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Hessische Sagen 9

Der Schlapper

In einem sehr alten Haus zu Erbach wohnte früher ein Geist, welcher Schlapper genannt wurde. Er schlappte geräuschvoll die Treppen auf und ab und klapperte an den Türklinken. Er hat sich nie in menschlicher Gestalt gezeigt, wohl aber haben ihn die Hausbewohner zu wiederholten Malen nachts in der Küche alles durcheinander werfen hören, obgleich man morgens nichts außer seinem Platz fand und in der Gestalt eines schwarzen Katers Waschschüsseln aussaufen sehen. Ein junger Arzt, der in dem Haus wohnte und einen Fremden bei sich hatte, wachte nachts darüber auf, als ihn dieser mehrmals beim Namen rief. Als er ihn fragte, was er wolle, antwortete der, ob er denn noch nicht bald fertig mit dem Anziehen sei.

»Ich bin ja noch nicht aus dem Bett gekommen«, erwiderte der Arzt.

Da erzählte ihm der Fremde, dass seit einer halben Stunde eine Gestalt, die er für seinen Freund gehalten hatte, geräuschvoll in dem Zimmer auf und ab gegangen sei, sodass er nicht anderes geglaubt habe, als dass er zu einem Kranken verlangt werde und sich im Auf und Abgehen anziehe. Als er seinen Freund beim Namen gerufen habe und der aufgewacht sei, wäre die Gestalt augenblicklich verschwunden.


Der Schlurcher

In dem nicht weit von Erbach gelegenen Roschgacher Hof hatte sich ein Hausgeist, welcher Schlurcher genannt wurde, so eingenistet, dass die Leute im Haus, denen er bei allen Arbeiten mit ungeheuerer Behändigkeit half, ganz an ihn gewöhnt waren und auf seine Erscheinung nicht mehr sonderlich achtgaben. Der Schlurcher trug eine graue, durch einen Strick zusammengehaltene Kutte und ein Paar Holzschuhe, in denen er geräuschvoll die Treppen hinauf und hinunter schlappte oder schlurchte, wie die Bauern sich ausdrückten. Es geschah mehrmals, dass die Knechte abends beim Kartenspiel saßen und einer von ihnen sagte: »Wie wär’s, wenn jetzt der Schlurcher käm?« Da saß der Genannte auch gleich mitten unter ihnen und wollte mitspielen. Dann standen die Knechte ruhig auf und ließen ihn sitzen, was ihn nicht wenig ärgerte.

Eines Abends saß ein fremder Bauer allein in der Stube und trank einen Schoppen Wein, da kam der Schlurcher die Bodentreppe herunter in das Zimmer, steckte sich am Ofen seine Pfeife an und setzte sich so recht behaglich dem Fremden gegenüber an den Tisch, der nicht recht wusste, was er aus dem sonderbaren Gast machen solle. Der alte Pächter aber, der in der Kammer neben dem Zimmer im Bett lag und von dort aus Schlurchers Unverschämtheit bemerkte, rief mit drohendem Ton: »Ah! Du glaubst, es sieht dich niemand, well du dich so breit machst, alter Kerl! Aber marsch hinaus, sonst komm’ ich dir!«

Da erschrak der arme Schlurcher sehr und klapperte schleunigst die Bodentreppe wieder hinauf.


Des Albs Gestank

Die mephitischen Dünste, welche man bei schwefligen Gewässern oder faulen Sümpfen findet, rühren von dem Alb her. Sonst sagte man in der Dreieich, wenn man deren wahrnahm: »Der Alb feist also.«


Der Schlosskeller auf dem Tannenberg

Ein Schäfer trieb eine kleine Herde eines Tags bis in die Nähe der Ruine und setzte sich, vom Steigen ermüdet, auf einige Steine, welche aus Moos und Erde hervorblickten. Da hörte er plötzlich hinter sich seinen Namen rufen. Als er sich umschaute, erblickte er ein altes graues Männchen, welches aus einer weit geöffneten Kellertür trat.

»Willst du nicht den Wein versuchen, der im Keller liegt?«, fragte das Männchen.

Der Schäfer war nicht unzufrieden damit, da die Sonne gerade recht heiß brannte und ihm die Zunge am Gaumen klebte. Er folgte dem Männchen, wenn auch mit einigem Grauen. Da kam er denn in einen ungeheuren Keller mit hohen Gewölben. Zu beiden Seiten lagen Fässer, deren Dauben längst abgefault waren. Der Wein lag nämlich »in seiner eigenen Haut.« Das Männchen schritt von Fass zu Fass und füllte ihm aus jedem einen hohen Becher. Und der Schäfer trank und trank, bis er nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Was da weiter mit ihm vorgegangen, wusste er nicht. Als er aber aus seinem Rausch erwachte, fand er sich auf seinen Steinen wieder und die Sonne tief am Himmel, dem Untergang nahe. Seitdem mied er die Ruinen und hat den Ort nie wieder betreten wollen.

Dass es in den Ruinen »webbert«, weiß heute noch jedermann in der Gegend. Bis in die letzten Jahre hat man oft in denselben gegen Mittag ein weißes Schäfchen gesehen. Andere wollen einem großen schwarzen Hund dort begegnet sein.


Die Hollen

Die Hollen waren kleine Berggeister, welche vor Zeiten hauptsächlich in dem Klugstein, dem weißen Berg gegenüber unweit Obernburg ihre Wohnsitze hatten. Sie entfernten sich erst von dort, als die Gegend sich mehr und mehr bevölkerte und sie durch den Bergbau in ihren friedlichen Wohnungen gestört wurden. Böse Menschen hatten viel von ihnen zu leiden, gegen gute aber bewiesen sie sich wohltätig und gefällig. Die Spinnerinnen hatten sich stets zu beeilen, ihren Rocken abzuspinnen, sonst kamen die Hollen hinein und verwuschelten alles.

Wenn man an manchen Tagen an dem Weißenberg vorbeiging, konnte man an den Felsenritzen den Dampf von ihren Pfannenkuchen riechen.


Das Wildefrauenhäuschen

In der Nähe des Buchteichs zwischen Lützelbach und Neunkirchen liegt das Wildefrauenhäuschen, eine Höhle unter einem großen, weithin sichtbaren Felsen. Da wohnten noch bis vor nicht langer Zeit zwei wilde Menschen, ein Mann und ein Weib, die viele Leute kuriert haben.

Als einmal der Mann gefangen wurde, rief ihm das Weib nach: »Sag alles, sag alles, nur nicht, wozu die wilden Selben gut sind.«


Der wilden Frau Gestühl auf dem Hohenberg

Im Wald auf dem Hohenberg bei Dauernheim ist ›der wilden Frau Gestühl‹. Man nennt so eine auf der östlichen Bergseite befindliche Stelle mit einem hervorstehenden Felsblock, an welche sich mehrere abwärts umherliegende kleinere Steine ungefähr in einer Rundung anschließen. Jenes große Felsstück hat auf der oberen Fläche drei Vertiefungen zu drei Sitzen für drei Menschen und neben jedem dieser Sitze bemerkt man Eindrücke von den Ballen der Hände, dann unten an dem Felsstück Eindrücke, welche so aussehen, als ob sie von Fersen herrührten. Die kleinen Steine scheinen ebenfalls zu Sitzen gedient zu haben und heißen der Feuerherd. Die Leute sagen, mitten in der Rundung zwischen den kleineren Steinen und dem großen Felsstück habe früher ein steinerner, aus einem Stück bestehender Tisch gestanden, welcher aber schon vor langer Zeit nach Bingenheim unter die Linden vor dem Rathaus gebracht worden sei, wo man um ihn unter freiem Himmel Gericht gehalten habe. Von der wilden Frau Gestühl geht die Sage, es gewagt und es habe ihn seine Angst davon abgehalten. Der Gesang habe übrigens in seiner Nähe fortgedauert, bis er jenseits der Bruchbrücke gekommen sei. Da habe er ihn nicht mehr gehört.