das geistliche Gericht etwas von diesem Umstand, so sind Sie verloren. Ich rate Ihnen wohlmeinend, Neapel ohne Verzug zu verlassen.«

»Sahen Sie denn etwas?«, fragte ich.

»Der Knall weckte mich«, antwortete er. »Ich glaubte ihn auf der Straße, sah hinaus, und eine lichtweiße Gestalt ging aus meiner Haustür und machte diese hinten sich zu. Doch hörte ich kein Schlüsselgeräusch. Wir wollen doch sehen, ob sie verschlossen ist!«

Ich ging mit ihm hinunter. Sie war fest zu, und keine Spur irgendeiner Gewalttätigkeit daran zu entdecken.

»Schossen Sie auf die Gestalt?«, fragte er mich.

»Nein!«, erwiderte ich. »Ich wollte mit dem Degen auf sie zu. Knall, Blitz, Rauch und Verschwinden waren eins.«

»So hat sie auf Ihr Licht geschossen.«

Wir besahen es. Es war schwarz, wie verbrannt, und wollte nicht brennen.

Mein Wirt schüttelte den Kopf, zündete ein anderes Licht an und wünschte mir mit bedenklicher Miene eine gute Nacht.

Für mich war jeder Gedanke an Ruhe verschwunden. Schlaflos warf ich mich umher und war froh, als der Tag anbrach. Ich sah mich in eine Geschichte verwickelt, die ich nicht zu durchdringen vermochte, und von deren Entwicklung doch ein großer Teil meiner Zufriedenheit abhing.

Ich besann mich kurz, befahl meinem Diener, den Koffer zu packen, und reiste ohne Verzug in das Dorf des Grafen.

Bei meiner Ankunft entdeckte ich mich niemand als den oben erwähnten Verwalter und bat ihn, meine Gegenwart vor jedermann geheim zu halten. Durch ihn erfuhr ich, dass der Graf und der Geisterbanner hier schon angekommen waren, dass das Gespenst sich wieder habe sehen lassen, und dass der morgige Tag dazu bestimmt sei, die Beschwörung vorzunehmen.

Mit Ungeduld sah ich diesem entscheidenden Zeitpunkt entgegen. Wenige Stunden vorher machte ich dem Grafen bekannt, dass ich auch hier sei, mit dem Ersuchen, es mit dem Geisterbanner auszumachen, dass noch eine Person dabei gegenwärtig sein dürfe, die er ihm aber nicht nennen solle. Der Graf tat es mit Vergnügen, und jener, da ihm die weiße Gestalt nicht erschienen war, und er nun seiner Sache gewiss zu sein glaubte, gab es zu.

Nachdem also alle Vorbereitungen gemacht waren, trat ich ins Zimmer. Dies mochte er nicht erwartet haben, und eine sichtbare Blässe überzog sein ganzes Gesicht.

»Das ist gegen unsere Absprache, Herr Graf!«, sagte er aufgebracht.

Ich versuchte ihn zu besänftigen und versicherte ihn, dass ich mich dabei ganz ruhig verhalten würde.

Das erste entscheidende Zeichen der Macht des Geisterbanners war so, dass der Geist erscheinen musste. Das geschah. Der Harnisch sprang mit einer unglaublichen Geschwindigkeit aus der Wand hervor. Doch schien es mir jetzt, als ob die Wand sich zurückgezogen hätte und wieder hinter dem Harnisch vorgesprungen wäre.

Aus ihm ertönten nun die Worte: »Verwegener Sterblicher! Entferne dich oder dein Tod ist gewiss!«

Eben wollte der Geisterbanner den Mund öffnen und antworten, als nicht weit von ihm die weiße Gestalt mit Blitz und Knall sich erhob. Der Graf stand wie verzaubert und sah mich verwunderungsvoll an.

Die weiße Gestalt sprach: »Silvio, dein schändlicher Betrug ist entdeckt. Du kannst diesen Harnisch erscheinen und verschwinden lassen. Aber ich kann es auch.«

Der Geisterbanner sprang auf jenen Ort zu. Aber ehe er dahin kam, richtete die weiße Gestalt eine Hand auf ihn, aus welcher ein Rauch hervorging, der ihn wie betäubt machte.

Ich fasste ihn und setzte ihn ziemlich unsanft auf einen Stuhl. Er zückte einen Dolch, um mich zu durchbohren, den ich ihm aber aus der Hand wand.

»Sie sehen, mein Herr!«, begann ich nun, »dass Sie völlig entlarvt sind. Das einzige Mittel, Ihrer verdienten Strafe zu entgehen, ist, wenn Sie aufrichtig den ganzen Zusammenhang dieser Geschichte aufdecken.«

Der Graf, der noch immer stillschweigend dagestanden hatte, bekräftigte mein Versprechen durch ein stilles Kopfnicken.

»Wohlan, ich will es!«, erwiderte Silvio mit einem tiefen Seufzer. »Denn ich sehe, ich bin ganz verraten.«

In diesem Augenblick ließ die weiße Gestalt ihren Schleier fallen. Himmel, was sah ich! Es war Rosalie, die ich einst bis zur Schwärmerei liebte, die ich dann treulos verließ, und oft im Stillen als tot beklagte.

Ich lief auf sie zu, fiel vor ihr nieder, bat um Verzeihung meiner Tat, schwur, dass ich sie noch liebe, dass ich sie ewig lieben würde.

»Ist dies möglich?«, rief sie außer sich vor Freude. »O, so bin ich das glücklichste Geschöpf!«

»Möglich und wahr!«, erwiderte ich, umarmte sie und bat sie nun, das Rätsel aufzulösen.

»Geduld! Diese Auslösung soll dir werden! Erst aber muss dieser Betrüger dem Grafen beichten.«

Der Graf faltete die Stirn und befahl mit einem grimmigen Blick dem Silvio, ihm bei Lebensstrafe eine genaue Rechenschaft von der Ursache abzulegen, die ihn bewogen hätte, sein Schloss zum Spielraum seiner Betrügereien zu wählen.

»Gnädiger Herr!«, antwortete Silvio mit zaghafter Stimme, »auf den Ursprung kann ich nicht gehen. Mein Vater und Großvater haben ihre Residenz in den Gewölben dieses Schlosses gehabt. Nach des Letzteren Tod ging ich, ihrem Befehle gemäß, nach Italien und warf mich in die Arme des heiligen Franziskus. In welcher Verbindung sie mit diesem gestanden haben, weiß ich nicht. Das weiß ich aber, dass mein Vater mir sagte, dies Schloss muss einst dein werden. Das Geld dazu erhältst du von den Franziskanern. Kurz vor seinem Tod sagte er mir, wie ich es anfangen sollte, um den Besitzern dieses Schloss zuwider zu machen. Er machte mich deshalb mit der Wirkung dieser Maschine bekannt.

Ihre Abneigung, dieses Schloss zu verkaufen, blieb indes so standhaft, dass alle Mittel vergeblich waren, dieselbe zu überwinden. Ich ergriff daher, als ich von Ihrer Reise nach Italien erfuhr, einen anderen Ausweg. Ich vertraute dem Treusten meiner Leute meinen Plan an, überließ ihm die fernere Leitung der Intrige auf diesem Schloss, reiste Ihnen unverzüglich nach, wurde durch Hilfe der verschmitzten Mönche mit Ihnen bekannt, wusste Sie an mich zu ketten und beschloss, durch Wegbannung des Geistes, Sie mir verbindlich zu machen.

Das ist alles, was ich weiß. Von diesem Maschinenwerk ist mir nur so viel bekannt, dass eine Feder die Wand weghebt, und eine andere den Harnisch herausspringen lässt.«

Er gab ein Zeichen, und langsam öffnete es sich weiter zurück. Er ließ den Harnisch zurückspringen und zeigte uns, dass der Tritt auf einen Nagel dies bewerkstellige.

»Aber«, setzte er hinzu, »alles muss vorbereitet sein, und die ganze Maschine unten von jemand regiert werden. Eine untere Feder schließt das Ganze. Sobald sie nicht hinweggetan ist, wirkt keine andere. Dies hat sogar Einfluss auf das Bett.«

Er trat zu diesem und ließ das Gitter nach Belieben fallen und steigen.

Jetzt fragte Rosalie, ob er auch wisse, wie sie erschienen sei.

»Nein!«, entgegnete er. »Ich habe nie etwas von dieser Öffnung gewusst, habe Sie für einen wirklichen Geist gehalten.«

Rosalie trat an eine Seite der anderen Wand, und weg war sie, erschien aber gleich wieder.

Der Graf schien befriedigt. »In der Erwartung, dass ich nichts weiter von Ihnen zu fürchten habe«, begann er, »verzeihe ich Ihnen alles. Reisen Sie in Gottes Namen zu den Brüdern des heiligen Franziskus zurück. Falls nicht, so verfolge ich Sie wie einen Mörder!«

Silvio küsste dankbar dem Grafen die Hand, versprach alles und reiste noch gleichen Abend, begleitet von seinen treuen Helfershelfern, von hier ab.

Nie hat man von dieser Zeit an weder etwas von ihm gesehen oder gehört, noch hat irgendein neuer Vorfall auf dem Schloss zu der Mutmaßung Veranlassung gegeben, dass er noch ferner mittelbar oder unmittelbar gegen den Grafen wirke.

Ich wende mich nun zu Rosalie, um den völligen Aufschluss über jene mir unerklärbare Begebenheiten meinen Lesern mitzuteilen.

Rosalies Diener war als Kind bei den unterirdischen Gästen des Schlosses gewesen, wusste alle Schliche, war bei einer ergriffenen Gelegenheit ihnen entwischt und hatte danach, als sie nach meiner heimlichen Entfernung mir unbemerkt gefolgt war, sich der Schliche bedient, und besonders einen geheimen Gang, den er einst ganz allein entdeckt hatte, benutzt, um ihr zur Erscheinung die Möglichkeit zu bewirken.

Den Brief in P…, der eine bloße Vorsichtsmaßregel war, hatte mir dieser Diener ebenfalls überbracht. In Neapel war mein Wirt bestochen worden, um zu Rosalies Erscheinung hilfreiche Hand zu bieten.

Um die Entdeckung des Betrugs bei den Erscheinungen um so mehr zu verhindern, waren solche allemal unter Donner und Blitz vor sich gegangen.