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Die deutsche Übersetzung von Fantômas – Ein Werkstattbericht

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Fantômas ist der Herr des Schreckens, der Genius des Bösen, der erzkriminelle Antiheld in einer Reihe französischer Krimis, welche von Pierre Souvestre und Marcel Allain vor dem Ersten Weltkrieg geschrieben wurden. Er zeichnete für eine Vielzahl abscheulichster Verbrechen verantwortlich. Unter anderem befüllte er in einem Pariser Kaufhaus Parfümzerstäuber mit Schwefelsäure, setzte auf einem Passagierschiff mit Pest verseuchte Ratten aus oder zwang ein Opfer seine eigene Hinrichtung zu erleben, indem man es rücklings auf die Guillotine schnallte.
Fantômas ist ein Meister der Verkleidung und Führer eine riesige Armee von Pariser Unterweltlern, Apaches genannt. Seine Spitzel und Schergen sind überall, um den Samen des Chaos und Terrors zu verbreiten. Fantômas ist jeder und niemand, ist überall und nirgends, führt einen unerbittlichen Krieg gegen die bürgerliche Gesellschaft, in welcher er sich mit Leichtigkeit und Sicherheit bewegt.
Fantômas Verbrechen sind Schauplätze skurrilen Horrors. Ein rebellischer Gefolgsmann wird als menschlicher Klöppel in eine riesige Glocke gehängt, solange von der einen Seite zur anderen gestoßen, bis es Blut, Saphire und Diamanten auf die Straße unter ihm regnet. Maskierte Banditen mit vorgehaltenem Revolver lassen einen Stadt-Bus durch die Wände einer Bank krachen, sodass das Geld überall umherfliegt. Unter dem grauen Himmel von Paris fährt eine Pferdekutsche mit einer Leiche als Kutscher, deren Augen weit aufgerissen sind, durch die Straßen. Jede Nacht kratzt Fantômas Gold von der Kuppel des Invalidendoms. Er vergiftet seine Opfer mit todbringenden Blumensträußen, lässt Reisezüge entgleisen und zerstört Dampfschiffe. Und jedes Mal entkommt er den Fängen der Justiz.

Nachdem wir bereits einige Kapitel des 1. Heftes mit dem Titel Fantômas als deutsche Erstübersetzung veröffentlicht haben, möchten wir die Gelegenheit nutzen, um euch einen Einblick in die nächsten 4 Heftromane zu geben. Für das Projekt suchen wir noch ehrenamtliche Mitarbeiter, welche uns bei der Übersetzung unter die Arme greifen. Es ist angedacht, auch die nur im Französischen erschienenen Heftromane, soweit es uns möglich ist, an die Hefte heranzukommen, ins Deutsche zu übersetzen.

Bei Interesse meldet euch einfach per E-Mail an kontakt@geisterspiegel.de.


Fantomas-Band 2Heft 2 – Juve gegen Fantômas
Kapitel I – Stelldichein der Kameraden

»Eine Schale Rotwein, Vater Korn.«

Die dröhnende Stimme der prallen Ernestine erhob sich über das Stimmengewirr in der rauchgeschwängerten Taverne.

»Etwas Rotwein, und dann lass gut sein«, wiederholte das Frauenzimmer, eine dralle, hübsche Jungfer mit hervortretenden Augen und einem zerstreuten Gesichtsausdruck.

Vater Korn hatte schon das erste Mal verstanden, sah aber keine Eile, sich zu fügen.

Er war ein kahlköpfiger, bärtiger Riese und gerade äußerst damit beschäftigt, schmutzige Gläser in einem mit lauem Wasser gefüllten Spülstein zu reinigen.

Diese Taverne Stelldichein der Kameraden bestand aus zwei Gasträumen, jeder mit eigenem Ausgang. Madame Korn regierte über den ersten, in welchem Speisen und Getränke serviert wurden. Ging man durch die Tür am anderen Ende des Raumes und überquerte den Innenhof des großen siebenstöckigen Gebäudes, so erreichte man den zweiten Raum – eine niedrige und schlecht beleuchtete Höhle zur Rue de la Charbonnière, in diesem Bezirk eine Straße, die für ihren schlechten Ruf berüchtigt ist.

Bei der dritten Aufforderung brummte Vater Korn, der das Mädchen und seine Clique gemustert hatte: »Macht zwei Monde; erst die Penunzen.«

Die pralle Ernestine erhob sich und begann, während sie auf ihn zuging, mit einem langen Disput. Als sie zum Atemholen einhielt, warf Korn ein: »Lass das Spielchen. Ich sagte zwei Francs und dabei bleibt’s.«

»Nun gut, ich werde nicht mit einem Rohling wie dir streiten«, antwortete die junge Frau. »Jeder hier weiß, dass du und Mutter Korn Deutsche seid, dreckige Preußen.«

Der Wirt lächelte ruhige und wusch weiter an seinen Gläsern.

Die pralle Ernestine sah sich flüchtig um. Sie kannte die Menge und entschied schnell, dass nichts Bares rausspringen würde.

Für einen kurzen Augenblick dachte sie daran, sich an Mütterchen Toulouche zu machen, die sich mit ihrer Auslage von Portugiesern und Schnecken auf der Türschwelle niedergelassen hatte, aber die alte Frau schmiegte sich in ihren alten Schal und war fest eingeschlafen.

Plötzlich erhob sich aus einer Ecke der Taverne eine matte, doch feste Stimme: »Mach schon, Korn. Ich halte sie aus.«

Es war der Sappeur, der so gesprochen hatte.

Ein Mann von 50 Jahren, der seinen Spitznamen gemäß gängigen Gerüchten der Tatsache verdankte, dass er 20 Jahre als Soldat und Sträfling in Afrika verbracht hatte.

Während Ernestine und ihre Freunde zu seinem Tisch eilten, erhob sich der Begleiter des Sappeurs, ein schwerer Mann, und schlurfte nuschelnd zu einer anderen Gruppe.

»Hier ist’s mir zu nah am Fenster.«

»Das ist Nonet«, erklärte der Sappeur gegenüber Ernestine. »Er ist zurück von Neu-Kaledonien und zeigt sich selbst nicht so gerne dieser Tage.«

Das Mädchen nickte und wurde vertraulich, in dem es auf einen seiner Begleiter deutete. »Schaut euch den armen Mimile hier an. Er kommt gerade aus dem Zuchthaus und muss nun direkt seinen Dienst antreten. Ganz schön hart.«

Der Sappeur wurde sehr neugierig auf die Unterhaltung. Wogegen Nonet, beim Durchqueren der Trinkstube einige Augenblicke bei einem hübschen Mädchen verweilte, das offensichtlich jemanden erwartete.

»Wartest mal wieder auf den Spießer, nicht wahr, Josephine?«

Das Mädchen, dessen große blaue Augen bemerkenswert von dem tiefschwarzen Haar abstachen, antwortete: »Warum nicht? Loupart denkt nicht daran, mich zu verlassen. Nicht, dass ich wüsste.«


Fantomas-Band 3Heft 3 – Die Leiche, die tötet
Kapitel 1 – Das Drama in der Rue Norvins

Am Montag, den 4. April 19—veröffentlichte die Abendzeitung La Capitale folgenden Artikel auf seiner ersten Seite:

Ein Drama, um dessen Motive sich die wildesten Gerüchte ranken, hat sich an diesem Morgen auf den Höhen des Montmartre abgespielt. Die Baroness de Vibray, bekannt in der Pariser Gesellschaft und bei Künstlern, deren großzügige Gönnerin sie war, ist im Studio des Keramikmalers Jacques Dollon tot aufgefunden worden. Der junge Maler, der sich durch ein Schlafmittel völlig hilflos erwies, lag ausgestreckt an ihrer Seite, als das Verbrechen entdeckt wurde. Wir nennen es absichtlich »Verbrechen«, denn nach Abschluss der vorausgegangenen medizinischen Untersuchung ist eindeutig, dass die Baroness de Vibray Opfer einer Vergiftung ist.

Der Maler, Jacques Dollon, welchen die erhellende Aufmerksamkeit von Doktor Mayran aus seinen Zustand der Umnachtung geholt hatte, wurde einer kurzen Befragung durch den Superintendenten der Polizei unterzogen, in deren Verlauf er solcherart verdächtige Bemerkungen machte, dass der untersuchende Beamte ihn an Ort und Stelle unter Arrest setzte. Das Polizeipräsidium bleibt stumm angesichts dieser absonderlichen Angelegenheit. Nichtsdestotrotz werfen die von uns persönlich unternommenen Nachforschungen ein wenig Licht auf das, was bereits Das Drama in der Rue Norvins genannt wird.

Die Entdeckung des Verbrechens

An diesem Morgen gegen 7 Uhr ging Madame Béju, eine angestellte Haushälterin des Malers Jacques Dollon, der gemeinsam mit seiner Schwester, Mademoiselle Elizabeth Dollon, das Appartement Nr. 6 an der Rue Norvins bewohnte, ihrer üblichen Beschäftigung im Erdgeschoss des Hauses nach. Sie hielt sich bereits eine gute halbe Stunde in den Räumlichkeiten auf und hatte bis dahin nichts Ungewöhnliches bemerkt. Jedoch überrascht, zu dieser Zeit noch nichts aus der darüberliegenden Etage zu hören, da der Maler generell recht früh erwachte, entschied sich Madame Béju hinaufzugehen, um ihren Dienstherrn aufzuwecken, der sich sehr darüber ärgern würde, verschlafen zu haben. Um zum Schlafgemach des Monsieur Jacques Dollon zu gelangen, musste sie durch das Studio hindurchgehen. In dem Moment, als sie die Vorhänge zur Studiotür anhob, schreckte sie vor Entsetzen zurück!

Unordnung beherrschte das Studio: eine bestürzende Unordnung!

Verschobene Möbelstücke, teilweise umgestoßen, deuteten auf ein außergewöhnliches Geschehen hin. In der Mitte des Raumes, auf dem Boden, fand sich die leblose Gestalt einer Person, die Madame Béju nur zu gut kannte, denn sie hatte sie im Haus des Malers häufig gesehen – die Baroness de Vibray. Nicht weit von ihr, verborgen in einem großen Armsessel, reglos, ohne Lebenszeichen, befand sich Monsieur Jacques Dollon!

Als die gute Frau die starre Haltung dieser beiden Personen erblickte, vergegenwärtigte sie sich, Zeuge einer Tragödie zu sein.

Zutiefst erregt stieg sie die Stufen hinab, um Hilfe zu rufen. Kurz darauf befand sich die gesamte nächste Umgebung in einem Zustand der Unruhe: Pförtner, Nachbarn, Herren wie Damen, tummelten sich um Madame Béju, bemüht, ihren zusammenhanglosen Bericht des schrecklichen Anblicks, den sie nur wenige Minuten zuvor hatte ertragen müssen, zu begreifen.


Fantomas-Band 4Heft 4 – Der Geheimagent
Kapitel 1 – Plötzlicher Todesfall

Sie suchte vergeblich!

Die junge Frau, die gerade ihre Toilette beendete, verlor die Geduld. Mit einem Blick voller Verärgerung wandte sie sich halb um und rief: »Nun, Capitaine, es fällt auf, dass Ihr nicht mit den Gewohnheiten einer Dame vertraut seid!«

Der Liebhaber dieses hübschen Mädchens, ein Mann um die 40, mit einer vitalen Miene und einer hohen, von spärlichen Locken gerahmten Stirn, rauchte eine türkische Zigarette, während er auf einem Diwan am Ende des Raumes ruhte.

Er sprang auf, als würde ihn eine Feder antreiben.

Schon einige Zeit hatte der Capitaine mit seinen Augen die Gesten seiner grazilen Geliebten verfolgt. Wie jeder gute und aufmerksame Liebende ahnte er, was sie benötigte. Er eilte in den angrenzenden Ankleideraum und kehrte mit einer kleinen onyxfarbenen Schale zurück, welche eine vollständige Auswahl an Nadeln enthielt.

»Hier, meine hübsche Bobinette!«, rief er der jungen Frau, welche er sich näherte, zu. »Das wird mir meine Gunst bei dir wieder gewinnen.«

Sie dankte ihm mit einem Lächeln; entnahm die benötigten Nadeln aus der Schale und beendete in Ruhe ihr Ankleiden.

Bobinette war eine rothaarige Schönheit.

Die schweren Zöpfe ihrer überquellenden Haarpracht, mit den natürlichen Wellen und Locken, fielen auf die Linie zwischen Nacken und Schultern, die lohfarbenen Töne unterstrichen die milchweiße Haut ihres drallen Fleisches. Dieses junge Geschöpf war wahrlich ein Rubensweib.

Es war halb drei am Nachmittag an einem trüben Novembertag. Eine Art Zwielicht verdunkelte das ebenerdige Appartement in der ruhigen Rue de Lille, wo die beiden Liebenden zusammen waren.

Seit einigen Monaten nun stand Capitaine Brocq in einer intimen Beziehung mit dieser berauschenden jungen Person, die auf den Kosenamen »Bobinette« hörte. Ihr Anblick, wenn auch ungleichmäßig, war gefällig. Aus dem Volk kommend versuchte Bobinette dies als Herrin von Posen und Attitüden zu korrigieren. Wie andere ihrer Art hatte sie schon in frühen Kindertagen gelernt, sich ihrer jeweiligen Begleitung anzupassen und nahezu intuitiv die jeweiligen Schattierungen und Zwischentöne an Geschmack und Takt anzunehmen, welche es vermögen, die ungeachtete Tochter aus dem Volk in die Wählerischste aller Pariserinnen zu verwandeln.

Bei Capitaine Brocq, einem Artilleriestabsoffizier, der dem Kriegsministerium unterstellt war, verhielt es sich gegensätzlich. Ungeachtet seiner intellektuellen Fähigkeiten und seines professionellen Wertes, hochgeschätzt bei seinen Vorgesetzten, blieb er immer ein Mann von bescheidener Herkunft, etwas linkisch, furchtsam, der offensichtlich besser als Anführer einer Schlacht auf einer Festungsbastion denn in einen gesellschaftlichen Herrenabend oder Debattierklub passte. Brocq, der die Militärakademie hervorragend abgeschlossen hatte, war kürzlich mit einem wichtigen Posten betraut worden: ein vertraulicher Posten im Kriegsministerium. Während seiner ersten Jahre im militärischen Leben war Brocq gänzlich von seinem Beruf ausgefüllt. Um bei der Wahrheit zu bleiben, wie die hübsche Bobinette es ihm gerade verkündet hatte, war er keineswegs »ein mit Frauenzimmern vertrauter Mann«. Aus diesem Grunde, an der Schwelle seines 40. Lebensjahres, war sein Herz, jung und frisch wie das eines Studenten, plötzlich entflammt, als er unvorbereitet auf Bobinette traf.

Wer war diese Frau?


Fantomas-Band 5Heft 5 – Ein königlicher Gefangener
Kapitel 1 – Ein königlicher Rausch

»Warum schließlich nicht doch feiern? Es ist der letzte Tag des Jahres und der wird erst in zwölf Monaten wiederkommen.”

Es war nahezu Mitternacht.

Jerome Fandor, Reporter für die beliebte Tageszeitung La Capitale schlenderte über den Boulevard. Er kam gerade von einem Bankett, einer dieser offiziellen und todernsten Angelegenheiten, bei welchen die Gäste verpflichtet sind, endlose Ansprachen über sich ergehen zu lassen. Er hatte sich durch den Abend gebissen und bei erster Gelegenheit war es ihm gelungen, schnell zu entschlüpfen.

Die Theater waren gerade geschlossen worden und der Boulevard bevölkert von Menschen in der Absicht, etwas aus dieser Nacht zu machen. Zahllose Automobile, in ihnen die Eleganten und Reichen von Paris, blockierten die Straßen. Die Restaurants waren strahlend hell illuminiert, und wenn die Insassen ihren Fahrzeugen entstiegen, konnte man einen Blick auf elegante Füße und Knöchel der anmutig gewandeten Damen erhaschen, wie sie das Trottoir überquerten und hinein verschwanden, gefolgt von ihren seidenbehüteten Begleitern, ihrer eigenen Bedeutung bewusst.

Viele Jahre im aktiven Dienst als Chefreporter für La Capitale hatten Jerome Fandor mit gut einem Drittel derer in Berührung gebracht, die die Pariser Gesellschaft ausmachten, und selten verpasste er es, ein Nicken, ein Lächeln oder ein halbes Dutzend freundlicher Grüße auszutauschen, wo immer er einen Fuß hinsetzte.

Und doch, trotz seiner Beliebtheit führte er ein einsames Leben – viele Bekanntschaften, aber nur wenige enge Freunde. Eine große Ausnahme bildete Juve, der gefeierte Ermittler.

Tatsächlich war Fandors kompliziertes und abenteuerliches Leben sehr eng verbunden mit dem des Polizisten, denn sie hatten gemeinsam an der Lösung mancher tragischer Kriminalfälle gearbeitet.

An diesem besonderen Abend wurde der Reporter allmählich erfüllt vom allgemeinen Geist der Heiterkeit und der Verlassenheit, die ihn umgab.

»Verflixt«, murmelte er, »Ich sollte Juve aufspüren gehen und ihn zum Souper drängen, aber ich fürchte, das würde mir einen sehr kalten Empfang bereiten. Er schläft vermutlich den Schlaf der Gerechten und würde starken Einspruch über die Störung erheben. Wie auch immer, früher oder später werde ich sicherlich auf jemanden treffen, den ich kenne.«

Beim Erreichen des Place Drouet erspähte er ein einladend wirkendes Restaurant, das strahlend erleuchtet war. Er wollte schon auf einen Tisch zugehen, als ihn der Oberkellner aufhielt.

»Ihren Namen, bitte!«

»Was soll das bedeuten?«, entgegnete Fandor.

Der Ober antwortete mit ironischer Höflichkeit: »Ich gehe davon aus, dass Sie einen Tisch reserviert haben. Wir haben nicht einen einzigen Platz mehr frei.«

2 Antworten auf Die deutsche Übersetzung von Fantômas – Ein Werkstattbericht