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Der Welt-Detektiv Band 6

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John Tanner – Das Leben eines Jägers 21

John Tanner
Das Leben eines Jägers
oder
John Tanners Denkwürdigkeiten über seinen 30-jährigen Aufenthalt unter den Indianern Nordamerikas
Erstmals erschienen 1830 in New York, übersetzt von Dr. Karl Andree

Einundzwanzigstes Kapitel

Kurze Zeit nach meiner Rückkehr erfuhr ich, dass die Assiniboine sich überall damit groß taten, sie hätten mir mein Pferd gestohlen. Als ich eben Vorbereitungen traf, um es ihnen wieder abzunehmen, gab mir ein Chippewa, welcher mehrmals in mich gedrungen war, ich sollte dergleichen doch nicht tun, ein Pferd, unter der Bedingung, meinen Vorsatz aufzugeben. So sprach ich denn längere Zeit nicht mehr von der ganzen Geschichte.

Den Winter über hielt ich mich an der Mündung des Assiniboine auf und ging dann zum großen Waldfluss, um an dessen Ufer Zucker zu ernten. Dort hörte ich, dass die Assiniboine sich noch immer groß damit machten, dass sie mir mein Pferd weggenommen hätten. Endlich gelang es mir, Wa-me-gon-a-biew dahin zu bringen, dass er sich geneigt erklärte, mich auf einem Zug zu begleiten, dessen Zweck kein anderer war, als die Wiedererlangung meines Pferdes. Nachdem wir vier Tage unterwegs gewesen waren, kamen wir in die Nähe des ersten Dorfes der Assiniboine, das etwa zehn Meilen vom Kontor am Moose River entfernt lag, und aus dreißig, aus Fellen und Häuten errichteten Hütten bestand. Die Assiniboine witterten uns aber schon aus, ehe wir dicht ans Dorf gelangen konnten, denn sie, eine Gruppe, welche sich von den Sioux getrennt und den Chippewa angeschlossen hatte, fürchteten ohne Unterlass, von ihren alten Stammesgenossen angegriffen zu werden, und stellten deshalb immer Späher aus, die jeden, der sich näherte, beobachteten. Der Streit, welcher die Trennung der Assiniboine von den Bwoir-nugs (d. h. Leuten, die etwas braten oder den Braten wenden), denn so werden die Sioux von den Chippewa genannt, zur Folge hatte, entstand wegen einer Frau und war damals noch nicht sehr lange her. Zu jener Zeit lebten aber so viele Chippewa und Cree unter ihnen, dass sie fast alle die Sprache der Chippewa verstanden, und doch wich ihr Dialekt bedeutend davon ab, denn er ist fast von Wort zu Wort jener der Sioux.

Unter den Männern, welche uns entgegen kamen, befand sich auch Ma-me-no-gnaw-sink, derselbe, welcher vor einigen Monaten meinetwegen einen Streit mit Pe-schau-ba gehabt hatte. Als er nahe bei uns war, fragte er, was wir hier machen wollten.

Ich gab ihm zur Antwort: »Die Pferde, welche die Assiniboine uns gestohlen haben, wollen wir wiederholen.«

»Dann ist es besser«, entgegnete er mir, »dass ihr wieder umkehrt, wie ihr gekommen seid, denn wenn ihr ins Dorf geht, so kostet es euch eure Haut.«

Ich achtete auf diese Drohungen nicht weiter, und fragte nach Ba-gis-kun-nung, dessen Familie unsere Pferde gestohlen hatte. Sie sagten mir, Genaueres könne man mir über ihn nicht sagen, denn nach der Rückkehr vom Kriegszug wären Ba-gis-kun-nung und seine Söhne zu den Mandan gegangen und noch nicht wieder heimgekehrt. Gleich nach ihrer Ankunft bei den Mandan hatte der frühere Besitzer meiner Stute dieselbe wieder erkannt, und sie dem Sohn Ba-gis-kun-nungs abgenommen. Der aber stahl, um sich zu entschädigen, ein schönes, schwarzes Pferd und machte sich damit aus dem Staub. Seitdem hatte man von ihm weiter nichts gehört.

Wa-me-gon-a-biew, den ein solcher Empfang entmutigte und vielleicht einschüchterte, wollte mich überreden, die Sache doch ja nicht weiter zu treiben, und verließ mich, um allein nach Hause zu gehen, als er sah, dass ich unerschütterlich blieb. Mir war der Mut keineswegs vergangen und ich wollte lieber alle Lagerplätze und Dörfer der Assiniboine durchsuchen, als ohne mein Pferd zurückkommen. So begab ich mich denn zum Kontor am Moose River, wo ich Ursache und Zweck meiner Reise erzählte. Ich bekam daselbst zwei Pfund Pulver, dreißig Kugeln, mehrere Messer und verschiedene geringfügige Gegenstände. Auch beschrieben sie mir den Weg, den ich zu nehmen hatte, um zum nächsten Dorf zu gelangen. Als ich über eine sich weit ausdehnende Prärie ging, sah ich noch in ziemlich weiter Entfernung etwas auf der Erde liegen, das wie ein Stumpf von einem Baumstamm aussah. Da ich aber nicht begreifen konnte, wie der gerade an jene Stelle gekommen war, wenn ihn nicht irgendjemand dort hingebracht hätte, so dachte ich, es möchte vielleicht irgendein Kleidungsstück sein oder wohl gar ein Mensch, der hier auf der Reise oder auf der Jagd gestorben war.

Ich näherte mich diesem Gegenstand mit der äußersten Vorsicht und sah nun bald, dass es ein Mensch war, der sich auf den Bauch gelegt hatte, ein Gewehr in der Hand hielt, und den wilden Gänsen auflauerte. Er blickte in eine ganz andere Richtung, als in die, von wo ich kam. So befand ich mich bereits dicht bei ihm, ohne dass er mich bemerkt hatte, als er aufsprang und auf mehrere Gänse Feuer gab. Da rannte ich auf ihn ein. Die kleinen Glocken und der Silberschmuck, den ich trug, machten ihn auf mich aufmerksam, aber ich packte ihn so schnell, dass er keinen Widerstand leisten konnte, denn sein Gewehr hatte er ja abgefeuert. Als er sah, dass er sich in meiner Gewalt befand, rief er: »Assiniboine!«

Ich antwortete: »Chippewa!«

Wir waren beide sehr zufrieden miteinander, da wir sahen, dass es sich freundlich durchkommen ließ. Allein wir redeten jeder eine andere Sprache und konnten uns mit Worten nicht verständigen. Deshalb deutete ich ihm durch Zeichen an, er möge sich setzen, und das tat er denn auch. Ich überreichte ihm eine Gans, die ich kurz vorher geschossen hatte. Nachdem wir ein Weilchen uns ausgeruht hatten, gab ich ihm zu verstehen, dass ich ihn zu seiner Hütte begleiten wollte.

Als wir etwa zwei Stunden gegangen waren, befanden wir uns im Angesicht seines Dorfes, und er trat, vor mir hergehend, in seine Hütte ein. Ich war dicht hinter ihm und sah, dass ein Greis und eine alte Frau mit ihren Decken sich den Kopf verhüllten, während mein Führer unverzüglich in einen kleinen Verschlag oder ein Nebengemach schlüpfte, das eben groß genug für eine Person war, die sich darin vor den Blicken der übrigen Familienglieder verbergen konnte. In dieses abgesonderte Zimmer brachte seine Frau ihm das Essen, und er blieb, ohne sich sehen zu lassen, darin sitzen, auch wenn er mit den anderen sprach. Sobald er herausgehen wollte, sagte seine Frau es den Alten, die dann ihr Gesicht verhüllten. So wurde es immer gehalten, auch wenn er wieder in die Hütte trat.

Diese Sitte wird von allen verheirateten Männern unter den Assiniboine genau beobachtet. Auch ist, wie ich glaube, unter den Bwoir-nug oder wie sie sich selbst nennen, Dakota, dasselbe der Fall. Dass sie bei den Omaha am Missouri herrscht, ist bekannt. Sie ist aber nicht bloß auf den Verkehr zwischen dem Mann, dem Vater und Frauen beschränkt, sondern dehnt sich auch auf Vettern und Muhmen aus, und es ist Schuldigkeit für den Mann und die Eltern seiner Frau, zu vermeiden, dass sie einander sehen. Wenn ein Mann in eine Hütte tritt, in welcher sich sein Schwiegervater befindet, dann verhüllt dieser Letztere das Gesicht, bis jener wieder fortging. Die jungen Männer haben, solange sie in der Familie ihrer Frauen bleiben, einen kleinen abgesonderten Verschlag, der von dem übrigen Teil der Hütte durch Matten oder Felle geschieden ist. Ja, die junge Frau bringt in demselben die Nacht zu, und am Tag ist sie die Mittelsperson zwischen denen, die einander nicht sehen dürfen. Es ist selten, dass ein Mann den Namen seines Schwiegervaters ausspricht, wenn es überhaupt vorkommt, denn das würde als eine Ungehörigkeit und ein großer Mangel an Achtung angesehen werden. Bei den Chippewa herrscht dieser Brauch nicht, und sie betrachten ihn als eine sehr lästige Torheit.

Die Inhaber dieser Hütte behandelten mich sehr gütig. Das Getreide war in jener Gegend äußerst selten. Dennoch kochten sie etwas von ihrem geringen Vorrat und gaben es mir. Der junge Mann erzählte ihnen, welchen Schreck ich ihm auf der Prärie eingejagt hätte, und sie lachten alle herzlich darüber. Das Dorf bestand aus fünfundzwanzig Hütten. Ich konnte aber, trotz aller meiner Fragen, von niemandem erfahren, wo sich zu jener Zeit Ba-gis-kun-nung aufhielt. Etwa eine Tagesreise entfernt lag ein anderes Dorf, und dorthin machte ich mich nun auf den Weg, in der festen Hoffnung, mehr Glück mit meinen Nachforschungen zu haben.

Als ich mich beinahe am Ziel meiner Wanderung befand, sah ich Gänse auffliegen. Ich schoss nach ihnen und eine davon fiel mitten zwischen einem Haufen Assiniboine nieder. Da ich unter denselben einen bejahrten Mann bemerkte, der sehr elend aussah, so deutete ich ihm durch Zeichen an, er solle sie aufheben und behalten. Ehe er aber das tat, trat er zu mir heran und bezeugte mir seine Dankbarkeit auf eine Weise, die mir ganz neu war. Er legte nämlich seine beiden Hände auf meinen Kopf, strich damit mehrmals über mein schlicht auf die Schultern herabhängendes Haar und richtete in seiner Sprache Worte an mich, die ich nicht verstand. Dann erst nahm er die Gans und deutete mir durch wohl verständliche Zeichen an, ich möchte mit ihm kommen und, solange ich im Dorf mich aufhielte, unter seinem Dach leben. Während er unser Mahl zubereitete, ging ich von Hütte zu Hütte und musterte alle Pferde durch. Das meine fand ich aber nicht. Einige junge Männer, die mich begleiteten, schienen ganz freundlich mir gegenüber gestimmt zu sein. Indessen warf sich einer derselben, als ich den Weg zum nächsten Dorf einschlug, auf ein gutes Pferd und sprengte fort, um meine Ankunft zu melden. Als ich nun dorthin kam, bekümmerte sich niemand um mich, und alle taten, als merkten sie gar nicht, dass ich da sei. Mit dieser Bande Assiniboine hatte ich nie im geringsten Verkehr gestanden. Ich sah aber wohl, dass jemand sie gegen mich eingenommen hatte. Der Häuptling, den sie Kah-oge-maw-weet Assiniboine, d. h. den Assiniboine-Häuptling nannten, war ein ausgezeichneter Jäger. Einige Zeit nachher blieb er einmal ungewöhnlich lange auf der Jagd. Seine Krieger verfolgten seine Spur und fanden ihn endlich tot auf der Prärie liegen. Er war von einem grauen Bären angegriffen und getötet worden.

Da ich sah, dass ich bei dieser Bande gastliche Aufnahme nicht erwarten durfte, so trat ich in keine Hütte ein und besah mir bloß die Pferde, immer in der Hoffnung, meinen Gaul endlich zu finden. Ich hatte viel von der Schönheit und Schnelligkeit eines jungen Pferdes, das der Häuptling besaß, erzählen hören, und wusste, als man es mir näher beschrieben hatte, gleich, woran ich war. Ich trug eine lange Leine unter meiner Decke. Die warf ich dem Pferd geschickt um den Hals und eilte dann wie im Flug davon. Das ungastliche Benehmen der Bewohner jenes Dorfes hatte mich zu dieser Tat aufgereizt. Sie geschah nicht etwa aus Vorbedacht, sondern ich folgte nur einer augenblicklichen Eingebung. Als wir beiden, das Pferd und ich, anfingen, den Atem zu verlieren, hielt ich endlich an und sah mich um. Die Hütten der Assiniboine waren kaum sichtbar und kamen mir vor wie kleine Flecken, die weit entfernt in einer Prärie liegen.

Jetzt fiel es mir ein, dass ich nicht gut getan hatte, auf solche Weise das Lieblingspferd eines Mannes wegzunehmen, der wohl die gewöhnlichen Pflichten der Gastfreundschaft, die man einem Fremden schuldig ist, hinten angesetzt, aber mir doch nicht geradezu Böses getan hatte. Ich sprang ab und stieß das Pferd los. Aber da sah ich, dass etwa dreißig oder vierzig Assiniboine in vollem Galopp auf mich zukamen, die ich bisher, weil ein Hügel sie meinem Blicken entzog, nicht hatte sehen können. Sie waren mir schon ganz nahe, und ich hatte kaum noch Zeit, in ein unweit von mir liegendes Nussbaumgebüsch zu fliehen. Sie suchten hin und her, fanden mich aber nicht, und ich konnte mich gut verstecken. Zuletzt stiegen sie vom Pferd und stöberten überall umher. Einige gingen ganz dicht an mir vorüber, aber ich lag so sicher, dass ich alles sehen konnte, ohne mich auch nur der geringsten Gefahr auszusetzen. Ein junger Mensch stellte sich ganz nackt hin, als wenn er ins Gefecht gehen wollte, stimmte den Kriegsgesang an, legte sein Gewehr beiseite, nahm eine Keule zur Hand und kam gerade auf die Stelle los, wo ich mich verborgen hatte. Er trat bis auf etwa zwanzig Schritte zu mir heran. Meine Flinte war geladen, und ich zielte auf sein Herz. Da drehte er um. Wahrscheinlich hat er mich nicht bemerkt. Indessen der Gedanke, von einem gut bewaffneten Feind beobachtet zu werden, mochte wohl seinen Entschluss wankend gemacht haben. Sie suchten nach mir bis gegen Abend und nahmen dann des Häuptlings Pferd wieder mit in ihr Dorf.

Hoch erfreuet darüber, dass ich dieser drohenden Gefahr so glücklich entgangen war, machte ich mich eiligst auf den Weg nach Hause, ging ununterbrochen Tag und Nacht vorwärts und langte in der dritten Nacht beim Kontor am Moose River an. Die Handelsleute sagten mir, es sei töricht von mir gehandelt, dass ich das Pferd des Häuptlings nicht mitbrachte. Sie hätten es sehr rühmen hören, und würden mir ein gutes Stück Geld dafür gegeben haben.

In einem Assiniboinedorf, das etwa zwanzig Meilen von diesem Kontor entfernt liegen mag, wohnte einer meiner Freunde, namens Be-na (der Fasan), und diesen hatte ich beiläufig ersucht, er möge doch während meiner Abwesenheit zusehen, ob er mein Pferd wieder finden oder die Gegend, in welcher Ba-gis-kun-nung sich aufhielte, ausfindig machen könnte. Den besuchte ich, und er führte mich ohne Weiteres in eine kleine Hütte, die von zwei alten Frauen bewohnt wurde. Durch die Ritzen und Spalten dieser Hütte zeigte er mir die, in welcher Ba-gis-kun-nung mit vieren seiner Söhne lebte. Ihre Pferde weideten in der Nähe der Hütte, und eines davon erkannten wir als den hübschen, schwarzen Gaul, den sie bei den Mandan für mein Tier eingetauscht hatten. Wa-me-gon-a-biew war im Kontor gewesen und zurückgekommen, um mich in diesem Dorf bei den Söhnen eines von Taw-ga-we-ninnes Brüdern zu erwarten, die folglich seine Vettern waren, und mit ihm im freundschaftlichsten Verkehr standen. Er hatte dem Ba-gis-kun-nung ein gutes Gewehr, einen Häuptlingsanzug und alles, was er bei sich trug, für das Pferd geboten. Dieses tadelte ich sehr lebhaft und sagte ihm, dass, wenn Ba-gis-kun-nung jene Geschenke angenommen hätte, daraus für mich der unangenehme Umstand sich ergeben haben würde, dass ich mich sowohl dieser als auch des Pferdes hätte wieder bemächtigen müssen.

Ohne weiteren Anstand ging ich nun zu Ba-gis-kun-nung und sagte ihm: »Ich brauche ein Pferd.«

»Ich kann dir keins geben«, gab er mir zur Antwort.

»Nun, dann muss ich mir eins nehmen.«

»Dann töte ich dich.«

Als er so sprach, ging ich in Be-nas Hütte zurück und traf die nötigen Vorbereitungen, um am nächsten Morgen abreisen zu können. Be-na gab mir eine frische Bisonhaut, die ich statt eines Sattels auflegen sollte, und ein altes Weib verkaufte mir einen Riemen, dessen ich mich als Halfter und Zügel zu bedienen gedachte, denn die meinen waren mir mit dem Pferd des Häuptlings abhandengekommen. Nachts begab ich mich in die Hütte unserer Vettern, und am andern Morgen ganz früh in die Wohnung Be-nas, der noch schlief. Ich besaß eine noch sehr gute neue Decke. Die breitete ich über ihn hin und machte mich alsdann, ohne das geringste Geräusch zu verursachen, mit Wa-me-gon-a-biew auf den Weg.

Als wir der Hütte des Ba-gis-kun-nung nahe kamen, sahen wir seinen ältesten Sohn auf der Schwelle der Hütte sitzen. Er bewachte die Pferde. Wa-me-gon-a-biew wollte mir abraten und sagte, ich möchte keins davon nehmen, weil sie uns doch sehen könnten und dann zu gewaltsamen Maßregeln gegen uns ihre Zuflucht nehmen würden. Ich gab ihm für den Augenblick nach, doch nur um etwa zweihundert Ruten weit zu gehen und unser Gepäck abzulegen. Dann wollte ich wieder umkehren, und mich des Pferdes bemächtigen. Als ich meine Last abgelegt hatte, fing Wa-me-gon-a-biew, als er sah, dass mein Entschluss ganz fest stand, an, vorauszulaufen, während ich unverzüglich wieder umkehrte und zum Dorf ging. Als Ba-gis-kun-nungs Sohn mich erblickte, schrie er aus Leibeskräften. Ich verstand aber nur die Worte Wah-kah-towah und Schoon-ton-gah (Chippewa und Pferd). Ich schloss daraus, dass er sagte: Ein Chippewa stiehlt ein Pferd, und antwortete, Kwah-ween-gwautsch Chippewa (nicht ganz und gar Chippewa). Plötzlich war das ganze Dorf in Bewegung. Aus dem Benehmen der Meisten, die nun zusammenliefen, konnte ich keineswegs deutlich abnehmen, ob sie entschlossen waren, sich in das, was vorging, einzumischen und handelnd dabei aufzutreten oder nicht. Die Haltung meines Freundes Be-na und einer großen Anzahl von Cree, welche bei ihm waren, gab mir Mut. Nur allein Ba-gis-kun-nungs Familie zeigte sich mir offenbar feindselig.

Ich war dermaßen aufgeregt, dass ich nicht mehr fühlte, ob meine Füße auf der Erde standen, aber erschrocken und furchtsam war ich nicht, wie ich glaube. Als ich dem schwarzen Pferd meinen Halfter über den Kopf gezogen hatte, zauderte ich, es zu besteigen, weil ich dadurch einen Augenblick am Gebrauch meiner Waffen gehindert werden musste und mich der Gefahr aussetzte, von hinten her angegriffen zu werden. Endlich erwog ich, dass jeder Anschein von Unentschlossenheit auf alle Anwesenden den ungünstigsten Eindruck machen würde, und wollte auf das Pferd springen. Allein mein Anlauf war zu stark, mein Sprung zu heftig gewesen, und so stürzte ich auf der anderen Seite der Länge nach zu Boden, mein Gewehr in der einen, Pfeile und Bogen in der anderen Hand haltend. Schnell raffte ich mich wieder auf und blickte umher, um zu sehen, wie meine Gegner und Feinde sich wohl benähmen. Alle Anwesenden lachten laut auf, die Familie Ba-gis-kun-nungs ausgenommen. Da fasste ich mir wieder ein Herz und stieg entschlossen auf das Pferd, denn ich dachte, wenn sie einen offenen Angriff gegen mich im Schilde führten, so würden sie den Augenblick, da ich am Boden lag, benutzt haben, und nicht einen solchen, wo ich imstande war, ihnen Widerstand, und zwar gefährlichen, zu leisten. Das laute, aus voller Brust kommende Lachen der Indianer war mir auch Zeugnis genug dafür, dass keineswegs alle an meinem Vorhaben Ärgernis nahmen.

Als ich mit meinem Pferd fortgesprengt war, kam mir bald Wa-me-gon-a-biew wieder zu Gesicht. Er verfolgte seinen Weg wie ein aufgejagter Truthahn. Als ich ihn eingeholt hatte, sprach ich: Mein Bruder, du bist doch wohl ermüdet, ich will dir mein Pferd borgen.«

Und so setzten wir unseren Weg fort. Endlich kamen zwei Reiter aus dem Dorf hinter uns her gesprengt. Da wurde Wa-me-gon-a-biew ängstlich, wollte weglaufen und es mir überlassen, mich so gut aus der Verlegenheit zu bringen, wie ich konnte. Ich bemerkte aber seine Absicht und hieß ihn vom Pferd zu steigen. Das tat er auch und lief nun wieder vorwärts, so schnell ihn seinen Beine trugen.

Als die beiden Männer nur noch etwa eine halbe Meile weit von mir entfernt waren, wandte ich mein Pferd um, hielt an und sah gerade auf sie zu. Sie machten gleichfalls halt. Ich schaute mich um und bemerkte, dass Wa-me-gon-a-biew sich im Gebüsch verborgen hatte. Wir, die beiden Reiter und ich, blieben in dieser Position bis gegen Mittag. Die Bewohner des Dorfes standen zahlreich versammelt auf einem Hügel, der sich unweit von den Hütten erhob, um zu sehen, wie die Sache ablaufen würde.

Die beiden Söhne Ba-gis-kun-nungs waren endlich des Harrens und Wartens überdrüssig. Sie traten auseinander und kamen jeder von einer verschiedenen Seite her auf mich zu. Ich war aber auf der Hut, denn ich sah wohl, dass sie meine Aufmerksamkeit teilen wollten, um mir desto sicherer einen Flintenschuss beibringen zu können. In zwei Absätzen kamen sie mir immer näher, um mir den Rückzug abzuschneiden. Ich wurde endlich dieser Geschichte, bei der sie sich offenbar feige benahmen, überdrüssig, ließ mein Pferd im Galopp ansprengen und ritt gerade auf sie zu. Da rissen sie aus und flohen dem Dorf zu. Bei diesem Vorfall bewies sich Wa-me-gon-a-biew noch mehr als herzloser Prahlhans wie andere Male. Zum Glück für mich waren die Häuptlinge und alle geachteten Männer der Bande, welcher Ba-gis-kun-nung angehörte, entzückt von meinem Unternehmen, denn dieser Mensch und seine Söhne galten als Ruhestörer und Taugenichtse. Wäre dem nicht so gewesen, so würde ich, da Wa-me-gon-a-biew mich völlig im Stich ließ, sicherlich meinen Zweck nicht erreicht haben.

Ich ritt also meines Weges, und mein Bruder kam in demselben Augenblick aus seinem Versteck hervor. In jener Nacht erreichten wir die Hütte unseres alten Freundes Waw-so, der lange Zeit bei Pe-schau-ba gelebt hatte. Ich brachte mein Pferd tief in den Wald, wo es sicher war, und bat Wa-me-gon-a-biew, ja dem Waw-so nichts von dem zu sagen, was vorgefallen war. Aber mitten in der Nacht, als ich im Schlaf lag, erzählte er alles haarklein, was gestern geschehen war. Der Alte lachte hell auf, als er hörte, dass ich hingestürzt wäre, und von diesem Gelächter wachte ich auf.

Am anderen Morgen machten wir uns auf den Weg nach Ko-te-kwaw-wi-ah-we-se-be, wo ich meine Familie hatte. Damals besaß ich zwei Pferde und versprach daher einem meiner Freunde, der mir begegnete, eins davon zu geben. Da er aber unterwegs war und eben von seiner Wohnung herkam, so wollte er es mir erst abnehmen, wenn er wieder heimgekommen sein würde. Inzwischen starb das Tier infolge eines Blutsturzes, und so hatte ich nur noch das schwarze, welches ich Mandan nannte. Das Pferd war mir sehr teuer. Als aber der Mann kam, konnte ich nicht umhin, es ihm zu geben. Meine Frau schrie darüber laut auf, und ich trennte mich nur mit tiefer Betrübnis von einem so herrlichen Ross.