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Andrea Maria Schenkel – Tannöd

Andrea Maria Schenkel – Tannöd

Die Autorin erzählt eine Geschichte von einem einsamen Hof auf dem Land in Bayern, die in den 50er Jahren spielt. Sechs Menschen werden auf diesem Hof mit der Spitzhacke erschlagen, unter ihnen zwei Kinder.

Der Roman basiert auf einem Fall, der sich ähnlich tatsächlich zugetragen hat. Andrea Maria Schenkel erzählt diese Geschichte jedoch nicht in der klassischen Art, in welcher Krimis üblicherweise erzählt werden, sondern sie schildert in vielen kleinen Abschnitten die Aussagen von Zeugen, Opfern und Täter. Auf diese Weise entsteht ein Mosaik des Falls, das zudem die ländliche Idylle des Tatortes und der Dorfbevölkerung als Brutstätte von Gewalt, Bigotterie und Inzest entlarvt.

Es scheint, als habe die Autorin all diese Aussagen von den wirklichen Augenzeugen des Falles erhalten und protokolliert. Entstanden ist jedenfalls ein erschütternder, aber gleichermaßen interessanter Bericht über die Menschen, die im Nachkriegsbayern auf dem Land lebten, eine Studie dieses Milieus, das durchaus nicht so fromm und harmlos ist, wie man es zuerst erwarten mag.

Manche der Zeugen haben etwas davon mitbekommen, dass die Opferfamilie bauernschlau, geizig und eigenbrötlerisch war, und dass der Vater dieser Familie zwei Kinder mit seiner Tochter bekam. So fällt dann auch das Urteil der Dorfbevölkerung über die Bluttat etwa so aus, dass man sagt, es habe die Richtigen getroffen, und diese seien gerechterweise vom Teufel geholt worden.

Andrea Maria Schenkel versteht es, die Spannung der Geschichte bis zum Ende aufrechtzuerhalten, indem sie das Verbrechen und jeden Schritt des Mörders schildert, ohne dessen Identität preiszugeben. Man weiß bis zum Schluss nicht, wer der Täter ist und vermutet zunächst, es handele sich um einen Landstreicher und Gelegenheitsarbeiter, der sich auf dem Hof versteckt, um das Bargeld zu stehlen, von welchem ihm der Bauer während eines Jobs selbst berichtet hat.

Weder die Autorin selbst, die als Kind in einem Mietshaus bei Regensburg von den Alten tagein, tagaus Geschichten hörte, die ihr die Kenntnis von den Menschen verschafften, die sie in ihrem Buch beschreibt, noch der Leser begreift letztlich, warum die beschriebene Gräueltat in dieser exzessiven Weise verübt wurde. Man kann lediglich vermuten, dass hier die abscheulichen Morde und Massaker Pate standen, die im gerade beendeten Zweiten Weltkrieg begangen wurden. Vielleicht trugen Kriegserlebnisse des Täters zu der unfassbaren Bluttat bei, aber dies bleibt lediglich Vermutung.

Fazit:
Die Autorin erörtert auf raffinierte Weise in ihrer Geschichte einen authentischen Fall, der sich im bayerischen Hinterkaifeck zutrug, sowie das Milieu, in dem sich der Fall ereignet hat. Die zuerst vermutete Idylle um die frommen und fleißigen Landbewohner im Bayern der Nachkriegszeit könnte kaum wirkungsvoller als Klischee entlarvt werden. Vielleicht erfährt der Zweite Weltkrieg mit seinen furchtbaren Schrecken in der beschriebenen Bluttat eine Art Fortsetzung, und dies auf genau dem fruchtbaren Boden, der schon Hitler und seine Schergen groß machte, dem Boden der Falschheit, des Neides, der Gewaltbereitschaft und der Gier. Das Buch Tannöd ist quasi ein Lehrstück über die Abgründe des ländlichen Kleinbürgertums in Deutschland und kann als solches jedem Leser empfohlen werden.

Die Autorin

Andrea Maria Schenkel ist 1962 in Regensburg geboren. Sie lebt heute abwechselnd in ihrem früheren Wohnort bei Regensburg und in einem Vorort von New York.

Sie stammt aus einer kleinbürgerlichen Familie und war jahrelang Hausfrau, Mutter und Ehefrau eines HNO-Arztes. War sie früher in ihrem Dorf die Frau des Doktors, so war er dann später der Mann der Schriftstellerin.

Tannöd war ihr Debütroman, mit dem sie sofort auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste landete. Für dieses Buch erhielt sie den Deutschen Krimi-Preis (2007), den Friedrich-Glauser-Preis (2007) und den Schwedischen Krimi-Preis Martin-Beck-Award.

Das Hörbuch zu Tannöd wurde 2007 mit dem Corine-Weltbild-Leserpreis prämiert. Das Buch verkaufte sich mehr als eine Million Mal und wurde in über 20 Sprachen übersetzt und verfilmt. Auch die weiteren Romane der Autorin erhielten Preise und verarbeiteten oft historische Kriminalfälle.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House GmbH.
  • Foto der Autorin. Copyright Andrea Maria Schenkel. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House GmbH.

(ww)