Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

John Tanner – Das Leben eines Jägers 19

John Tanner
Das Leben eines Jägers
oder
John Tanners Denkwürdigkeiten über seinen 30-jährigen Aufenthalt unter den Indianern Nordamerikas
Erstmals erschienen 1830 in New York, übersetzt von Dr. Karl Andree

Neunzehntes Kapitel

A-gus-ko-gaut, der Muskogee-Häuptling, den wir damals begleiteten, gab sich selbst für einen Propheten des großen Geistes aus, ganz so, wie es einige Jahre später der tat, welcher unter den Shawnee erschien. Er hatte kurz vorher seinen Sohn verloren und trug nun ein Jebi bei sich, das er auf dem Schlachtfeld lassen wollte. Dieser Entschluss gab seinem Wunsch, mit den Feinden handgemein zu werden, neue Kraft.

Bald nachher erhielten wir eine Verstärkung von zwanzig Mann, unter der Leitung des Ta-busch-schah (d. h. des Zank-und Streitanstifters, Chicaneurs). Dieser war ein Chippewa, von unruhigem, hochfahrenden Geist, und konnte es nicht leiden, dass ein anderer als er selbst, einen Kriegszug gegen die Sioux anführen sollte. Mehr als alles fürchtete er aber, seine Großtaten durch die Standhaftigkeit eines so verachteten Volkes, wie die Muskogee sind, verdunkelt zu sehen. Indessen schien es nicht, als wollte er unserer Unternehmung Hindernisse in den Weg legen. Er sagte, er sei gekommen, um seinen Brüdern, den Muskogee, Hilfe zu leisten. A-gus-ko-gaut kannte sicherlich die Denk- und Handlungsweise Ta-busch-schahs, empfing ihn aber scheinbar mit großer Herzlichkeit und Freude.

Nachdem wir mehrere Tage lang vorwärtsgegangen waren und weite Prärien überschritten, wurde unser Durst so stark, dass wir notwendigerweise einige Kriegsgebote verletzen mussten. Mehrere Indianer kannten das Land recht gut und wussten, dass in einer Entfernung von mehreren Meilen, Wasser vorhanden war. Die Mehrzahl der alten Krieger aber marschierte zu Fuß und war vor Hitze und Anstrengung äußerst ermüdet. In dieser Not mussten die berittenen Krieger es auf dem Zufall ankommen lassen und sehen, wo Wasser zu finden war. Wa-me-gon-a-biew und ich hatten Pferde. Wir verabredeten die Zeichen, welche gegeben werden sollten, um unserem kleinen Armeekorps die Richtung anzudeuten, welche es einschlagen müsste, um zum Wasserplatz zu gelangen, welchen wir aufsuchen wollten. Ich war so ziemlich der Erste, welcher einen Ort fand, wo man den Durst löschen konnte. Aber noch bevor alle diese Stelle erreichen konnten, war bei manchen die Qual aufs Allerhöchste gestiegen. Die, welche sich bei der Quelle sich schon befanden, schossen die ganze Nacht hindurch Gewehre ab, und so kamen endlich die Nachzügler von verschiedenen Seiten herbei. Einige spien Blut, andere waren förmlich wahnsinnig.

Bei dieser Quelle machte ein Greis namens Ah-tek-oon (das kleine Karibu) ein Ko-zau-bun-zichegun, eine Weissagung, und verkündete, dass in einer gewissen Richtung eine zahlreiche Schar von Sioux-Kriegern sich befinde, die gerade auf uns zu käme. Wir würden aber ohne beunruhigt zu werden, in ihr Land kommen, wenn wir unseren Weg nach der rechten oder linken Seite nähmen. Alsdann könnten wir die Frauen in den Dörfern überfallen. Wenn wir sie aber herankommen ließen, sodass es ihnen möglich würde, uns anzugreifen, dann würden sie uns ohne Ausnahme bis auf den letzten Mann ums Leben bringen. Ta-busch-scha schien dieser Prophezeiung unbedingten Glauben beizumessen. Der Muskogee-Häuptling aber und die Mehrzahl seiner Krieger legten gar keinen Wert darauf.

Indessen entstand ein Gemurmel. Mehrere Indianer sprachen es laut aus, man müsse den A-gus-ko-gaut verlassen, und in die Heimat zurückkehren. Doch vergingen mehrere Tage, ohne dass sich weiter etwas Besonderes ereignete. Nur trafen unsere Späher auf einen einzelnen Indianer, der sich aus dem Staub machte, sobald er sich entdeckt sah. Man vermutete, es sei ein Sioux-Krieger gewesen. Eines Morgens kamen wir in die Nähe einer Bisonherde, und mehrere junge Jäger machten Jagd auf dieselbe, weil uns die Lebensmittel völlig ausgegangen waren. Seitdem jener Indianer gesehen worden war, marschierten wir nur während der Nacht und blieben den ganzen Tag über an verborgenen Stellen liegen. Diesmal aber gestatteten es die Muskogee, dass ihre jungen Krieger die Bisons am hellen Tag und ohne alle weitere Vorsicht verfolgen durften. Sie feuerten ihre Gewehre sehr oft ab.

Nun hatten wir vollauf zu essen in unserem Lager, und es war wie bei einem Fest. Die Krieger hatten sich vereinigt, um gemeinschaftlich zu essen. Nach beendeter Mahlzeit stand Ta-busch-scha auf und sprach mit lauter Stimme: »Muskogee! Ihr seid keine Krieger. Ihr seid weither aus eurem Land gekommen, um die Sioux anzugreifen, Hunderte von euren Feinden sind ganz in der Nähe, und ihr versteht es doch nicht einmal, einen Einzigen zu treffen, wenn sie nicht über euch herfallen und euch totschlagen.«

Nachdem er so gesprochen hatte, äußerte er, es sei seine Absicht, eine Kriegerabteilung zu verlassen, die so schlecht angeführt werde, und mit seinen zwanzig Mann in seine Heimat zurückzukehren. Ich bin überzeugt, dass er bei seiner ganzen Reise keinen anderen Zweck hatte, als eine Gelegenheit zu finden, um A-gus-ko-gaut s Gefolge in Unordnung zu bringen.

Als er gesprochen hatte, entgegnete ihm Pe-zhew-o-ste-gwon (der Kopf der wilden Katze), der Sprecher des Muskogee-Häuptlings, Folgendes: »Wir sehen jetzt recht gut ein, weshalb unsere Brüder, die Chippewa und Cree, nicht mit uns vom Red River fortziehen wollten. Ihr seid nahe bei eurem Land, und es kommt euch wenig darauf an, ob ihr jetzt schon mit den Sioux zusammentrefft oder erst wenn die Blätter abfallen. Wir aber kommen aus weiter Ferne, wir tragen nun schon lange die, welche unsere Freunde und Kinder waren, mit uns herum, damit wir sie im Lager unserer Feinde niederlegen können. Ihr wisst recht wohl, dass in einer noch dazu zahlreichen Schar, wie die unsere ist, einem zurückkehrenden Krieger allmählich auch die anderen folgen, sodass zuletzt keiner mehr da ist, und nur um es dahin zu bringen, habt ihr euch mit uns vereinigt. Ihr lockt unsere jungen Krieger zu euch, um uns zum Umkehren zu zwingen, noch ehe wir gefochten haben.«

Gleich, nachdem diese Worte gesprochen worden waren, stand Ta-busch-scha, ohne das Geringste zu entgegnen, auf, wandte das Gesicht seiner Heimat zu, und setzte sich mit seinen zwanzig Mann dorthin in Bewegung.

Dieser Abfall schien die jungen Muskogee zu empören, und mehre schossen hinter den abziehenden Chippewa her. Diese wollten solches vergelten, ihr Häuptling aber, der immer klug war, wusste dieser ersten Bewegung Einhalt zu gebieten. Diese scheinbare Großmut machte einen tiefen Eindruck auf die Männer, welche nun gefährliche Feinde geworden waren. A-gus-ko-gaut und die angesehensten Muskogee blieben ruhig und schweigend sitzen, und die jungen Krieger folgten einer nach dem anderen den Spuren der Chippewa und taten dasselbe wie jene. Auch Wa-me-gon-a-biew folgte dem Strom. Als er fortging, setzte ich mich ganz in die Nähe des Häuptlings, von dem ich nur ein Paar Schritte entfernt war. Beinahe den ganzen Tag blieben A-gus-ko-gaut und seine treuesten Krieger ohne sich zu bewegen auf der Stelle sitzen, wo sie Ta-busch-scha s Rede angehört hatten. Als aber der alte Häuptling endlich sah, dass sein ganzes aus sechzig Mann bestehendes Gefolge bis auf fünf zusammengeschmolzen war, konnte er die Tränen nicht mehr halten.

Da trat ich ganz dicht an ihn hinan und sagte, dass ich ihn auch ferner begleiten wollte, falls er im Sinn habe, weiter zu gehen. Ich würde mit ihm ziehen. Die drei anderen Krieger, als seine besonderen Freunde, waren auch bereit ihm zu folgen. Allein er sagte, mit so geringen Kräften könne er nicht viel ausrichten, und wir würden unfehlbar erschlagen werden, wenn wir mit den Sioux zusammenträfen. So nahm der Kriegszug ein Ende, und jeder kehrte auf dem ersten besten Weg heim, ohne ferner an etwas anderes zu denken, als an seine Sicherheit. Jeder Einzelne tat, was ihm genehm war. Ich vereinigte mich möglichst schnell wieder mit Wa-me-gon-a-biew, der noch drei Männer bei sich hatte, sodass wir unserer fünf waren, die zusammen zogen. Wir schlugen aber eine ganz andere Richtung ein, als die meisten unserer Gefährten. Wild gab es auf unserem Weg häufig, und Hunger machte sich also nicht fühlbar.

Eines Morgens früh lag ich, in meine Decke gewickelt, in einem tiefen Pfad, den die Bisons ausgetreten hatten. Er führte durch eine Prärie zu einem kleinen Bach, in dessen Nähe wir gelagert hatten. Die Blätter waren damals schon in großer Menge abgefallen (d. h. der Herbst bereits weit vorgerückt), und das Gras auf den Prärien durch den Frost längst ganz trocken geworden. Damit dasselbe kein Feuer fangen mochte, ließen wir unser kleines Feuer mitten in jenem Pfad brennen. Die anderen Indianer waren schon aufgestanden, gingen zur rechten oder linken Seite des Pfades umher und bereiteten das Frühstück. Da wurde unsere Aufmerksamkeit durch einen auffallenden Ton rege, und wir sahen, dass ein Stachelschwein langsam und tollpatschig auf uns zu kam.

Ich hatte oft von der Dummheit dieses Tieres erzählen hören, selbst aber noch keine davon gesehen. Es kam näher, ohne sich um irgendetwas zu bekümmern, bis es endlich mit seiner Nase an die glühenden Kohlen stieß. Dann sprang es schnell zurück und stellte sich auf die Hinterpfoten, blieb aber doch der Flamme so nah, dass diese, vom Wind getrieben, ihm die Stacheln auf dem Kopf versenkte. In dieser Stellung blieb es einige Minuten, schloss und öffnete die Augen abwechselnd, und sah dabei sehr dumm aus. Endlich schlug ein Indianer, der sich langweilte, es so da zu sehen, ihm mit einem Stück Moosefleisch, das er auf einen Baumzweig, der als Bratspieß diente, gesteckt hatte, nach dem Kopf. Ein anderer schlug es mit dem Tomahawk tot. Wir aßen etwas von seinem Fleisch, es schmeckte sehr gut. Die Indianer erzählten mir damals, was ich auch später selbst gesehen habe, dass ein Stachelschwein, wenn es bei Nacht am Ufer eines Flusses herumgeht, um zu fressen, einen Menschen gar nicht bemerkt, selbst wenn derselbe Futter ans Ende eines Ruders legt und ihm solches dicht unter die Nase hält. Es frisst ganz ruhig auf, was man ihm so darbietet. Es beißt und kratzt nicht, wenn man es fängt, und verteidigt sich nur mit seinen sehr gefährlichen Stacheln. Die Hunde lassen sich nur selten auf ein Stachelschwein hetzen. Und gehen sie ja darauf, so ist entweder der Tod die Folge oder sie werden so verwundet, dass sie lange Zeit schreckliche Schmerzen ausstehen müssen.

Nachdem wir vier Tage lang gegangen waren, kamen wir an den Fluss des großen Waldes, der in einem Gebirge seine Quelle hat, längere Zeit durch eine Prärie fließt, endlich auf einer Strecke von zehn Meilen verschwindet, und sich nachher in den Red River ergießt. Unterhalb der Stelle, wo er auf der Prärie unsichtbar wird, bekommt er einen anderen Namen. Es ist aber ohne Zweifel noch derselbe Fluss. Wir erlegten an seinen Ufern einen roten Damhirsch, ganz von derselben Art, wie die, welche man in Kentucky findet. Dieses Tier wird übrigens im Norden nur selten angetroffen.

Als ich wieder zu meiner Familie kam, hatte ich nur noch sieben Kugeln. In der Nähe war kein Handelsmann, und ich konnte mir darum keine neuen Vorräte verschaffen. Indessen schoss ich doch etwa zwanzig Moose- und Elentiere, denn sehr oft geht die Kugel, wenn man ein solches Tier erlegt hat, nicht durch und durch, und man kann sie noch einmal benutzen.

Die Jahreszeit war schon vorgerückt, und ich machte mich auf zum Kontor am Moose River, um von dort einige Munition zu holen. Wa-me-gon-a-biew wollte für sich allein leben, Net-no-kwa aber bei mir bleiben. Als wir uns gerade trennen wollten, trafen wir beim Kontor einige Mitglieder einer Cree-Familie, die vor langer Zeit einmal mit Wa-me-gon-a-biew s Vorfahren Streit gehabt hatte. Diese Leute gehörten zu einer ansehnlichen Gruppe, die uns völlig fremd und zu zahlreich war, als dass wir uns mit ihnen hätten einlassen können. Es wurde uns gesagt, dass sie sich vorgenommen hätten, Wa-me-gon-a-biew zu töten. Wir hielten es für zweckmäßig, ihr Wohlwollen durch ein Geschenk zu erkaufen, da wir doch einmal mehr oder weniger in ihrer Gewalt waren.

Wir hatten zwei Fässchen Whiskey. Diese gaben wir der Gruppe, und eines davon erhielt vor allem der Häuptling der Familie, welche Wa-me-gon-a-biew bedrohte. Als sie sich ans Trinken machten, kam ein Indianer, der sich sehr herzlich stellte, lud meinen Bruder zum Trinken ein und wollte mit ihm zechen. Bald darauf schien er betrunken zu sein. Ich aber hatte ihn beobachtet und wusste daher, dass er noch vollkommen Herr seiner selbst war, weil er fast noch gar nichts getrunken hatte. Ich sah nun wohl, was er eigentlich bezweckte, und beschloss, soviel nur in meiner Macht stände, Wa-me-gon-a-biew gegen die Nachstellungen seines Feindes zu schützen. In der Erwartung, dass es uns wohl gelingen würde, die Freundschaft jener Cree-Familie zu erwerben, hatten wir unser Feuer unweit von dem ihren angezündet. Meinen Bruder, der nun zu betrunken war, als dass ich mich auf ihn hätte verlassen können, trug ich in unser Lager.

Kaum hatte ich ihn unter seine Decke gelegt, so sah ich mich auch schon von der feindlich gesinnten Familie umringt. Alle waren mit Gewehren und Messern bewaffnet. Sie sprachen davon, dass Wa-me-gon-a-biew getötet werden müsse. Zum Glück hatte der von uns ausgeteilte Branntwein ihnen allen die Köpfe verdreht. Nur der eine Mann, von dem ich eben gesprochen habe, war nüchtern. Von ihm allein glaubte ich etwas Schlimmes befürchten zu müssen. Zwei Indianer traten näher, um Wa-me-gon-a-biew zu erstechen. Ich aber warf mich dazwischen und verhinderte es. Da packten sie mich bei den Armen, und ich ließ das ruhig geschehen. Ich wusste, dass in dem Augenblick, wo sie einen Streich gegen mich würden führen wollten, jeder mich mit einer Hand würde loslassen müssen, und bei der Gelegenheit wollte ich mich losreißen. Mit meiner rechten Hand hielt ich den Griff eines großen Messers fest, das ich unter meiner Decke versteckt hatte und auf welches ich mich nun völlig verließ. Der Indianer, welcher mich an meiner linken Seite gepackt hatte, ergriff nun sein Messer, um es mir in den Leib zu rennen. Allein sein Kumpan, der betrunken war, bemerkte, dass er sein Messer hatte fallen lassen, und bat ihn daher so lange zu warten, bis er es wieder gefunden hätte. Alsdann wollte er ihm behilflich sein, mich zu töten. Er ließ meine rechte Hand frei, und eilte hinweg, um sein Messer zu holen.

Auf eine solche Gelegenheit hatte ich eben gewartet und gehofft. Alle Kraft aufbietend, rang ich mich in einem Augenblick los, und sofort glänzte auch vor den Augen des Indianers die Schneide meines Messers. Nun war ich frei und hätte mein Leben durch die Flucht außer aller Gefahr setzen können. Aber ich wusste, dass Wa-me-gon-a-biew, wenn ich ihn verließ, unrettbar eine Beute des Todes werden musste. Und ich entschloss mich daher, ihn in dieser gefährlichen Lage nicht im Stich zu lassen.

Die Indianer schienen einen Augenblick verblüfft über meinen Widerstand. Sie staunten aber noch mehr, als sie sahen, dass ich meinen betrunkenen Gefährten aufnahm, zwei oder drei Sprünge machte, und ihn in ein Kanu legte, das eben im Begriff war, abzufahren. Ich verlor keine Zeit und ruderte schnell über das Wasser, welches zwischen ihrem Lagerplatz und der Faktorei floss. Weshalb schossen sie nicht nach mir, da sie doch bei dem hellen Schein, welchen ihr Feuer verbreitete, mich gar wohl erkennen konnten? Ich weiß es nicht. Vielleicht waren sie wohl ein wenig eingeschüchtert, als sie mich so gut bewehrt sahen und erfuhren, dass ich so flink und ganz Herr meiner Sinne war. Besonders gab mir dieser letztere Umstand ein großes Übergewicht über die meisten unter ihnen.

Bald nach dieser Szene verließ mich Wa-me-gon-a-biew, wie das von vornherein seine Absicht war, und ich begab mich an den Assiniboine. Dort befand ich mich erst einige Tage, da besuchte uns A-ke-wah-zains, der Net-no-kwa Bruder. Kurze Zeit darauf sahen wir eines Tages einen sehr bejahrten Indianer in einem Holzkanu den Fluss hinaufrudern. A-ke-wah-zains erkannte ihn auf den ersten Blick als den Vater der Männer, welche kürzlich das Leben Wa-me-gon-a-biews bedroht hatten. Als der Greis hörte, dass man ihm etwas zurief, ruderte er schnell dem Ufer zu. Wir überzeugten uns bald, dass er von all dem, was zwischen uns und seinen Söhnen vorgefallen war, auch nicht das Geringste wusste. A-ke-wah-zains erzählte ihm alles, wurde dabei aber so wütend, dass ich meine große Not hatte, ihn zurückzuhalten. Er hätte ohne mein Eingreifen sicherlich den wehrlosen Greis auf der Stelle erwürgt. Ich konnte aber nicht verhindern, dass er sich eines Vorrates Rum bemächtigte, den sein Feind bei sich führte. Dem Alten war ich inzwischen zur schleunigen Flucht behilflich, denn ich wusste wohl, dass es keine Sicherheit für ihn unter uns mehr gab, sobald das starke Getränk anfing, seine Wirkung zu äußern.

Am selben Abend machte mir A-ke-wah-zains den Vorschlag, ich möchte sein kurzes leichtes Gewehr gegen mein gutes, das laug und vortrefflich war, eintauschen. Ich hatte dazu nur geringe Lust, obwohl ich sein Gewehr damals noch gar nicht kannte, auch Net-no-kwa billigte den Tausch nicht. Ich durfte indessen den Antrag nicht ablehnen, da solches ganz gegen den Brauch gewesen wäre, welchen die Indianer in jenen Gegenden beobachten.

Um diese Zeit erlegte ich eine alte Bärin, die über und über weiß war. Von den vier Jungen war das eine weiß wie die Alte und hatte rote Augen, ein anderes war rotbraun, und die beiden übrigen waren schwarz. Die Alte glich an Wuchs, Gestalt und sonst in aller Hinsicht dem gemeinen schwarzen Bären. Sie hatte aber weiter nichts Schwarzes an sich, als die Haut an den Lippen. Der Pelz dieser Tiere ist sehr schön, doch schlagen ihn die Pelzhändler nicht so hoch an, als den roten. Die alte Bärin war nicht sehr wild, und ich tötete sie mit leichter Mühe. Zwei Junge erlegte ich in ihrer Höhle, die beiden anderen kletterten auf einen Baum. Ich hatte sie eben herabgeschossen, als drei Männer, herbeigezogen durch den Knall, auf mich zukamen. Sie waren sehr abgemagert. Deshalb nahm ich sie mit in meine Hütte, gab ihnen zu essen und reichte jedem noch ein Stück auf den Weg. Am anderen Morgen schoss ich wieder einen Bären, der auf einer Pappel saß, hatte dabei aber Gelegenheit, mich zu überzeugen, wie schlecht das Gewehr war, welches A-ke-wah-zains mir gegeben hatte, denn fünfzehn Mal versagte es. Ich musste auf den Baum klettern, und die Mündung des Laufes dem Bären dicht an den Kopf halten. Erst da stürzte er hinab.

Einige Tage später jagte ich zu gleicher Zeit ein Elentier und drei junge Bären auf. Letztere kletterten schnell einen Baum hinauf. Ich schoss nach ihnen, und zwei stürzten herunter. Nun eilte ich auf den Baum zu, aber kaum war ich da, so kam eine alte Bärin, die Mutter der Jungen, in aller Eile von der andern Seite hergelaufen. Sie nahm eines der Jungen, auf das sie zuerst stieß, auf, stellte sich auf die Hintertatzen und hielt es mit den beiden vorderen, wie eine Mutter ihr Kind hält. Sie betrachtete es einen Augenblick, beroch das Loch, welches die Kugel, die mitten in den Leib gegangen war, gemacht hatte, warf es, als sie sich überzeugt hatte, dass es tot war, weit weg, lief, die Zähne fletschend, auf mich zu, und hielt sich so gerade aufwärts, dass ihr Kopf mit dem meinen gleich hoch war. Dies alles aber geschah in einer solchen Schnelligkeit, dass ich kaum noch Zeit gehabt hatte, mein Gewehr zu laden, und nur mit knapper Not konnte ich es noch anlegen. Nie empfand ich es so, wie damals, wie verständig ein Brauch ist, den die Indianer nie außer Acht lassen: Wenn sie geschossen haben, dann ist immer das Erste, was sie tun, dass sie gleich wieder laden.

Während eines einmonatigen Zeitraumes schoss ich, ungeachtet mein Gewehr so schlecht war, vierundzwanzig Bären und zehn Moosetiere. Ich hatte nun so viel Fett, dass wir es gar nicht verzehren konnten, und ging daher zu einem Sunjegwun, das ich damals machte, als ich zwanzig Moosetiere mit sieben Kugeln geschossen hatte. Dort barg ich auch meine neuen Vorräte. Als aber das Wild seltener wurde, und ich mit meiner Familie zu jenem Versteck kam, um bei demselben bis zum Frühling mich aufzuhalten und von jenen Vorräten zu zehren, sah ich, dass das Sunjegwun von Wa-me-gon-a-biew und anderen Indianern verletzt worden war, und fand es völlig leer. So hatte ich denn die Not im Hintergrund und musste, um ihr zu entgehen, mich aufmachen, und den Bisons nachstellen. Glücklicherweise war der Winter streng, und diese Tiere mussten sich deshalb von den Prärien in die Wälder zurückziehen. In kurzer Zeit tötete ich eine beträchtliche Anzahl, und damals vereinigten sich Wa-me-gon-a-biew und viele andere Indianer mit mir.

Wir lagerten in einem kleinen Gebüsch mitten auf der Prärie. Da träumten eines Nachts die Alten und mehrere andere Mitglieder unserer Familie, dass ein Bär bei unserer Hütte wäre. Am anderen Morgen suchte ich ihn auf und fand ihn wirklich in seiner Höhle. Ich gab Feuer auf ihn und wartete dann, bis der Rauch von meinem Schuss verschwand. Da sah ich, dass er ausgestreckt am Boden lag, und bückte mich, um ihn hervorzuziehen. Mein Körper bedeckte zum Teil das Loch und verdunkelte es. Ich glaubte nicht, dass noch Leben in ihm wäre, und packte ihn daher an. Er aber stand auf und wollte auf mich einspringen. Da lief ich fort, so schnell ich nur konnte, er hielt sich jedoch mir so dicht auf den Fersen, dass ich während meines Laufes seinen heißen Atem spüren konnte. Er hätte mich recht gut fassen können, machte aber keinen Versuch dazu. Da ich aus der Höhle sprang, hatte ich eben noch Zeit gehabt, mein Gewehr zu packen. Als ich daher endlich ein Paar Schritte voraus war, schlug ich hinten aus und dem Bären die Kinnlade entzwei. Darauf tötete ich ihn völlig.

Seitdem wurde ich vorsichtiger und ging nie eher in eine Bärenhöhle, bis ich überzeugt war, dass das Tier nicht mehr lebte. Gegen Ende des Winters wurden die Bisons in unseren Umgebungen so häufig, dass wir sie mit Pfeilen erlegen konnten, und einige Junge fingen wir mit ledernen Schlingen.

Zur Zeit der Zuckerernte machten wir am Pe-kau-kau-ne-fah-kie-gun (Bisonhöcker-See), etwa zwei Tagereisen weit von der Quelle des Pembina River entfernt, Jagd auf Biber. Unsere Frauen begleiteten uns, während Net-no-kwa mit den Kindern Zucker bereitete. Wir wollten so viele Biber fangen, dass wir uns jeder ein gutes Pferd kaufen konnten, um im nächsten Sommer auf dem Zug gegen die Sioux beritten zu sein. Binnen zehn Tagen fing ich zweiundvierzig schöne und große Biber. Wa-me-gon-a-biew beinahe eben so viele. Darauf gingen wir zu der Faktorei am Moose River. Herr Mackie hatte mir versprochen, ein schönes, großes Pferd abzulassen, das ich schon gesehen hatte. Ich war daher sehr missvergnügt, als ich hörte, er habe es an die North West Company verkauft, und sagte ihm, weil das Pferd nach Nordwesten gegangen wäre, so sollten die Biber auch dorthin ihren Weg nehmen. Ich ging daher auf das andere Ufer und kaufte für dreißig Biberfelle eine große graue Stute, die in mancher Hinsicht eben so gut war, wie jenes Pferd. Sie gefiel mir aber nicht ganz so. Auch Wa-me-gon-a-biew kaufte sich ein Pferd von den Indianern, und wir wollten nun wieder mit Net-no-kwa am Fluss des großen Waldes zusammentreffen. Sie war aber schon unterwegs zum Red River, und dorthin folgten wir ihr nach.