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Pamfilius Frohmund Eulenspiegel 9

Pamfilius-Frohmund-EulenspiegelDer durch eine steinalte, boshafte, drachenhässliche Teufels-Hexe in allerlei Viecherln verzauberte und durch einen Teufels- und G’waltsrausch wieder glücklich erlöste
Pamfilius Frohmund Eulenspiegel,
Erzkalfakter und einziger Sohn des weltberühmten Till Eulenspiegels,
nebst Pamfilis ganz neue, höchst lustigen Abenteuer, lustigen Streichen und tollen Possen
Altötting, Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung.

Pamfilius im Kerker

Etwa noch 50 Schritte vom Stadttor entfernt sah ich vor demselben 4 Stadtsöldner mit Hellebarden in den Händen stehen, die eifrig miteinander sprachen und bisweilen auf mich deuteten. Ich meinte, sie müssten schon sehr lange oder gar nie einen Pilger gesehen haben. Als ich zu ihnen kam, grüßte ich sie freundlich und wollte an ihnen vorübergehen.

Sie vertraten mir den Weg, und einer von ihnen, vermutlich ihr Anführer, rief mir zu: »Halt, guter Freund, so geht’s nicht! Der genauen Beschreibung nach seid Ihr schon der Rechte, auf den wir schon lange warten.«

»Warum?«

»Weiß es nicht, brauch’s auch nicht zu wissen und kümmere mich auch gar nicht darum.«

»Was wollt Ihr denn von mir?«

»Nichts, als Euch zum Kriminalgericht führen.«

»Aber warum denn?«

»Das wird Euch das Gericht schon sagen.«

»Gewiss irrt sich das Gericht in meiner Person.«

»Geht mich nichts an. Fort!«

Sie nahmen mich in die Mitte und führten mich in die Fronfeste, wo sie mich in ein finsteres Loch steckten, in welchem man kaum die eigene Hand sehen konnte. Bald darauf brachte man mir einen Krug Wasser und ein Stück schwarzes Brot als Mittagsessen. Welch’ ein schrecklicher Unterschied zwischen diesem und der Klostertafel! Der Freude war schnell der Kummer gefolgt und was für ein Kummer!

»Für heute Nachmittag habt Ihr Verhör und Urteil zu gewärtigen«, sagte der Gefängniswärter.

»Geschieht dies hier so schnell?«, fragte ich.

»Ja, wir machen kurzen Prozess.«

»Dann müsst Ihr zuvor keine Advokaten gewesen sein, denn diese machen immer lange Prozesse und gewöhnen sich diesen Naturfehler zeitlebens nicht ab.«

»Ihr habt wahrhaftig nicht Ursache, auch noch Spaß zu machen, da es Euch wohl an den Hals gehen kann.«

»Ich habe jetzt schon bis an den Hals genug.«

Er ging brummend fort.

Nachmittags wurde ich in den Gerichtssaal geführt.

Der Stadtrichter saß oben an, mit zwei Richtern zu beiden Seiten. Ich musste auf der Anklagebank Platz nehmen, welche aussah wie ein Armensünderköpfstuhl.

»Wie heißt Ihr?«

»Blasius Waller.«

»Wo gebürtig?«

»Zu Neustätten in Hinterpommern.«

»Religion?«

»Gut katholisch.«

»Verheiratet?«

»Nein.«

»Kinder?«

»Natürlich keine. Ihr hört ja, dass ich nicht verheiratet bin.«

»Bei Euresgleichen ist alles möglich. Handwerk?«

»Handwerk – keines, aber desto mehr Fußwerk, denn ich bin zu Fuß nach Jerusalem und von da wieder zurückgegangen.«

»Keinen Spaß! Das Spaßmachen wird Euch bald vergehen.«

Er nahm ein Protokoll in die Hand, las darin und fuhr fort: »Kürzlich sind drei ehrbare reisende Handelsleute zu unserem Kriminalgericht gekommen und haben mit der genauesten und, wie ich sehe, vollkommen überein stimmenden Beschreibung Eurer Person eidlich ausgesagt, merkt wohl, eidlich ausgesagt, dass ihr im Wirtshaus zu Binseck von einem dieser Handelsleute einen kleinen hölzernen Türken gekauft, mit demselben gesprochen und vom hölzernen Türken auf jede Frage eine Antwort bekommen habt, was natürlich ohne Zauberei, auf die sie Euch angeklagt haben, nicht möglich war. Was habt Ihr darauf zu erwidern?«

»Dass ich von allem nichts weiß, dass ich niemals im Wirtshaus zu Binseck gewesen bin und dass eine Verwechslung der Person stattgefunden hat, oder dass die ganze Anklage eine niederträchtige Lüge ist.«

Im Grund hab’ ich’s an Lügen auch nicht fehlen lassen.

»Euer Leugnen hilft Euch nichts, da es durch die eidlich Aussage von drei ehrbaren Männern erwiesen ist, dass Ihr ein Zauberer seid.«

»Ehrbare Männer! Wahrscheinlich sind es drei Strolche gewesen. Glaubt ihr denn, gestrenger Herr, wenn ich wirklich ein Zauberer wäre, ich würde nicht schon zwischen den 4 Stadtsöldnern, die mich hierher führten, verschwunden sein, oder die fünf gestrengen Herren hier jetzt in fünf sanfte Täubchen verzaubern, die zu den Fenstern hinausfliegen?«

»So weit wird eben Eure Zauberkunst nicht reichen. Vernehmt also Euer Urteil! Nach den bestehenden Kriminalgesetzen muss ein Zauberer ohne Weiteres verbrannt und die Asche in die Lüfte zerstreut werden.«

Ich hätte gerne gefragt, ob man aus dieser Asche nicht nutzbare Lauge für die Stadtwäschereien bereiten wolle?

»In billiger Berücksichtigung jedoch«, fuhr er fort, und ich hoffte jetzt schon, den Ausspruch meiner Begnadigung zu hören – dass man zur Schonung der Gemeindekasse die Ausgabe für die vielen Hölzer zum Scheiterhaufen ersparen müsse, »sollt ihr Angeklagter und der Zauberei Überwiesener, aus besonderer Gnade nicht verbrannt, sondern übermorgen vormittags um 11 Uhr nur aufgehängt werden. Macht Euch bis dahin mit Gott bekannt.«

»Ist jetzt schon alles aus?«, fragte ich, »darf ich nicht auf Zeugen zum Beweis meiner Unschuld mich berufen oder an ein höheres Gericht mich wenden?«

»Nein, wir selbst sind schon das höchste Gericht. Das ist unser Stadtrecht.«

»Wahrhaftig, das ist der kürzeste Kriminalprozess, der jemals geführt wurde.«

Auf ein Zeichen erschien der Gefangenenwärter und brachte mich in das Armensünderstübchen, ein besserer Aufenthalt, als das verlassene Kerkerloch.

Ein Pastor wartete schon auf mich.

»Mein lieber Sohn«, fing er an, »der Himmel hat dich heimgesucht.«

»Ich weiß es«, erwiderte ich, »und wollte, dass er mich nicht angetroffen hätte. Seid so gut, mich jetzt zu verlassen und übermorgen zu kommen, da ich jetzt mein Testament machen und darin Eurer gedenken will.«

Durch diese Zusage getröstet, ging er recht gerne fort. Es war mir auffallend gewesen, dass man mich nach meiner Einlieferung zum Gericht nicht durchsucht und dabei mir nicht das Geld abgenommen habe, wahrscheinlich in der Meinung, dass ich ohnehin nicht mehr entwischen werde, und sie dann alles gleich miteinander bekommen würden.

Ich gab dem Gefängniswärter zwei Taler, um Wein und Essen für uns beide zu holen, und einen Taler extra für diesen Gang, worüber er hoch erfreut war und vertraulich mir ins Ohr sagte: »Für Geld könnt ihr alles von mir haben, was ihr wollt.«

»Auch meine Freiheit?«

»Auch diese, wenn ich nur wüsste, wie ich mich gut verantworten könnte, um nicht vom Dienst verjagt zu werden.«

»Nichts leichter, als dies«, erwiderte ich.

»Wie denn?«

»Wisst Ihr, wieso ich zum Tode verurteilt wurde?«

»Ja, als Zauberer.«

»Gut. Ihr braucht also nur zu sagen, das Gericht habe selbst anerkannt, dass ich ein Zauber sei, müsse es also sehr begreiflich finden, dass ich in der Nacht durch Zauberei verschwunden sei. «

»Richtig, da können mir die gestrengen Herren nicht zu. Ich führe Euch morgen früh durch das untere Verließ in den gewölbten Stadtbach, der jetzt kaum einen halben Fuß tief ist, und in welchem Ihr bequem über die kleine mit Holz bewachsene Anhöhe in den nahen Wald kommt, wo Euch kein Mensch sieht. Was gebt Ihr mir dafür?«

»Wie viel verlangt Ihr?«

»Vier Taler.«

»Pah, das ist zu wenig. Ich werde Euch 10 Taler geben!«

»Einverstanden! Abgemacht!«

Ein Handschlag bekräftigte den Handelsabschluss.

Es kam jedoch alles ganz anders, als ich erwartete.