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Das Geheimnis des Medizinbeutels – Teil 3

Das Geheimnis des Medizinbeutels – Teil 3
Eine Erzählung von Fr. Daum
Um 1925 erschienen im Verlag von A. Anton & Co. in Leipzig

»Hallo! Die haben ihren Teil! Habt Dank, ihr Männer! Ohne eure Hilfe wäre es uns schwer geworden, uns unsere Skalpe zu erhalten«, sagte Mister Scott, der erleichtert aufatmete, als die Gefahr vorüber war.

»Nichts von Dank, Sir, wir taten nur unsere Pflicht, indem wir euch beistanden gegen diese mörderischen Unholde«, antwortete Doktor Allan und fetzte besorgt hinzu: »Wir wollen hoffen, dass Freund Rifle Ben ihren Tücken entgeht.«

»Um den listigen Alten brauchen Sie sich nicht zu ängstigen, Monsieur«, meinte Baptist, »der kennt die Schliche dieser roten Schufte und ist ihnen gefährlicher als sie ihm.«

»Er ist kühn, dieser Held im Lederkleid«, sagte der Gelehrte bewundernd. Da fiel sein Blick auf die neben der Deichsel liegende Gestalt.

»Hallo! Wen haben wir denn da?« Sich an den ruhig dabeistehenden Karl Martens gewandt fügte er hinzu: »Mir war doch, als hättest du vorhin geschossen. Hast du diesen Krieger getötet, Karl?«

»Ja, ich schoss ihn nieder, als er im Begriff war, in den Wagen zu dringen«, erklärte der Jüngling.

»Himmel! Das hätte ein fürchterliches Unglück geben können, wenn dem eingefleischten Teufel deine Kugel kein Ziel gesetzt hätte. Tausend Dank, mein Junge, du hast mein Weib und das Kind vor einem grässlichen Schicksal bewahrt«, sagte der Squatter bewegt und drückte Karl die Hand.

Aufgeregt traten alle hinzu und betrachteten den leblosen Körper des toten Wilden beim Schein eines brennenden Scheits. Man unterhielt sich noch einige Zeit über den glücklich abgewehrten Angriff, bis ein dumpfes Geräusch die Aufmerksamkeit der Kanadier erregte.

»Aufgepasst! Ich höre Pferdegetrappel! Wollen uns vorsehen!«, schrie Pierre Choteau. Alle stellten sich schussbereit auf. Ihre Besorgnis war überflüssig, denn gleich darauf vernahmen sie die Stimme des alten Trappers, der ihnen zurief, nicht zu schießen.

»So ist das Unternehmen des alten Fuchses also anscheinend geglückt«, rief Mister Scott aus und lief erfreut den Reitern entgegen. Gleich darauf stieg Rifle Ben von seinem Maultier und übergab dem überglücklichen Squatter die Zugpferde.

Den Dank des Mannes wies er kurz, aber nicht unfreundlich ab. »Lasst das,

Mister Scott, es ist jetzt keine Zeit für lange Reden. Spannt die Gäule an, damit wir so bald wie möglich von hier fortkommen. Wenn die Assiniboine ihre Mustangs nicht mehr vorfinden, werden sie in helle Wut geraten. In einem derartigen Zustand sind sie fähig, uns abermals anzugreifen. Wir müssen daher rasch aufbrechen, um irgendwo anders zu lagern. Vor morgen früh können sie unseren Spuren nicht folgen. Wie ich sehe, ist es euch geglückt, die Schreiteufel ohne Verluste zu verjagen.«

»Well! Wir sind alle heil geblieben, dank Eurem guten Rat. Dort liegt einer der Bösewichte, den der Junge da niedergeknallt hat, als er in den Wagen schleichen wollte«, erwiderte Mister Scott.

»Nun, dann ist einer weniger von diesem Gewürm. Hast gut hingehalten, Bursche, ein trefflicher Schuss«, lobte der Trapper, sich über den Getöteten beugend. Mit einem luftigen Lachen wandte sich Rifle Ben dann an den Gelehrten und sagte: »Nun, Doktor, da habt Ihr ja die schönste Gelegenheit, hinter die Geheimnisse eines Medizinbeutels zu kommen.«

»Alle Wetter, das ist auch wahr! Ich hatte es ganz vergessen in der Aufregung des Kampfes. Da will ich doch gleich …«, rief der junge Gelehrte aus, doch der Alte unterbrach ihn.

»Nichts da! Wir sind in Eile. Später mögt Ihr mit Ruhe an die Untersuchung gehen.«

»So nehmen wir den Toten mit!«, rief Doktor Allan.

»Fällt uns nicht ein. Wozu denn?«, meinte Rifle Ben.

»Ich wünschte Messungen an dem Körper zu machen und möchte vor allem den Medizinbeutel untersuchen«, bat der Forscher.

»Schneidet das Ding ab. Hier habt Ihr ihn«, rief Ben, nachdem er die Schnur durchgeschnitten hatte, mit der das Fellbeutelchen am Hals des Assiniboine befestigt war. Hocherfreut nahm Doktor Allan es in Empfang und verbarg es sorgfältig unter seinem Jagdrock. In diesem Augenblick schrie Misses Scott laut auf; »Hilfe! Ein fremder Indianer!« Sie hatte plötzlich den befreiten Piegan neben sich stehen sehen. Doch der Trapper beruhigte sie rasch und berichtete dann kurz seine Erlebnisse. Auch der gefangene Assiniboine, der inzwischen aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, erregte die Aufmerksamkeit der im Lager zurückgebliebenen. Als James Allan den Wunsch ausdrückte, auch den Medizinbeutel des Gefangenen zu unterjochen, wies ihn der erfahrene Prärieläufer kurz ab.

»Unterlasst das, Sir. Der Mann lebt noch. Würdet Ihr ihn seinen religiösen Anschauungen zufolge vernichten und erlangte er durch irgendeinen Umstand die Freiheit, so gäbe ich keine Pfeife schlechten Tabak für Euer Leben. Ihr kennt die Rachsucht der Rothäute nicht, Sir, ich warne Euch!«

Doktor Allan befolgte den Rat des klugen Westmannes, so schwer es ihm auch fiel, und der alte Trapper, dem die Anwesenden stillschweigend das Amt des Führers überließen, drängte nun zum Aufbruch. Die Pferde wurden vor den Wagen gespannt und man verließ den Ort, der noch vor Kurzem der Schauplatz einer wilden Kampfszene gewesen war. Dankbar und hocherfreut schwang der Squatter die Peitsche und trieb seine wiedererlangten Pferde an.

Als die ersten Sonnenstrahlen mit ihrem belebenden Schein die weite, hügelige Prärie erhellten, gab der Trapper das Zeichen zum Halten. Ein liebliches Fleckchen Erde lud die Präriewanderer zur Rast nach dem schnellen ermüdenden Marsch ein. Am Fuße eines bebuschten Hügels, in der Nähe eines leise raunenden Wasserlaufs wurde das Lager errichtet. Bald loderte ein helles Feuer auf, an dem die geschäftige Squatterfrau in aller Eile Kaffee kochte. Während dann die angeregt plaudernden Männer den belebenden Trank schlürften, richtete die Frau ein Mahl an, dem die Hungrigen alle Ehre antaten.

James Allan war zuerst gesättigt. Er konnte die Zeit nicht erwarten, wo er den Inhalt des Medizinbeutels kennenlernen sollte. Die hartnäckige Weigerung aller Indianer, die er um Aufschluss darüber gebeten hatte, hatten seinen Wissensdurst aufs Äußerste gereizt.

Doktor Allan saß auf einem umgestülpten Eimer und betrachtete den Beutel von allen Seiten. Er war aus dem sorgfältig gegerbten Rückenfell eines Marders, an dem noch der Schwanz hing, und mit bunten Federn sowie glänzenden Uniformknöpfen geziert. Den Verschluss bildete eine feine Tiersehne, die, ähnlich wie der Riemen eines Tabakbeutels, durch Löcher, die sich am Rand des Felles befanden, gezogen war und mit welcher der Beutel dann zusammengeschnürt war.

Mit vieler Mühe knüpfte James Allan die geschmeidige Sehne auf, und nun lag der geheimnisvolle Inhalt des Medizinbeutels enthüllt vor den Augen des jungen Forschers. Verblüfft und enttäuscht sah er auf das absonderliche Sammelsurium hernieder, das er da auf seinen Knien hielt. Er hatte erwartet, irgendeinen Gegenstand zu finden, der, womöglich mit geheimnisvollen Zeichen versehen, in Beziehung zu der Religion der Indianer stand. Stattdessen enthielt der Beutel nur allerlei Zeug, das lächerlich wirkte. Das vergnügte Schmunzeln des alten Prärieläufers entging ihm nicht. Doktor Allan begann nun, die einzelnen Gegenstände zu betrachten. Da gab es einen gedörrten Eidechsenkopf, die Zähne einer Bisamratte, den Zapfen einer Blaufichte. Neben dem Fußknochen eines Truthahnes lagen der abgebrochene Knopf einer Teebüchse aus Porzellan und ein paar Lockenwickler, die wohl eine Offiziersfrau in irgendeinem Fort auf den Kehricht geworfen hatte. Der junge Forscher lachte hell auf, als er ein geschnitztes Holzschäfchen in die Hand nahm, das sicher aus einer Spielzeugschachtel stammte. Die Stanniolkapsel einer Sektflasche war sorgfältig zusammengedrückt, doch ohne das eingepresste Bild eines Adlers zu beschädigen. Ferner befanden sich noch seltsam zusammengeschrumpfte Klümpchen in dem Beutel, denen man beim besten Willen nicht ansehen konnte, dass es getrocknete Vogellebern und Tierherzen waren.

»Himmel! Was für einen Krimskrams schleppt doch solch eine Rothaut in seinem, dem Großen Geheimnis geweihten Beutel mit herum«, entfuhr es dem Mund des enttäuschten Forschers.

»Vergesst nicht, Doktor, dass die Indianer jeden Gegenstand, der ihnen absonderlich vorkommt, als Medizin betrachten und pflegen und in Verbindung mit ihrer Gottheit bringen«, belehrte ihn der Trapper.

»Na ja, aber dieses sinnlose Zeug da! … Wie das Schäfchen mit den drei Beinen religiöse Empfindungen erwecken kann, ist mir rätselhaft«, sagte Allan abwertend.

»Ihr müsst Euch in die Anschauungsweise eines Indianers hineinversetzen, um sein Tun zu verstehen. Er glaubt von allen außergewöhnlichen Dingen, die sein Auge anziehen, dass sie ihm von dem Großen Geheimnis absichtlich in den Weg gelegt worden sind und eine Bedeutung haben. Nehmen wir einmal das praktische Beispiel an, der Assiniboine fand das Holzschäfchen da und betrachtete das winzige Spielzeug aufmerksam. Er hält den Fund für einen geheimnisvollen Wink seinem Manitu und glaubt daraus schließen zu müssen, dass er beim Schafestehlen Glück haben werde. Gesetzt den Fall, es gelingt ihm wirklich, ein Schaf zu stehlen, so bin ich überzeugt, er schreibt es nur dem Fund zu, der ihm nun gute Medizin ist und den er sorgfältig in seinem Heiligtum bewahrt. Ich sage, so kann es gewesen sein. Es ist ja nur ein Beispiel«, erklärte der Alte.

»Hm, das ist sehr interessant, aber was kann ihm dieser Fetzen einer alten Zeitung bedeuten, oder gar der Zettel hier, der wohl aus einem Taschentuch herausgerissen ist … ah … es befindet sich sogar eine Notiz darauf. Ich bin doch neugierig, was da steht. Der Zettel ist noch neu und hat sicher noch nicht lange in diesem übel riechenden Behälter gesteckt«, sagte James und begann zu lesen. Während er las, machte sich eine bedeutsame Veränderung in seinem Gesichtsausdruck bemerkbar. Was da auf dem Zettel stand, musste ihn ungemein fesseln und erregen. Als er zu Ende gelesen hatte, warf er einen raschen, forschenden Blick auf den ruhig auf dem Rasen sitzenden Karl Martens. Dann las er den Zettel zum zweiten Mal. Plötzlich sprang er erregt auf und rief den Trapper zu: «Da, lest einmal den Zettel, alter Ben!«

Eine Antwort auf Das Geheimnis des Medizinbeutels – Teil 3