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Steampunk 3 – Argentum Noctis

Argentum-NoctisGuido Krain (Autor), Alisha Bionda (Hrsg.)
Steampunk 3
Argentum Noctis

Steampunk, Taschenbuch, Fabylon Verlag, Markt Rettenbach, Mai 2013, 200 Seiten, 14,90 Euro ISBN: 9783927071711, Cover- und Innengrafiken: Crossvalley Smith, Buchumschlag-/Reihengestaltung: Atelier Bonzai
www.fabylon.de

Charles war konzentriert in seine Arbeit vertieft. Sein Lichtverdichter nahm endlich Gestalt an und versprach, seine kühnsten Erwartungen in den Schatten zu stellen. Er stand kurz davor, Licht in einen quasiflüssigen Zustand zu überführen, Man würde es an einem Ort »einfangen« und an einem anderen Ort buchstäblich »ausgießen« können. Auch wenn seine Erfindung keinen praktischen Nutzen zu haben schien, was er außerordentlich fasziniert.

Der Erfinder Mortimer Fiddlebury macht seit Kurzem durch bizarre Aktionen von sich reden. So entlässt er nicht nur quasi über Nacht alle seine Angestellten, man soll ihn auch auf dem Londoner Zentralfriedhof aufgegriffen haben, wo er versucht hat, eine Gruft aufzubrechen. Da mit der Entlassung des Dienstpersonals alle Hausarbeit an seiner Tochter Rachel hängen bleibt, bittet diese den befreundeten Erfinder Charles Eagleton, ihr ein mechanisches Hausmädchen, ganz so wie Eagletons eigene Bedienstete, Fifi, zu konstruieren. Mit diesem Freundschaftsdienst erhält Charles auch mehr oder weniger freiwillig Einblick in die rätselhaften Vorgänge im Haus Fiddlebury. So ist es dem Hausherrn gelungen, die Lebensenergie, die sogenannte Essenz von Lebewesen, von den Gegenständen, mit denen diese in Berührung kamen, zu extrahieren und sogar auf andere Geschöpfe zu übertragen. Besonders geeignet scheint dafür der Belag zu sein, der sich auf Silber bildet. Der Effekt beschleunigt sich noch, wenn das Silber dem Mondlicht ausgesetzt war, da dieses die Essenz förmlich aus in der Nähe befindlichen Lebewesen abzuziehen vermag. So hat es Fiddlebury nicht nur geschafft, die Behinderung seiner Tochter zu heilen, sondern auch – als Krönung einiger weniger glücklich verlaufener Tierversuche – die intelligente Ratte Bradley zu erschaffen. Undenkbar also, was möglich wäre, wenn Fiddlebury den von Charles erfundenen Lichtverdichter für weitere Experimente verwenden könnte. Entgegen anfänglicher Antipathien beschließen die beiden Erfinder eine Zusammenarbeit, um dieses Phänomen systematisch zu erforschen. Als logische Fortführung ihrer Erkenntnisse gelangen die Wissenschaftler übereinstimmend zu der Theorie, dass es sich auch bei Geistererscheinungen um die zurückgebliebene Essenz von Lebewesen handeln muss. Eine Hypothese, die es nun an entsprechenden Örtlichkeiten zu beweisen gilt.

Die Fiddleburys hatten für ihre Konstruktion auf eine ausgediente Experimentaldruckkammer der Royal Navy zurückgegriffen. Sie war groß genug, um einen Menschen aufzunehmen, aber vollkommen schall- und luftdicht. Über ein kleines Bullauge konnte man jedoch hineinsehen und eine dampfbetriebene Pumpe versorgte eventuelle Insassen mit Atemluft. Eben diese Luftpumpe machte das Gerät zu einem laut lärmenden Ungeheuer.

Mit Guido Krains Argentum Noctis liegt die Fortführung der Kurzgeschichte Steam is beautiful (in Erinnerungen an Morgen, Fabylon Verlag, 2012) vor, die eine Art Prolog zu dem vorliegenden Roman darstellt. Das heißt, der Leser trifft hier die Figuren der Kurzgeschichte wieder. Zum Verständnis des Romans ist die Kenntnis der Geschichte jedoch nicht notwendig. Um nun über die volle Romanlänge zu tragen, stellt Autor Guido Krain dem sympathischen Jungerfinder Charles Eagleton und seinem Love Interest Rachel Fiddlebury eine Reihe schön gezeichneter Nebenfiguren zur Seite. Vor allem das dampfbetriebene Dienstmädchen Fifi (siehe Buchcover), das ebenfalls aus Steam is beautiful bekannt ist, dürfte längst ihre treuen Fans haben. Als wenig sympathischer Zeitgenosse steht Rachels Vater Mortimer zur Verfügung, für den der wissenschaftliche Zweck die Mittel heiligt und der zunächst – im Rausch seiner bahnbrechenden Entdeckung – die Ethik aus den Augen verliert. Wichtigster Neuzugang ist jedoch die »menschliche« Ratte Bradley, die für allerlei Situationskomik und Slapstickmomente sorgt. Außerdem fungiert das intelligente Tier als Ich-Erzähler der Geschichte. Meinem persönlichen Leseempfinden nach eine unglückliche Entscheidung des Autors, da man sich stets vor Augen halten muss, dass hier aus der Rattenperspektive erzählt wird. Verwirrend auch, da dem Leser zu Anfang des Romans Charles als primäre Bezugsperson angeboten wird. Insgesamt sind die Personen in ihren Handlungen leicht überspitzt gezeichnet, was dem Ganzen ein amüsantes Comic- oder Zeichentrick-Feeling verleiht.

Wie es sich für einen Steampunk-Geschichte gehört, muss natürlich die Technik ihren Platz haben. Das ist neben Fifi und ihrer neuen Kollegin Kinkin vor allem die geniale Prämisse, dass sich menschliche Essenz auf Gegenständen ablagert und es möglich ist, diese mit entsprechenden technischen Mitteln quasi aus der Oberflächenpatina zu extrahieren und mit diesem Extrakt sogar Fähigkeiten des »Spenders« auf einen neuen »Wirt« zu übertragen. So verfügt Argentum Noctis alles in allem schon einmal über einige Pfunde, mit denen sich wuchern lässt.

Leider gestaltet sich der Roman vor allem in der zweiten Hälfte sehr episodenhaft und lässt einen durchgehenden roten Faden vermissen. Das wiederholte Liebesgeplänkel und gegenseitige schwülstige Anschmachten zwischen Bradley und seiner Liebsten untergräbt die Möglichkeit eines kontinuierlichen Spannungsaufbaus. In Maßen mag es amüsant sein, dass eine Ratte sich am Dekolleté seiner Liebsten (Menschin) verständlicherweise am wohlsten fühlt, wie auch der Eigensinn und der starke französische Akzent eines mechanischen Dienstmädchens, doch laufen sich auch noch so originelle und witzige Ideen durch ständige Wiederholung tot und hindern den Roman, auf ein durchgängiges Betriebstempo zu kommen. Zudem fehlt der Geschichte lange Zeit ein Ziel, auf das es für das Heldenteam hinzuarbeiten gilt und das die Neugier des Lesers aufrechterhält. Zu diesem Zweck lässt Guido Krain fast schon auf der Zielgeraden absolut übergangslos eine »Göttin« auf der Bildfläche erscheinen, die es nun zu retten gilt. Eine sprichwörtliche Dea ex machina, um den Roman zu einem Ende zu bringen.

Argentum Noctis ist als Band 3 der von Alisha Bionda herausgegebenen Reihe »Steampunk« im Fabylon Verlag erschienen. Das Covermotiv, welches das mechanische Dienstmädchen Fifi zeigt, sowie die Innenillustrationen wurden von Crossvalley Smith erstellt; das schmucke Reihenlayout inklusive des fantastischen »Steampunk«-Reihenlogos von Atelier Bonzai.

Fazit:
Eine originelle Prämisse und ein liebenswertes Figurenarsenal stehen einer unrunden Story mit ungereimten Wendungen gegenüber.

(eh)