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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Teufel auf Reisen 16

Carl von Kessel
Der Teufel auf Reisen
Erster Band
Ein humoristisch-satirischer Roman aus dem Jahr 1870
Viertes Kapitel – Teil 4
Eine Antwort auf eine Verleumdung

Katharina erhob sich mit einem unaussprechlichen Blick der Verachtung. Mit stolzer Würde maß sie den erbärmlichen Wicht von der Zehe bis zum Wirbel und verließ in wahrhaft majestätischer Haltung, die reine und edle Stirn den Anwesenden zugewendet, den kleinen Salon.

Sogleich wurde der falsche Baron von den sechs Herren umringt, die einen Kreis um ihn schlossen.

»Es hat soeben zehn Uhr geschlagen«, sagte Warrens, »um elf geht der Schnellzug nach Paris.«

»Ich verstehe«, entgegnete der Glücksritter, »und Sie können sich überzeugt halten, meine Herren, dass ich den Wink nicht unbeachtet lassen werde.«

»Solches dürfte auch Ihren Interessen am besten zusagen«, lautete die Antwort. »Wenn Sie übrigens so milde davon kommen, so haben Sie dies nur der Fürsprache der edlen Frau zu verdanken, der Sie sich in so unverschämter Weise zu nähern wagten, und die, wenn auch mit Ekel gegen Sie erfüllt, dennoch nicht Böses mit Bösem vergelten wollte.«

»Meine Herren …«, stotterte der ehemalige Hutmacher.

»Schon gut. Sie haben Ihre Rolle mit seltener Dreistigkeit gespielt, und wenn Sie so fortfahren, haben Sie die besten Aussichten, schließlich im Zuchthaus zu debütieren. Jetzt gehen Sie, wir werden Ihre Abfahrt überwachen.«

Der Kreis der Herren teilte sich und der Schwindler schlüpfte behände durch die Tür. Etwas vor elf langte der Herr Baron wirklich auf dem Bahnhof an und schon eine Stunde nachher wurde er in dem Coupé, in welchem er saß, als ein sehr liebenswürdiger Gesellschafter, als ein Mann von durchaus feinen Manieren und höchst achtungswerten Grundsätzen beurteilt. Nur reiste er diesmal nicht als Herr von Bellfort, sondern als deutscher Baron von Drachenfels.

Am anderen Tage erschien in den Zeitungen ein ziemlich dunkel abgefasster Artikel, der aber doch für die Eingeweihten völlig verständlich war. Es hieß darin:

»Abermals ist es einem Schwindler geglückt, sich in die höhere Gesellschaft einzuschleichen, der sich jetzt, wo ihm die Maske vom Gesicht gezogen wurde, allerdings schleunigst von hier entfernt hat, um aller Wahrscheinlichkeit nach an einem anderen Ort seine Rolle weiter zu spielen. Die jungen Herren, welche derartige Hotelbekanntschaften machen, können angesichts dieses Falles abermals nicht dringend genug ermahnt werden, sich nicht durch einen vornehmen Namen und durch einen Orden im Knopfloch dazu verleiten zu lassen, für derartige Persönlichkeiten bei ihrer Einführung in fashionable Kreise, ohne nähere Prüfung, die Garantie für ihre Ehrenhaftigkeit zu übernehmen.«

In denselben Blättern, welche dieses Avertissement enthielten, befand sich übrigens auch gleichzeitig die Verlobungsanzeige des Herrn Warrens mit Frau Katharina Walden.

Leider müssen wir mit wahrhaft schmerzlichem Bedauern dem Leser mitteilen, dass die philosophischen Ansichten des Doktors Schwalbe immer mehr eine materialistische Richtung annahmen und dass, seitdem der höllische Herr von Schwefelkorn sein täglicher Gesellschafter geworden war, seine atheistischen Ansichten immer stärker hervortraten. Er verspottete jetzt häufig auf das Schamloseste selbst die heiligsten Dinge. Eines Abends wusste er sich sogar mithilfe seines infernalischen Freundes in eine fromme Versammlung einzuschleichen, wo man eben im Begriff stand, einen Protest gegen die Zivilehe als eine durchaus unchristliche zu entwerfen, um denselben der eben versammelten Landesvertretung, wo diese Frage gerade auf der Tagesordnung stand, zu überreichen. Leider hatten diese Zionswächter, obgleich sie sonst eine unübertreffliche Fertigkeit darin besaßen, sofort selbst den kleinsten Splitter im Auge ihres Nächsten zu erkennen, nicht die geringste Ahnung, was für ein paar Wölfe in ihren Schafstall eingedrungen waren, und Schwefelkorn rieb sich schadenfroh die Hände, als sich Schwalbe mit höhnischem Augenblinzeln zu Wort meldete. Es war aber auch wirklich haarsträubend, in was für unchristlicher Weise dieser hartgesottene Sünder jetzt losdonnerte. Es mag sein, dass die verführerische Gestalt Phöbens, durch seinen Verbündeten, den Teufel, herbeigezaubert, in diesem Augenblick seine Sinne blendete und seinen Verstand auf Abwege führte. Aber so weit durfte sich doch ein christlicher Doktor, selbst wenn er Philosoph war, nicht vergessen!

»Was wollt Ihr mit Eurer privilegierten Verkuppelung, die Ihr Ehe nennt«, schrie er. »Wird sie nicht täglich profaniert und im Schmutz herumgezogen? … Das ist die wahre Ehe nach dem Willen Gottes, wenn zwei Herzen sich freiwillig zusammenfinden, wenn sie freiwillig Leid und Freud im Leben gemeinschaftlich tragen und sich den in der Stunde der ersten Liebe geleisteten Eid der Treue halten! … Ergo«, so schloss der Doktor seine Rede, »stimme ich auf das Entschiedenste für die Zivilehe und mit ihr für die Beseitigung jeder pfäffischen Beeinflussung!«

Zuerst bemächtigte sich der frommen Versammlung ob solches entsetzlichen Frevels eine Art Starrkrampf, dann brach sie in ein wütendes Geheul aus und endlich ertönte von allen Seiten der Ruf: »Steinigt ihn! Zerreißt ihn! Der Satan spricht aus ihm!«

Alles stürmte zornglühend auf den Doktor ein und besonders die Damen – denn auch diese waren vertreten – krümmten bereits alle zehn Finger, in der offenbaren Absicht, dem Übeltäter die Augen auszukratzen, als plötzlich die Szene wie durch Zauberei verändert wurde. Statt nämlich dem gottlosen Schwalbe auf den Leib zu rücken, blieb plötzlich jeder der Anwesenden wie versteinert stehen und hielt sich unter einer fürchterlichen Grimasse die Nase zu. Die Wahrheit ist die, dass Schwefelkorn vermöge seiner diabolischen Künste unerwartet einen so höllischen Gestank verbreitet hatte, dass es fast nicht zum Aushalten war und dass er auf diese Weise seinen Begleiter vor den wohlverdienten Misshandlungen schützte, indem er mit diesem hohnlachend zur Tür hinausschlüpfte.

Einige Abende danach kehrten beide Arm in Arm zu später Mitternachtsstunde aus einem öffentlichen Vergnügungslokal zurück.

»Nun, wie haben Sie sich gefallen?«, fragte Schwefelkorn, der sich in der besten Laune befand.

»Köstlich! In Ihrer Gesellschaft amüsiert man sich immer. Es ist wirklich wahr, es ist fast unglaublich, was für närrische Käuze es in der Welt gibt.«

»Und wie sie es nie merken, wenn unsereins sie beim Kragen hat, wie schon Ihr Goethe so richtig bemerkte«, fügte der Baron hinzu.

»Am meisten hat mir heute der Calicoreisende mit den bunt karierten Beinkleidern gefallen«, sagte Schwalbe. »Konnte der Kerl lügen! Man sollte wirklich meinen, er schreibe eine Zeitung. Zuerst seine Damenabenteuer … Einer polnischen Gräfin trat er im Coupé heimlich auf den Fuß und soupierte später tête-à-tête mit ihr. Eine berühmte Sängerin, die er auf der Reise kennenlernte, gab ihm ein Rendezvous und holte sich dabei so den Schnupfen, dass sie heiser war, als sie singen sollte. Eine tatarische Prinzessin bot ihm ein Stück Hammelkeule an, die sie nach tatarischer Art während der Fahrt mürbegemacht hatte, indem sie dieselbe als Sitzkissen benutzte!«

Die beiden Nachtschwärmer brachen in ein helles Gelächter aus, als plötzlich ein Mann in der bereits menschenleeren Straße eilig auf sie zugerannt kam.

»Jetzt kommt erst der Hauptwitz«, flüsterte Schwefelkorn seinem Begleiter zu.

»Wie, noch ein Abenteuer?«

»Allerdings, und noch dazu ein sehr aufheiterndes.«

»Aber sind Sie denn des Teufels«, wollte Schwalbe ausrufen, hielt aber noch bei Zeiten inne.

»Tun Sie sich gar keinen Zwang an«, lachte der Baron, »unter Freunden nimmt man sich solche Kleinigkeiten nicht übel. Doch still! Der Vorhang geht in die Höhe und das Stück beginnt.«

Indessen näherte sich beiden der bereits erwähnte Mann und fragte außer Atem: »Um Vergebung, meine Herren, wissen Sie vielleicht, wo der Herr Doktor Fuchsmeier wohnt?«

Schwefelkorn stieß Schwalbe heimlich an. »Was gibt es?«, fragte er ernst, »Doktor Fuchsmeier bin ich selbst.«

»Ach, das trifft sich ja prächtig! Herr Doktor, ein Schwererkrankter bedarf schleunigst Ihrer Hilfe.«

»Wer ist denn der Herr?«

»Doktor Dummerwitz.«

»Ein Doktor, und er kann sich selbst nicht einmal helfen?«

»Ach, es ist ja nur so ein literarisch gebildeter Doktor, verstehen Sie.«

»Nun, was fehlt ihm denn?«

»Er kann jeden Augenblick platzen«

»Was, platzen?«

»Ja. Folgen Sie mir nur, es hat die größte Eile!«

»So gehen Sie voran.«

Nachdem die drei mehrere Straßen durcheilt hatten, traten sie in ein Haus und stiegen vier ziemlich enge Treppen hinauf. Oben angelangt, hörten Sie bereits aus der Ferne ein tiefes Stöhnen, und als jetzt ihr Führer eine Tür öffnete und sie in ein matt erhelltes Zimmer traten, bemerkten sie einen kurzen dicken Herrn, welcher sich mit beiden Händen den Leib hielt und unter den abscheulichsten Grimassen in der Stube umherlief.

»Oh, lieber Herr Doktor«, rief er mit jämmerlicher Gebärde, »helfen Sie mir, retten Sie mich – au! Au, ich platze!«

»Sind Sie Herr Dummerwitz?«

»Ja, ja – Au! Au!«

»Haben Sie denn etwas Giftiges gegessen?«

»Durchaus nicht! Aber ich will es Ihnen nur bekennen.«

»Nun?«

»Ich hielt heute eine Vorlesung über Shakespeare und da habe …«

»Da habe ich mich dabei so aufgeblasen, dass ich Gefahr laufe, zu platzen«, ergänzte Schwefelkorn.

»Allerdings, ich kann nicht leugnen …«

»Sie leiden überhaupt an Aufgeblasenheit«, bemerkte der angebliche Doktor Fuchsmeier, »und da muss mit Ihnen einmal eine Radikalkur vorgenommen werden, die ich gleich ausführen will.«

»Was wollen Sie denn tun, lieber Herr?«, fragte Doktor Dummerwitz ängstlich, »Sie wollen mich doch nicht von der Höhe des Piedestals herabstürzen, auf welches mein Genie mich gestellt hat?«

»Dummerwitz!«, lachte Schwefelkorn zweideutig. »Nein, mein Lieber, mit Ihrem Genie habe ich um so weniger zu tun, da ich augenblicklich gar nicht mein Mikroskop bei mir führe. Ihnen muss schnell geholfen werden und je drastischer die Wirkung ist, desto besser für Sie.«

»Nun, so erklären Sie sich, wenn ich bitten darf.«

»Dies hier ist mein Assistenzarzt Schwalbe. Herr Doktor Schwalbe, geben Sie dem Patienten zwei Dutzend Fußtritte, sonst platzt er uns noch unter den Händen«

»Sie sind doch am Ende nicht ein Rezensent?«, fragte Herr Dummerwitz, unseren Bekannten verdächtig ansehend.

»Nein. Nun bitte ich aber auch stillzuhalten, damit ich die Verordnung des Herrn Sanitätsrat mit der erforderlichen Sorgfalt ausführen kann.«

Herr Doktor Dummerwitz wollte sich zwar noch etwas sträuben, aber Schwefelkorn erfasste ihn mit starker Hand, und Schwalbe versetzte ihm rasch hintereinander mehrere heftige Stöße.

»Nun, welche Wirkung fühlen Sie?«, fragte der angebliche Doktor Fuchsmeier.

»Mein Leib wird etwas dünner, aber hören Sie auf, hören Sie auf, mir beginnt plötzlich erschrecklich übel zu werden!«

»Desto besser. Geben Sie ihm noch zwei Dutzend, Herr Doktor Schwalbe.«

Während dieser den Patienten von Neuem bearbeitete, grinste ihn Schwefelkorn höhnisch an.

Plötzlich machte Dummerwitz ein äußerst katzenjammerliches Gesicht und riss seinen Mund weit auf.

»Aha, jetzt kommt’s«, rief Fuchsmeier, »nun werden wir ja sehen!«

Er beugte sich nach vorne und sagte dann, den Kopf wieder erhebend: »Das sind ja nichts als Federn, die Sie von sich gegeben haben.«

»Allerdings«, stotterte Dummerwitz sehr verlegen, -»Ihnen, meinem Arzt, darf ich es wohl bekennen, dass ich mich sehr häufig mit fremden Federn geschmückt habe.«

»Es muss noch mehr heraus«, rief der falsche Fuchsmeier, »Schwalbe, applizieren Sie dem Patienten noch ein Dutzend Fußtritte.«

Dieser machte eine flehentliche Gebärde. »Bringen Sie mich doch nicht um meinen ganzen Ruhm«, bat er.

»Ach was! Da sehen Sie, es hilft schon! Aber was nur alle Welt ist denn das? Das sind ja unverdaute Zeitungsblätter.«

»Reklamen sind’s«, stöhnte Dummerwitz, »Reklamen, die ich und mein Verleger massenhaft verbreiteten, und das Publikum war auch so einfältig, darauf anzubeißen. Alles wollte mein letztes Werk lesen. Fragen Sie nur die armen Leihbibliothekare, die können ein Lied davon singen. Inzwischen bin ich aber ein berühmter Mann geworden und mein Verleger lacht sich ins Fäustchen.«

»Nicht übel«, murmelte Schwalbe, »wenn ich meine ›psychologischen Studien‹ herausgebe, möchte ich diese Methode wohl nachahmen.«

Doktor Dummerwitz, welcher diese Worte gehört hatte, lachte. »Das würde Ihnen wenig nützen, verehrter Herr«, sagte er, »das hat vor Ihnen schon mancher versucht, ohne jedoch einen Erfolg zu erzielen. Wenn Sie nicht zu der Clique von Windmachern gehören, welche mit edler marktschreierischer Unverschämtheit sich gegenseitig in den öffentlichen Blättern dem Publikum anpreist, so werden Sie, selbst wenn Sie der witzigste und talentvollste Kopf sind, doch immer nur geringe Erfolge erzielen.«

»Nun, das sind ja ganz saubere Enthüllungen«, rief unser Bekannter, »und das verträgt die öffentliche Meinung?«

»Pah!«, machte Dummerwitz, und schlug dabei ein Schnippchen, »soviel für die öffentliche Meinung! Früher wurde dieselbe allerdings von gewissenhaften, literarisch gediegenen Leuten geleitet, aber jetzt … Es gehört eben die ganze Flachheit und Halbbildung unserer Zeit dazu, um das geistreich, schön und originell zu finden, was irgendein spekulativer Buchhändler durch seine von ihm abhängigen Helfershelfer als solches ausposaunen lässt.«

»Aber Sie sprechen ja jetzt plötzlich sehr verständig«, bemerkte Schwalbe nicht ohne Erstaunen.

»Das habe ich Ihren Fußtritten zu verdanken, lieber Herr. Es macht sich gegenwärtig eine Ernüchterung bei mir geltend, die aber leider nicht lange anhalten wird. Das Übel sitzt bereits zu tief. Sind Sie nicht auch der Ansicht, Herr Doktor Fuchsmeier?«

»Allerdings. Es ist übrigens eine sehr weit verbreitete Krankheit. Sie glauben gar nicht, wie viele Dummerwitze ich außer Ihnen schon unter den Händen gehabt habe.«

Jetzt trat der Literat an ein Pult und holte zwei Karten hervor.

»Sie erlauben«, sagte er, »dass ich mich gebührender Maßen einer Pflicht entledige. Ich kann natürlich nicht verlangen, dass Sie sich noch so spät umsonst hierher bemüht haben. Nach der Medizinaltaxe würden Sie einen Taler zu fordern haben, diese zwei für meine nächste Shakespeare-Vorlesung geltenden Billets haben den Wert von zwei Talern. Sie sehen also, ich honoriere sehr nobel und ich kann Ihnen außerdem einen außergewöhnlich geistreichen Genuss versprechen.«

»Wenn Sie sich nicht schonen«, erwiderte Schwefelkorn sarkastisch, »so wird nichts anderes übrig bleiben, als Ihnen von Neuem ein Dutzend Fußtritte zu applizieren. Sehen Sie, schon fangen Sie an, sich wieder aufzublasen …«

»Freilich, freilich, aber es ist nun einmal so ein chronisches Leiden, welches ich nicht loswerden kann! … Nun, leben Sie wohl, Herr Sanitätsrat, wenn ich wieder Ihrer bedürfen sollte, werde ich mir erlauben, abermals zu Ihnen zu schicken.«

Dummerwitz machte eine sehr höfliche Verbeugung, und der angebliche Sanitätsrat entfernte sich mit seinem Assistenzarzt. Als beide auf der Straße waren, brachen sie in ein helles Gelächter aus.

»Ein sonderbarer Kauz, dieser Repräsentant der modernen Literatur«, bemerkte Schwalbe.

»Nicht schlimmer als ein großer Teil derer, die seine und seiner Geistesgenossen Werke lesen«, fügte Schwefelkorn trocken hinzu. »Etwas tiefer nachzudenken, ist selbst für diejenigen zu langweilig, welche die Fähigkeit dazu besitzen. Herz und Gefühl spielen heutzutage keine Rolle mehr, bei der oberflächlichen Bildung, die sich geltend macht, fühlt man sich schon befriedigt, wenn irgendein alter Blaustrumpf einen sogenannten »historischen Roman« in die Welt schickt, der mit allerhand Unwahrheiten und Blödsinn ausgeschmückt ist, oder wenn man den Lesern den sozialen Brei löffelweise zu kosten gibt, oder schließlich durch die widerlichsten Übertreibungen ihre Nerven so aufregt, dass das Opiumessen der Chinesen dagegen nur ein Kinderspiel ist.«

»Deswegen machen Sie wohl auch gegenwärtig besonders gute Geschäfte?«, meinte der Doktor, indem er seinen Gesellschafter lächelnd ansah.

»Allerdings«, erwiderte dieser, »je sorgloser und leichter ihr Erdenkinder in den Tag hineinlebt, um so bequemer wird für mich die Arbeit. Obgleich nun zwar das Treiben, wie es sich jetzt in der Welt gestaltet, meinen Vorteil vollkommen zusagt, so fängt doch die Hast und die Eile, mit welcher die Menschen mir in die Arme laufen, an, mir etwas lästig zu werden und mich zu echauffieren. Früher ging das weit bequemer und man amüsierte sich dabei auch viel besser. Jahrelang musste man manchmal so einem armen Sünder nachschleichen, ehe man ihn einfing. Glaubte man ihn dann schon ganz sicher zu haben, so kam plötzlich jenes armselige Ding, welches Ihr Leute Gewissen nennt, erfasste ihn beim Schopf und zog ihn wieder zurück. Und selbst dann, wenn man ihn endlich in der Schlinge hatte, schlug er noch mit Armen und Beinen um sich und sträubte sich, so sehr unsereins ihn auch hätschelte und streichelte. Jetzt ist das ganz anders. Von selbst kommen die Leute und bieten sich mir an. Und wahrhaftig, ich als Teufel erröte selbst manchmal, wenn ich auf meinen Wanderungen sehe, was für eine Masse Schminke verbraucht wird, die hier auf Erden unter dem Namen »Tugend« bekannt ist und die, ungeachtet man doch so viele Fälschung mit ihr treibt, doch noch immer von der Großhandlung ›Heuchelei & Comp.‹ zu den höchsten Preisen angebracht wird.«

»Na, hören Sie nur auf«, sagte Schwalbe, »wenn Sie so fortfahren, nehmen Sie mir wirklich noch das bisschen Moral, was in mir sitzt.«

Der Teufel lachte. »Ich habe Ihnen ja schon erklärt, dass ich Sie nicht haben will. Übrigens reise ich zum Vergnügen und da ist von Geschäften erst gar nicht die Rede. Doch hier befindet sich unser Hotel. Gefällt es Ihnen, so stechen wir noch eine Flasche von dem Feuerwein aus, den ich so trefflich zu präparieren verstehe.«

»Meinetwegen, doch müssen Sie mir vorher feierlich schwören, dass Sie wirklich keine Hintergedanken gegen mich im Schilde führen.«

»Nun denn, bei Pech, Schwefel und Pferdefuß, ich versichere Sie, dass ich nur die uneigennützigste Freundschaft für Sie empfinde.«

»Jetzt bin ich beruhigt. Blasen Sie nicht zu heftig in die Flasche, das Getränk möchte sonst doch vielleicht zu stark für mich werden.«

»Seien Sie unbesorgt, die lieblichsten Träume sollen Sie umgaukeln. Auf Ihr Wohlsein, mein Bester!«

Die Gläser klirrten. Eine Stunde später lag Schwalbe im süßen Schlaf und glaubte sich wirklich in Mohammeds Paradies zu befinden. Der Teufel beugte sich über ihn, zog eine Grimasse und legte sich dann ebenfalls zu Bett.

Ende des ersten Bandes