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Die Farbe des Todes

Die-Farbe-des-TodesLeslie Parrish
Veronica-Sloan-Serie, Teil 1
Die Farbe des Todes
Originaltitel: Don’t look away, USA, 2013

Thriller, Hörbuch, ungekürzte Ausgabe, Audible GmbH, Berlin, Mai 2014, 690 Minuten, 19,95 Euro, gelesen von Christiane Marx, aus dem Amerikanischen von Sabine Schulte
Die Buchausgabe ist bei Egmont Lyx erschienen.
www.audible.de

Jeder Neuling bei ihnen im DCPD hätte schon am ersten Tag rausgekriegt, wie lange das Opfer tot war. Man brauchte nur einmal mit dem Handscanner über den rechten Oberarm eines gesetztestreuen US-Bürgers zu fahren und schon erhielt man die wichtigsten Daten. Name, Alter, Adresse, Strafregister, weitere Personendaten, Todeszeitpunkt bis hin zum Namen des Hausarztes und einer Liste der Allergien. […] Allerdings musste sie zugeben, dass es in diesem Fall weniger leicht gewesen war, den Chip des Opfers zu lesen, denn einen rechten Oberarm konnte Sie hier nicht so ohne Weiteres erkennen.

Amerika in der nahen Zukunft. Nach einem verheerenden Terroranschlag im Jahr 2017, dem auch das Weiße Haus zum Opfer fiel, haben sich die USA weitestgehend aus der Weltpolitik zurückgezogen. Gleichzeitig wurden die Sicherheitsmaßnahmen im Land deutlich verschärft. Jeder gesetzestreue Bürger trägt ein Identifikationsimplantat, das ihn zu einem nahezu gläsernen Menschen macht. Im Versuchsstadium befindet sich außerdem das sogenannte Optical Evidence Program, OEP. 5000 Versuchsteilnehmer in den USA haben am Sehnerv eine Mikrokamera implantiert, die alle optischen Informationen, die der Träger sieht, aufzeichnet. Im Falle eines Verbrechens können die gespeicherten Daten und Bilder ausgelesen und die Aufklärung damit beschleunigt werden. Im Idealfall dient die Erfindung damit der Verbrechensprävention.

Ausgerechnet während der Feierlichkeiten des Unabhängigkeitstages 2022 wird in den Geheimgängen unter der Baustelle des Weißen Hauses eine Versuchsteilnehmerin des OEP ermordet und zerstückelt. Offenbar wusste der Mörder von der Kamera, denn der Kopf der Leiche bleibt zunächst verschwunden. Da auch Veronica Ronnie Sloan, Detective beim DCPD eine Teilnehmerin des OEP ist, wird sie ausdrücklich für diesen Fall angefordert. Noch während sie und ihr Partner Mark Daniels ihre ersten Ermittlungen im näheren Umkreis des Opfers aufnehmen, taucht in Philadelphia die Leiche eines weiteren Programmteilnehmers auf.

Vielleicht hätte es mehr Widerspruch gegeben, wenn der Durchschnittsbürger gewusst hätte, dass Vater Staat den Datenchip im Arm für wesentlich mehr als nur für Namen und Personalien nutzen würde. Zum Beispiel wurde darauf abgespeichert, wo man Urlaub machte, denn der Chip ersetzte seit zwei Jahren den Pass. Oder wie viel Geld man verdiente, denn die kleinen Datenträger wurden routinemäßig zur Identifikation von Kunden bei finanziellen Transaktionen verwendet. Sogar, wie oft man währen der Arbeitszeit auf Klo  ging hielt der Chip fest.

Nach drei Folgen ihrer Black Cats-Reihe, eine Art CSI: Cyber mit einer guten Portion Romantik, beginnt Leslie Parrish mit Die Farbe des Todes eine neue Thriller-Reihe, in der ebenfalls eine Heldin mit spezieller Begabung im Mittelpunkt steht, auch wenn diese besondere Fähigkeit der »technischen Hochrüstung« ihres Körpers zu verdanken ist. Die Aufzeichnungen der Mikrokameras, die Ronnie Sloan implantiert hat, erlauben es den Ermittlern, mithilfe spezieller Hardware dreidimensional das Geschehene und Gesehene nachzuerleben. Man kann sich das etwa wie das Konsumieren der Gedankenclips vorstellen, mit denen Lenny Nero alias Ralph Fiennes in Kathryn Bigelows SF-Thriller Strange Days dealt. Das technische »Wie« wird dankenswerterweise großzügig umschifft, sodass der Leser nicht mit überflüssigem Technogebabbel gelangweilt wird und die Autorin nicht in Erklärungsnotstand kommt. Leider gilt das nicht für etliche andere Teile des Romans. Dort, wo sich die Autorin, die sich zunächst unter dem Pseudonym Leslie A. Kelly mit dem Schreiben von Liebesromanen verdingte, auf sicherem, sprich romantischem Terrain fühlt, wird dieses auch weidlich begangen. Nebensächlichkeiten werden mehrmals und breit erklärt und ausgewalzt, und man fragt sich wiederholt, für wie begriffsstutzig Fr. Parrish ihre Leser eigentlich hält.

Besonders deutlich wird das in Ronnies Beziehungen einerseits zu ihrem raubeinigen Partner, mit dem sie in einem Moment der Schwäche schon einmal das Bett geteilt hat, andererseits zu Agent Jeremy Sykes, mit dem sie in ihrer Ausbildung stets konkurriert hat und der – hups Überraschung!, weil total plump vorbereitet – von Seiten des FBI dem Fall zugeteilt wird. Man versteht schon sehr schnell, dass Veronica nicht weiß, ob sie Sykes lieber erwürgen (Warum eigentlich? Der scheint ein in jeder Beziehung toller Typ zu sein.) oder vögeln soll. Das Ganze zum zehnten Mal zu hören, machen Veronicas ambivalente Gefühle allerdings nicht noch deutlicher, sondern langweilt nur. Das gilt auch für die Ermittlungen via Kameraaufzeichnungen, deren Einsatz die Autorin ebenfalls unnötig ausgedehnt hat. Wieder und wieder tauchen die Ermittler in die Aufzeichnungen ein, spulen vor und zurück und sehen sich dieses oder jenes in Zeitlupe an. In einem optischen Medium wären diese Szenen wohl ganz cool, in einem Roman stellt das lediglich unnötiges Füllmaterial dar, sodass  die Handlung wiederholt empfindlich auf der Stelle tritt. Ärgerlich ist außerdem, dass dem Leser mehrmals Ermittlungsergebnisse oder Beobachtungen aus purer Effekthascherei vorenthalten werden.

Schon dass der Roman bei Egmont Lyx erscheint, spricht für einen nicht unerheblichen Romantikanteil. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn die Figurenentwicklung davon profitiert. Die aufgesetzte Romanze, die hier präsentiert wird, führt jedoch nirgends hin. Am Ende fragt man sich, was Superman Sykes eigentlich in dem Roman verloren hatte.

Bleibt noch das Rätsel zu lösen, wie aus dem ganz passenden Originaltitel Don’t look away auf Deutsch Die Farbe des Todes wurde. Dass eine spezielle Farbe im Roman eine Rolle spielt, habe ich wohl überhört.

Das Hörbuch

Christiane Marx liest den Roman souverän und lebendig, doch will ihre sehr mädchenhafte Stimme nicht zu der als erfahren und tough charakterisieren Ronnie Sloan passen, mit der man die Vorleserin zwangsläufig verbindet. Das Hörbuch ist exklusiv als Audible-Download erhältlich.

Fazit:
Alles in allem könnte Die Farbe des Todes ohne den überflüssigen Wiederholungszwang der Autorin ein ganz solider Thriller mit SF-Touch sein, würde die Handlung nicht ständig zwischen den verschiedenen Aspekten der Geschichte pendeln. Abwechselnd drängen sich verschiedenen Elemente in den Vordergrund, während die anderen Aspekte ins Hintertreffen geraten, so dass Die Farbe des Todes zu keinem Zeitpunkt richtig rund läuft und in Fahrt kommen kann.

(eh)