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Curumilla – Zweites Buch, Kapitel 8

Gustave Aimard
Curumilla
Zweites Buch
Eine Abenteuergeschichte aus dem Jahr 1861
Kapitel 8 – Vor der Schlacht

Sobald man auf die Entfernung eines Kanonenschusses von der Hacienda gekommen war, gebot der Graf Halt!

»De Laville,« redete er den Capitain an, der an seiner Seite marschierte, »dringen Sie vor und besetzen Sie die Hacienda del Milagro militärisch. Wir wollen unser Hauptquartier dort aufschlagen.«

»Wozu solche Vorsichtsmaßregeln?«, fragte Belhumeur, »schenken Sie meinen Worten keinen Glauben? Don Rafaël und die Seinen werden sich freuen, Sie zu sehen und Sie mit offenen Armen empfangen.«

Der Graf lächelte und neigte sich zu dem Kanadier. »Lieber Freund«, flüsterte er ihm ins Ohr, »Sie sind ein Kind und wollen mich nicht verstehen. Ich treffe die Anweisungen, welche Sie betrüben, nicht in unserem, sondern im Interesse unserer Freunde. Gesetzt den Fall, wir würden durch die Mexikaner geschlagen, was leider keineswegs unmöglich ist, was wird dann geschehen? Don Rafaël wird unbedingt für die Teilnahme büßen müssen, die er uns erweist. Vermittelst meiner Anordnungen aber weicht er nur der Übermacht, und es wird den mexikanischen Behörden, so gern sie es möchten, unmöglich sein, ihn wegen des Schutzes, den er uns gewährt hat, zur Rechenschaft zu ziehen.«

»Das ist wahr«, rief der Kanadier aus, dem die Richtigkeit der Bemerkung des Grafen einleuchtete.

»Um aber jedem Missverständnis vorzubeugen«, fuhr der Graf fort, »bitte ich Sie, den Capitain zu begleiten. Und während er laut seine Befehle erteilt, werden Sie unseren Freunden insgeheim meine Absicht erklären.«

Fünf Minuten später sprengte der kleine Trupp im Galopp davon, während die übrige Kolonne langsam nachrückte.

Es geschah genau, wie es der Graf angeordnet hatte. Don Rafaël, welchen Belhumeur gebührend unterrichtet hatte, protestierte laut gegen die gewaltsame Besetzung seiner Hacienda und fügte sich scheinbar nur der Übermacht. Die Besitzung wurde vollständig okkupiert, und Don Rafaël stieg mit etlichen Dienern aufs Pferd, um der nachrückenden Kolonne entgegenzureiten.

Diese machte, dem Befehl des Grafen gemäß, nicht in der Hacienda Halt, sondern rückte weiter und schlug ihr Lager erst zwei Stunden vor Hermosillo auf.

Der Graf und Don Rafaël begegneten sich nicht als Fremde, sondern wie alte Freunde, die herzlich erfreut sind, sich zu treffen, und traten, vertraulich miteinander flüsternd in die Hacienda.

Der Graf schickte, ehe er vom Pferd stieg, Kuriere und Kundschafter in alle Richtungen aus, um sichere Nachricht von der Stellung des Feindes zu erlangen. Er behielt nur acht Reiter bei sich und schickte die Übrigen zum Lager, worauf er in die Hacienda trat.

Don Ramon, der Vater Don Rafaëls und Dona Luz, die liebenswürdige Frau, erwarteten die Ankunft der Franzosen, umgeben von ihren Dienern, an der Tür der Hacienda.

»Seien Sie willkommen, der Sie für die Befreiung Sonoras kämpfen«, sagte der General Don Ramon, indem er dem Grafen die Hand reichte.

Letzterer sprang vom Pferd.

»Gebe Gott, dass ich so glücklich sei, wie Sie es waren, General«, antwortete er mit einer Verbeugung.

Hierauf wandte er sich zu Dona Luz und sagte: »Verzeihen Sie mir, gnädige Frau, dass ich Sie in ihrer friedlichen Häuslichkeit störe. Sie haben meine Unbescheidenheit aber einzig und allein Ihrem Herrn Gemahl zu verdanken.«

»Entschuldigen Sie sich nicht, Señor Condé«, erwiderte sie lächelnd, »das Haus mit allem, was es enthält, steht zu Ihrer Verfügung. Wir sahen Sie mit Freuden kommen und werden Sie mit Bedauern gehen sehen.«

Der Graf bot Dona Luz den Arm, worauf beide in die Hacienda traten. Der Graf war besorgt und ließ seine Blicke unruhig umherschweifen.

»Geduld!«, sagte Don Rafaël mit bedeutsamem Blick zu seinem Gast, »bald werden Sie sie sehen. Es wäre unvorsichtig gewesen, wenn Sie sich eher hätte vor Ihnen blicken lassen, wir haben sie daran gehindert.«

»Ich danke Ihnen«, sagte der Graf, dessen düstere Miene sich aufgeheitert hatte.

Das Wiedersehen der Liebenden war, wie zu erwarten stand, ein zwar ruhiges, aber herzliches und tief empfundenes.

»Bald werden Ihre Sorgen überstanden sein«, sagte Dona Luz, »und Sie werden sich dem leidenschaftlichen Drang Ihres Herzens rückhaltlos überlassen können.«

»Ja«, antwortete der Graf nachdenklich, »der morgige Tag wird wahrscheinlich über mein und meiner Geliebten Schicksal entscheiden.«

»Was wollen Sie damit sagen?«, rief Don Rafaël aus.

Der Graf blickte mit einem besorgten Blick um sich. Da er aber sah, dass die, welche ihn umgaben, seine aufrichtigen Freunde waren, und er reden konnte, sagte er: »Morgen werde ich Hermosillo angreifen und entweder siegen oder tot auf dem Schlachtfeld bleiben?«

Die Anwesenden sahen ihn bestürzt an.

Don Rafaël winkte dem schwarzen Hirsch, sich vor die Tür zu stellen, um jede Störung zu verhüten, und wandte sich dann an den Grafen mit der Frage: »Ist das wirklich Ihre Absicht?«

»Würde ich sonst hier sein?«, entgegnete er einfach.

»Aber«, fuhr Don Rafaël dringender fort, »Hermosillo ist eine mit festen Mauern umgebene Stadt.«

»Ich werde sie zerstören.«

»Es befindet sich eine Garnison von zwölfhundert Mann in der Stadt.«

»So?«, antwortete er gleichgültig.

»Die Bürgerwehr wird seit zwei Monaten täglich ausgebildet.«

»Die Bürgerwehr«, antwortete er in verächtlichem Tone, »ist sie wenigstens zahlreich?«

»Sie ist ungefähr dreitausend Mann stark.«

»Das lässt sich hören.«

»Der General Guerrero, der endlich gemerkt hat, dass er überlistet worden war, hält die Stadt mit sechstausend Indianern besetzt und erwartet weitere Verstärkungen.«

»Gerade deshalb muss ich meinen Angriff sofort unternehmen, lieber Freund. Ihrer Berechnung nach stehen mir bereits elftausend Mann hinter dem Schutz fester Mauern entgegen. Je länger ich zögere, desto größer wird die Zahl meiner Feinde. Und wenn ich nicht auf meiner Hut bin,« fügte er lachend hinzu, »wächst die Armee zu einer solchen Größe, dass es unmöglich sein wird, sie zu vernichten.«

»Ist es Ihnen denn auch bekannt, mein Freund, dass Hermosillo von sumpfigen Feldern umgeben ist, die es fast unmöglich machen, dicht heranzukommen?«

»Ich denke auch durch die Tore einzuziehen, bester Freund, das glauben Sie gewiss.«

Die Anwesenden blickten den Grafen mit einem Erstaunen an, das an Schrecken grenzte. Sie sahen sich einander fragend an und waren zweifelhaft, ob nicht ein Verrückter vor ihnen säße.

»Verzeihung, lieber Freund«, fuhr Don Rafaël fort, »haben Sie nicht gesagt, dass Sie Ihren Angriff morgen zu unternehmen gedenken?«

»Allerdings.«

»Aber, wenn Ihre Mannschaft nicht eingetroffen ist?«

»Wie! Meine Leute sind doch da! Vor kaum einer Stunde zogen sie ja an der Hacienda vorüber. Haben Sie sie nicht gesehen?«

»Ja, ich habe allerdings eine kleine Truppe vorbei defilieren sehen und vermute, dass es Ihr Vortrab war.«

»Mein Vortrab!«, rief der Graf lachend aus. »Nein, lieber Freund, jene kleine Truppe ist meine ganze Armee.«

Don Rafaël, Don Ramon und die übrigen Männer der Gesellschaft wussten gewiss, was Mut heißt, denn sie hatten unzählige Male wahre Titanenkämpfe mit einem zehn Mal überlegenem Feind bestanden und Beweise der größten Tollkühnheit und Verwegenheit gegeben. Aber der Einfall des Grafen, mit einer Handvoll Leute eine Stadt erobern zu wollen, welche von elftausend Mann verteidigt wurde, kann ihnen so unerhört unglaublich vor, dass sie eine Weile stumm und mit starren Blicken dasaßen und nicht wussten, ob sie wachten oder träumten.

»Sagen Sie mir doch, bester Freund«, rief Don Rafaël endlich aus, nachdem er alle seine Einwendungen erschöpft hatte, »wie viel Mann können Sie denn ins Feld führen?«

»Nicht viel, das ist wahr«, sagte der Graf lächelnd. »Ich habe etliche Kranke, doch kann ich über 250 Mann verfügen, und hoffe, dass es genug sein wird.«

»Ja«, rief Dona Angela begeistert aus, »das wird gewiss genug sein, denn es gilt einer heiligen Sache und Gott wird Euch beistehen.«

»Don Rafaël«, fügte der Graf gutmütig hinzu, »haben Sie je von der furia francese reden hören?«

»Ja, gestehe aber, dass ich keinen klaren Begriff habe, was das Wort bedeutet.«

»Nun,« versetzte jener, »so warten Sie bis morgen. Wenn Sie gesehen haben werden, wie die gewaltige Armee vernichtet, verstreut und wie herbstliches Laub auseinander gestoben sein wird, und dem Fall von Hermosillo beigewohnt haben, werden Sie wissen, was die furia francese ist, und die unzähligen Heldentaten begreifen, welche die Geschichte aufbewahrt, und die fast spielend durch die Franzosen vollbracht werden.«

Hier endete die Unterhaltung, und man begab sich in den Speisesaal, wo der Graf die Erfrischungen fand, deren er so dringend bedurfte.

Nach aufgehobener Tafel bat der Graf um die Erlaubnis, sich auf sein Zimmer zurückziehen zu können, und bat den Pater Seraphin, ihn zu begleiten.

Beide blieben lange Zeit miteinander eingeschlossen und flüsterten zusammen.

Als der Missionar herauskam, waren seine Augen von Tränen gerötet, deren Spuren auch auf seinen bleichen Wangen zu erkennen waren.

Der Graf drückte ihm die Hand.

»Also«, sagte er zu ihm, »für den Fall eines Unglückes …«

»Werde ich da sein, Graf, verlassen Sie sich auf mich.«

Mit diesen Worten entfernte sich Pater Seraphin langsamen Schrittes. Der Graf nahm am Abend bis tief in die Nacht hinein die Berichte seiner Kundschafter entgegen. Die Nachrichten derselben stimmten vollkommen mit den Angaben Don Rafaëls überein.«

Der General Guerrero war nach Hermosillo geeilt, wo er sich gut verschanzt hatte.

Valentin und Curumilla erschienen zuletzt. Sie brachten keine böse Kunde.

Valentin hatte auf den Rat Curumillas hin mit einer Anzahl Fourrageure den Weg nach Guaymas eingeschlagen und einen Transport Lebensmittel und Munition erbeutet, der für die Mexikaner bestimmt war.

Der Jäger hatte dafür gesorgt, dass der ziemlich ansehnliche Zug zum Lager gebracht wurde, wo ihn die Franzosen mit Freuden aufnahmen, denn ihre Vorräte waren, wie bereits gesagt, vollständig erschöpft.

Der Capitain de Laville hatte seinerseits vier bis fünf feindliche Patrouillen eingefangen, die sich unbesonnenerweise zu weit vorgewagt hatten.

Der Graf schickte Curumilla mit dem Befehl an den Capitain ab, die Dunkelheit der mondleeren Nacht zu benutzen, um vorzurücken und die Vorposten bis auf eine anderthalbfache Kanonenschussweite von der Stadt aufzustellen.

Als er sich mit Valentin allein sah, breitete er einen Plan von Hermosillo auf dem Tisch aus, und beide begannen diesen emsig zu studieren.

Wir haben Hermosillo schon öfters beschrieben und begnügen uns daher damit, zu bemerken, dass das Sumpfland, welches die Stadt umgab, von Mauern eingefasst ist, hinter welchen man leicht Tirailleure aufstellen kann, welchen das Terrain gestattet, sich von Posten zu Posten kämpfend zurückzuziehen, ohne den Schutz der Mauern zu verlassen, die ungefähr zwei Ellen dick und aus gestampfter Erde errichtet sind.

Außerdem bildete von der Seite, von welcher der Graf anrückte, ein tiefer Graben, der nur durch eine Brücke zu überschreiten war, die wahrscheinlich von einer starken Wache besetzt gehalten wurde, einen fast unübersteigbaren Gürtel um die Stadt.

Wie man aus dem Gesagten sieht, ist Hermosillo keineswegs eine offene Stadt, die man im Nu überrumpeln kann. Wenn es dem Grafen von Prèbois-Crancé gelang, sie mit zweihundertfünfzig Mann zu erstürmen, so konnte er sich mit Recht rühmen, eine der glänzendsten Kriegstaten der Neuzeit vollbracht zu haben.

Nach der Aussage der Kundschafter legte der General Guerrero und die unter seinem Befehl stehenden mexikanischen Offiziere die tiefste Verachtung gegen die zerlumpten Franzosen, wie sie ihre Feinde nannten, an den Tag und nahmen sich vor, ihnen eine so derbe Lehre zu geben, dass es ihnen nicht so bald einfallen sollte, von Neuem anzufangen.

Curumilla hatte indessen dem Grafen eine Nachricht hinterbracht, die ihn mit Hoffnung erfüllte. Obwohl der General Guerrero die gewaltigsten Befehle gegen die französische Compagnie ergriffen hatte, war er doch durch die plötzliche Nachricht ihres Vorrückens auf Hermosillo und der verwegenen Art, wie seine Vorposten umgangen worden waren, dermaßen überrascht, dass er in seiner Eile, der bedrohten Stadt zu Hilfe zu kommen, gezwungen gewesen, den größten Teil seiner Mannschaft zurückzulassen und in der Tat nur zwölf bis fünfzehnhundert Mann Besatzung in der Stadt hatte. Es war freilich immer noch eine ganz ansehnliche Macht, erreichte aber bei Weitem nicht die Zahl, welche man gefürchtet hatte, vorzufinden.

Curumilla hatte sich ganz friedlich in die Stadt begeben, was ihm in seiner Eigenschaft als Indianer gelungen war, und er hatte alles gesehen und beobachtet.

Der araukanische Häuptling brachte Don Louis diese Nachricht, als er kam, um ihn wegen der Vollziehung der Befehle Bericht zu erstatten, die er dem Capitain de Laville zu überbringen hatte.

Der Graf und der Jäger rieben sich vergnügt die Hände und eilten, ihre letzten Vorbereitungen zu beenden. Unter den Hacienderos, welche der Konferenz in la Magdalena beiwohnten, befand sich einer, der in den Pueblos ein großes Ansehen genoss. Er hatte dem Grafen im Namen seiner Landsleute die Versicherung gegeben, dass, sobald sich eine wichtige Stadt in den Händen der Franzosen befinde, das Zeichen zum Aufstand gegeben sei und das Volk binnen wenigen Tagen bereit sein werde, einen entscheidenden Gegenstreich zu führen.

Don Louis wollte in der Voraussicht seines Sieges keinen Augenblick verlieren, sondern schrieb ihn, um ihm die Einnahme Hermosillos zu melden, und ihn an sein Versprechen, ihm beizustehen, und den Aufstand im Volk zu proklamieren, zu mahnen.

Wir erwähnen diesen Umstand, um zu beweisen, wie überzeugt der Graf von seinem Sieg war, und wie klug er mit der Voraussicht, die nur genialen Naturen eigen ist, alles vorher bedachte.

Nachdem der Brief geschrieben und einige letzte Vorbereitungen beendet waren, verließen der Graf und Valentin das Zimmer.

Es war ungefähr zwei Uhr morgens. Der Himmel war finster, und von der Wüste her blies ein warmer Wind und beugte die belaubten Gipfel der Bäume.

Die beiden Milchbrüder stiegen in den Patio hinunter. Sämtliche Bewohner der Hacienda waren dort versammelt, um den Grafen vor seiner Abreise zu begrüßen.

Dona Angela glich in ihrem weißen Gewand, mit dem aufgelösten Haar, den bleichen Zügen und den tränenfeuchten Augen, beim düsteren Schein der Fackeln, welche die Peonen in den Händen trugen, einer Geistererscheinung.

Das Gefolge saß im Sattel und wartete unbeweglich, Curumilla führte die Pferde der beiden Franzosen am Zügel.

Als sie kamen, entblößten alle ihr Haupt und grüßten sie mit tiefer, ehrerbietiger Verneigung.

»Auf Wiedersehen, Don Louis«, sagte Don Rafaël. »Möge Ihnen Gott den Sieg verleihen!«

»Gott gebe Ihnen Gelingen«, fügte Don Ramon hinzu, »denn Sie kämpfen für die Unabhängigkeit des Volkes.«

»Gewiss sind nie brünstigere Gebete zum Himmel gesendet worden, als die wir für Sie, edler Don Louis, zu Gott schicken werden«, sagte Dona Luz.

Der Graf fühlte sich beklommen.

»Ich danke Ihnen allen«, sagte er in bewegtem Ton. »Ihre Teilnahme tut mir wohl, denn sie beweist mir, dass einige von den Sonoranern das große Ziel begreifen, welches ich mir gesteckt habe. Nochmals danke.«

Dona Angela trat zu dem Grafen. »Don Louis«, sagte sie, »ich liebe dich. Tue deine Pflicht.«

Der Graf neigte sich zu ihr und drückte einen Kuss auf ihre bleiche Stirn. »Dona Angela, meine Braut«, sprach er mit unaussprechlich zärtlichem Ausdruck. »Du siehst mich nur als Sieger oder tot wieder.«

Er schickte sich an aufzubrechen. In dem Augenblick gesellte sich Pater Seraphin zu ihm.

»Wie?«, fragte er verwundert, »wollen Sie mich begleiten, mein Vater?«

»Herr Graf«, antwortete der Missionar mit der engelhaften Demut, die den Grundzug seines Charakters bildete. »Ich folge meiner Pflicht und gehe dahin, wo es Traurige zu trösten und Unglückliche zu unterstützen gibt. Erlauben Sie mir, Ihnen zu folgen.«

Louis drückte ihm stillschweigend die Hand, und nachdem er den Freunden, die er vielleicht nicht wiedersehen sollte, ein letztes Lebewohl zugewinkt hatte, gab er das Zeichen zum Aufbruch, worauf sich der Zug in Bewegung setzte und bald im Dunkel der Nacht verschwunden war.

Dona Angela blieb starr und regungslos auf der Schwelle der Tür stehen, solange sie noch den Hufschlag der Pferde vernehmen konnte. Als endlich jeder Laut erstorben war, entrang sich ein herzzerreißender Seufzer ihrer Brust.

»Mein Gott! Mein Gott!«, rief sie mit gen Himmel erhobenen Händen verzweiflungsvoll aus.

Sie stürzte hierauf rücklings zu Boden.

Sie war ohnmächtig.

Dona Luz und Don Rafaël eilten herbei, ihr beizustehen, trugen sie in die Hacienda und widmeten ihr die liebevollste Pflege.

Belhumeur schüttelte wiederholt mit dem Kopf und war im Begriff, die Tore der Hacienda zu schließen.

Plötzlich sagte eine Stimme neben ihm: »Noch nicht, lasst uns erst hinaus.«

«Was!«, fragte er, »wo wollt Ihr denn jetzt hin, schwarzer Hirsch?«

»Ich bin eben auch so zusagen ein Franzose«, sagte der Jäger, »da ich ein Kanadier bin, und ich will meinen Landsleuten ein wenig helfen.«

»Wahrhaftig!«, rief Belhumeur, von den Worten überrascht aus, »das ist ein guter Einfall! Ihr sollt aber bei Gott nicht allein gehen – ich gehe mit!«

»Desto besser, so sind wir zu dritt.«

»Wie so zu dritt, wer kommt denn noch?«

»Wer anders als Adlerkopf? Der Häuptling sagt, dass Feinde seines Volkes in der Stadt wären, und will sich mit ihnen messen.«

»Auf, denn! Der Graf wird jedenfalls nicht böse sein, drei solche Kämpfer wie wir bei seiner Truppe zu haben.«

»Das versteht sich«, rief Belhumeur aus.

»Man muss doch trotz allem gestehen«, bemerkte der schwarze Hirsch, »dass der Graf ein ganzer Kerl ist! Ihr versteht Euch doch auch darauf, habe ich nicht recht?«

»Sehr richtig!«, antwortete der Kanadier lakonisch.

Die drei beherzten Jäger schwangen sich, ohne weitere Bemerkungen, in den Sattel und eilten dem Grafen nach.